unsere Themen heute:
Fachkräfte-Schreck AfD: Unternehmerverbände sorgen sich um den Standort Deutschland.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, spricht im Hauptstadt-Podcast über die Wehrpflicht.
Tausende Verdachtsfälle: Bürgergeld-Betrug von „falschen Ukrainern“.
Ampel streitet um weitere Gesetze. Wir kennen die Details.
Katrin Göring-Eckardt fordert Taurus-Entscheidung schon kommende Woche
Fachkräfte-Schreck: Aufstieg der AfD ist Standortrisiko
Mit Sorge um sein Unternehmen blickt der Geschäftsführende Gesellschafter der Jäger Group und Präsident der Unternehmerverbände Niedersachsen, Andreas Jäger, auf den Aufstieg der AfD.
Jeder Zugewinn der Rechtspopulisten verschrecke dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland, sagt Jäger unserem Kollegen Jan Schroeder.
Angesichts des sowieso schon großen Fachkräftemangels und des in den nächsten Jahren zu erwartenden Ausstiegs der Baby-Boomer-Generation aus dem Erwerbsleben bringt das dem Standort zusätzliche Probleme.
Das mittelständische Familienunternehmen Jäger Group aus Hannover stellt Kunststoffprodukte her. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an seinen Standporten in Deutschland liege bei etwa 50 Prozent, gibt Andreas Jäger im Hinblick auf etwaige „Remigrationspläne“ zu bedenken.
Andreas Jäger © PrivatIn vielen Abteilungen seines Unternehmens mit knapp 500 Mitarbeitern in Deutschland würde fast ausschließlich auf Englisch kommuniziert.
So wie Jäger sehen es laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsvereinigung der Grünen 80 Prozent der knapp 50 befragten Unternehmer. Auch sie bewerten das Erstarken der AfD als Risiko für Investitionen am Wirtschaftsstandort und für die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Auch Jäger ist Teil der Vereinigung.
Auch laut einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) unter 119 Hauptgeschäftsführern der zentralen deutschen Wirtschaftsverbände im vergangenen August bemerken 68 Prozent der befragten Verbände „Schwierigkeiten, in AfD-Hochburgen Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen“. Nur 13 Prozent sahen keine Probleme.
Auch der Wirtschaftswissenschaftler Knut Bergmann vom IW spricht von einem wirtschaftsschädigenden Einfluss der Rechtspopulisten, was den Fachkräftemangel angeht. Bergmann warnt jedoch vor allem vor den politischen Risiken der AfD.
Die AfD ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Demokratie. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die konkreten wirtschaftlichen Risiken allerdings noch überschaubar.
Das könne sich jedoch schnell ändern. Sollte die AfD realistische Chancen auf eine Regierungsbeteiligung erhalten, müsse man die Lage neu bewerten. Normalerweise äußern sich Unternehmen und Verbände kaum dezidiert parteipolitisch. Bergmann sagt dazu:
Die klare Positionierung vieler Unternehmen gegen eine Partei wie jetzt gegen die AfD ist, soweit ich das für die letzten Jahrzehnte beurteilen kann, ein Novum.
Fazit: Der Aufstieg der AfD versetzt die deutsche Wirtschaft nicht in Panik, aber bereitet ihr wohl zusätzliche Sorgen – in ohnehin angespannten Zeiten.
Heusgen im Hauptstadt-Podcast: „Der russischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“
Seine Generation hätte keine Zeit erlebt, die diese Anzahl und dieses Ausmaß an Krisen erlebt hat, sagt Botschafter Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz im neuen Hauptstadt-Podcast. Unabhängig von Donald Trump müssten die Deutschen ihre Hausaufgaben machen.
Christoph Heusgen © imagoHeusgen sagt:
Wir müssen den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO wirklich stärken, sodass dieser alleine stehen kann.
Es sei gut und richtig, dass wir so „viel wie irgendwie möglich, an die Ukraine abgeben, weil die Ukraine die europäische und die deutsche Freiheit und Sicherheit verteidigt“. Denn:
Wenn Putin in der Ukraine Erfolg hat, dann wird er sich gegen Länder richten, die Teil des NATO-Bündnisses sind. Das heißt, wenn wir jetzt in der Ukraine helfen, helfen wir auch aus ureigenem Interesse.
Putin sei keine Lüge zu schade, um einen Vorwand zu nutzen, sein Unwesen zu treiben. „Wir müssen in Deutschland eine gesellschaftliche Debatte führen, wie wichtig uns Verteidigung ist“, fordert er. Außerdem:
Wir müssten darüber diskutieren, ob wir eine Rückkehr zur Wehrpflicht brauchen.
Das ganze Interview hören Sie im Hauptstadt-Podcast. Außerdem besprechen The Pioneer-Chefkorrespondentin Politik, Karina Mößbauer, und Jörg Thadeusz:
mögliche Optionen und Planspiele der FDP, in der Ampel weiterzumachen oder sie zu beenden und was von der Münchner Sicherheitskonferenz zu erwarten ist.
Im Zwischenruf erklärt Hans-Ulrich Jörges, wie er die Überlegungen findet, das Bundesverfassungsgericht gegen die Gefahr einer erstarkenden AfD zu schützen.
Im kürzesten Interview der Berliner Republik: Anna Schneider, Chefreporterin der WELT.
Tausende Verdachtsfälle: Bürgergeld-Betrug bei „falschen Ukrainern“
Vermehrt geben sich EU-Ausländer als ukrainische Flüchtlinge aus, um Bürgergeld zu beantragen – tausende Verdachtsfälle bestätigt uns das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Denn ukrainische Kriegsflüchtlinge haben in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld, EU-Ausländer nicht.
Das BAMF sagt unserem Kollegen Michael Bassewitz: „Im Rahmen des Verfahrens zur Klärung von Zweifeln über die Staatsangehörigkeit“ seien allein aus dem ukrainisch-ungarischen Bezug „insgesamt 3.111 Fälle an die ungarischen und 3.374 Fälle an die ukrainischen Behörden zur Überprüfung übermittelt” worden.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) © imagoMöglich ist das etwa durch doppelte Staatsbürgerschaften. So könnten EU Staatsbürger mit ukrainischem Zweitpass nur diesen vorzeigen und so ungerechtfertigterweise an deutsches Bürgergeld kommen, wenn sie angeben, geflohen zu sein und keinen EU-Pass zu haben.
In Baden-Württemberg seien seit 2023 insgesamt 1374 Verdachtsfälle über Personen gemeldet worden, die neben der ukrainischen Staatsbürgerschaft auch die eines anderen EU-Landes besitzen, berichtet die Schwäbische Zeitung unter Bezugnahme der Ausländerbehörden im Südwesten.
Das Arbeitsministerium sagt uns dazu:
Entsteht im konkreten Fall in den Jobcentern der Verdacht, dass die antragstellende Person auch eine EU-Staatsangehörigkeit hat – weil sie beispielsweise nur eine EU-Sprache, aber nicht ukrainisch spricht –, haben Jobcenter die Ausländerbehörden darauf hinzuweisen.
Erst wenn die Ausländerbehörde feststelle, dass aufgrund der EU-Staatsangehörigkeit der ursprüngliche Aufenthaltstitel zu Unrecht erteilt wurde, dürfen Leistungen eingestellt bzw. zurückgefordert werden, so das Ministerium.
Ampel-Tauziehen um Gesetzesvorhaben des Bauministeriums
Es herrscht dicke Luft zwischen den Ministerien der Ampel-Parteien: Mehrere Gesetzesvorhaben des Bauministeriums steckten in den Ministerien von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) fest, hört unsere Kollegin Laura Block aus Regierungskreisen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann © dpaAuf Anfrage dementiert das Justizministerium die Vorwürfe. Das Finanzministerium verweist direkt auf das Bauministerium. Das wiederum möchte sich nicht zu Gesetzen äußern, die sich derzeit in der Ressortabstimmung befinden. Der baupolitische Sprecher der SPD, Bernhard Daldrup, sagt uns:
Die Ampel soll Gesetze durchbringen und nicht blockieren. Die FDP ist jedoch gerade mehr damit beschäftigt, letzteres zu tun.
Um diese Gesetze geht es:
Die Hochbaustatistik-Novelle: Mit der Novelle sollen die Bestände und der Bedarf von Wohnungen regelmäßiger erfasst werden. Bisher ist das Ministerium auf die Daten der Verbände angewiesen. Die Novelle soll zur nächsten Legislaturperiode eingeführt werden. Das Justizministerium sagt uns: Berichte, wonach das Ministerium dieses Vorhaben aufhalte, seien „unzutreffend“.
Die Baugesetzbuch-Novelle: Durch die Novelle sollen Bebauungspläne zum Beispiel schneller erarbeitet und Bauen in Innenstädten vereinfacht werden. Hier gebe es wegen das Finanzministeriums kein Weiterkommen. Der große Streitpunkt sei das Vorkaufsrecht der Kommunen. Es ist eines der größten Projekte des Bauministeriums.
Mietrechtsreform: Anfang der Woche schrieben zwei SPD-Abgeordnete einen Brief an den Justizminister mit der Aufforderung, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Mietrechtsreform umzusetzen. Konkret geht es um die Verlängerung der Mietpreisbremse und die Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf elf Prozent.
Göring-Eckardt fordert schnelle Taurus-Entscheidung
Nach fünf Tagen endet heute die Reise von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt durch die Ukraine. Unser Kollege Thorsten Denkler spricht mit ihr über ihre Erkenntnisse.
Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) mit unserem Kollegen Thorsten Denkler © PrivatFrau Göring-Eckardt, wenn Kanzler Scholz Sie fragt, wie die Reise war, was werden Sie ihm sagen?
Ich werde ihm von den Menschen erzählen, aber ich würde ihm vor allem sagen, wovor sie die meiste Angst haben. Dass der Krieg und damit ihre Heimat dauerhaft verloren geht.
Wie drängend ist die Lage?
Sehr drängend. Das liegt auch daran, dass die Europäische Union ihre Munitionszusagen nicht einhalten kann. Und die Vereinigten Staaten zumindest teilweise als Geld- und Materialgeber ausfallen. Wir werden das nicht über Nacht ersetzen können. Aber wir müssen Geld freimachen und weltweit Munition und Waffen für die Ukraine einkaufen. Das ist hart, aber es ist die Notwendigkeit. Wir werden der Ukraine nicht anders bei ihrer Verteidigung helfen können.
Wie wichtig ist der Langstrecken-Marschflugkörper Taurus?
Zunächst, es gibt eine große Dankbarkeit Deutschland gegenüber, insbesondere was die Luftabwehr angeht. Das wird in jedem Gespräch gesagt. Die Frage war ja, brauchen die Ukrainer den Taurus wirklich. Die Antwort ist: Ja. Er kann helfen, das Blatt zu wenden. Wir haben Taurus, wir sollten das liefern. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir das im Bundestag direkt kommende Woche zum Jahrestag des erneuten Angriffs auf die Ukraine vereinbaren könnten. Wir als Grüne, die FDP, aber auch eine Reihe Sozialdemokraten sind da sehr klar. Die Union ebenfalls.
Taurus-Marschflugkörper auf dem Transportgestell © imagoUnser Kollege Thorsten Denkler begleitet Göring-Eckardt diese Woche auf einer Reise durch die Ukraine. Darüber schreibt er hier täglich in einem sehr persönlichen Blog. Heute erscheint die letzte Folge.
Der Zustand der Demokratie auf der Welt hat sich verschlechtert – das ist das Ergebnis des Demokratie-Index des Economist Intelligence Unit in diesem Jahr. Das Forschungsunternehmen teilt mit:
Das zunehmende Auftreten gewaltsamer Konflikte hat den globalen Demokratiewert stark beeinträchtigt.
Zwar lebe fast die Hälfte der Weltbevölkerung (45,7 Prozent) in einer Demokratie – in einer „vollständigen Demokratie“ allerdings nur 7,8 Prozent. Mehr als ein Drittel (39,4 Prozent) der Bevölkerung befinde sich unter autoritärer Herrschaft.
Eine Infografik mit dem Titel: Nur wenige Menschen leben in uneingeschränkten Demokratien
Länder nach ihrem Demokratie-Grad auf der Welt laut dem Demokratie-Index 2024
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
KI: Microsoft investiert mehr als drei Milliarden Euro in den Ausbau von Künstlicher Intelligenz in Deutschland. Nach einem Gespräch zwischen Microsoft-Präsident Brad Smith und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde bekannt, dass ein Großteil des Geldes in Nordrhein-Westfalen investiert wird.
Russland: Laut US-Geheimdiensten entwickelt Russland eine neue nukleare Anti-Satelliten-Waffe. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte, ihm lägen keine Informationen über mögliche neue Atompläne Russlands vor.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trifft Kanzler Scholz in Berlin. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist es das zweite Treffen des ukrainischen Präsidenten in Deutschland. Es wird erwartet, dass ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnet wird. Am Samstag wird Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine Rede halten.
Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog trifft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Berlin. Gesprächsthemen sollen die Bemühungen zur Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Hamas sein. Während seines zweitägigen Aufenthalts sind weitere diplomatische Gespräche geplant.
Nachrichtendienste sind elementar für die Sicherheitspolitik – gerade in geopolitisch schwierigen Zeiten. In den USA haben die aktuellen Krisen die CIA zu einer Reform veranlasst.
Ex-BND-Agent und Intelligence Advisor auf der Münchner Sicherheitskonferenz, Gerhard Conrad, bezweifelt allerdings, dass der deutsche Nachrichtendienst den globalen Krisen gerecht wird.
Den Stand der deutschen Nachrichtendienste und warum diese auf der Sicherheitskonferenz nicht zu kurz kommen sollten, analysiert Conrad im Pioneer Gastbeitrag.
Auf- Omid Nouripour. Der Grünen-Chef lässt sich von den aggressiven Protesten nicht einschüchtern. Nachdem die Grünen ihren politischen Aschermittwoch aus Sicherheitsgründen absagen mussten, betont Nouripour nun in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Angst ist keine Option“. In einer Demokratie gehört die freie Rede geschützt – gerade wenn sie anderen nicht passt.
Ab - Dorothee Feller. Die NRW-Schulministerin hat eine schlechte Bilanz: 92 Prozent der Lehrer in NRW sind überfordert, wie eine Umfrage der Bildungsgewerkschaft GEW ergab. Die CDU-Ministerin betonte, die Landesregierung arbeite Schritt für Schritt daran, dem Lehrpersonal die Arbeit zu erleichtern – jedoch offenbar nicht schnell genug. Klares Ergebnis: Feller fällt durch!
Heute gratulieren wir herzlich:
Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident von Thüringen, 68
Steffen Bilger, CDU-Bundestagsabgeordneter, 45
Frank-Markus Barwasser, Journalist und Kabarettist, 64
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre