AfD-intern: „Kein Durchmarsch“ erwartet

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • „Kein Durchmarsch“: Eine AfD-interne Analyse dämpft Erwartungen in EU- und Landtagswahlen.

  • Nach dem FDP-Parteitag: Unsere 12-Punkte-Analyse.

  • Atom-Gate: Die Union fordert die brisanten Cicero-Unterlagen noch heute zur Einsicht ein.

  • Familienministerin Lisa Paus besucht die Ukraine erstmalig seit Beginn des Krieges.

  • Ein CDU-Landesverband fordert die Schließung von Iran-Konsulaten.

Als die AfD vor einem knappen halben Jahr im Höhenflug war – Forsa zufolge lag die Partei bei 23 Prozent –, ging bei Demokraten die Angst vor einer blauen Welle um. Anhänger sahen die AfD in Sachsen und Thüringen, die in der Spitze 34 beziehungsweise 36 Prozent in diesen Ländern in Umfragen erreichte, schon kurz vor der Übernahme der Staatskanzleien.

Dann folgte erst die Correctiv-Recherche und nun das Russland- und China-Gate um die EU-Spitzenkandidaten Petr Bystron und Maximilian Krah. Am Samstag läutete die Partei ihren Europawahlkampf in Donaueschingen ein – ohne ihre Spitzenkandidaten.

Eine Infografik mit dem Titel: AfD: Höhenflug vorbei?

Entwicklung der Präferenzwerte der AfD, in Prozent

Die Stimmung in der Partei ist gedrückt. Eine AfD-interne Analyse von vergangener Woche, die unserem Kollegen Jan Schroeder vorliegt, stellt nüchtern fest:

Die Erwartung an einen Durchmarsch der AfD wird sich 2024 nicht erfüllen.

Bei den Europawahlen sei ein Ergebnis zwischen „13 und 15 Prozent“ „realistisch", in Sachsen hingegen „droht“ gar ein Stimmenverlust.

Die Analyse wurde von einem Account, der eher zum Unterstützer-Kreis des rechten Lagers gehört, in internen und halböffentlichen Telegram-Gruppen der Partei mit 200 bis 3.000 Mitgliedern geteilt.

Tino Chrupalla und Alice Weidel © dpa

Das sind die Erklärungen der AfD-Mitglieder für die derzeitige Umfrage-Delle:

1) Die neue Parteikonkurrenz sei eine Gefahr. In der Analyse heißt es:

Durch die Neugründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verliert die AfD Protestwähler in nicht unerheblicher Zahl.

Vor einigen Wochen warnte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland seine Parteikollegen bereits zu ThePioneer: „Die Wagenknecht-Partei ist eine echte Gefahr, eine echte Konkurrenz für uns.“

Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben sich bereits im vergangenen Jahr von Umfrageinstituten beraten lassen, hören wir aus Parteikreisen. Wie viele Wähler könnte eine Wagenknecht-Partei der AfD abjagen? Die Prognose der Berater: zwei bis fünf Prozent der Stimmen.

2) Die Partei habe notwendige Kurskorrekturen verschlafen. Dazu heißt es:

Starke Umfrageergebnisse verleiten die ohnehin schon träge Funktionärsetage der AfD, noch fauler zu werden, sich auf vermeintlichen Erfolgen auszuruhen und politische Profilschärfungen zu vermeiden.

3) Die Europawahl-Kandidaten seien politischer Sprengstoff. Die AfD-Mitglieder schreiben dazu:

Der Burgfrieden in der AfD wird durch die umstrittene Europawahl-Liste, die von Anfang an politischer Sprengstoff war, durch einen innerparteilichen Kleinkrieg erschüttert.

Erst gab es „Diskussionen um zwei Kandidaten mit gefälschten Lebensläufen, nun die Debatte um Maximilian Krah und Petr Bystron, die sogar von ihrem eigenen Bundesvorstand weitgehend fallengelassen werden“, heißt es in der Analyse.

Der „innerparteiliche Kleinkrieg“ dreht sich um die Ausrichtung der Partei zwischen jenen, die ein bürgerliches Image wollen und jenen, die auf Populismus und Provokation setzen. Die gegenwärtige Mischung aus beidem gleiche einer Kakophonie, die Wähler als wenig seriös empfänden.

Politikwissenschaftler Johannes Hillje © Urban Zitel

Politikwissenschaftler und Kommunikations-Experte Johannes Hillje hält die AfD-Analyse für „realistisch“, aber „nicht vollständig ehrlich“. Nicht bedacht werde die „strukturelle Mobilisierungsschwäche“ der Partei bei den Europawahlen. Denn: Die Anhänger der Partei würden sich für das EU-Parlament wenig interessieren.

Zudem würden durch die Skandale um Bystron und Krah vor allem mögliche Neuwähler „demobilisiert“.

Sofern die anderen Parteien erfolgreich mobilisieren, bleibt die AfD auch im Superwahljahr 2024 die Kraft einer imaginierten Mehrheit und real-gesellschaftlichen Minderheit.

Fazit: Der Mythos eines unaufhaltsamen Aufstiegs der AfD hat sich überlebt. Jedoch: Ein Ende des „AfD-Problems“ bedeutet das noch lange nicht.

FDP-Parteitag: Die 12-Punkte-Analyse

Der Parteitag der FDP ist zu Ende. Die Liberalen beschließen einen „Wirtschaftswende“-Leitantrag: Sozialstaat light, Steuern runter, Soli weg, Schuldenbremse halten und Ausländer-Fachkräfte rein.

FDP-Parteichef Christian Lindner  © dpa

Unser Kollege Christian Schlesiger war in Berlin dabei. Seine 12-Punkte-Analyse:

  • Lindners größter Erfolg: Die FDP hat ihr Thema (Wirtschaftswende), über das Deutschland diskutiert.

  • Lindners zweitgrößter Erfolg: Die Partei wirkt geeint – und mit sich zufrieden. Vorerst.

  • Die Rebellen-Gefahr: Das Quorum für Mitgliederbefragungen bleibt bei 500 – ein Erhöhungsantrag scheiterte. Rebellen könnten die Ampel erneut infrage stellen.

  • Die Atom-Sehnsucht: Mitglieder machen einen Pro-Atomkraft-Antrag per Online-Voting zum Top-Thema. Die Mehrheit bekam er aber nicht.

  • Das Schweigen: Kein Wort des Parteichefs zu Olaf Scholz oder Robert Habeck. Lindners Signal: Inhaltsdebatte statt Koalitionskrach.

  • Der kraftvollste Satz: „Die Arbeit muss rehabilitiert werden.“ Es ist der Kern des FDP-Programms: Wachsen kommt von wirtschaften.

  • Der stärkste Applaus: Bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Es gebe „kein Nord, kein Süd, kein Ost, kein West. Wir sind ein Deutschland.“

Liberale Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann © dpa

  • Der Affront: Die FDP fordert die schwedische Aktienrente und das Ende der Rente mit 63.

  • Ein Herz für Bauern: Ein Antrag fordert eine „steuerbefreite Risikoausgleichsrücklage“, um Ernteausfälle auszugleichen. Klare Mehrheit.

  • Das bürgerlichste Votum: Die Delegierten stimmen für ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren, bevor bei der Bahn gestreikt wird.

  • Der beste Vorschlag: Das Once-Only-Prinzip schafft es in den Leitantrag. Der Staat darf persönliche Daten nur einmal abfragen. Stichwort: Entbürokratisierungszwang.

  • Der kurioseste Parteitagssponsor: Deutsche Bahn. Warum finanziert der Steuerzahler die FDP? Antwort offen.

Fazit: Die Partei geht selbstbewusst in die nächste Phase der Ampel-Koalition. Nun muss sie liefern. Die Stimmung könnte schnell wieder kippen.

Atom-Ausstieg: Union fordert Cicero-Unterlagen ein

Die Union erwartet, dass die Unterlagen zum Atom-Ausstieg aus dem Wirtschaftsministerium, die das Magazin Cicero eingeklagt hatte, den Wirtschafts- und Umweltausschüssen im Bundestag noch heute zugänglich gemacht werden.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Sprecher für Klimaschutz und Energie der Unionsfraktion, Andreas Jung, sagt uns:

Cicero liegen offenbar zwei Aktenordner vor, dem Bundestag aber nur 20 Seiten. Diese Schieflage muss Robert Habeck jetzt beseitigen – und das hat er mir im Sonderausschuss am Freitag auch zugesagt.

Die Union erwartet, dass die Unterlagen kurzfristig heute übermittelt werden.

Andreas Jung © Imago

Sondersitzung: Am Freitag hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck im Bundestag zu den Erkenntnissen von Cicero Frage und Antwort gestanden. Das Wortprotokoll liegt uns vor.

Zu den Zweifeln an der ergebnisoffenen Prüfung der letztendlich abgelehnten Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke sagte er:

Der Prüfvermerk (...) ist gemeinsam verabschiedet worden oder geeint worden mit den CEOs der Energieunternehmen. Ich habe noch private Aufzeichnungen gehabt, die das nochmal eindrücklich hinterlegen.

Robert Habeck 

Zum Download: Wortprotokoll Atom-Sondersitzung

Familienministerin Paus besucht überraschend die Ukraine

Am Wochenende reiste Familienministerin Lisa Paus erst in die Ukraine und dann weiter nach Polen, wie unsere Kollegin Laura Block erfuhr. Es ist der erste Besuch der Ministerin in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs.

Erste Station: die westukrainische Stadt Lewiw. Zusammen mit dem deutschen Botschafter Martin Jäger und Bürgermeister Andrij Sadowyj besuchte Paus einen dortigen Soldatenfriedhof. Die nächsten Stationen waren ein Krankenhaus und ein Jugendzentrum.

Familienministerin Lisa Paus trägt sich in das Gästebuch der KZ-Gedenkstätte Auschwitz ein. 

Am nächsten Tag reiste Paus zur KZ-Gedenkstätte Auschwitz. Es sei wichtig, dass „wir das Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus früh an die nächste Generation weitergeben – in den Schulen, auch in der Ausbildung“, so Paus.

Vor Ort traf sie sich mit jugendlichen Freiwilligen aus Deutschland und Österreich an der „Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz“ (IJBS). „Ich bin froh, dass sich auch junge Ehrenamtliche für die Erinnerung engagieren“, sagt Paus. Es ist der erste Besuch einer deutschen Familienministerin der IJBS seit Jahrzehnten.

Baden-Württemberg-CDU fordert Schließung von Irans Konsulaten

Die CDU aus Baden-Württemberg fordert eine Zeitenwende in der Iran-Politik. In einem Initiativ-Antrag, den der Landesvorstand auf dem Landesparteitag eingebracht hat und der dort einstimmig beschlossen wurde, heißt es, „Staatsräson darf keine leere Worthülse sein“.

Gefordert wird, dass:

  • ausländische Schlüsselpersonen, die für Vorfeldorganisationen des iranischen Staates tätig sind, ausgewiesen und aus Deutschland abgeschoben werden.

  • die iranischen Konsulate in Hamburg, Frankfurt und München geschlossen werden und die diplomatische Präsenz in Berlin reduziert wird.

Darüber hinaus finden sich in dem Papier auch altbekannte Forderungen, wie die Übernahme der US-Sanktionsliste für Personen durch die EU und die Listung von Revolutionsgarden und Hisbollah als Terrororganisationen durch die EU.

Manuel Hagel © dpa

Der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel sagt uns dazu: Nicht einmal ein Jahr nach dem Massaker am 7. Oktober sei die Stimmung „sehr diffus.“

Wir sehen Demos, auf denen die Hamas-Fahnen geschwenkt werden. Der Angriff wird teils als Freiheitskampf der Hamas relativiert. Es darf aber in dieser Frage kein Relativieren geben.

Den Deutschen gefällt die Ampel-Politik nicht. Am schlechtesten weg kommt die FDP, wie aus dem neuen ZDF-Politbarometer hervorgeht.

Eine Infografik mit dem Titel: SPD: Am wenigsten schlecht

Bewertung der Arbeit der Bundesregierung auf einer Skala von -5 bis +5, nach Partei

Allerdings wird die Union im Großteil der Bevölkerung nicht als hoffnungsvolle Alternative gehandelt. 21 Prozent glauben sogar, Deutschland käme so vom Regen in die Traufe – und würde noch schlechter regiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Union: Für Mehrheit keine bessere Alternative

Einschätzung der Befragten*, wie die Union ihre Arbeit machen würde, wäre sie an der Regierung, Antworten in Prozent

Das war am Wochenende und in der Nacht los:

  • Ukraine-Krieg: Der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj hat Geländegewinne der russischen Armee eingeräumt. Die Lage an der Front habe sich verschlechtert.

  • China-Spionage: Im Bericht aus Berlin warnt Justizminister Marco Buschmann, Deutschland sei „schon längst in den Fokus autoritärer Mächte geraten“.

Wir müssen davon ausgehen, dass wir auch in den nächsten Monaten noch weitere Enttarnungen vornehmen werden.

  • Caren Miosga: Im ZDF sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann zur Unterstützung der Ukraine, „wir hätten schon deutlich früher mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Es ist letztlich eine Frage der Priorität.“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann © imago

Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?

  • Kanzler Olaf Scholz empfängt den Ministerpräsidenten von Montenegro, Milojko Spajić, zu dessen Antrittsbesuch.

  • Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist heute und morgen zum 20. Jubiläum der EU-Osterweiterung und zum 100. Todestag von Franz Kafka in Prag.

  • In Turin treffen sich die G7-Umwelt-, Klima- und Energieminister.

  • Außenministerin Annalena Baerbock reist nach Saudi-Arabien zu einem Treffen westlicher und arabischer Außenminister. Das Thema: Eine Waffenruhe im Gaza-Krieg.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck startet seine zweitägige Reise zu Pharma-Standorten in Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Heute ist er bei Merck.

  • Finanzminister Christian Lindner ist zum JETZT Bürgerdialog in Bonn.

  • In Genf verhandeln 194 Staaten über ein internationales Pandemieabkommen. Es ist die wohl letzte Chance, das festgefahrene Vorhaben zu retten.

Auf – Danyal Bayaz. Der baden-württembergische Finanzminister und seine Frau Katharina Schulze erwarten zum zweiten Mal ein Kind. Wir gratulieren dem Grünen-Ehepaar herzlich! Begleitet wird die Ankündigung allerdings von rassistischen Beleidigungen im Netz. Gut, dass Bayaz die Troll-Kommentare locker nehmen kann: „Pure Liebe von so richtig deutschen Patrioten und Familienmenschen“, schreibt er auf Twitter. Genau richtig!

Ab – Olaf Scholz. Die einst „an Lächerlichkeit nicht zu überbietende“ Taurus-Debatte geht in die nächste Runde. Der Anlass: Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Polens Außenminister Radosław Sikorski forderten von Deutschland die Lieferung des berüchtigten Marschflugkörpers an die Ukraine. Und die USA liefern jetzt Kurzstreckenraketen. Ob der Kanzler umdenkt oder (wahrscheinlich) nicht: Kritik gibt es sowieso.

Heute gratulieren wir herzlich:

  • Stephanie Aeffner, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 48

  • Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, 64

  • Anja Karliczek, CDU-Bundestagsabgeordnete, 53

  • Herbert Mertin (FDP), Justizminister von Rheinland-Pfalz, 66

  • Manja Schreiner, Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, 46

  • Johannes Vogel, stellv. Bundesvorsitzender der FDP, 42

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
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