unsere Themen heute:
Keine drei Tage hielt der Ampel-Kompromiss zum Haushalt 2024. Und das ist nicht die einzige böse Überraschung.
Der Bund besitzt noch immer mehr als eine Milliarde Masken.
Das Wirtschaftsministerium hat eine Stromspeicher-Strategie entwickelt.
Die Eigenkapitalerhöhung für die Deutsche Bahn soll mit 20 Milliarden üppig ausfallen – die Wettbewerber sind empört.
Nur jeder zehnte Euro Entwicklungshilfe fließt an deutsche Firmen zurück. Die Union fordert neue Afrika-Strategie.
Ampel: Nach dem Krach ist vor dem Krach
Es hätten ruhige Tage werden sollen nach dem Haushaltskompromiss. Alle hatten sich einen entspannten Jahresausklang nach einem Jahr der Streitereien ersehnt.
Doch die Einigung im Haushaltsstreit hielt keine drei Tage. Am Samstag lässt sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit dem Satz zitieren:
Um es klar zu sagen, ich bin kein Freund der Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe.
Er sei „für Alternativen offen“.
Robert Habeck warnt:
Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen.
Und schon herrscht wieder Uneinigkeit allenthalben. Die Streitpunkte, die die Bundesregierung in das nächste Jahr mitnehmen muss, lassen sich in vier Ebenen abschichten, wie unser Kollege Thorsten Denkler analysiert:
1. Streit um den Haushaltskompromiss
Agrar-Diesel: Dass die Landwirte Deutschlands auf der Zinne sein werden, wenn ihnen plötzlich der Agrar-Diesel beteuert werden soll, war vorhersehbar. Jetzt sind gleich zwei Ampel-Politiker dafür, die Subvention zu erhalten: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der sich nicht eingebunden fühlte. Schlimmer noch, Christian Lindner. Der Mann, der den Deal mit ausgehandelt hat.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir muss sich nach der EU-Entscheidung zu Glyphosat richten. © dpaKerosin: Flugbenzin soll teurer werden. Die Branche tobt. Lindner zeigt sich auch hier beeindruckt. Und will alles noch mal „prüfen“.
E-Autos: Den Zeitpunkt der Streichung der E-Auto-Pauschale am Sonntag empfindet die SPD als „äußerst unglücklich“, erklärten die drei stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Detlef Müller, Matthias Miersch und Verena Hubertz.
Pendlerpauschale: Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ist nicht glücklich, dass die Mitte mit dem Haushaltskompromiss belastet wird. Er stellt eine Erhöhung der Pendlerpauschale zur Diskussion.
2. Differenzen in den großen Linien
Schuldenbremse: SPD und Grüne wollen sie reformieren. Die FDP will höchstens eine Konjunkturkomponente anpassen.
Steuererhöhungen: Die Liberalen lehnen Steuererhöhungen ab. „Die SPD bekennt sich dazu, dass die allerstärksten Schultern, die in Deutschland seit 30 Jahren überwiegend Entlastungen erlebt haben, in Zeiten vielfältiger Krisen stärker in der Verantwortung stehen“, forderte gestern SPD-Chef Kevin Kühnert.
Dienstpflicht: SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius will sie. SPD-Generalsekretär Kühnert nicht. Was FDP und Grüne auch so sehen.
Asyl: Auf EU-Ebene wird weiter um eine Lösung gerungen. Wie auch immer sie aussieht, sie wird für Debatten in der Ampel sorgen.
© The Pioneer3. Zu wenig Einigkeit im Bundestag
Auf den letzten Metern vermochten es die Ampel-Partner nicht, im Kern geeinte Gesetze über die Ziellinie zu bringen.
In Bezug auf das neue Staatsangehörigkeitsrecht brach Streit darüber aus, wie großzügig die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft sein sollten.
Weil es hier keine Einigung gibt, liegt auch das Gesetz zur Erleichterung von Abschiebungen auf Eis.
Das Schienenausbaugesetz, das ebenfalls zum 1. Januar in Kraft treten sollte, kommt erst im nächsten Jahr. Die Grünen wollen hier für den Geschmack der FDP zu viel Planungsbeschleunigung.
Das Solarpaket musste gestückelt werden. Nur ein kleiner Teil tritt zum 1. Januar in Kraft, weil die FDP die Solar-Förderung für überzogen hält.
4. Blockaden im Bundesrat
Die Union blockiert zudem in der Länderkammer diverse Ampelgesetze.
Das Wachstumschancengesetz, das einen Sechs-Milliarden-Euro-Konjunkturimpuls setzen sollte, fällt durch. Es hat es bisher nicht mal in den Vermittlungsausschuss geschafft. Vor allem die unionsgeführten Länder finden, dass ihr Anteil am Wachstums-Impuls zu groß ist.
Und das Straßenverkehrsgesetz hätte es den Städten ermöglicht, mehr für den Radverkehr zu tun. Auch das: nicht im Sinne der Union.
Das Jahr 2024 kann also kommen. Besser als 2023 wird es so schnell nicht.
1,3 Milliarden Masken in Bundesbestand
Ein halbes Jahr nach dem offiziellen Ende der Corona-Pandemie verfügt der Bund weiterhin über viele Tonnen medizinischer Schutzmasken.
Wie unsere Kollegin Phillipka von Kleist aus dem Gesundheitsministerium (BMG) hört, liegen im Bundesbestand aktuell 312 Millionen zertifizierte FFP2-Masken und etwa eine Milliarde zertifizierte OP-Masken.
FFP2-Masken © dpaEin Großteil der Mund-Nasen-Bedeckungen seien laut BMG noch über das Jahr 2025 hinaus haltbar. Danach würden sie „energetisch verwertet“, also verbrannt werden, sofern keine anderen Verwendungszwecke infrage kämen.
Mit der energetischen Verwertung der bereits abgelaufenen Masken sei bereits begonnen worden, so das Gesundheitsministerium.
BMWK legt Stromspeicher-Strategie vor
Das Wirtschaftsministerium (BMWK) beschreibt in seiner Stromspeicher-Strategie, wie künftig Batterie- oder Pumpspeicherkraftwerke helfen sollen, die Stromversorgung in Deutschland sicherzustellen. Die Strategie wird an diesem Dienstag vorgestellt, liegt uns aber bereits in einer Fassung vom 8. Dezember vor.
In dem 22-seitigen Dokument listet das BMWK etwa auf,
welche Hemmnisse es aktuell zu überwinden gilt,
wie sich Netzentgelte entwickeln müssen, um Stromspeicher zu integrieren,
wie die Installation von Netzanschlüssen beschleunigt werden kann
oder wie Batterie-Speicher gezielt eingesetzt werden können, um das Netz stabil zu halten.
Das BMWK will im Anschluss mit den Beteiligten in einen Austausch treten, bevor es im Frühling über die reine Stromspeicher-Strategie hinaus die Gesamtspeicher-Strategie der Bundesregierung formuliert. Darin wären dann auch Wasserstoffkonzepte enthalten.
Wie unser Kollege Thorsten Denkler hört, wird die Veröffentlichung der Stromspeicher-Strategie auch deshalb vorgezogen, weil die FDP ohne Vorlage eines solchen Dokumentes nicht weiter am vereinbarten Solarpaket arbeiten will.
Das Solarpaket soll die Installation von privaten wie gewerblichen Photovoltaikanlagen vereinfachen. Auf Druck der FDP wird zum Jahreswechsel nicht das ganze Paket Gesetz. Sondern nur ein kleiner Teil, der vor allem Windkraft betrifft.
Zum Download: Stromspeicher-Strategie des Wirtschaftsministeriums
20 Milliarden Euro für Deutsche Bahn
Die Deutsche Bahn könnte die Haushaltskrise unbeschadet überstehen. „Derzeit steht eine Eigenkapitalerhöhung in der Größenordnung von rund 20 Milliarden Euro im Raum“, erfuhr unser Kollege Christian Schlesiger aus mehreren Quellen in Koalitionskreisen.
ICE-Züge der Deutschen Bahn © dpaDie Ampel-Koalition hatte sich entschieden, das Eigenkapital des Konzerns zu erhöhen, weil der Regierung Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) fehlt. Eine Bilanzverlängerung ließe die Schuldenbremse des Staates unangetastet.
Das Geld für die Eigenkapitalerhöhung will die Bundesregierung vor allem durch die Veräußerung von Staatsbeteiligungen reinholen. Eine Möglichkeit wäre der Verkauf der Logistiktochter Schenker. Auch Teilveräußerungen der staatlichen Aktienpakete von Deutsche Post und Telekom sind offenbar im Gespräch, erfuhren wir.
Wettbewerber der Bahn sind besorgt. Mehr Eigenkapital in dieser Größenordnung könnte den Gewinnanspruch des Konzerns erhöhen, der zu höheren Trassenpreisen „von fast 1,2 Milliarden Euro“ führen würde, sagte uns Peter Westenberger, Geschäftsführer des Branchenverbands Die Güterbahnen. „Steigende Trassenpreise schwächen die Schiene im Wettbewerb zur Straße.“
Außerdem entscheide die Konzernleitung über den Einsatz von Eigenkapital, „während Baukostenzuschüssen projektbezogene Finanzierungsvereinbarungen mit dem Bund zugrunde liegen“. Eine effektive Mitteleinsatzkontrolle für den Bund sei so nicht möglich.
Union fordert neue Afrika-Strategie
Die CDU-CSU-Bundestagsfraktion fordert eine Neuausrichtung der Entwicklungshilfe. Aufhänger ist eine neue OECD-Studie: Nur zehn Prozent des Budgets aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) würden in Form von Aufträgen an deutsche Firmen zurückfließen.
Bei Ländern wie Australien, den USA oder Großbritannien liege der Heimat-Auftragsanteil bei mehr als 80 Prozent.
Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion © dpa„Die Bundesregierung vergibt Entwicklungskredite, von denen andere Industrieländer und sogar unsere systemischen Rivalen profitieren“, sagte uns Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU. „Chinesische Firmen setzen um, was der deutsche Steuerzahler finanziert.“
Die Unions-Abgeordnete will die deutsche Entwicklungshilfe daher neu ausrichten und schlägt zusammen mit ihrem Kollegen und Vorsitzenden des Arbeitskreises Afrika der Unionsfraktion, Stefan Rouenhoff, eine neue Afrika-Strategie vor:
Mehr Patriotismus: „Wir müssen die Finanzierungsinstrumente gezielter ausrichten. Deutsche Firmen müssen von der Entwicklungszusammenarbeit deutlich stärker profitieren.“
Mehr Wirtschaft: Das „paternalistische System“ der vielen Kleinstprojekte habe ausgedient. Wichtig seien wirtschaftliche Großprojekte, die von BMZ, Wirtschaftsministerium und vom Auswärtigen Amt klug koordiniert würden.
Mehr Partnerschaft: „Wir müssen die afrikanischen Staaten als selbstbewusste Partner anerkennen.“ Die Union schlägt daher auch „neue Initiativen wie einen deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel mit wechselnden Schwerpunktländern“ vor.
Verfassungsgericht entscheidet über Berlin-Wahl
Heute um 10 Uhr entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob und in welchem Umfang die Pannen-Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden muss. Der neue Wahltermin wäre voraussichtlich am Sonntag, 11. Februar 2024.
Die Union fordert vor Gericht eine Wahlwiederholung in rund 1000 Wahlbezirken. Die Ampel hat Neuwahlen in etwa 400 Wahlbezirken vorgeschlagen. Die Entscheidung des Gerichts wird wahrscheinlich auf eine der beiden Optionen hinauslaufen.
Abgeordnete der früheren Linksfraktion sitzen zusammen im Bundestag © ImagoSollte die Bundestagswahl in allen Berliner Wahlbezirken wiederholt werden müssen, besteht die Gefahr, dass fast alle ehemaligen Mitglieder der Linksfraktion ihre Mandate verlieren.
Sollte etwa Gesine Lötzsch ihr Direktmandat nicht verteidigen können, zieht die Grundmandatsklausel nicht mehr. Sie erlaubt es Parteien, auch dann entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzuziehen, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde verpassen.
Auf - Papst Franziskus. Das Oberhaupt der katholischen Kirche überrascht die Welt. Der Vatikan veröffentlichte gestern eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen. Nicht zu verwechseln sei das mit einer gottesdienstlichen Eheschließung. Die sei zwar weiterhin nicht möglich, mit dem Beschluss der Segnung gehen der Papst und die Kirche aber dennoch einen großen und überfälligen Schritt.
Ab - Karl Lauterbach. Der Gesundheitsminister hatte den Ländern versprochen, bis zum 1. Dezember einen zentralen Entwurf der Krankenhausstrukturreform zu übermitteln. Bis jetzt sei dort aber noch nichts angekommen. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) beschwert sich darum in einem Brief und fordert Lauterbach auf, zu liefern. Zuletzt hatte es immer wieder Streit zwischen Bund und Ländern zur Krankenhausreform gegeben. Würde Lauterbach Fristen einhalten oder Versäumnisse mitteilen, könnte er zumindest neuen Ärger vermeiden.
„Die Agrarsubventionen sind der schlechteste Grund, den Haushaltskompromiss aufzukündigen. Sie schaden dem Klima und kommen vor allem gut organisierten Großbauern zugute“, kommentiert Ruth Fend für Zeit Online. Man sollte nicht darauf hereinfallen, dass sich die Landwirte jetzt als die Schwächsten der Gesellschaft inszenierten, denn sie würden schon jetzt zu den am stärksten subventionierten Berufsgruppen gehören. Das heraufbeschwörte Höfesterben liege weniger an zu teurem Diesel als an einer verfehlten europäischen Agrarpolitik. Wenn die Ampel es noch bis zur nächsten Wahl 2025 schaffen wolle, dann müsse sie sich in die Lage versetzen, auch mal ohne finanzielle Trostpflaster auszukommen. „Schafft sie es jetzt im Agrarbereich nicht, sieht es für die kommenden Monate schlimm aus. Dann werden nicht nur Landwirte durch Berlin ziehen, sondern alle anderen Interessengruppen auch“, so Fend.
Daniel Deckers von der FAZ bezeichnet die gestern von Papst Franziskus erlaubten Segnungen für unverheiratete Paare, wiederverheiratete Geschiedene und gleichgeschlechtliche Partner als „kleine Revolution“. Vor kaum knapp drei Jahren hatten der Papst und seine Glaubenshüter die Erfüllung einer entsprechenden Bitte noch für undenkbar gehalten. Nun aber sei von einer „echten Weiterentwicklung“ der Lehre der Kirche die Rede, ganz so, als sei nichts selbstverständlicher, als dass das, was gestern noch kategorisch falsch war, heute unter bestimmten Bedingungen richtig sein kann. Aber: „Ganz und gar nicht sicher ist, dass er die Mehrheit der Bischöfe weltweit hinter sich wissen kann.“ Lesenswert!
Eine Welt ohne Ordnung
Wer auf das vergangene Jahr zurückblickt, stellt eine veränderte Dynamik in der Geopolitik fest. Schon mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine waren gewaltlose Verhandlungen plötzlich out und einseitige Machtbehauptung wieder in, so Ex-Außenminister Joschka Fischer.
Das habe auch begünstigt, dass der Nahostkonflikt nach den Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober in einem solchen Umfang explodieren konnte. „Ohne einen stabilen geopolitischen Rahmen eignen sich solche Konflikte hervorragend für eine verdeckte Instrumentalisierung durch andere, die um globale oder regionale Macht kämpfen“, schreibt Fischer im Gastbeitrag:
Ayse Asar, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, 48
Carina Hermann, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, 39
Guido Heuer, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt, 57
Franziska Kersten, SPD-Bundestagsabgeordnete, 55
Jens Lehmann, CDU-Bundestagsabgeordneter, 56
David Lindemann, Chef der Staatskanzlei in Saarbrücken, 46
Matthias Miersch, SPD-Bundestagsabgeordneter, 55
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre