unsere Themen heute:
Svenja Schulzes Entwicklungsministerium muss mehr sparen als alle anderen. Das kommt nicht gut an.
Markus Söder ist der Ministerpräsident des Jahres 2023.
Die Hafenstrategie und der E-Ausweis kommen – anders als geplant – erst im nächsten Jahr.
Anton Hofreiter fordert einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesiden.
Die Deutsche Bahn verpasst den optimalen Verkaufszeitpunkt für die Logistiktochter Schenker.
Ampel verliert Interesse an Entwicklungshilfe
Svenja Schulze muss sparen – und das empört sie. 400 Millionen Euro soll die Entwicklungshilfechefin in ihrem Ministerium aus dem Budget kratzen. Über eine Sprecherin lässt sie ausrichten:
Svenja Schulze © Christoph SteinwegDie Einschnitte sind sehr schmerzhaft und werden in vielen Bereichen zu spüren sein.
Angesichts der Weltlage „müsste Deutschland eigentlich mehr Mittel in internationale Zusammenarbeit investieren und nicht weniger“.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), sein Vize Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) kennen mit ihr aber keine Gnade. Sie haben sich auf einen geschrumpften Haushalt 2024 verständigt, der dem Kabinett gestern „zur Kenntnis gegeben“ wurde.
Darin finden sich Etatkürzungen für die Ressorts Wirtschaft, Auswärtiges, Bildung, Verkehr und Entwicklungshilfe. Kein Ministerium trifft es so hart wie das von Schulze.
Neuer Ärger ist damit vorprogrammiert. Entwicklungszusammenarbeit sei „kein nice-to-have, sondern in unserem deutschen Interesse“, kritisiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Deutschlands Wohlstand hänge davon ab, „dass wir Partner haben auf der Welt und dass zusammengearbeitet wird“.
Svenja Schulze und Zeina Toukan, Ministerin für Planung und Internationale Zusammenarbeit in Jordanien © ImagoWie unser Kollege Christian Schlesiger erfuhr, sorgt sich Schulzes Haus um lang laufende Projekte in der bilateralen Zusammenarbeit, denen Deutschland Hilfsgelder zugesagt hat. 2024 stehen viele bilaterale Regierungskonsultationen an, beispielsweise mit Albanien, Burkina Faso und Jordanien. Man wolle nicht mit leeren Händen anreisen.
Neu ist der Trend aber nicht: Seit drei Jahren sinken die Hilfsgelder aus dem BMZ. 2021 lag das Budget bei 12,4 Milliarden Euro, 2024 dürften gerade so die elf Milliarden Euro überschritten werden. Die Ampel verliert das Interesse an Entwicklungshilfe.
Auch das Wirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt müssen beim „internationalen Engagement der Bundesrepublik“ Kürzungen vornehmen, von jeweils 200 Millionen Euro ist die Rede. Das BMWK etwa arbeite „mit Hochdruck an der Umsetzung“.
Annalena Baerbock und Robert Habeck © ImagoFazit: In Krisen ist jeder sich selbst am nächsten – das gilt auch für die Bundesregierung.
Markus Söder ist der Ministerpräsident des Jahres 2023
Die Pioneers haben entschieden: Der CSU-Mann aus dem Süden vertritt sein Land am besten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter mehreren Tausend Pioneers.
Womöglich ist es aber auch die von Markus Söder so vehement geforderte Dankbarkeit der Hauptstädter, die sich in der Abstimmung spiegelt. Immerhin füttert sein Freistaat den Polit-Betrieb in Berlin mit durch.
Markus Söder am ersten Advent © Instagram/@markus.soederGerade deswegen mischt sich der bayerische Ministerpräsident gerne auf Bundesebene ein. Auf Adventsgrüße im Weihnachtspullover folgt schon mal eine Rücktrittsforderung an den Kanzler. In der CDU ist man dann froh, aus der Schusslinie zu sein.
Nicht wenige glauben weiterhin, Söder selbst sei der richtige Mann für das Kanzleramt. Dafür gibt es gute Argumente: Wohl niemand versteht es so gut, auf die – oftmals sprunghaften – Bedürfnisse der Wählerschaft einzugehen. Das kann man opportunistisch nennen, aber es funktioniert.
Eine Infografik mit dem Titel: Die erfolgsreichsten Ministerpräsidentinnen und -präsidenten
Wahl der Befragten zu den besten Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in der Rangliste der deutschen Politik, Ergebnis der Abstimmung in Prozent
Dazu kommt: Wenn er sich nicht gerade furchtbar ernst nimmt, kann ein Markus Söder auch mal über sich selbst lachen. Und er bringt andere zum Lachen. Ja, er unterhält sein Publikum. In diesen Tagen alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Wir gratulieren.
Hafenstrategie und E-Ausweis verschoben ins nächste Jahr
Zwei Vorhaben der Bundesregierung werden bis Jahresende nicht beschlossen beziehungsweise umgesetzt:
1. Nationale Hafenstrategie. Im November hatte die Bundesregierung bestätigt, dass sie noch in diesem Jahr eine Nationale Hafenstrategie beschließen werde. „Dies ist bisher aber nicht erfolgt und wird wegen der anstehenden Feiertage auch nicht mehr einzuhalten sein“, sagt uns der Obmann der CDU–CSU-Bundestagsfraktion im Verkehrsausschuss, Christoph Ploß.
Die Strategie soll die Rahmenbedingungen für einen zukunftsträchtigen Hafenstandort Deutschland neu definieren.
Christoph Ploß © dpa2. Smart-eID: Im September kündigte die Bundesregierung an, dass die Fertigstellung der Smart-eID für das vierte Quartal 2023 vorgesehen sei. Die technische Entwicklung sei zwar abgeschlossen, teilt uns ein Sprecher des Innenministeriums mit. „Ein Startdatum hängt jedoch von der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln ab und kann daher noch nicht benannt werden.“
Die Smart-eID soll die digitale Authentifizierung bei Dienstleistungen, beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung, vereinfachen.
Hofreiter fordert bundesweiten Abschiebestopp für Jesiden
Nachdem Nordrhein-Westfalen diese Woche einen Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder verhängt hat, fordert der Vorsitzende des EU-Ausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), eine Ausweitung. Uns sagt er:
Münchner Grünen-Abgeordneter Toni Hofreiter © imagoEs wird Zeit, dass Innenministerin Faeser diesen Stopp für alle Jesidinnen und Jesiden in Deutschland umsetzt.
Die kurdische Minderheit bräuchte eine rechtssichere und bundesweite Bleibeperspektive, statt in Regionen zurückgeschickt zu werden, in denen islamistische Extremisten herrschen, so Hofreiter.
Anfang des Jahres hatte der Bundestag die Verbrechen des Islamischen Staates (IS) an den Jesiden als Völkermord anerkannt. In den vergangenen Monaten wurden allerdings wieder vermehrt Jesiden abgeschoben.
Deutsche Bahn verpasst optimalen Verkaufszeitpunkt
Die Deutsche Bahn verkauft Schenker, aber den optimalen Zeitpunkt hat sie offenbar verpasst. Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die unserem Kollegen Christian Schlesiger vorliegen.
Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG © imagoDemnach erwartet die Konzernspitze um Bahnchef Richard Lutz für die Logistiktochter in diesem Jahr einen Umsatz von 19,5 Milliarden Euro. Das wäre ein Einbruch von 29 Prozent gegenüber 2022. „Vor einem Jahr wäre Schenker viel mehr wert gewesen“, sagt ein Insider. „Die Deutsche Bahn kommt mal wieder zu spät.“
Die Bahn hat den Verkaufsprozess gestern mit einer Anzeige im Wall Street Journal angeschoben. Eingeweihte erwarten Einnahmen in Höhe von zehn bis zwölf Milliarden Euro für den Gesamtverkauf von Schenker.
Auf – Nancy Faeser. Zum Ende eines schwierigen Jahres kann die Innenministerin gleich vier Erfolge vermelden. Das Rückführungsabkommen mit Georgien: unterzeichnet. Der EU-Asylkompromiss: in trockenen Tüchern. Das Bundespolizeigesetz: im Kabinett verabschiedet. Und auch bei den Gesetzentwürfen für schnellere Einbürgerungen und erleichterte Abschiebungen konnten sich die Fraktionen doch noch einigen. Wer zuletzt lacht...
Ab – Boris Pistorius. Deutschland will sich an der US-amerikanischen Marineallianz gegen die Huthi-Rebellen beteiligen. Das geht aber erstmal nicht: Die Marine kann aktuell kein Schiff entbehren. Zudem wird erstmal ein Bundestagsmandat benötigt. Heroismus sieht anders aus.
Mit dem neuen Asylrecht betreibe die EU nicht die Abschottung des Kontinents, sondern mindere die Sogwirkung der bisherigen Praxis, meint FAZ-Redakteur Nikolas Busse. „Im Kern verabschiedet sich Europa von der statistisch vielfach widerlegten Illusion, dass praktisch jeder, der hier einen Asylantrag stellt, ein Schutzbedürfnis hat.“ So menschenunwürdig, wie die Flüchtlingsverbände diese Kurskorrektur darstellten, sei sie nicht. „Es ist nichts human daran, dass Europa seit Jahren dabei zusieht, wie kriminelle Schlepperbanden viel Geld damit verdienen, dass sie Migranten auf lebensgefährliche Reisen locken, und das nicht nur übers Mittelmeer.“
Anders sieht das Katrin Pribyl, Brüssel-Korrespondentin der Augsburger Allgemeinen. Für sie stellt der Kompromiss eine Zäsur dar: „Die neuen Regeln setzen auf Abschottung und Abschreckung, Europa wird zunehmend zu einer Festung.“ In Zeiten von überfüllten Turnhallen und überforderten Kommunen sei die Sehnsucht der Bürger nach einer schnellen Lösung verständlich. „Doch die Auswirkungen dieser Reform werden selbst im besten Falle erst in ferner Zukunft zu spüren sein.“ Kurzfristig führe kein Weg daran vorbei, mit autokratischen Drittstaaten wie Tunesien und Ägypten zu kooperieren, weil sie die Drecksarbeit für die Europäer erledigen sollen. „Zur bitteren Wahrheit gehört, dass sich die EU die Hände schmutzig machen und moralisch schwierige Entscheidungen treffen muss, will sie die Zahl der Migranten auf dem Kontinent deutlich senken.“
Rhetorischer Jahresrückblick
Der Rhetoriktrainer Dr. Stefan Wachtel hat im Pioneer-Podcast für uns auf das Jahr 2023 zurückgeblickt und seine persönlichen rhetorischen High- und Lowlights identifiziert.
Es geht um den begnadeten Redner Gregor Gysi (Linke), die rhetorische Klarheit von BASF-Chef Martin Brudermüller oder die Art und Weise, wie Sahra Wagenknecht (BSW) ihre Zuhörer in ihren Bann zieht. Und um den „rhetorischen Totalausfall“ Olaf Scholz, wie Wachtel sagt, geht es natürlich auch.
Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page.Heute gratulieren wir herzlich:
Michael U. Bierhoff, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Turkmenistan, 65
Patricia Lips, CDU-Bundestagsabgeordnete, 60
Emmanuel Macron, Staatspräsident der Französischen Republik, 46
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, 48
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, 58
Erwin Rüddel, CDU-Bundestagsabgeordneter, 68
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre