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Unsere Themen heute:
Die Atomkraft erlebt eine kleine Renaissance - dabei ist ein Endlager noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: Es hakt bei der Suche nach einem Standort.
Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn hat ein Buch über die Pandemie geschrieben - er gibt darin auch Einblicke in die Debatten zu Masken, Tests und Impfstoffen.
Den Arbeitgebern in Deutschland mangelt es an Personal, besonders in Gastronomie, Event- und Sicherheitsbranche. Interne Zahlend der BA sind besorgniserregend.
Der Bund will einen Teil der insolventen MV-Werften übernehmen. Wir sagen, wie das umgesetzt werden könnte.
Die AfD will einen Sitz im hochgeheimen Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages besetzen. Am Donnerstag stellt sie einen neuen Kandidaten vor.
Die verschleppte Endlager-Suche
Während Deutschland über die Abkehr vom Atom-Ausstieg streitet, kommt die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Stoffe nicht voran.
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), sagte im Gespräch mit unserer Kollegin Marina Kormbaki:
Es gibt aktuell eine Fortschrittslücke im Suchverfahren.
Im Klartext: Die Endlager-Suche hinkt dem Zeitplan hinterher.
Eigentlich soll bis zum Jahr 2031 die Entscheidung für einen Endlager-Standort gefallen sein, damit ab 2050 die Lagerung beginnen kann - so sieht es das 2017 in Kraft getretene Endlagergesetz vor.
Doch die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung habe noch keinen Projektplan vorgelegt, so König. „Mein Amt kann daher derzeit nicht nachvollziehen, wie man in der Kürze der Zeit all die nächsten komplexen Schritte transparent durchführen will", sagt der Base-Präsident.
Wolfram König, seit 2016 Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung. © BASEDer Verzug erschwert König zufolge die angestrebte breite Bürgerbeteiligung bei der Endlagersuche.
In einem ersten Schritt stellte die BGE 2020 fest, dass 54 Prozent der Fläche in Deutschland wegen ihrer geologischen Beschaffung grundsätzlich für die Endlagerung von Atom-Abfällen infrage kommt.
König beklagt:
Dadurch, dass eine so große Fläche als denkbare Endlager-Gebiete benannt wurde, fühlt sich derzeit kaum jemand wirklich betroffen.
Erst mit der Eingrenzung auf einzelne, konkrete Flächen wären zielgerichtete Informationen und umfangreiche Beteiligungsangebote für die verbleibenden Regionen möglich, sagt König.
Von einer Laufzeitverlängerung aktiver Atommeiler oder gar einem Wiedereinstieg in die Kernkraft hält König nichts. Atom-Technologie habe nach jetzigem Erkenntnisstand keine Zukunft:
Die Kosten sind zu hoch, die Bauzeit für Atomanlagen ist zu lang, die vollständige Sicherheit gegen katastrophale Unfälle kann nicht gewährleistet werden - und die Frage der Endlagerung von Atomabfällen ist nach wie vor ungelöst.
Zudem würde eine Laufzeitverlängerung für die letzten drei Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 die Abkehr von russischen Energie-Importen nicht erleichtern:
"Die drei Kraftwerke haben mit rund sechs Prozent einen geringen Anteil an der Stromversorgung. Und als Erdgas-Ersatz kommen sie nicht infrage“, sagt König.
Neckarwestheim 2 - eines der drei letzten Kernkraftwerke, die Ende des Jahres vom Netz gehen sollen. © ImagoEr betont:
Die drei verbleibenden Kernkraftwerke können keinen wesentlichen Beitrag zur Lösung für unsere Energiebedarfe im nächsten Winter leisten.
Marina Kormbaki sprach mit König über die Hintergründe der stockenden Endlagersuche, über neuerdings eingeschränkte Bürgerbeteiligung und die Sicherheit deutscher Zwischenlager im Falle eines kriegerischen Angriffs.
Hier lesen Sie das wenig beruhigende Interview.
Kurzarbeit: Inzwischen fast 8.000 Hinweise auf Missbrauch
© The PioneerSeit Beginn der Corona-Pandemie bis Anfang Mai sind bei der Bundesagentur für Arbeit rund 7.900 Hinweise auf möglichen Leistungsmissbrauch bei der Kurzarbeit eingegangen. Das geht aus einem Bericht des Bundesarbeitsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, den wir erhalten haben.
„In einer großen Zahl der Fälle haben sich diese Hinweise bei näherer Überprüfung nicht bestätigt“, heißt es in dem Papier.
Von März 2020 bis Mai 2022 sind demnach 452 Fälle mit konkretem Betrugsverdacht an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben worden. Der Strafrahmen reiche von einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe.
In 113 Fällen haben die Staatsanwaltschaft oder das Gericht bislang die Ermittlungen eingestellt. 429 Fälle wurden an die Hauptzollämter übergeben. In diesem Jahr sind bislang 554.000 Anträge auf konjunkturelles Kurzarbeitergeld gestellt worden.
Gastronomie und Sicherheitsfirmen fehlen Zehntausende Mitarbeiter
Ingrid Hartges © ImagoGastronomie und Sicherheitsfirmen suchen händeringend Personal. Bei der Bundesagentur für Arbeit seien im Mai 44.788 offene Stellen im Gastgewerbe gemeldet gewesen, sagte uns Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes.
Der Bedarf sei tatsächlich noch viel höher.
In den Pandemie-Jahren habe die Branche rund 100.000 Mitarbeiter verloren.
Im Sicherheitsgewerbe gibt es aktuell 11.500 offene Stellen. In diesem Sommer werde es besonders bei den Sicherheitskräften für Veranstaltungen zu Engpässen kommen, so eine Sprecherin des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft.
Dort seien wegen der vorübergehenden Einstellung von Veranstaltungen sehr viele Beschäftigte in andere Bereiche abgewandert.
Die Pandemie hat zu massiven Verschiebungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt geführt.
Pioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner hat darüber mit Branchenvertretern und Arbeitsmarktexperten gesprochen.
Dabei ging es auch um die Frage, ob in Deutschland ein Big Quit ähnlich wie in den USA den bestehenden Fachkräftemangel verschärft.
Lesen Sie hier die Analyse des Kollegen.
Bund wird Teil der MV Werften übernehmen
An diesem Dienstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an einer Kabinettssitzung der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in Berlin teilnehmen.
Und wenn er wie geplant gegen 12:15 Uhr seiner Parteifreundin und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Hand zum Gruß reicht, dann hat er womöglich gute Nachrichten im Gepäck. Er könnte die Gelegenheit nutzen und dort verkünden, was als Gerücht seit Langem die Runde macht: Dass der Bund beabsichtigt, den Standort Rostock-Warnemünde von den insolventen MV-Werften zu übernehmen.
Mit dem Deal wäre die Zukunft eines großen Teils der noch 800 Werftarbeiter des Standorts gesichert. Die befinden sich derzeit in einer Auffanggesellschaft, deren Finanzierung Schwesigs Regierung gerade erst bis in den Herbst verlängert hat. Damit hat der Bund jetzt Zeit, die nötigen Formalitäten zu regeln.
Wie unser Kollege Thorsten Denkler hört, soll der Deal grob so aussehen: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wird das Werftgelände in Rostock-Warnemünde übernehmen. Die Bundesmarine wird dann den größten Teil des Geländes von der bundeseigenen Immobilienverwaltung pachten.
Offen ist, ob andere Teile des Geländes später von Unternehmen genutzt werden können, die Plattformen und Spezialschiffe für den dringend nötigen Bau von Offshore-Windparks bauen. Dort könnten 300 Mitarbeiter unterkommen.
Das Bundesverteidigungsministerium will angeblich 500 Dienstposten neu schaffen. Ein Stellenaufwuchs, der noch den Haushaltsausschuss des Bundestages beschäftigen wird.
Frankreich-Expertin: "Rechte im Bürgertum angekommen"
Die langjährige Paris-Korrespondentin der ARD, Sabine Rau, rechnet nach den Parlamentswahlen in Frankreich mit einem informellen Bündnis zwischen Emmanuel Macrons Partei und der Partei des früheren Staatschefs Nicolas Sarkozy.
