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Unsere Themen heute:
So machtlos war die Auto-Lobby selten. Die politische Allianz gegen eine neue Abwrackprämie ist groß, und selbst die Kanzlerin ist skeptisch.
Die SPD-Familienministerin Franziska Giffey könnte sich gerade jetzt als Vorkämpferin für die Interessen der Corona-geplagten Eltern zeigen. Laut ihrer letzten CDU-Vorgängerin tut sie das indes zu wenig.
Im Auswärtigen Amt herrscht Wechselstimmung. Drei Top-Diplomaten wechseln im Sommer ihre Posten - darunter einer der früher engsten Berater der Kanzlerin.
Es ist eine seltene Koalition: Wenn an diesem Mittwoch Dirk Messner vom Umweltbundesamt seine Ideen zum Thema “Umweltschutz in den Corona-Konjunkturpaketen” in der Hauptstadt vorstellt, dann sind die wirtschaftsliberalen Ökonomen auf seiner Seite. Messners Umweltbundesamt gilt als Gegner einer klassischen Abwrackprämie für die schwächelnde Automobil-Industrie. An seiner Seite kämpfen Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) oder Sebastian Dullien von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die Automobilindustrie steht mit ihrer Forderung nach klassischen Staatshilfen fast allein.
Die Stimmung ist eine andere als nach der Finanzkrise
Die Stimmung ist eine andere als nach der Finanzkrise, sagt uns ein Regierungsbeamter. Tatsächlich unterstützen vor allem Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und, mit Abstrichen, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Interessen der Automobilindustrie. Doch weder macht der Koalitionspartner SPD mit, noch sind die Reihen der Union geschlossen. „Trotz der besonderen Bedeutung der Automobilindustrie für unser Land lehne ich eine sechs bis sieben Milliarden Euro teure Abwrack- oder Kaufprämie ab“, sagte etwa CDU-Mittelstandspolitiker Christian von Stetten aus dem Autoland Baden-Württemberg.
Etwas bessere Aussichten auf staatliche Unterstützung hätten die Autobosse wohl, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zurückgehalten hätten. Doch gerade VW-Chef Herbert Diess forderte schnell in der Krise eine neue Abwrackprämie. Im Kanzleramt in Berlin war Angela Merkel schwer genervt von Diess, so berichten es Zeugen.
Innovationsprämie statt Abwrackprämie
Ganz leer dürfte er aber wohl dennoch nicht ausgehen. Am 3. Juni entscheidet die Koalition über das weitere Vorgehen. Der Satz “Irgendetwas wird die Automobilindustrie bekommen”, ist in Berlin oft zu hören. Streitpunkt ist, welche Technologien gefördert werden. Die SPD tendiert dazu, vor allem Elektroantriebe zu fördern. Scheuers Verkehrsministerium favorisiert auch Kaufanreize für Wasserstoffantriebe und neue Diesel. Und ein neuer Name für die öffentlich nicht mehr sonderlich positiv besetzte “Abwrackprämie” muss her. Eine Idee: “Innovationsprämie.” Positives Framing - es hat schon manche umstrittene politische Maßnahme gerettet.
1. Ex-Familienministerin kritisiert Familienministerin
Die frühere Familienminister Kristina Schröder (CDU) geht mit der Politik ihrer Nachnachfolgerin Franziska Giffey (SPD) hart ins Gericht. "Als Bundesfamilienministerin habe ich die Behauptung, die Bedürfnisse von Familien und Kindern genössen in Deutschland eine geringe Priorität, immer zurückgewiesen. Inzwischen muss ich sagen: Das ist wohl wirklich so."
Kristina Schröder © dpaDie Öffnungspolitik von Bund und Ländern gehe weitgehend an den Interessen und Nöten der Millionen Familien in Deutschland vorbei, sagt Schröder, die von 2009 bis 2013 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war und sich heute noch in der Mittelstandsunion der CDU engagiert. "Während in vielen Bereichen zum Glück immer mehr Normalität einzieht, befinden sich Familien immer noch im Ausnahmezustand und haben keine Perspektive, wann er endet."
Familien befinden sich immer noch im Ausnahmezustand
Konkret kritisiert Schröder, dass für Schulkinder im Land meist nur an ein oder zwei Tagen pro Woche Unterricht stattfindet. "Die Perspektiven für Kitas und Kindergärten sind in vielen Bundesländern noch völlig unklar." Schröder warnte die Kultusminister auch vor einer Ausweitung des Homeschooling nach der Sommerpause. "Damit reden wir inzwischen über ein halbes Jahr, in dem wir Kindern Schule vorenthalten mit allen Konsequenzen für ihre soziale, emotionale und intellektuelle Entwicklung."
Andere europäische Länder hätten die Öffnung mit Grundschulen und Kindergärten begonnen, ohne dass bisher größere Infektionsausbrüche bekanntgeworden seien. "In Deutschland ist das Motto eher: Kinder und Frauen zuletzt." Damit dürfte wohl auch die amtierende Familienministerin Giffey gemeint sein.
2. Schlachthof-Streit: So ließ Scheuer die Kanzlerin auflaufen
Angela Merkel hatte das Konzept selbst in Auftrag gegeben: Angesichts der Corona-Masseninfektionen in deutschen Schlachthöfen wollte sie unbedingt, dass ihre Regierung rasch agiert und die Missstände beendet.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ließ innerhalb weniger Tage ein Konzept ausarbeiten. Der Kern: Ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Schlacht- und Zerlegebetrieben. Keine 24 Stunden vor dem geplanten Beschluss des Corona-Kabinetts stellte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dessen Haus für die CSU alle Kabinettsthemen koordiniert, quer. In der Hauptstadt gibt es das Gerücht, der Nürnberger Wurst-Fabrikant Uli Hoeneß habe sich eingeschaltet und hinter den Kulissen Stimmung gegen die Heil-Pläne gemacht. „Europarechtliche Bedenken“, so die offizielle Begründung, die Scheuers Staatssekretärin Tamara Zieschang ausrichtete. Der GroKo-Eklat nahm seinen Lauf, als Merkel Scheuer am Sonntag telefonisch erreichte.
Der CSU-Mann ließ die Regierungschefin abblitzen. Ein Affront. Die Entscheidung am Montag im Corona-Kabinett musste vertagt werden. Gestern Nachmittag erhöhte das Kanzleramt den Druck auf Scheuer und die CSU, setzte das Schlachthof-Thema kurzerhand auf die Tagesordnung für die Kabinettssitzung am Mittwoch. Im Klartext: Heute im Laufe des Tages muss eine Einigung her.
3. Kritik wegen Zukunftszentrum für Mobilität
Das Bundesverkehrsministerium hat seine Entscheidung für München als Sitz des von der Bundesregierung geförderten Zentrums Mobilität der Zukunft verteidigt. „Die Standortfestlegung für die Zentrale in München konnte ohne Standortwettbewerb rechtskonform erfolgen“, heißt es in der Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Grünen-Anfrage, die Hauptstadt - Das Briefing vorliegt.
„Aufgrund des frühen Entwicklungsstadiums stehen insbesondere die detaillierte Ausrichtung und die konkreten Standorte bzw. die Kriterien für die Auswahl der angeschlossenen Anwender- und Erprobungszentren noch nicht fest“, so Scheuers Amt. Scheuer hatte seine Pläne unmittelbar vor der bayerischen Kommunalwahl im März präsentiert und das Investitionsvolumen für die neue Forschungseinrichtung für die Mobilität der Zukunft auf eine halbe Milliarde Euro beziffert.
Wenn es um 500 Millionen für eine Forschungsförderung geht, dann entscheidet der Minister einfach nach Gutsherrenart
Die Grünen kritisieren das Verfahren. „Bei der Vergabe der 8,3 Millionen Euro Forschungsförderung für ein paar Fahrradprofessuren wurde im Verkehrsministerium ein mehrstufiges, aufwendiges Auswahlverfahren durchgeführt, bei dem sich nur die besten Konzepte durchsetzen konnten“, sagte Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler Hauptstadt - Das Briefing. „Aber wenn es um 500 Millionen für eine Forschungsförderung geht, dann entscheidet der Minister nach Gutsherrenart, dass das Projekt in seiner bayerischen Heimat realisiert wird.“ Ein ergebnisoffenes und nach objektiven Kriterien durchgeführtes Vergabeverfahren habe es nicht gegeben, moniert Kindler.
So sieht der neue ernährungspolitische Bericht der Bundesregierung aus © The PioneerDie Bundesregierung warnt vor einer Zunahme von Fettleibigkeit in Deutschland. Das geht aus dem ernährungspolitischen Bericht hervor, der an diesem Mittwoch Thema im Bundeskabinett sein wird. „Übergewicht, das sich im Kindesalter herausbildet, bleibt meistens ein Leben lang bestehen“, heißt es in dem Bericht. „Damit erhöht sich auch das Risiko ernährungsbedingter Krankheiten. Sowohl Diabetes mellitus Typ 2 als auch koronare Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufig die Folge von Übergewicht und Adipositas.“
Das zuständige Ernährungsministerium verweist in dem Bericht auf Ergebnisse einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie des Deutschen Diabetes-Zentrums. Demnach ist in Deutschland mit einer Zunahme von Diabetes-mellitus-Typ-2-Fällen zu rechnen: „Die entspricht einem Anstieg von 54 bis 77 Prozent.“ Fehlernährung ist laut dem Bericht stark von der sozialen Herkunft anhängig: „So sind beispielsweise Kinder und Jugendliche mit geringem sozioökonomischen Status deutlich häufiger von Übergewicht und Adipositas betroffen.“
Auf - In Deutschland ist ein Corona-Test für die rund 83 Millionen Bürger bei derzeit knapp 900.000 Tests pro Woche nahezu unmöglich, in Dänemark wird dies jetzt Alltag. Alle Erwachsenen können sich ab dieser Woche testen lassen, zudem kehrt das Land in die Normalität zurück. Schneller als andere EU-Staaten. Die Corona-Pandemie hatten die Dänen früh im Griff. Nur 1253 Infizierte gibt es in dem Nachbarland noch, 547 Dänen sind mit Covid-19-Erkrankung gestorben.
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen hatte schon am 11. März mit drastischen Maßnahmen das öffentliche Leben lahmgelegt, Schulen und Unis geschlossen und Beamte und Arbeitnehmer in das Home Office geschickt. Deutschland hatte zu dem Zeitpunkt zunächst erst Großveranstaltungen über 1000 Personen untersagt. Die Lehre: Wer früh radikal dicht macht, kommt auch schneller wieder raus. Deshalb: Ein "Auf" für die dänische Regierungschefin!
Ab - Eigentlich wollten wir Christian Lindner zum Gewinner des Tages küren. Zwar ergoss sich Hohn und Spott über den FDP-Vorsitzenden, nachdem er sich beim maskenlosen Umarmen des Honararkonsuls von Belarus, Steffen Göpel, vor einem Berliner Szene-Restaurat hatte ablichten lassen, doch wir wollten anerkennen, dass er sich öffentlich und klar entschuldigt hatte. Aber dann kam dem Christian Lindner von gestern der Christian Lindner von vorgestern in die Quere. Der Lindner nämlich, dessen Aussagen zum Masken-Skandal um Hertha-Spieler Kalou wir an dieser Stelle umkommentiert lassen: „Das ist ein Warnschuss für alle, dass jeder Verantwortung tragen muss. Solches individuelle Fehlverhalten muss daher so streng geahndet werden, dass es selbst Fußballmillionären richtig weh tut.“ Das tut in der Tat weh.
Vor der Corona-Krise hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor allem ein Ziel - die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Im Schatten der Pandemie und unter Ausschluss der Öffentlichkeit beugen sich nun die zuständigen Fachpolitiker im Bundestag über das PDSG. Hinter dem Kürzel verbirgt sich das „Patientendaten-Schutz-Gesetz“, das weitere Schritte in Richtung elektronischem Rezept, elektronischer Patientenakte und digitaler Überweisung vorsieht. Der Gesundheitsausschuss hat für den 27. Mai zur Sachverständigen-Anhörung geladen.
Unsere Leseempfehlungen für heute:
Es könnte der Durchbruch bei der weltweiten Suche nach einem Corona-Imfpstoff sein. Das Medizintechnologie-Unternehmen Moderna aus Massachussetts, USA, hat eigenen Angabe zufolge erfolgreich einen Impfstoff an Menschen getestet. Der Wirkstoff scheine sicher zu sein und stimuliere eine Immunantwort gegen das Virus, teilte der Hersteller mit. Die Ergebnisse basieren auf Ergebnissen der ersten acht Personen, die ab März jeweils zwei Dosen des experimentellen Impfstoffs erhielten. Die Details beschreibt Denise Grady in der New York Times.
Spaltet die Personalie Kalbitz die AfD? Die Alternative für Deutschland ist nach dem überraschenden Rauswurf des umstrittenen Rechtsaußen Andreas Kalbitz jedenfalls in Aufruhr. Die Frage, wie stark der Höcke-Flügel wirklich ist, wird sich in diesen Wochen entscheiden. Die Süddeutsche Zeitung hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Prädikat: Lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Friederike Langenbruch, Sprecherin Bundesumweltministerium, 41
Stefan Schmidt, Bundestagsabgeordneter (Grüne), 39
Der Sommer ist im Auswärtigen Amt die Zeit der Postenwechsel. Drei hochkarätige Personalien wurden uns zugetragen: Angela Merkels ehemaliger Abteilungsleiter für Europa im Bundeskanzleramt, Nikolaus Meyer-Landrut (59), soll nach unseren Informationen für den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) in diesem Jahr neuer Botschafter in der Türkei werden.
Nikolaus Meyer-Landrut © dpaSeinen bisherigen Posten als deutscher Botschafter in Paris wird Hans-Dieter Lucas (60) im Sommer antreten, der bisherige Botschafter bei der Nato in Brüssel. Neuer deutscher Nato-Botschafter wird Rüdiger König (63), bisher Abteilungsleiter Krisenprävention und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt in Berlin. Die Personalien von Lucas und König hat das Bundeskabinett bereits bestätigt.
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