unsere Themen heute:
Die Arbeitsagentur hat 113.000 Mitarbeiter. Wir wissen, welche Sozialleistungen den größten Aufwand bedeuten.
Nach Islamisten-Demo: Die CDU hat drei Forderungen an die Bundesregierung.
Wirtschaftswende: SPD und Grüne haben wenig Lust auf das FDP-Papier.
Der Bund treibt nach langem Stillstand den Ausbau der Ladesäulen an der Autobahn voran.
Unikliniken kritisieren den „bürokratischen Aufwand“ von Karl Lauterbachs Krankenhausreform.
5.000 oder laut Berechnungen des Finanzministeriums gar 9.000 neue Stellen sollten bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch die neue Kindergrundsicherung entstehen. Am Ende könnten es womöglich doch weniger werden, versprach Familienministerin Lisa Paus später. So oder so hat die Bürokratie-Debatte das Projekt vorerst diskreditiert. Womöglich kommt die Kindergrundsicherung überhaupt nicht mehr.
Dabei wirkt die BA auch ohne Familienpaket reichlich aufgepumpt. Das geht aus Zahlen hervor, die unserem Kollegen Michael Bassewitz vorliegen.
Aktuell arbeiten bei der BA 113.000 Beschäftigte – dazu muss man wissen: 2015 verkündete die BA, sie wolle bis 2019 von den damals 95.000 Stellen rund 17.000 abbauen. Zwischen 2015 geplantem Soll und heutigem Ist klafft de facto eine Lücke von 35.000.
Die Begründung: „Die Aufgaben der BA reichen weit über das Kerngeschäft der Arbeitsvermittlung und Leistungsgewährung hinaus“, schreibt die BA auf Anfrage. Die Verteilung der Kindergrundsicherung ist hier noch nicht einberechnet.
Eine Infografik mit dem Titel: Mitarbeiterzahlen in der Bundesagentur für Arbeit
Entwicklung der Beschäftigten von 2010 bis 2023
Das Bürgergeld: Auf Seiten der BA verteilen rund 44.500 Menschen das Bürgergeld. Hier blieb die Zahl vergleichsweise konstant, vor zehn Jahren waren es 45.000 Beschäftigte. Zudem teilt sich die BA die Aufgaben mit den kommunalen Jobcentern, wo viele weitere Mitarbeiter in Anspruch genommen werden.
Laut Hilmar Schneider, dem ehemaligen Leiter des Institute of Labor Economics (IZA) in Bonn, lägen die gleichbleibenden Mitarbeiterzahlen daran, „dass die Zahl der schwer Vermittelbaren mehr oder weniger konstant geblieben ist“. Die Zahl der Bürgergeldempfänger sank in den vergangenen zehn Jahren leicht von 4,35 auf heute 3,93 Millionen.
Hilmar Schneider © IMAGO / Horst GaluschkaFür die Arbeitslosenversicherung gibt es in der BA knapp 53.000 besetzte Stellen. Im Jahr 2010 waren noch fast 10.000 Menschen mehr dafür zuständig. Allerdings spiegele die Anzahl der Mitarbeiter zuständig für die Arbeitslosenversicherung kaum die Situation am Arbeitsmarkt wider, argumentiert Schneider.
Zahlen sanken: Während die Arbeitslosenzahlen zwischen 2010 und 2019 (vor der Pandemie) um rund 30 Prozent zurückgingen, sank die Zahl der BA-Mitarbeiter nur um 20 Prozent. Während der Pandemie stieg vor allem die Zahl der Kurzarbeitenden und parallel dazu die der Mitarbeiter in der BA.
Vermittlung immer einfacher: Im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl der offenen Arbeitsstellen mehr als verdoppelt – von 370.000 im Juni 2010 auf 800.000 im Juni 2019. Das hätte den Vermittlungsaufwand pro Fall deutlich reduzieren müssen, argumentiert Schneider. In diesem Jahr sind weiterhin mehr als 700.000 Stellen unbesetzt.
Doppelt gemoppelt: Das gegenwärtige Nebeneinander von Jobcentern, Wohngeldstellen, Arbeitslosenversicherung und Familienkasse führe außerdem zu ineffizienten Doppelstrukturen, die die Personalstärke erhöhten. „Das Ganze wird auch noch dadurch verschärft, dass der Datenaustausch zwischen diesen Stellen kaum bis gar nicht funktioniert“, so Schneider. Für die neue Kindergrundsicherung will Paus diese Schnittstellen „optimieren“.
Fazit: Die Debatte um die Notwendigkeit neuer staatlicher Stellen ist ebenso wichtig wie die kritische Betrachtung der bereits geschaffenen Bürokratie und deren personellen Rattenschwanz.
Nach Islamisten-Demo: CDU fordert „parteiübergreifenden Schulterschluss“
Nach der von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg bezeichnet CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries das Vorgehen von Innenministerin Nancy Faeser gegen Islamismus als „Totalausfall“. Er nennt uns drei Forderungen:
Schulterschluss: „Es braucht jetzt dringend einen parteiübergreifenden Schulterschluss im Kampf gegen diese Islamisten, die immer mehr Einfluss bei jungen Muslimen gewinnen.“
Vereinsverbot: „Die Innenministerin ist gefordert, gemäß § 8 Abs. 1 VereinsG ein Vereinsverbot von Muslim Interaktiv als Nachfolgeorganisation der längst verbotenen Hizb ut-Tahrir einzuleiten.“
Entlassung: „Die Hamburger Behörden sollten zudem alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um eine Tätigkeit von Joe Adade Boateng als Lehrer im Staatsdienst zu verhindern.“
Christoph de Vries (links) und Christoph Ploß (rechts) © dpaDer Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß sagt uns, die Menschen erwarteten, „dass die Politik gegen jegliche Form von Islamismus entschlossen vorgeht und das Problem klar beim Namen nennt.“ Weiter:
Vom CDU-Bundesparteitag muss daher die klare Botschaft ausgehen: Der radikale Islam hat in Deutschland nichts verloren!
Auf dem Parteitag nächste Woche stimmt die CDU über das Grundsatzprogramm ab. Zuletzt wurde über eine darin enthaltene Aussage über Muslime in Deutschland parteiintern diskutiert.
FDP-Wirtschaftswende: Wenige Schnittmengen mit Ampel-Partnern
Die Vorschläge der FDP zur Konjunkturbelebung in Deutschland stoßen auf verhaltenes Echo bei den Ampel-Partnern.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Detzer, spricht von „hundert Prozent FDP“.
SPD-Vize-Fraktionschefin Verena Hubertz will eine „krakelige“ wirtschaftspolitische Handschrift von Christian Lindner erkannt haben.
Nur vereinzelt gibt es Gemeinsamkeiten:
Hubertz: „Es ist richtig, über Bürokratieentlastungen und steuerliche Förderung unternehmerischen Drive zu belohnen.“
Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, hält „verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten“ und eine „vereinbarte Investitionsprämie“ für richtig. Westphal empfiehlt außerdem liberale Ideen wie „digitalisierte und beschleunigte Visavergabe durch die Botschaften“ und eine „Überprüfung der Strom-Nebenkosten, insbesondere Netzentgelte“.
Am Rande einer Reise zu den Pharma-Firmen in der Region Frankfurt sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck: Man müsse nun schauen, inwieweit die FDP-Ideen „in Regierungshandeln“ gespiegelt werden könnten. Erneut plädierte Habeck für eine Anpassung der Schuldenbremse.
Bund baut Netzanschlüsse an der Autobahn aus
Das Verkehrsministerium will trotz einer Klage von Unternehmen vor dem Europäischen Gerichtshof die Ladeinfrastruktur an Autobahnen erweitern. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Daniela Kluckert, sagt unserer Kollegin Claudia Scholz:
Bis es eine Entscheidung des EuGH gibt, bereiten wir den Ausbau so weit vor, indem wir den Aufbau der Netzanschlüsse vorantreiben.
Erst wenn das oberste Gericht der Europäischen Union entschieden habe, würden neue Ladesäulen an den bewirtschafteten Rastanlagen aufgebaut. „Damit vermeiden wir Rechtsrisiken und unnötige Ausgaben von Steuergeld“, sagt die FDP-Politikerin.
Daniela Kluckert © dpaSeit mehr als anderthalb Jahren besteht ein Ausbaustopp für Ladesäulen an der Autobahn. Denn der US-Autobauer Tesla und der niederländische Ladesäulenbetreiber Fastned haben die Autobahn GmbH des Bundes im Juni 2022 verklagt, weil sie mit dem Konzessionsnehmer Tank & Rast einen Vertrag zum Ausbau der Ladeinfrastruktur ohne Ausschreibungsverfahren geschlossen hatte. Die Klage liegt seit Juni 2023 beim EuGH.
Das Risiko: Sollte die Vertragserweiterung vergaberechtswidrig sein, müsste neu ausgeschrieben werden. Daher geht der Bund auf Nummer sicher und baut derzeit nur die für Schnellladesäulen benötigten Netzanschlüsse auf eigene Kosten. Diese werden dem künftigen Betreiber zur Verfügung gestellt.
Netzausbau in Zahlen: Es seien bereits Netzanschlüsse an 46 Rastanlagen beauftragt und für über 100 Standorte der Kontakt zum Netzbetreiber aufgenommen worden. Für insgesamt 389 geplante Netzanschlüsse an den bewirtschafteten Rastanlagen sei ein Gesamtbudget von 97 Millionen Euro vorgesehen, heißt es aus dem Verkehrsministerium.
Bürokratie: Unikliniken kritisieren Krankenhausreform
Das Bürokratie-Problem: Die Deutschen Universitätsklinika fürchten durch die geplante Krankenhausreform deutlich mehr Bürokratieaufwand. Jens Scholz, Vorsitzender des Verbands, sagt unserem Kollegen Michael Bassewitz:
Wir brauchen jetzt diesen starken Impuls für eine zukunftssichere Versorgung, der vor allem für effiziente Strukturen sorgt.
Vom Verband heißt es weiter: „Klar ist, dass die Reform mit den Bausteinen der Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung zusätzlichen bürokratischen Aufwand erzeugt.“ Dies ließe sich nur rechtfertigen, „wenn im gleichen Zuge Regulierungen zurückgefahren werden“, heißt es.
Prof. Jens Scholz, Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) © IMAGO / Metodi PopowTrotzdem sei eine schnelle Reform notwendig. Jens Scholz sagt: „Auch wenn es in einigen Details Nachbesserungsbedarf gibt, dürfen die Grundpfeiler der Reform mit Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung nicht infrage gestellt werden“.
Zum Download: Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz
Wie (un)seriös sind AfD-Politiker? Laut einer neuen forsa-Umfrage halten die meisten Nicht-AfD-Wähler die Politiker der Partei für hochgradig unseriös. Nur die AfD-Anhänger selber – Überraschung – vertrauen, dass es sich bei den Vorfällen um Krah, Bystron und anderen um Einzelfälle handelt.
Eine Infografik mit dem Titel: AfD-Politiker: Mehrheit hält sie für unseriös
Umfrage zur Seriosität von AfD-Politikern, Antworten in Prozent
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Neue Schuldenregeln: In der EU gelten künftig neue Vorschriften für Staatsschulden und Haushaltsdefizite.
Verteidigung: Das Innenministerium arbeitet derzeit mit dem Verteidigungsministerium intensiv an einem Operationsplan zur militärischen und zivilen Verteidigung. Auch das Gesundheitsministerium sowie das Verkehrsressort sind an dem als geheim eingestuften Plan eingebunden.
Friedensverhandlungen: In Riad, Saudi-Arabien, führte Außenministerin Annalena Baerbock Gespräche mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Im Mittelpunkt stehen die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas. Ein Angebot Israels sieht die Freilassung von rund 30 Geiseln und ein Absehen von der Rafah-Offensive vor.
Ukraine-Unterstützung: Bei einem Besuch in Kiew kritisierte der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, „Nato-Verbündete haben nicht geliefert, was sie versprochen haben“. Das habe für die Ukraine „schwerwiegende Folgen auf dem Schlachtfeld“.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Wirtschaftsminister Robert Habeck macht einen Abstecher zur Life Science Factory in Göttingen im Rahmen seiner zweitägigen Tour durch Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Der Fokus liegt auf Pharmazie und Medizintechnik.
Familienministerin Lisa Paus trifft in Warschau die polnische Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula, Bildungsministerin Barbara Nowacka und Familienministerin Agnieszka Dziemianowicz-Bąk.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gedenkt in Prag gemeinsam mit dem tschechischen Präsidenten Petr Pavel der Opfer des Amoklaufs an der Karls-Universität.
In dem Verfahren um die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen trifft der Internationale Gerichtshof heute eine Vorentscheidung.
Auf – Ahmed Alattar. „Unglaublich, inakzeptabel und unverständlich, wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden haben, gegen Deutschland wenden“, kommentiert der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate die Islamisten-Demos in Hamburg. In seinem Heimatland gilt zwar die Scharia, dennoch unterstützt es den Westen im Kampf gegen islamistischen Terror. Eine wichtige Stimme in der Abgrenzung zum Terror.
Ab – Marco Buschmann. Der Justizminister hat Ärger mit der Justiz. Weil er im Hinblick auf den AfD-Spionage-Skandal im Fernsehen ausplauderte, „wir müssen davon ausgehen, dass wir auch in den nächsten Monaten weitere Enttarnungen vornehmen werden“. „Erhebliches Unverständnis“ soll laut SZ in Sicherheitskreisen darüber herrschen. Man kündige sowas grundsätzlich niemals an! Autsch.
Heute gratulieren wir herzlich:
Dita Charanzová, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, 49
António Guterres, UN-Generalsekretär, 75
Ulle Schauws, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 58
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre