herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Seit dem 10. August ist Olaf Scholz Kanzlerkandidat der SPD. Zeit für eine erste Zwischenbilanz und Antworten, wo der erhoffte Scholz-Effekt bleibt.
Es geht um eine kaputte Eisenbahnbrücke in Niedersachsen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will sie neu bauen - und zwar in der teuren Variante. Der Rechnungshof geht nun dazwischen.
Joe Chialo will für die CDU den prestigeträchtigen Hauptstadt-Wahlkreis in Berlin-Mitte holen. Er ist Musikmanager, Seiteneinsteiger und Afrodeutscher.
SPD-Finanzminister Olaf Scholz ist seit mehr als 60 Tagen Kanzlerkandidat seiner Partei. Doch der erhoffte Effekt durch den populärsten SPD-Politiker ist bisher ausgeblieben. Die Partei liegt in mehreren Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent, deutlich abgeschlagen hinter der Union, und in keiner einzigen Umfrage vor den Grünen.
Was ist da los?
Der Kandidat rackert und kämpft. Die Partei zeigt sich geschlossen wie nie. Am vergangenen Montag präsentierte sich Scholz mit einer klugen Rede beim Wirtschaftsflügel der Partei, dem Wirtschaftsforum. 80 Gäste waren vor Ort, viele digital zugeschaltet. Und manch ein Sozialdemokrat wollte wissen, ob das wirtschaftspolitische Herz von Scholz noch an der richtigen Stelle schlägt angesichts der Forderungen der SPD-Linken nach Steuererhöhungen und Sozialstaatsprogrammen. Scholz forderte einen wuchtigen Plan für die Gesundung der Wirtschaft. Das "Herauswachsen aus der Krise" müsse mit einer "Modernisierung der europäischen Wirtschaft" verbunden werden.
Doch ist auch Verzweiflung in der SPD zu spüren. Intern philosophierte ein Führungsmitglied vor wenigen Tagen, dass die Wähler vielleicht "die SPD nach so vielen Jahren an der Regierung in die Opposition hineinsehnen, damit wir uns dort erholen".
Matthias Machnig, der Wahlkampfleiter von Gerhard Schröder 1998, später Wirtschaftsminister in Thüringen und Staatssekretär im Umweltministerium, geht mit der Strategie seiner Partei hart ins Gericht. Der SPD fehle "Timing, Momentum, Idee, Machtperspektive und Begeisterung", analysiert der SPD-Mann, der zu den engsten Vertrauten des früheren SPD-Chefs Sigmar Gabriel zählte.
Schon die Nominierung so früh sei falsch gewesen, schreibt er in einem Beitrag für ThePioneer.de.
In einer Phase, in der die im Amt befindliche Bundeskanzlerin die höchsten Zustimmungs- und Vertrauenswerte hat, kann man über vieles sprechen, aber nicht über einen neuen Kanzler oder eine Kanzlerkandidatur.
Der SPD fehle eine Idee, mit der man Wählergruppen begeistern könne. Nur auf Erfahrung und Sicherheit zu setzen, wie es die Strategen rund um Scholz bisher tun würden, um Scholz als Kontinuität einer erfolgreichen Krisenmanagement-Politik zu inszenieren, sei zu wenig.
"Diese Zauberformel verkennt: Das Land im Krisenmodus schaut gegenwärtig, glaubt man den Meinungsumfragen, vor allem auf die Zukunfts- und Krisenkompetenz der Parteien. Diese Zuschreibung ist vor allem mit Parteien und erst in zweiter Linie mit Spitzenkandidaten verbunden."
Auch fehle der SPD eine Machtperspektive. "Die Umfragen lassen nur zwei Konstellationen zu, entweder eine schwarz-grüne Koalition oder eine Neuauflage einer Jamaikakoalition." Den gesamten Beitrag von Machnig können Sie hier nachlesen.
Karl-Rudolf Korte, der Duisburger Politik-Professor, sieht das anders. Er glaubt weiter an Olaf Scholz und seine Kanzlerchancen. „Der eigentliche Scholz Effekt wird in der Mobilisierung des Bundestags Wahljahres 2021 einsetzen“, sagte Korte am Dienstag beim Besuch auf unserem Redaktionsschiff. Die Wahl sei historisch einmalig - und zwar deshalb, weil Angela Merkel nicht mehr zur Wahl steht: „Das bringt die Strahlkraft von Scholz automatisch mit nach vorne.“
Scholz sei "ein Krisenlotse“ wie die Kanzlerin kein Charismatiker. Auch Merkel habe 2002 nicht emotional begeistert, sondern gedient. „Deshalb sehe ich ihn als Merkel-Erben, durchaus“, so Korte über Scholz. „Die Deutschen wollen ja, dass ein Kümmerer das macht, der etwas vom Handwerk versteht.“
1. Brücke zu teuer: Rechnungshof pfeift Scheuer zurück
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stößt mit seinen Plänen für eine Eisenbahnbrücke über die Ems in Niedersachsen angesichts von Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe auf Kritik beim Bundesrechnungshof. Das geht aus einem Bericht der Behörde an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, der uns vorliegt.
Es geht um die so genannte „Friesenbrücke“. Über sie führt - eingleisig - die Bahnverbindung zwischen Leer und dem niederländischen Groningen. Die Brücke war Ende 2015 von einem Schiff gerammt und so beschädigt worden, dass sie erneuert werden muss.
Nach Bahn-Schätzungen würde es 30 Millionen Euro kosten, sie wieder als Klappbrücke aufzubauen. Bisher war es so, dass jedes Mal, wenn ein größeres Schiff die Meyer-Werft in der Nähe mit Ziel Nordsee verließ, das Mittelstück der Brücke mit einem Schwimmkran entfernt werden musste.
"Politischer Wille"
Das Land Niedersachsen, die Kommunen vor Ort und die Werft haben den Angaben zufolge den Bau einer Drehbrücke vorgeschlagen - die Baukosten belaufen sich laut Rechnungshof auf bis zu 96 Millionen Euro. In dieser Schätzzahl sind auch mögliche Baukostensteigerungen und Verzögerungen inbegriffen.
Niedersachsen hatte sich bereit erklärt, von den zusätzlichen Baukosten fünf Millionen Euro zu tragen. Die Werft und die Kommunen vor Ort wollten sich dem Bericht zufolge finanziell nicht beteiligen.
Nach Angaben der Behörde hat das Bundesverkehrsministerium bisher keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorgelegt und lediglich erklärt, der Wiederaufbau der Friesenbrücke als Drehbrücke sei „politischer Wille“.
2. Justizministerin blockiert Verfassungsschutzgesetz
Eigentlich sollte an diesem Mittwoch die Harmonisierung des Verfassungschutzrechts im Kabinett beschlossen werden, doch der Entwurf des CSU-geführten Bundesinnenministeriums wird vom SPD-geführten Justizministerium blockiert.
Im Kern geht es bei dem Vorhaben um erweiterte Zugriffe für Geheimdienste und Verfassungsschützer. Es soll Änderungen bei der Sicherheitsüberprüfung, erweiterte Zugriffsmöglichkeiten durch die Quellen-TKÜ und die Integration des Militärischen Abschirmdienstes in die Datenbank der übrigen Nachrichtendienste geben.
Die Anti-Terror-Gesetze des früheren SPD-Innenministers Otto Schily (SPD), sollen entfristet werden. Doch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zögert, die Sozialdemokraten wollen keine neuen Kompetenzen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) drängt nun auf den Kabinettstermin am 28. Oktober.
Die Entfristung der Anti-Terror-Regelungen soll jetzt als Initiative der Koalition direkt im Bundestag eingebracht werden.
3. Franziska Giffey zu Besuch auf der Pioneer One
Sie will Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden, und die Hauptstadt von ihrem schlechten Image einer digital kaum vernetzten und ineffizienten Verwaltung, einer zögerlichen Wirtschaftspolitik und einer Stadt, in der der Rechtsstaat nicht durchgesetzt wird, befreien.
Die frühere Bezirksbürgermeisterin aus Neukölln, inzwischen für die SPD als Bundesfamilienministerin tätig, spricht an Bord der Pioneer One über die Zukunft der Stadt und ihrer Partei. Sie können live dabei sein.
Hier gehts zum Livestream. Ausriss aus einer Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums © ThePioneerIn Deutschland sind gegenwärtig 9.321 Betten auf Intensivstationen frei. Das entspricht einem Anteil von 31 Prozent, wie aus einer vertraulichen Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht, die uns vorliegt.
Überdurchschnittlich viele Intensivbetten sind derzeit in Schleswig-Holstein (46 Prozent) verfügbar. In Rheinland-Pfalz sind es 39 Prozent der vorhandenen Betten frei, in Sachsen 38 Prozent, im Saarland und Niedersachsen je 35 Prozent. Die geringsten Kapazitäten gibt es in Berlin (18 Prozent) und Hessen (24 Prozent).
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wird dem Bundestag am 28. Oktober in der Fragestunde Rede und Antwort stehen. Dabei dürfte es vor allem um das Corona-Krisenmanagement gehen, unter anderem um die milliardenschwere Überbrückungshilfe für kleine und mittlere Unternehmen und Staatsbeteiligungen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die Kritik an der Vergabe der Hilfen für Kleinstbetriebe und Solo-Selbstständige ist weiter groß.
© ThePioneerAuf - Grünen-Politiker Omid Nouripour setzt sich bereits seit langer Zeit für die inhaftierte iranische Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotoudeh ein, die nun mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden ist. Der in Teheran geborene Bundestagsabgeordnete, der 1988 während des ersten Golfkrieges mit seinen Eltern nach Frankfurt kam, kämpfte auf allen Ebenen für Sotoudehs Freilassung. Nouripour prangert die Zustände in iranischen Gefängnissen an, die sich mit der Corona-Pandemie noch einmal verschlechtert haben. Starkes und wichtiges Engagement! Für den Grünen-Politiker geht es deshalb bergauf.
Ab - Gesine Lötzsch hat es getan. Die frühere Linken-Parteichefin kritisierte, dass die Räumung des besetzten Hauses in der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain ausgerechnet jetzt erfolgt ist. „Berlin wird zum Risikogebiet erklärt und tausende Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet räumen ein Haus. Geht‘s noch?", twitterte Lötzsch. Moment mal! Das Polizeiaufgebot war groß, keine Frage. Aber nur deshalb, weil die Liebigstraße ein Lieblingstreffpunkt gewaltbereiter Linksextremisten war. Und sie ein Haus besetzen, das nicht ihr Eigentum ist. Recht muss Recht bleiben, und durchgesetzt werden. Auch wenn es die eigene Klientel betrifft. Für sie geht es deshalb bergab.
Wer aus einem Corona-Risikogebiet stammt, für den gelten nicht allein Restriktionen, wenn es um Urlaubsreisen in andere Bundesländern geht. Wie Christoph Schlautmann im Handelsblatt berichtet, machen auch große Unternehmen ihren Arbeitnehmern inzwischen zunehmend Vorgaben.
"Mitarbeiter, deren Wohnorte in den vergangenen sieben Tagen mehr als 100 Corona-Ansteckungen je 100.000 Einwohner zählten, so entschied VW, dürfen nicht mehr die eigenen Werke betreten. Es sei denn: Sie kommen mit dem Auto", schreibt der Kollege. Sein Text mit weiteren interessanten Beispielen lässt sich hier nachlesen.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Olav Gutting, CDU-Bundestagsabgeordneter, 50
Volker Ullrich, CSU-Bundestagsabgeordneter, 45
Peter Kloeppel, Chefmoderator von RTL aktuell, 62
Er ist Musikmanager, Seiteneinsteiger, erst seit 2016 in der Partei und Sohn eines tansanischen Diplomaten. Joe Chialo will heute seine Bundestags-Kandidatur für die CDU im Wahlkreis Berlin-Mitte bekanntgeben.
Joe Chialo will für die CDU in den Bundestag. © Anne HufnaglDoch der Landesvorsitzende Kai Wegner hat eigentlich seine Favoritin bereits gefunden, die promovierte Bankenverbands-Managerin Ottilie Klein.
Es dürfte spannend werden. Wir stellen den Mann vor, der das Establishment herausfordert und auch manchen Konservativen in der eigenem Partei. Hier geht's zum Text.
© ThePioneerNRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fand würdigende Worte in der Trauerfeier in Bon für den früheren SPD-Ministerpräsidenten und Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement. Clement war am 27. September nach langer Krankheit in seiner Heimat in Bonn verstorben.
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