Altmaiers Konjunkturlokomotive

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© The Pioneer/Henning Schmitter

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Viele Milliarden, wenig Wirkung? Selbst das Wirtschaftsministerium rechnet nicht mit einem kurzfristig besonders starken Effekt des Konjunkturpakets.

  • Seit einem Jahr kämpft Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für die Einführung der Grundrente. Am Mittwoch ist der Tag der Entscheidung.

  • Zum Holocaust-Gedenktag bereitet Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eine bisher einzigartige Würdigung vor. Wir sagen, was er plant.

Wirkung des Konjunkturpakets fraglich

Im Bundeswirtschaftsministerium rechnet man offenbar nicht mit einem außergewöhnlichen Effekt des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets. Eine interne Schätzung der Fachleute aus dem Ministerium von Peter Altmaier (CDU) geht von einem Stimulus für die Wirtschaft von 0,2 Prozent im laufenden Jahr aus. Konkret hieße das: Der Ende April von Altmaier prognostizierte Einbruch der Wirtschaftsleistung von minus 6,3 Prozent würde sich auf "nur" noch 6,1 Prozent abmildern.

2021 könnte es ein Wachstum von 5,6 Prozent geben

Interne Schätzungen des Wirtschaftsministeriums

Das für 2021 prognostizierte Wachstum von bisher plus 5,2 Prozent würde den internen Schätzungen zufolge auf auf 5,5 oder 5,6 Prozent klettern. Lassen sich so die 130 Milliarden Euro für ein Konjunkturpaket rechtfertigen?

Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben das Konjunkturpaket bereits in ihren Prognosen berücksichtigt, sagt der Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Das arbeitgebernahe Kölner Forschungsinstitut geht von einem Minus von neun Prozent im Gesamtjahr und von plus acht Prozent im kommenden Jahr aus. Auch die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer werde "verpuffen", prognostiziert er.

Optimistischer ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Den Forschern zufolge könnte das Konjunkturpaket die Wirtschaftsleistung in den beiden Jahren 2020 und 2021 jeweils um 1,3 Prozentpunkte vergrößern.

Der Nachtragshaushalt, der am Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll, dürfte doch bis zu 60 Milliarden Euro betragen, erfuhren wir von einem Regierungs-Kenner. Etwa sieben Milliarden Euro entfallen dabei auf zusätzlich erwartete Steuermindereinnahmen, der Rest auf die Umsetzung des Konjunkturpakets. Dazu zählen auch Steuerzuschüsse für die Sozialversicherungen: 3,5 Milliarden Euro für die gesetzlichen Krankenkassen, 1,8 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin. © dpa

Heute wollen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in Berlin die Überbrückungshilfen für kleine Unternehmen vorstellen. Dafür sind 25 Milliarden Euro vorgesehen, die aus dem ersten Nachtragshaushalt noch nicht genutzt wurden.

Laut dem Beschluss, der uns vorliegt, sollen die Hilfen besonders die Branchen berücksichtigen, die nach wie vor von Schließungen betroffen sind. Dazu gehören Veranstaltungslogistik, Catering, Messen, Schausteller, Clubs, Bars, Jugendherbergen, Schullandheime, Träger des internationalen Jugendaustauschs, Reisebüros und Reisebusunternehmen. Außerdem sollen Branchen, die aufgrund der geltenden Abstands- und Hygieneregeln ihre Kapazitäten nicht voll ausschöpfen können (Hotels, Gaststätten, Kneipen, gemeinnützige Unternehmen, Profisportvereine der unteren Ligen) profitieren.

Ziel sei es, den Unternehmen für die Monate Juni bis August existenzsichernde Hilfen zu geben. Demnach können die Betriebe und Organisationen einen Zuschuss zu den betrieblichen Fixkosten erhalten, deren Umsatz im April und im Mai um durchschnittlich mindestens 60 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten eingebrochen ist. Das Antragsverfahren soll elektronisch möglich sein und durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erfolgen. Zuständig für die Durchführung der Förderung sind die Länder.

1. Schäuble plant besonderen Holocaust-Gedenktag

Einen besonderen Holocaust-Gedenktag bereitet Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) vor. Zusammen mit Elias Dry, dem Rabbiner der jüdischen Gemeinde Ambergs, wird es am 27. Januar 2021 zu einem Akt der Freundschaft zwischen Deutschland und dem jüdischen Volk kommen.

Die Unterzeichnung einer Torarolle in Dresden 2019. © dpa

Demnach werden die Repräsentanten aller fünf Verfassungsorgane als besonderen symbolischen Akt die Unterzeichnung einer Tora vollenden, die als verschollen galt und im hessischen Sulzbach entdeckt und restauriert wurde. Das Schreiben der Tora gilt als besonders ehrenvoll und wird von speziell ausgebildeten Schreibern (Sofer) übernommen. Dass die Repräsentanten der höchsten Verfassungsorgane dabei sein werden, sei als "Ausdruck der Verpflichtung, jüdisches Leben in Deutschland zu ermöglichen und zu schützen" zu verstehen, sagte uns der stellvertretende Sprecher des Bundestagspräsidenten, Frank Bergmann.

Die Repräsentanten der Verfassungsorgane sind: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Stephan Harbarth und der dann amtierende Bundesratspräsident, Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

2. Streit um die Fördermilliarden

Die Ressorts der Bundesregierung streiten sich um die Verteilung der milliardenschweren Konjunkturmaßnahmen. Von 50 Einzelmaßnahmen im Konjunkturpaket sind 15 mehr als einem Ministerium zugewiesen. Das geht aus einer Übersicht des Kabinetts- und Parlamentsreferats des Bundeskanzleramts hervor, die uns vorliegt.

Aufstellung Zuständigkeiten Konjunkturpaket  © ThePioneer

Demnach ist die Federführung (FF) bei milliardenschweren Projekten wie der Förderung der Mitarbeiterbeteiligung, dem Kreditprogramm für die gemeinnützigen Organisationen, dem Förderprogramm für digitales Lernen und dem ökologischen Flottenaustauschprogramm für soziale Dienste nicht geklärt.

Besonders die Ministerien für Verkehr, Wirtschaft, Arbeit und Umwelt beanspruchen mehrere Einzelprojekte für sich. Die Umsetzung der Programme kann den einzelnen Häusern Prestige und neue Kompetenzen bringen, gerade im nahenden Bundestagswahlkampf freut sich darüber mancher Minister und manche Ministerin. Sollte sich in den kommenden Tagen keine Einigung zwischen den Ressorts ergeben, werde das Kanzleramt entscheiden, sagte uns ein führender Regierungsmitarbeiter.

3. Kolumne "Situation Room": Amerika und die Schatten-NATO

In seiner neuen Kolumne für ThePioneer schreibt der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, über den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Abzug der US-Soldaten aus Deutschland. Dieser sei im Vergleich zu früheren Truppenbewegungen eher "kleine Münze", so Bartels. Doch hinter der Drohung stehe eine grundsätzliche Fragestellung - die den gesamten Westen als sicherheitspolitisches Konstrukt ins Wanken bringen könnte. Die Kolumne von Hans-Peter Bartels lesen Sie hier.

Hans-Peter Bartels  © dpa

4. Fast 100 Millionen Euro Kosten für Rückholflüge

Von Kamerun bis Barbados hat das Auswärtige Amt von Mitte März bis zum Osterwochenende Deutsche wegen der Corona-Pandemie aus der ganzen Welt in die Heimat geflogen. Die Antworten aus einer Kleinen Anfrage des FDP-Abgeordneten Bernd Reuther, die uns vorliegen, zeigen nun erstmals, was all dies bisher gekostet hat: 93,8 Millionen Euro. Damit wurde das Budget von 100 Millionen Euro, das der Bundestag im Eilverfahren freigegeben hatte, nahezu vollständig ausgereizt.

Mit den Rückholflügen hat die Bundesregierung auch 7.600 Staatsangehörige aus anderen EU-Ländern und etwa 3.650 Drittstaatsangehörige ausgeflogen. Das Auswärtige Amt will einen Teil dieser Kosten im Rahmen einer Ko-Finanzierung aus dem EU-Zivilschutzmechanismus ("EU Civil Protection Mechanism") decken. Im Ministerium rechnet man damit, dass bei den entsprechenden Flügen ein Zuschuss in Höhe von bis zu 75 % der Kosten möglich sei.

© The Pioneer

Nach Ende des Corona-Lockdowns werden immer mehr Güter über Deutschlands Straßen transportiert. „Die Fahrleistung erhöhte sich im Gesamtmonat Mai im Vergleich zum Vormonat um 6,1 Prozent“, heißt es in einer Übersicht der Bundesregierung, die uns vorliegt. Diese Analyse stützt sich auf Lkw-Maut-Daten. Die Zunahme des Gütertransports hat sich im Juni weiter fortgesetzt.

Bernd Althusmann und Paul Ziemiak (beide CDU) © ThePioneer

Auf - Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) war im Landtagswahlkampf größter Konkurrent von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) - doch die beiden Spitzenpolitiker haben sich miteinander arrangiert und kooperieren weitgehend geräuschlos. CDU-Präsidiumsmitglied Althusmann fällt gerade in der Corona-Krise durch zahlreiche Hilfsinitiativen auf. Die Unterstützung des gebeutelten Reise-Konzerns TUI hat er nun zur Chefsache erklärt - ein runder Tisch in der kommenden Woche soll neue Perspektiven bieten und Arbeitsplätze sichern. So muss ein Wirtschaftsminister in der Krise agieren.

Ab - Paul Ziemiak ist Generalsekretär der 40-Prozent-Partei CDU, und dürfte deshalb sehr zufrieden sein. Doch mit ihm hat das eher wenig zu tun. In der Corona-Pandemie ist Ziemiak mit inhaltlichen Vorschlägen und Akzenten nicht aufgefallen. Unter der Noch-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer verblasst selbst der Generalsekretär. In der Debatte um Kindermissbrauch hat er sich nun via Bild-Zeitung mit markigen Worten zurückgemeldet. Er fordert "drastische Strafen". Wer würde dem widersprechen? Ein bisschen wenig für einen Mann, der dringend ein Profil und inhaltliche Tiefe braucht, wenn er künftig neben den NRW-CDU-Männern mit prominenten Ämtern, Ralph Brinkhaus, Jens Spahn und Armin Laschet eine Rolle spielen will.

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seinen ersten Gesetzentwurf zur Grundrente vorgelegt hat. Zentrale Fragen wie die genaue Finanzierung und die Ausgestaltung der Einkommensprüfung sind immer noch ungeklärt. In zähen Verhandlungsrunden lotet eine ausschließlich mit Fachpolitikern besetzte Arbeitsgruppe der Koalition Kompromisslinien aus - bislang ohne erkennbares Ergebnis. Am kommenden Mittwoch, 17. Juni trifft man sich abermals. Die SPD pocht auf eine rasche Einigung, damit der Bundestag die Grundrente noch vor der Sommerpause beschließen kann.

Unsere Leseempfehlungen für heute:

In guten Zeiten hatte die Lufthansa täglich 300.000 Passagiere, im April waren es Corona-bedingt nur noch 3000. Die Lufthansa muss mit neun Milliarden Euro vom Staat gerettet werden, und wird nun auch wieder ein Staatskonzern. Zumindest ein bisschen. Zwar will sich der Bund nicht in das operative Geschäft einmischen, doch die 20-prozentige Beteiligung (im Fall einer Übernahme wird sie automatisch zu einer Sperrminorität) wird den Bund wieder zum Taktgeber eines Konzerns machen, der mehr ist als eine Airline. Die Lufthansa war immer auch ein Symbol für Qualität und Image der deutschen Wirtschaft. Roman Deininger und Jens Flottau schauen in der Süddeutschen Zeitung mit Nostalgie und Kenntnis auf de Geschichte der Kranich-Linie. Lesenswert!

Politiker fordern Coding-Unterricht für Grundschüler, Experten halten die Fähigkeit, eine Programmiersprache zu erlernen, inzwischen für mindestens so wichtig wie das Erlernen der Fremdsprache Englisch. Das Portal t3n hat deshalb neun (teilweise kostenfreie) digitale Lern-Angebote zusammengefasst, die Sie schnell auf einen brauchbaren Standard bei den Programmiersprachen bringen. Für die Schnellkurse in Coding, hier entlang.

Heute gratulieren wir zum Geburtstag:

Wolfgang Silbermann, Redenschreiber von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 34

Katja Husen, Biologin und Grünen-Politikerin in Hamburg, 44

Jürgen P. Lang, Politikwissenschaftler und BR-Moderator, 56

Frank Freiling, Leiter der Hauptabteilung Internationale Angelegenheiten, ZDF, 57

Hannelore Kraft, SPD-Politikerin und Ex-Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, 59

Die in der Corona-Pandemie aufgewertete Unterabteilung Gesundheitsversorgung wird künftig von einer Juristin aus Bayern geführt. Johanna Sell, zuletzt Referatsleiterin im bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales und stellvertretende Chefin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern, tritt die Nachfolge von Nina Hammes an.

© The PioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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