"Die extremen Ränder sind gestärkt worden. Hier wird Macron keine neuen Partner finden. Ihm bleiben nur die bürgerliche Rechte, die Républicain, die Sarkozy-Partei", sagte Rau in der aktuellen Folge des Pioneer-Podcasts von Gabor Steingart.
Sabine Rau, ARD-Korrespondentin in Paris. © ImagoEs gebe "vereinzelt Signale" aus der Sarkozy-Partei, dass man mit dem Präsidenten zusammenarbeiten und einige von Macrons Reformideen mittragen könnte, etwa die geplanten Entlastungen für die Bürger im Sommer oder die Rentenreform, so Rau.
Die rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen ist bei den Parlamentswahlen erneut gestärkt worden.
Plakate von Emmanuel Macron und Marine Le Pen vor der Parlamentswahl. © imagoDies sei besorgniserregend, so die Fernsehjournalistin, die seit 2017 das Pariser Büro der ARD leitet.
"Es ist das erschreckendste Ergebnis dieser Wahl. Es zeigt, dass Frau Le Pen nicht nur über einen soliden Sockel der Wähler verfügt, sondern im gemäßigten, bürgerlichen Lager angekommen ist. Das ist der Schock für die politische Klasse hier in Paris."
Hier hören Sie das gesamte Gespräch im aktuellen Podcast.
AfD-Kandidat für Geheimdienstausschuss chancenlos
Wer einen ersten Eindruck vom AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess, 51, bekommen möchte, wirft einen Blick auf seine Homepage. Der Schriftzug "Innere Sicherheit" prangt ganz oben. Dahinter, wenig subtil, das verschwommene Bild eines dunkelhäutigen jungen Mannes.
Diesen Mann, ein ehemaliger Polizist, will die AfD in das Parlamentarische Kontrollgremium entsenden. Das ist der Bundestags-Ausschuss, der in streng vertraulichen Sitzungen die Arbeit der deutschen Geheimdienste überwacht.
Am Donnerstag steht er zur Wahl an. Die nötige Kanzlermehrheit wird er nicht bekommen, hört unser Kollege Thorsten Denkler. Seine Wahl sei "ausgeschlossen". Grund: Die AfD gilt als extremistische Partei, die selbst vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Spahn schreibt über Pandemie-Erlebnisse
Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn hat seine persönlichen Erlebnisse als Minister in der Pandemie in einem Buch aufgeschrieben, das am 28. September im Heyne-Verlag veröffentlicht wird.
Darin schildert Spahn erstmals auch Details aus den Sitzungen der Ministerpräsidentenkonferenz in der Pandemie, die Diskussionen in der Bundesregierung um die Impfstoffbeschaffung und das Ringen um eine Testinfrastruktur im Land.
Außerdem gibt Spahn Einblick in die Hochphase der Pandemie und wie das Ministerium versuchte, im Frühjahr 2020 weltweit Masken und Schutzbekleidung zu beschaffen.
Als Co-Autoren hat Spahn die beiden Journalisten Olaf Köhne und Peter Käfferlein verpflichten können, die mit ihrer Hamburger Agentur auch schon die Bestseller von Dirk Roßmann und Hardy Krüger entwickelten.
Der Titel des Buches ist ein Zitat aus einer Rede Spahns im Bundestag:
"Wir werden einander viel verzeihen müssen."
© Heyne VerlagSophie Schönberger, Juristin von der Universität Düsseldorf, hat sich aus der Kommission des Bundestages zur Reform des Wahlrechts zurückgezogen.
„Diese Personalie ist eine Klatsche für die Ampel“, sagte uns Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.
© Media Pioneer„Die Koalition kann offensichtlich ihre eigenen Sachverständigen nicht mehr halten. Ihre Vorstellungen sind so abwegig, dass ihre eigenen Fachleute die Arbeit niederlegen.“
Neuer Job für Spiegel-Hauptstadt-Chef
Es ist ein echter Traumjob für USA-Liebhaber. Der Ko-Chef des Berliner Hauptstadtbüros des Spiegel, Philipp Wittrock, wird ab Sommer aus Kalifornien als Reporter für das Nachrichtenmagazin arbeiten und das Geschehen auf der Spiegel-Online-Seite koordinieren.
Wittrock, Jahrgang 1975, lernte bei der Düsseldorfer Rheinische Post, beim Kölner Express und bei der Deutschen Journalistenschule in München das journalistische Handwerk. Seit 2019 ist er einer der Leiter des Hauptstadtbüros.
Sein Nachfolger im Amt in Berlin: Christoph Hickmann.
An diesem Mittwoch, den 22. Juni, kommt erstmals der neu formierte Aufsichtsrat der Deutschen Bahn zusammen.
Das Gremium wird unter anderem grünes Licht für eine wichtige Veränderung im Vorstand geben: Der bisherige Fernverkehrsvorstand Berthold Huber soll neuer Infrastrukturvorstand werden - und damit Nachfolger von Ronald Pofalla, der Ende April auf eigenen Wunsch ausgeschieden war.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will mit Bahnchef Richard Lutz außerdem ein Instandhaltungskonzept für das 5.000 Kilometer umfassende Streckennetz der Bahn vorstellen. Die Pläne werden auch die Aufsichtsräte beschäftigen.
Auf - Jörg Hofmann. Der Chef der IG Metall verlangt ein Lohnplus von 7 bis 8 Prozent für die Beschäftigten in der Matellindustrie - und angesichts der Rekordinflation haben die Gewerkschaften gute Argumente dafür in der Hand. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Lohn-Preis-Spirale bedenklich, aus Sicht der Beschäftigten ist eine kräftige Lohnsteigerung unabdingbar. Hofmann dürfte ein gutes Ergebnis einfahren. Aufsteiger!
Ab - Emmanuel Macron. Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat der einstige Hoffnungsträger der Europäischen Union eine herbe Schlappe einstecken müssen und muss nun ausgerechnet den in Hausarrest befindlichen Ex-Staatschef Sarkozy umgarnen. Für den Reformkurs in Europa und das deutsch-französische Tandem ist Macrons Niederlage ein Desaster.
SZ-Zentral- und Osteuropa-Korrespondent Florian Hassel geht der heiklen Frage nach, wie ernst es der ukrainischen Führung mit der Bekämpfung der Korruption im Land tatsächlich ist. Hassel trägt allerhand besorgniserregende Fakten zusammen, die in der Debatte über den EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine nicht unter den Tisch fallen sollten. Leseempfehlung!
Nach den Folgen eines ukrainischen EU-Beitritts für Europa fragt Spiegel-Kolumnist Nikolaus Blome: "Der Beitritt der Ukraine brächte eine historische Neuvermessung der EU mit sich, eine radikale Ost-Verschiebung ihrer Mitte und damit einhergehend ihres Wesens. Das kann man wollen. Aber ich finde, zuvor ein wenig darüber reden, vielleicht sogar mit den Bürgern, das sollte man schon." Die EU sei nicht der Vorhof der Nato, so Blome. Lesenswert!
Handelsblatt-Redakteurin Kathrin Witsch kommentiert die endlose Debatte um eine laut Experten unmögliche Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke: "Statt sich immer und immer wieder mit einer Geisterdebatte aufzuhalten, müssen jetzt viel drängendere Probleme in Angriff genommen werden: Kohlekraftwerke müssen wieder ans Netz, Wind und Solar müssen mit Hochgeschwindigkeit ausgebaut werden, und das Stromnetz muss verstärkt werden.“ Spannende Analyse.
Heute gratulieren wir herzlich:
Florian Noell, ehem. Vorsitzender des Bundesverbandes Start-up, 39
Joachim Stamp, FDP-Landtagsabgeordneter, Noch-Integrationsminister NRW, 52
Ralf Beste, Abteilungsleiter für Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt und ehemaliger Botschafter, 56
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) über jüngst bekannt gewordene antisemitische Bildelemente auf der Kunst- und Kulturmesse documenta.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre