CDU-Bundesvorstand

Die konservative Frauenbewegung

Der neue Vorstand der CDU ist weiblicher und jünger als je zuvor. Die CDU-Politikerinnen wollen die Partei weiter modernisieren und sind schon jetzt ein Machtfaktor.
Michael Bröcker
18.01.2021
© Tanja Andrys/Karsten Klama/ThePioneer
© Tanja Andrys/Karsten Klama/ThePioneer

“Ein Wort zu den Frauen.” Als Friedrich Merz bei seiner Kandidatenrede gleich von den sozial Schwachen zu den Frauen überleitete, und dann seine Töchter anführte, um zu belegen, dass er doch keine Probleme mit Frauen habe, glühten die sozialen Netzwerke.

Wer die Frau vor allem als Mutter und Tochter sehe, zeige ja gerade, dass es mit dem modernen Frauenbild nicht weit her sei, hieß es spöttisch in zahlreichen Kommentaren. Kein Wort in der Rede zu konkreten Ideen für eine Gleichstellungspolitik, kein Wort zu den Lohnunterschieden oder eine Initiative für bessere Rahmenbedingungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte kommentierte die Merz-Passage bei Twitter so:

Hätte ich dies gesagt, würde meine Tochter gegen mich kandidieren.

Und die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch analysierte anschließend nüchtern:

”Ich denke, dass auch diesmal der Anteil der Frauen, die für Merz gestimmt haben, unterdurchschnittlich war."

Merz fehlten 55 Stimmen. Es dürften die Frauen gewesen sein, die den Ausschlag gegeben haben.

Die Frauen Union hatte sich in einer Doppel-Empfehlung für Armin Laschet und Norbert Röttgen, und damit explizit gegen Merz ausgesprochen.

Auch Kanzlerin Angela Merkel und die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, zwei der beliebtesten Frauen in der CDU und für viele weibliche Delegierte Vorbilder, hatten sich im Vorfeld des Parteitags indirekt (Merkel) oder öffentlich (Süssmuth) für Armin Laschet und das Team mit Jens Spahn ausgesprochen.

Frauenanteil im Vorstand steigt auf 48 Prozent

Die Frauen in der CDU sind endgültig ein Machtfaktor geworden. Zwar regiert seit 16 Jahren eine Christdemokratin im Kanzleramt und seit 2020 eine Christdemokratin die EU-Kommission, aber in den Parlamenten und den Spitzengremien ist die CDU vor allem männlich.

Nun ist der Frauenanteil im CDU-Bundesvorstand spürbar gestiegen: von 38 auf 46 Prozent. Neben den Stellvertreterinnen Silvia Breher und Julia Klöckner und den wiedergewählten Präsidiumsmitgliedern Monika Grütters und Annette Widmann-Mauz machten vor allem drei jüngere Frauen mit guten Ergebnissen im Bundesvorstand auf sich aufmerksam, die ausgerechnet von der Jungen Union nominiert wurden.

CDU-Präsidium im Februar 2020: Julia Klöckner, Paul Ziemiak, Annegret Kramp-Karrenbauer, Angela Merkel, Thomas Strobl, Volker Bouffier, Silvia Breher.  © dpa

Wiebke Winter (24 Jahre, Bremen), Anna Kreye (26, Sachsen-Anhalt) und Laura Hopmann (32, Niedersachsen). Das Durchschnittsalter der Vorstandsmitglieder sank dadurch von 57,5 auf 52,6 Jahre.

Die drei jungen Frauen werben für eine Politik, die nicht alleine sonntags die Rechte für Frauen und eine moderne Gleichstellungspolitik thematisiert, sondern sie auch montags in konkrete Politik umsetzt.

Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth hatte zuletzt mehrfach ihre Partei aufgefordert, endlich die Steine dafür aus dem Weg zu räumen.

“Dass Frauen und Männer nicht die gleichen Chancen haben, sehen wir auf allen Ebenen – nicht nur, aber eben auch in der Politik.”

Der Staat komme seiner grundgesetzlichen Verpflichtung nicht ausreichend nach, "auf die Beseitigung bestehender Nachteile" hinzuwirken, so Süssmuth. Der Kampf um Gleichberechtigung und Gleichstellung müsse “mit neuer Kraft” fortgesetzt werden, gerade weil die Corona-Pandemie viele Frauen wieder in alte Rollenbilder gezwungen habe, so die 83-Jährige.

Laura Hopmann, CDU-Bundesvorstand.  © Privat

Die Aussagen sind auch Auftrag für Laura Hopmann. Mit dem besten Ergebnis aller Frauen ist die 32-jährige niedersächsische Landtagsabgeordnete in den Vorstand gewählt worden.

“Ich bin angetreten, um mitzuhelfen die Partei nach innen und nach außen zu modernisieren”, sagt sie. “Und dazu müssen wir Persönlichkeiten haben, die die Breite der Gesellschaft repräsentieren, aus Stadt und Land, Männer und Frauen, jung und alt, von TikTok bis Lokalanzeiger.”

Hopmann, Tochter eines Handwerkers, der für Willy Brandt Wahlkampf machte, wurde früh politisiert, entschied sich aber 2013 als Politik-Studentin in Hannover für die Junge Union und den CDU-nahen Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS).

“Weil SPD und Grüne aus meiner Sicher eher Symptompolitik machen und die CDU die Interessen am besten vereint”, begründet sie ihre Entscheidung.

Ein Praktikum bei Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen folgte, heute sitzt sie im niedersächsischen Landtag und kümmert sich engagiert um Umweltpolitik. Ihre heimliche Leidenschaft ist aber eine moderne Gesellschaftspolitik, die Gleichstellung im Steuer- und Sozialsystem fördert, aber aus einem konservativen Blickwinkel heraus.

Sie meint:

Wir brauchen eine bürgerliche Kamala Harris.

Hopmann glaubt, dass es auch eine konservative Idee für eine moderne Gleichstellungspolitik und Sozialpolitik gibt.

“Wir müssen die Menschen befähigen, bevor sie vom Staat abhängig werden. Wir müssen die Rahmenbedingungen so entwickeln, dass eine echte Gleichberechtigung gelebt werden kann.”

Die SPD-Idee einer Beitrags- und Gebührenfreiheit von der Krippe bis zur Uni findet sie im Grundsatz nachvollziehbar und wünschenswert, nur: “Was bringt mir der beitragsfreie Kindergarten, wenn ich keinen Platz bekomme?”

Erst die Infrastruktur aufbauen und die Lehrer- und Erzieherstellen aufstocken, dann die Beitragsfreiheit, das wäre ihre Priorität gewesen, sagt sie.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

“Wir haben das Leistungsprinzip vernachlässigt.” Das gelte auch für neue sozialpolitische Maßnahmen. Beim Baukindergeld gebe es “Mitnahmeeffekte”, die Anreize beim Elterngeld und in der Steuerpolitik würden weiterhin zu sehr die klassische Rollenverteilung begünstigen, sagt die Mutter eines fünf Monate alten Kindes.

Derzeit erleben Laura Hopmann und Ihr Mann, ein Personalberater, im Lockdown wie Millionen anderer Eltern den Spagat zwischen Home Office, Heimarbeit und Kinderbetreuung. Natürlich habe die Pandemie auch ein wenig die alten Rollenbilder zementiert, räumt sie ein.

“Umso wichtiger ist, dass wir danach mutiger agieren. Und beispielsweise in der Steuerpolitik grundsätzlich umdenken”, sagt sie. Stichwort: Ehegattensplitting.

Das sind Töne in der CDU, die man eher selten hört. Auch die beiden Vorstandskolleginnen Wiebke Winter, 24 Jahre alt, Juristin und Chefin der Jungen Union in Bremen, und Anna Kreye, 26 Jahre alt, Juristin und Chefin der Jungen Union in Sachsen-Anhalt, stehen für eine Generation Politikerinnen, die gar nicht erst zulassen wollen, dass die CDU in eine Zeit zurückfällt wie sie es in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegeben hat. Damals waren Frauen “nur geduldet aber nicht erwünscht”, hatte es Rita Süssmuth mal beschrieben.

"Ich möchte, dass wir als CDU mehr junge Frauen für Politik begeistern", sagte Wiebke Winter unlängst in einem Interview mit dem Weser-Kurier. Ihre Themen sind die, die man auch bei Grünen oder Gelben vermuten könnte: Klimakrise, Digitalisierung, der Zusammenhalt in Europa. Und alle drei unterstützen den Vorschlag der CDU-internen Satzungskommission einer schrittweise Einführung einer Frauenquote in den Gremien.

Dass die Voraussetzungen für eine Politiker-Karriere, die parteiinterne Netzwerk-Fähigkeit und auch die machtpolitische Cleverness, keine Frage des Geschlechts seien, stellt Hopmann mit einem Lachen klar.

“Wir haben längst unsere eigenen Netzwerke. Wir JU-Mädels sind eine schlagkräftige Truppe. Auch wir können Machtpolitik."

Ganz anders erlebte das eine der frühen Vorgängerinnen von Wiebke Winter, Anna Kreye und Laura Hopmann: Barbara von Wnuk-Lipinski.

Die Koblenzerin wurde 2002 im Alter von 26 Jahren zum bis heute jüngsten Vorstandsmitglied der CDU gewählt.

Wnuk-Lipinski war damals Chefin des RCDS und hatte intern einen heftigen Machtkampf gewonnen, um den Posten der größten deutschen Studentenvereinigung zu ergattern. Kurz danach kündigte sie entgegen der Absprachen zwischen den (meist männlich dominierten) Landesverbänden in der CDU ihre Kandidatur für den Bundesvorstand an.

Barbara von Wnuk-Lipinski, jüngstes Vorstandsmitglied der CDU 2002.  © Privat

“Überall ältere Herren. Ich war ein Affront für die Parteispitze”, erinnert sie sich.

Zwar ist zu dem Zeitpunkt Angela Merkel bereits Parteivorsitzende, doch aus den internen Absprachen für die Vorstandsposten hielt sich Merkel damals lieber raus.

Wnuk-Lipinski war gerade mit ihrem Germanistik, Theologie und Philosophie-Studium fertig und wollte sich den Gepflogenheiten nicht unterordnen.

In Interviews forderte sie selbstbewusst die Öffnung der CDU auch zu neuen Themen und Milieus, etwa der damaligen Anti-Globalisierungsbewegung Attac. Außerdem müsse die Partei die Bildungspolitik modernisieren, befand sie. Breiter und interdisziplinärer denken.

Selbstbewusste Töne einer jungen Frau, deren Kandidatur in der CDU-Führung nur auf eisiges Schweigen stieß.

Hinter den Kulissen aktivierten die Männer den Widerstand. Es wurde viel telefoniert, die Landeschefs machten gegen sie mobil. Tenor: Das könne sie nicht machen, das gehe so nicht. Gegen die Absprachen.

Der damalige Generalsekretär, Laurenz Meyer, rief entrüstet bei der Studenten-Vertreterin an und erklärte, der RCDS könne keine eigenen Mitglieder in den Vorstand entsenden.

“Ich habe dann zwei Delegierte gefunden, die mich vorgeschlagen haben”, so Wnuk-Lipinski.

Und sie gewinnt. Sie bekommt sogar das drittbeste Ergebnis aller Vorstandsmitglieder. Dabei helfen ihr auch zwei wohlwollende Medienberichte.

“Ich hatte den Überraschungsmoment, einige fanden es wohl auch mutig, dass ich kandidiert habe.”

2004 schafft sie sogar die Wiederwahl obwohl sie da das Amt als RCDS-Vorsitzende bereits abgegeben hatte. 2006 geht sie schließlich raus aus der Politik. Ihre Tochter wird geboren, ein Job in der Wirtschaft reizt sie. Sie geht nach Paris.

Barbara von Wnuk-Lipinski 2003 als Mitglied des CDU-Bundesvorstands.  © dpa

Heute schaut die 44-Jährige auf eine andere CDU:

Die Partei ist mit Angela Merkel im 21. Jahrhundert angekommen.

Aber die Modernisierung müsse natürlich weitergehen, sagt Wnuk-Lipinski, die inzwischen wieder in Berlin lebt und für die Kommunikation beim Bundeswehr Cyber Hub zuständig ist.

“Es gibt ein paar christdemokratische Denkmäler, die man noch einreißen sollte, zum Beispiel das bisherige Modell des Ehegattensplittings.”

Die Generation der Töchter habe gerade erst begonnen, in die Eliten von Wirtschaft und Politik vorzudringen, sagt sie.

In der Tat: Schon heute kommen deutlich mehr Absolventinnen als Absolventen aus den Hochschulen. Es sei nur eine Frage der Zeit, dass immer mehr Spitzenpositionen in der Politik weiblicher würden, sagt auch CDU-Vorstandsmitglied Laura Hopmann.

"Qualität setzt sich durch”, sagt sie und lacht. Was das Selbstbewusstsein betrifft, kann es die neue Frauenbewegung in der CDU auch schon mit manchem Kandidaten für den Vorsitz aufnehmen.

Dazu passt, dass die niedersächsische Christdemokratin Hopmann nicht etwa Ursula von der Leyen als ihr politisches Vorbild nennt, sondern Jacinda Ardern, die sozialdemokratische neuseeländische Premierministerin.

“Sie ist offen, authentisch und stark. Nur in der falschen Parteienfamilie”, sagt Hopmann.

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