unsere Themen heute:
Hersteller warnt vor Medikamentenengpass: Welche Medikamente knapp werden.
Die FDP-Fraktion eskaliert den Haushaltsstreit.
Wurde sie gecancelt? Sahra Wagenknecht will juristisch gegen ZDF und ARD vorgehen.
Volt-Chef Damian Boeselager spricht über „absurde“ Verhandlungsprozesse in der EU.
Vor einem Jahr waren Kinderarzneimittel knapp, vor allem der Hustensaft. Die Regierung hob daraufhin Festpreise und Rabattverträge auf. „Das hat die Versorgungssituation deutlich entspannt“, sagt Andreas Burkhardt, Deutschland-Chef des israelischen Pharma-Konzerns Teva. Dazu gehört die deutsche Generikamarke Ratiopharm.
Doch Burkhardt warnt: Die Lage von 2023 könnte sich wiederholen. Unserem Kollegen Christian Schlesiger sagt er:
Teva-Manager Andreas Burkhardt (l.), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (m.) und Jugendmediziner Jörg Dötsch © dpaDerzeit gibt es über 200 Wirkstoffe mit Arzneimittelengpässen, darunter einige sehr kritische Medizinfelder.
Vor allem in drei Krankheits- und Vorsorgebereichen drohen Medikamentenengpässe:
Asthma: Medikamente mit dem Wirkstoff Salbutamol.
HIV-Prävention: Medikamente gegen Infektionskrankheiten.
Krebs: Onkologische Präparate zur Bekämpfung von Krebs.
Burkhardt sagt: „Die Versorgung ist nicht mehr sichergestellt, weil die Preisspiralen so weit nach unten getrieben wurden, dass mehrere Hersteller bereits ausgestiegen sind.“
Das deutsche System: Seit 1989 zahlen Krankenkassen in 80 Prozent aller Rezepte nur Festbeträge. Außerdem zwingen Rabattverträge die Hersteller zu Preissenkungen.
Kritiker sagen: Das drückt zwar die Preise und Gesundheitsausgaben, aber auch Hersteller aus dem Markt – und somit die Versorgungssicherheit.
Andreas Burkhardt © LinkedIn /@Andreas BurkhardtBurkhardts Forderung (1): „Die Festpreise sollten für diese drei Medikamente für fünf Jahre lang ausgesetzt werden.“ Die Zeit dränge. Denn „in der Regel dauert es neun Monate, bis Inhaltsstoffe nach dem Ausrufen eines Notstands wieder in ausreichender Menge in der Apotheke zu erwerben sind.“
Burkhards Forderung (2): Die Politik müsse „viel früher prophylaktisch eingreifen“. Ein Frühwarnsystem solle Arzneimittelengpässe rechtzeitig erkennen. „Preismechanismen sollten dann für fünf Jahre ausgesetzt werden.“ So hätten Hersteller einen Anreiz, zu produzieren.
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn © dpaReaktion der Regierung: Das Gesundheitsministerium sagt uns, immerhin Krebsmittel mit Wirkstoffproduktion in der EU würden in Zukunft „bei den Ausschreibungen von Rabattverträgen zusätzlich berücksichtigt“. Heißt: „Made in EU“ wäre ein Vorteil.
Die Idee: Das würde dazu führen, dass europäische Hersteller vermehrt in die Produktion einsteigen. Es gäbe dann mehr Anbieter, dadurch mehr Wettbewerb und eine gesicherte Versorgung.
Und sonst? Außerdem arbeite das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an einem Frühwarnsystem. Das komme aber erst 2026.
Fazit: Deutschland doktert an seinem Gesundheitssystem. Der ärztliche Rat sollte lauten: Prävention statt Kuration.
Eskalation im Haushaltsstreit
In der Debatte um den Haushalt 2025 testet die FDP mit zwei Papieren die Tragfähigkeit der Regierung. Sie liegen unserem Kollegen Christian Schlesiger vor.
Der Fünf-Punkte-Plan: Das Präsidium der Partei wird heute Vormittag ein Papier „für eine generationengerechte Haushaltspolitik“ beschließen. Vor allem steigende Sozialausgaben werden als „Strohfeuer zulasten kommender Generationen“ gegeißelt.
Finanzminister Christian Lindner © dpaDie Kernforderungen:
Schuldenbremse bleibt: „Alle Ausgaben des Bundes müssen auf den Prüfstand.“ Die Ministerien müssten Ausgaben „priorisieren“ und „Synergien heben“.
Keine EU-Schuldenunion: „Der EU-Wiederaufbaufonds muss einmalig bleiben.“ Es dürfe keine gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU geben.
Wirtschaftswende umsetzen: Erst komme das Wachstum, dann das Ausgeben. Wenn Geld fehle, müsse gespart werden, etwa bei der Entwicklungshilfe.
Respekt vorm Steuerzahler: Explodierende Ausgaben „insbesondere in den Sozialsystemen überfordern“ die Beitragszahler. Man müsse sie schonen statt belasten.
Bessere Rente: Die Aktienrente sei „nach schwedischem Vorbild auszubauen“, etwa mit Individualkonto pro Beitragszahler und kapitalgedeckter Zusatzrente.
Fazit: Die Inhalte sind nicht neu, aber die erneute Debatte darum erhöht den Druck auf SPD und Grüne. Botschaft: Der FDP ist es wichtig – die Koalition wackelt.
Intern gibt die FDP-Fraktion mit einem achtseitigen Erklärpapier den nötigen Spin. Christian Lindner mache „keine Sparvorgaben“, es gebe „keinen Sparhaushalt“ und die Aktienrente sei „schuldenbremsenneutral“.
Zum Download: Q&A FDP zum Haushalt 2025
Wagenknecht prüft juristisches Vorgehen gegen ZDF und ARD
Sahra Wagenknecht sieht sich aus den Vorwahl-Sendungen von ZDF und ARD zur Europawahl ausgeschlossen. Unserem Kollegen Jan Schroeder sagt Wagenknecht:
Dass das Bündnis Sahra Wagenknecht als einzige im Bundestag vertretene Partei von den meisten Vorwahl-Sendungen in ARD und ZDF ausgeschlossen wird, ist durch nichts begründbar und eine bodenlose Frechheit.
Und weiter: „Wir werden nun mögliche juristische Schritte prüfen.“
Sahra Wagenknecht © imagoSender widerspricht: Auf Nachfrage stellt das ZDF den Sachverhalt anders dar. Ein Sprecher sagt uns:
Dass es eine Vereinbarung gebe, das Bündnis Sahra Wagenknecht generell in Sendungen im Vorfeld der Europawahl nicht einzuladen, ist unzutreffend.
BSW fehlte: Zuvor waren bei der ersten Vorwahl-Sendung im ZDF am Dienstag „Wie geht's Deutschland?“ alle im Bundestag vertretenen Parteien außer das BSW eingeladen.
Das BSW werde „entsprechend seiner aktuellen politischen Bedeutung in der Wahlberichterstattung zur Europawahl 2024 berücksichtigt“, sagt das ZDF uns. Wagenknecht behauptet jedoch, der Sender habe telefonisch einen generellen Ausschluss mitgeteilt.
Christian Sievers © ImagoNeue Regularien? In der Vergangenheit seien bei Vorwahl-Sendungen alle im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen worden, argumentiert Wagenknecht. Am vergangenen Dienstag sagte ZDF-Moderator Christian Sievers jedoch, dass „alle in den Bundestag gewählten“ Parteien eingeladen wurden. Darunter würde das BSW nicht fallen, da die Mitglieder als Linke gewählt wurden. Laut Wagenknecht ein ungerechter „Kategorienwechsel“.
Genaue oder einheitliche Regularien habe es jedoch in der Vergangenheit beim ZDF nie gegeben, heißt es vom Sender.
Volt-Chef: „Absurde Verhandlungssituationen“ auf EU-Ebene
Damian Boeselager ist einer der Mitgründer der Partei Volt und sitzt für sie seit 2019 im Europäischen Parlament. Im Interview mit der stellvertretenden Pioneer-Chefredakteurin Alev Doğan kritisiert er die teils „absurden“ Verhandlungssituationen in der EU.
Interessenkonflikte: „Wir haben nur nationale Parteien im Europäischen Parlament sitzen und ganz oft sind diese nationalen Parteichefs dann auch noch nationale Regierungschefs.“
Damian Boeselager in den Pioneer Festland-Studios © The PioneerBeispiel Asylpakt: Dort verhandelte der Vorsitzende des Innenausschusses, ein spanischer Sozialdemokrat, gegen den Chefverhandler im Ministerrat, den spanischen Premier Pedro Sánchez.
Mein Chefverhandler des Parlamentes hat im vorauseilenden Gehorsam die Position des Rates eins zu eins übernommen und alles, was wir anderthalb Jahre vorher besprochen hatten, aus dem Fenster geworfen.
Der Grund: „Er wusste, mein Job ist abhängig von der Person, die auf der anderen Seite sitzt“. Allerdings betont Boeselager auch, dass dies nicht der Regelfall sei. „Die Abgeordneten im Europäischen Parlament haben ganz viel Gestaltungsspielraum, den hier niemand mitkriegt.“
Gerade bei hochpolitisierten Debatten sei der Verhandlungsprozess allerdings teils noch „mittelalterlich“: „Die 27 Regierungschefs und Chefinnen verhandeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Themen aus. Und das ist im Kern bei ganz vielen politischen Themen immer noch der Entscheidungsprozess“, kritisiert Boeselager.
Das ganze Interview hören Sie im Achten Tag.
Ob Putin die Nato angreifen möchte oder nicht, wissen weder Normalos noch Experten. Uneinig sind sie sich trotzdem.
Auf der Verteidigungsmesse „Defence 24 Days“ in Polen wurde vergangene Woche eindringlich vor der Wahrscheinlichkeit eines Angriffs gewarnt. Währenddessen glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht, dass Putin angreift.
Eine Infografik mit dem Titel: Russland: Kein Angriff auf die Nato?
Umfrage: Wie wahrscheinlich ist es, dass das russische Militär bis zum Jahr 2030 einen Staat angreifen wird, der dem Bündnis angehört? Antworten in Prozent*
Einig ist man sich dagegen bei einem anderen Thema: dass die Bundeswehr nicht gut vorbereitet ist. Das glauben knapp 80 Prozent der Deutschen. Genauso wie etwa der Verteidigungsminister.
Eine Infografik mit dem Titel: Bundeswehr: Zustand mangelhaft
Umfrage: Wie gut ist die Bundewehr für die Landesverteidigung aufgestellt? Antworten in Prozent
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Russland: Präsident Wladimir Putin hat überraschend seinen Verteidigungsminister Sergej Schoigu nach zwölf Jahren im Amt entlassen. Sein Nachfolger wird der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow. Schoigu soll dafür Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden. Er ist ein enger Vertrauter Putins und galt als korrupt.
Rente: Angesichts des Streits in der Bundesregierung um das Rentenpaket II hat sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai für eine Einschränkung der Rente mit 63 ausgesprochen. Auch Max Mordhorst, der die FDP im Finanzausschuss des Bundestags vertritt, sagte der BamS, die Rente müsse mittelfristig komplett abgeschafft werden.
Ukraine: Im Rahmen einer neuen russischen Offensive hat sich die Lage im Gebiet Charkiw nach ukrainischen Angaben „deutlich verschärft“. Zuvor hatte das russische Militär bereits die Einnahme vier weiterer Dörfer in der Nähe der ostukrainischen Großstadt vermeldet.
In der Sicherheitsdebatte um Angriffe auf Lokalpolitiker sieht Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer auch die Politiker selbst in der Verantwortung. Im Bericht aus Berlin forderte er:
Wir brauchen einen neuen Politikstil.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Kanzler Olaf Scholz trifft in Schweden die Ministerpräsidenten der Nordischen Länder. Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Sicherheitslage in Europa.
Innenministerin Nancy Faeser und der BKA-Präsident Holger Münch stellen in Wiesbaden das aktuelle Bundeslagebild Cybercrime 2023 vor.
Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht verkündet, ob es der Klage der AfD gegen den Verfassungsschutz stattgibt. Die Partei hatte dagegen geklagt, dass sie und ihre Jugendorganisation als rechtsextrem eingestuft wurden.
Finanzminister Christian Lindner reist für ein Treffen der Euro-Gruppe nach Brüssel.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Justizminister Marco Buschmann nehmen am Tourismusgipfel des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft teil.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt in Berlin die Waldzustandserhebung 2023 vor.
Auf – Peer Steinbrück. Jeder Vorschlag, der sich mit der Zielgenauigkeit sozialer Transfers beschäftigt, würde in der SPD „rituell als Abrissbirne des Sozialstaats diskreditiert“, kritisiert der ehemalige SPD-Finanzminister im Handelsblatt. Dabei sollte man schauen, wie der Sozialstaat „stärker auf die zweifellos Bedürftigen zugeschnitten“ werden könne. „Die Politik darf sich nicht von einer drohenden Empörungswelle abhalten lassen, das Richtige zu tun – erst recht nicht in einer Zeitenwende.“ Weise Worte!
Ab – Wolfgang Kubicki. Gespart werden muss auch dort, wo es wehtut (also überall). Aber Vorschläge, wie der des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden – 20 Milliarden Euro an humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe einzusparen –, sind realitätsfern. Deswegen hagelt es auch Kritik, nicht nur von der Entwicklungsministerin („Investitionen, die wir für unsere Sicherheit brauchen“), sondern sogar von der CDU („nicht zu rechtfertigen“). Wir freuen uns in Zukunft über konstruktive Vorschläge!
Heute gratulieren wir herzlich:
Robin Alexander, stellv. Welt-Chefredakteur, 49
Emily Büning, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen, 39
Peer Gebauer, Deutscher Botschafter in Rumänien, 53
Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter, 49
Martin Kotthaus, Deutscher Botschafter in Belgien, 62
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre