unsere Themen heute:
Letzter Versuch: Den Neustart für die Kindergrundsicherung droht Familienministerin Lisa Paus zu verpatzen.
In der neu entbrannten Abtreibungsdebatte mahnt die FDP zur Achtsamkeit.
Scholz in China: seine Agenda, wer mitfährt. Und wie viel Zeit er mit Xi Jinping hat.
Die CDU hat ihr Grundsatzprogramm überarbeitet. Was sich ändert, was bleibt.
Wirtschaftsministerium sieht Stabilisierung der Wirtschaft, die Union kritisiert.
Der Bundestag macht Ernst mit Strom-Verbot für private Nutzung. Uns liegt ein Schreiben vor.
Noch an diesem Donnerstag wollen sich die Berichterstatter der Ampel-Fraktionen zur Kindergrundsicherung treffen. Rein auf parlamentarischer Ebene sollen Wege gesucht werden, wie das Projekt noch gerettet werden kann.
Es ist vielleicht die letzte Chance für das Großvorhaben, die bestehenden Sozialleistungen für Kinder zu einer einzigen Leistung, der Kindergrundsicherung, zu bündeln.
Ausgeladen: Die üblicherweise anwesenden Vertreter der Ministerien für Familie, Finanzen, Arbeit und Justiz werden nicht dabei sein. Wie unsere Kollegin Laura Block hört, auch aus Sorge davor, dass „wieder etwas nach draußen gestochen wird.“ Manche haben dabei besonders das Familienministerium im Blick.
Die Berichterstatter der FDP sind angefressen. Auf parlamentarischer Ebene werde „konstruktiv“ mit den Grünen zusammengearbeitet, hören wir. Sobald aber die Familienministerin Lisa Paus ins Spiel käme, werde es schwierig.
Beispiel: Seit geraumer Zeit werde auf eine genaue Aufschlüsselung des Verwaltungsaufwandes gewartet, mit dem sich abschätzen ließe, wie viele Stellen für die Reform tatsächlich neu geschaffen werden müssen. Eigentlich sollte darüber an diesem Freitag gesprochen werden. Aber, so hören wir: Wenn es nichts Neues gebe, müsse es auch kein Treffen geben.
Lisa Paus © ImagoPersonal-Aufwuchs: Die Bundesagentur für Arbeit hat den Aufwand in einer ersten Abschätzung mit knapp 5000 Stellen beziffert. Konkret: 5355 Vollzeit-Äquivalente. FDP-Berichterstatter Jens Teutrine sagt uns: „Bei einer Teilzeitquote von 60 Prozent wären das mehr als 7000 Mitarbeiter“ – nur für das Zusatz-Personal. „Absurd“, findet er das.
Dazu kommt: Die bundesweit aktuell 100 „Familienkassen“ sind seit 2018 bereits um 1700 auf 5600 Vollzeit-Äquivalente aufgewachsen. Die Umbenennung der Anlaufstellen in „Familienservices“ kostet 750.000 Euro (Visitenkarten, Schilder), wie aus dem Gesetzesentwurf hervorgeht.
Jetzt alles auf Reset: Die Fraktionen sind trotz des Dauerkonfliktes um einen „frischen Start“ für die Kindergrundsicherung bemüht. Wie schnell sie aber kommt, sei unsicher.
Die Uhr tickt? Paus will das Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet sehen. Die Liberalen wollen sich von Paus keinen Druck machen lassen und sprechen von einem Zeitraum bis Ende der Legislaturperiode.
Lisa Paukenschlag: Auch in der Fraktion der Grünen wird sie inzwischen eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung gesehen, hört unser Kollege Thorsten Denkler. Zu zahlenorientiert, zu wenig in der Lage, klar und unmissverständlich ihre Ziele zu kommunizieren.
Paus Provokateur: „Ohne Not“, hören wir aus den Reihen der Grünen, habe Paus damit die Tür für Kritik aus der FDP geöffnet. Erst habe sie sich darauf versteift, zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung zu fordern. Dann die 5000 Stellen. Dabei sei vieles noch unklar. Die genaue Verwaltungsstruktur etwa sei noch gar nicht absehbar. Etwaige Zahlenspiele seien deshalb überflüssig.
Fazit: Eine letzte Chance für die Kindergrundsicherung gibt es noch. Die Chance auf ein geregeltes Verfahren hat Paus wohl selbst vertan.
Abtreibungsdebatte: FDP mahnt zur Achtsamkeit
Achtsamkeit, bitte: Nach der neu entbrannten Debatte um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ruft die für das Thema zuständige FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen zur Zurückhaltung auf.
„Gerade aufgrund der politischen Brisanz des Themas“ hätte man sich in den Koalitionsverhandlungen auf die Einsetzung einer Kommission verständigt, so Jensen. Weiter:
FDP-Abgeordnete Gyde Jensen. © Arne Immanuel Bänsch/dpaDie rechtlichen und ethischen Aspekte der Abtreibungsfrage, der Liberalisierung von Eizellspenden und nicht-kommerzieller Leihmutterschaft sind sowohl für viele Parlamentarier als auch für die Bürger unseres Landes eine Gewissensfrage, über die man nicht leichtfertig entscheiden kann.
Experten-Empfehlung: Eine Expertenkommission der Bundesregierung hat eine Legalisierung von Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen empfohlen, wie aus einem Dokument hervorgeht, das unserem Kollegen Michael Bassewitz vorliegt. Die Vorschläge der Kommission werden offiziell erst nächste Woche vorgestellt.
Opposition will klagen: Die Spitzen der Unionsfraktion drohen mit einer Klage, sollte die Ampel den Vorschlägen folgen. Bisher ist eine Abtreibung nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen.
Zum Download: Kurzbericht Expertenkomission zur reproduktiven Selbstbestimmung
Mehrere Stunden für Treffen Scholz und Xi in Peking angesetzt
Bundeskanzler Olaf Scholz wird auf seiner dreitägigen China-Reise mehrere Stunden Zeit haben, um mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sprechen zu können, hört unser Kollege Thorsten Denkler.
Der Zeitplan: Am Dienstag wird Bundeskanzler Scholz in Peking Gespräche mit Präsident Xi und Ministerpräsident Li Qiang führen. Mit Präsident Xi ist ein Vorgespräch geplant, gefolgt von einem Mittagessen und anschließend einem weiteren Gespräch. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist wie üblich nicht vorgesehen.
Olaf Scholz und Xi Jinping im November 2022 © dpaDie Agenda: Krieg in der Ukraine, internationale Handelsfragen und Klimapolitik. Scholz will zudem die Menschenrechtssituation in China ansprechen und mit Studenten diskutieren.
Der Kanzler wird von einer großen Wirtschaftsdelegation begleitet. Mitfliegen werden unter anderem Vertreter des BDI, der Außenhandelskammer und die Chefs von Siemens, Bayer, Mercedes-Benz, BMW, Merck, DHL, Thyssenkrupp sowie des schwäbischen Anlagenbauers Voith sein.
Minister nicht an Bord: Zu einzelnen Terminen werden auch die Bundesminister Steffi Lemke (Grüne, Umwelt), Cem Özdemir (Grüne, Landwirtschaft) und Volker Wissing (FDP, Verkehr) erwartet. Sie werden aber wohl nicht in der Kanzlermaschine mitfliegen können, sondern individuell anreisen.
Kanzler und Delegation werden nach den bisherigen Plänen am frühen Mittwochmorgen zurück in Berlin erwartet.
Wirtschaftsministerium sieht Stabilisierung der Wirtschaft
In einem Schriftbericht des Wirtschaftsministeriums über die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland, der uns vorliegt, heißt es:
Nach dem schwachen Jahresendquartal zeichnet sich zu Jahresbeginn 2024 eine konjunkturelle Stabilisierung der deutschen Wirtschaft ab.
Die Industrieproduktion und – infolge der günstigen Witterung – der Bau entwickelten sich seit Jahresbeginn positiv. „Auch der deutsche Warenhandel tendierte zuletzt leicht positiv“, heißt es.
Aber: Diese Entwicklungen stellten „zum Teil eine Gegenbewegung zu den deutlichen Rückgängen zum Jahresende 2023 dar“. Gleichzeitig seien die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe – ohne Berücksichtigung der hohen monatlichen Schwankungen durch Großaufträge – seit Jahresbeginn in der Tendenz weiter abwärtsgerichtet und auch die Einzelhandelsumsätze entwickelten sich zu Jahresbeginn erneut rückläufig.
Julia Klöckner © dpaKritik am Minister: Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagt uns:
Der Wirtschaftsminister sieht zwar, dass die Lage nicht rosig ist, er setzt aber immer noch auf das Prinzip Hoffnung. Dabei sprechen die Zahlen längst eine andere, eine viel klarere Sprache.
Es bräuchte eine Wirtschafts- und Wachstumswende in der Politik, sagt Klöckner.
CDU-Parteitag. Feinschliff am Grundsatzprogramm
Mehr als 2100 Änderungsanträge zum Grundsatzprogramm erreichten die CDU im Vorfeld ihres Parteitags im Mai. Das geht aus einer internen E-Mail hervor (liegt uns vor).
Die Kurzfassung: Es wurde eine neue 68-Seiten Fassung des Grundsatzprogramms erarbeitet, darin ist eine Vorauswahl an Änderungen (von einzelnen Worten bis zu ganzen Passagen) eingearbeitet. Diesen muss die Antragskommission noch zustimmen.
Carsten LinnemannEine Auswahl:
CDU: Wir übernehmen jeden Tag Verantwortung für „Deutschland“ (zuvor „unser Land“). Die CDU ist stolz auf „unser schönes (neu!) Land“.
Leitkultur: Neben der Kenntnis der deutschen Geschichte ist nun auch die der „deutschen Sprache“ eingefügt.
Bei der Bekämpfung von Clankriminalität will die CDU jetzt da ansetzen, „wo es den Kriminellen am meisten weh tut: beim Geld.“
Politischer Islam: Hier wurde der Satz hinzugefügt: „Wir dulden nicht, dass Frauen im Namen der Religion entrechtet oder benachteiligt werden.“
Israel: Die CDU will für die Sicherheit Israels und – das ist neu – eine Entwicklung hin zur Zweistaatenlösung sorgen.
Bundeswehr: Neben modern ausgerüsteten, kampfstarken, durchhaltefähigen Streitkräften braucht es jetzt auch eine „gut ausgebildete Reserve“.
Klima: Die Pariser Klimaziele sind jetzt nicht nur „unsere Richtschnur“, sondern deren Einhaltung ist „unser Ziel“.
Die umstrittenen Passagen „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ und „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten“ bleiben vorerst unverändert drin.
Freitag und Samstag kommt die Antragskommission der CDU zusammen.
Bundestag intern: Laden privater E-Autos nicht erlaubt
Angezapft? In einer internen Mitteilung (liegt uns vor) hat die Bundestagsverwaltung darauf hingewiesen, dass „die Nutzung des Stromnetzes des Deutschen Bundestags ausschließlich für dienstliche Zwecke gestattet ist“.
Der Anschluss und die Benutzung privater elektrischer Geräte und damit die Entnahme von Elektrizität für private Zwecke sei unzulässig, heißt es weiter in der Mail. Das Verbot gilt auch für das Aufladen von privaten E-Autos.
Bundestag bei Nacht © imagoAnschluss gestattet: Kaffee- und Teemaschinen, Wasserkocher mit Abschaltautomatik, Mikrowellen (ohne Grill und ohne Heißluftfunktion) sowie Ventilatoren (wenn die entsprechenden Brandschutzrichtlinien eingehalten werden) sind vom Verbot ausgenommen, heißt es weiter.
Blackout: Offenbar ist der Stromverbrauch im Bundestag in der Vergangenheit stark gestiegen. Bei Missachtung drohen arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen.
Wie sieht Deutschland 2040 aus? Rund 0,6 Prozent mehr Menschen werden hierzulande leben, prognostiziert die Bertelsmann Stiftung. Die Metropolen und Ballungsgebiete wachsen deutlich schneller – Berlin um 5,8 Prozent. Im ländlichen Osten hingegen schrumpft die Bevölkerung.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Süden wächst, der Osten schrumpft
Bevölkerungsentwicklung von 2020 bis 2040 in Landkreisen und kreisfreien Städten, in Prozent
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Kriminalität: Innenministerin Nancy Faeser hat gestern die Kriminalstatistik vorgestellt (mehr dazu hier). Zu den gestiegenen Zahlen sagte sie: „Gute Sozial- und Bildungspolitik ist die wirkungsvollste Prävention“. Zu dem Anstieg der Ausländerkriminalität: „Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen.“ Deutschland habe jetzt wieder so viele Zuwanderer, dass die Integration an ihre Grenzen stoße, fügte sie in den Tagesthemen hinzu.
Vaterschaft: Das Verfassungsgericht hat mit einer Entscheidung die Rechte von Trennungsvätern gestärkt. Leibliche Väter müssten grundsätzlich die Möglichkeit haben, Elternverantwortung für ihre Kinder zu erhalten und auszuüben, entschied das Gericht. Bis 2025 braucht es nun eine Neuregelung.
Klimaschutz: Das Europäische Menschenrechtsgericht hat geurteilt, es gebe ein Recht aus der Menschenrechtskonvention, wonach Vereine im Namen von vom Klimawandel Betroffenen einen besseren Klimaschutz einklagen können.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Kanzler Olaf Scholz nimmt – nach der Kabinettssitzung – an der gemeinsamen Klausurtagung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin teil.
Am Abend wird sich der Koalitionsausschuss der Ampel im Kanzleramt treffen. Eine Routinesitzung, wie unserem Kollegen Thorsten Denkler gegenüber betont wird. Themen: Außenpolitik, die China-Reise des Kanzlers, die Ukraine und wirtschaftspolitische Fragen. Beschlüsse werden nicht erwartet.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze stellt ein Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Mobilisierung des Privatsektors für den Wiederaufbau der Ukraine vor.
In Südkorea finden Parlamentswahlen statt.
Ausblick: Die Ampel hat für Freitag, neun Uhr, die „Bezahlkarte“ auf die Tagesordnung gesetzt.
Auf – Mona Neubaur. Die grüne NRW-Vizeministerpräsidentin zeigt: Zusammenarbeit mit den Grünen in einer Koalition kann trotz inhaltlicher Differenz klappen. Auf X bedankte sich Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Liebe Mona Neubaur, liebe Kolleginnen & Kollegen, ob Transformation, Bildung oder Sicherheit, gemeinsam bringen wir NRW voran!“ Da kann sich die Ampel eine Scheibe von abschneiden!
Ab – Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister weiß und sagt es schon lange: Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr reichen nicht. Jetzt sind genau 99.999.691.000 Euro – Überraschung! – aufgebraucht, wie laut FAZ aus der geheimen Finanzplanung hervorgeht. Ausbaden muss Pistorius die Unterfinanzierung so oder so. Ihm bleibt nur die Freude des Rechthabens.
Heute gratulieren wir herzlich:
Ingo Herbert, deutscher Botschafter in der Demokratischen Republik Kongo, 64
Angela Hohmann, SPD-Bundestagsabgeordnete, 61
Maximilian Mordhorst, FDP-Bundestagsabgeordneter, 28
Sonja Optendrenk, Staatssekretärin im Hessischen Familienministerium, 52
Werner Schwarz, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, 64
Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, 61
Derya Türk-Nachbaur, SPD-Bundestagsabgeordnete, 51
Kai Whittaker, CDU-Bundestagsabgeordneter, 39
Vu Quang Minh, Botschafter der Sozialistischen Republik Vietnam in Deutschland, 60
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre