CDU auf der Suche nach der atomaren Zukunft

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Guten Morgen,

Unsere Themen heute:

  • Die CDU sucht ihr Heil in einer atomaren Zukunft. Manchen kann es nicht schnell genug gehen.

  • Die Union blockiert das Wachstumschancengesetz. Wir kennen die Gründe.

  • Baerbock fordert Sanktionen gegen israelische Siedler – die Union begrüßt die Initiative.

  • Die FDP wird das Solarpaket der Bundesregierung nicht mehr mittragen.

  • Die Grünen kritisieren Volker Wissings Reaktion auf den neuen AI Act.

  • Kanzleramt und die FDP drängen auf die Novellierung des EU-Gentechnikrechts.

CDU: Wie viel Atom darf es sein?

In der CDU spitzt sich die Debatte um die Zukunft der Atomkraft in Deutschland weiter zu. Wie wir bereits berichteten, soll im neuen Grundsatzprogramm der Partei ein Satz aufgenommen werden, der die Debatte um einen Wiedereinstieg in die Atomkraft befeuern könnte.

Der Entwurf, der vergangene Woche fertig wurde, soll an diesem Montag dem Bundesvorstand der CDU vorgestellt und auf dem CDU-Parteitag im Mai verabschiedet werden.

Der strittige Satz lautet:

Deutschland kann derzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.

Der CDU-Verkehrs- und Europapolitiker Christoph Ploß liest darin eine Bereitschaft der CDU, erneut Atomenergie als Energiequelle einzusetzen. Er sagte uns:

Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, ist es höchste Zeit, dass Deutschland seinen internationalen Sonderweg beendet und neben den erneuerbaren Energien auch wieder auf klimafreundliche und zuverlässige Stromerzeugung mit Kernenergie setzt!

CDU-Politiker Christoph Ploß © dpa

Der für Umwelt und Atom zuständige Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger erklärte:

Natürlich muss auch geprüft werden, ob der große Fehler dieser Bundesregierung, die drei zuletzt noch betriebenen Kernkraftwerke endgültig vom Netz zu nehmen, noch revidiert werden kann.

Steffen Bilger © Imago

Zu den Befürwortern einer solchen Deutung werden auch Union-Fraktionsvize Jens Spahn, der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt und der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß gezählt.

Die Moderaten in der CDU hingegen sehen in dem Satz nicht mehr als der CDU-Bundesvorstand auf seiner Januar-Klausur in Weimar festgelegt hat:

  • Die Abschaltung der letzten verbliebenen Atommeiler in Deutschland wird verurteilt.

  • Perspektivisch aber gehe es um Forschung und Entwicklung neuer Nuklear-Technologien.

Zu den Unterstützern einer solchen Lesart zählen etwa der CDU-Bundesvize Andreas Jung und der Chef der Klima-Union, Thomas Heilmann.

Seit dem 15. April 2023 kommt kein Dampf mehr aus dem Kühlturm des AKW Emsland. © dpa

Im Lager der Moderaten wird vermutet, dass es den Befürwortern einer Wiedereinstiegs-Debatte weniger um die faktischen Möglichkeiten der Atomkraft in Deutschland geht, als vielmehr um parteitaktische Fragen.

Wie unser Kollege Thorsten Denkler hört, soll mit einer Hinwendung zur Atom-Energie

  • zum einen eine größtmögliche Abgrenzung zur Energiepolitik der Ampel erkennbar werden.

  • Zum anderen solle sie dafür sorgen, dass künftig Koalitionen – zumindest auf Bundesebene – mit den Grünen so gut wie ausgeschlossen sind.

Streit um Gesetz zu Wachstumsschancen

Im Streit um das Wachstumschancengesetz ist es am Freitag in einer Vorbereitungsrunde für den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu einem Eklat gekommen. Die Vertreter der Union haben nach zähen Verhandlungen am Ende einfach den Raum verlassen.

Mit dem Wachstumschancengesetz will die Bundesregierung Impulse für mehr Wachstum in Deutschland geben. Dafür sind im Gesetz insgesamt rund sechs Milliarden Euro Entlastung vorgesehen. Hinzu kommen eine Reihe von bürokratischen Erleichterungen.

Die Unions-Seite begründet ihre Verweigerung mit dem Umstand, dass für 2024 noch kein Haushalt vorliege. Die Ampel hält dieses Argument für vorgeschoben: Die meisten Ausgaben hätten den Bundeshaushalt nicht betroffen.

Um der Union entgegenzukommen, sei in einer Sonderrunde der Ampelpartner das Angebot entwickelt worden, die Ausgaben auf drei Milliarden Euro zu reduzieren. Die Union habe sich darauf aber nicht einlassen wollen.

Bernhard Daldrup, SPD © picture alliance

Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup, der für die SPD mit am Verhandlungstisch saß, sagte uns:

Statt konkret über die Impulse für die Wirtschaft zu reden, schiebt die Union den fehlenden Haushaltsentwurf vor. Statt das konkrete und einheitliche Verhandlungsangebot der Ampel zu diskutieren, hat sich die Union aus den Gesprächen einseitig verabschiedet.

AI Act: Grüne kritisieren Wissings Reaktion

Grüne in der EU und im Bund kritisieren Digitalminister Volker Wissing (FDP) für seine Haltung zum gerade beschlossenen AI Act zu Künstlicher Intelligenz (KI).

Sergey Lagodinsky © Imago

Wissing hatte nach der Trilog-Entscheidung von Freitag erklärt, er wolle jetzt prüfen, ob der AI Act Innovationen ermögliche und die Regulierung verhältnismäßig sei. „Ob dies gelungen ist, werden wir uns in den nächsten Tagen sehr genau anschauen.“

Der Europaabgeordnete und Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl, Sergey Lagodinsky, sagt unserem Kollegen Thorsten Denkler, dem Ergebnis hätten Rat und EU-Parlament zugestimmt, „inklusive der Fraktion, in der die FDP sitzt, sowie die FDP-Mitverhandlerin“. Lagodinsky hat den Kompromiss mitverhandelt.

Die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne), erklärt:

Der Abschluss eines Trilogs ist das Ende der Verhandlungen – nicht der Anfang von Verhandlungen. Deshalb kann man das Gesamtpaket nicht einzeln wieder aufschnüren. Das sollte Volker Wissing eigentlich wissen.

Volker Wissing © Anne Hufnagl

Im neuen KI-Gesetz wurde unter anderem beschlossen:

  • KI-Programme mit geringem Risiko werden kaum reguliert. Solche mit höherem Risiko – zum Beispiel für die Nutzung in Sicherheitsbehörden oder die Sortierung von Job-Bewerbern – müssen dagegen strengere Auflagen erfüllen.

  • Auch KI-basierte Sprachmodelle mit besonders hoher Rechenleistung – zum Beispiel ChatGPT – müssen weitere Pflichten erfüllen, beispielsweise hohen Schutz gegen Cyberangriffe sicherstellen.

  • KI-Gesichtserkennung wird verboten. Ausnahmen: Wenn sie dazu dient, Terrorismus zu verhindern oder Verdächtige in schweren Kriminalfällen zu finden.

Union befürwortet Sanktionen gegen radikale Siedler in Israel

Die Union begrüßt den Vorstoß von Außenministerin Annalena Baerbock, auf dem heutigen EU-Außenministertreffen über Einreisebeschränkungen gegen radikale jüdische Siedler zu debattieren.

„Jüdische Siedler sind ein wesentliches Hindernis für Friedensverhandlungen und mitverantwortlich für die extrem angespannte Lage im Westjordanland“, sagt uns der außenpolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Jürgen Hardt. © imago

Die Siedler bänden zudem wertvolle Ressourcen der israelischen Streitkräfte, „die diese im Kampf gegen palästinensische Terrorgruppen dringend benötigen würden".

Im Westjordanland bedrohen und töten radikale jüdische Siedler immer wieder Palästinenser – seit dem 7. Oktober hat die Gewalt noch zugenommen. Die USA hatten daher Einreisebeschränkungen gegen die Gruppierung angekündigt.

Hardt:

Dass Deutschland bei Einreisesperren für gewalttätige Siedler mit den USA gleichzieht, ist nur folgerichtig.

FDP blockiert Solarpaket

Die FDP im Bundestag will aus dem Solarpaket der Bundesregierung nur einen kleinen Teil noch in diesem Jahr in Kraft treten lassen. Das geht aus einer Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hervor, der uns vorliegt.

Der Ausbau der Erneuerbaren muss schneller als geplant vorankommen: Ein Solarpark in Bayern. © imago

Die FDP habe sich im Ausschuss für Klimaschutz und Energie geweigert, die von der Solarwirtschaft dringend geforderten Resilienz-Regelungen zu beschließen, bevor nicht der Bundeshaushalt für das kommende Jahr unter Dach und Fach sei, hört unser Kollege Thorsten Denkler.

Des Weiteren bestehe die FDP darauf, dass das Wirtschaftsministerium erst eine umfassende Speicherstrategie vorlege. Auch das werde zu weiteren Verzögerungen führen, hieß es.

Aus der Branche wird uns große Verwunderung darüber gespiegelt. Es sei dringend nötig, die verbliebene Produktion von Solar-Panels in Deutschland und Europa am Leben zu erhalten, wenn sich die Europäer nicht vollends von chinesischen Produkten abhängig machen wollen.

Mit den chinesischen Dumping-Preisen könnten deutsche Anbieter nicht mithalten. Weitere Verzögerungen könnten den Tod der Branche in Deutschland bedeuten.

Uns wurde gesagt:

Einem Toten müssen Sie keinen Herzschrittmacher mehr einsetzen.

Das Solarpaket sieht etwa für ausschreibungspflichtige Anlagen vor, dass ein bestimmter Teil in Europa hergestellt worden sein muss. Für nicht ausschreibungpflichtige Anlagen sollte es einen Resilienz-Bonus geben, der diese Anlagen im Vergleich zu chinesischen Anbietern wettbewerbsfähig macht.

Zum Download: Die entkernte Formulierungshilfe zum EEG

Kanzleramt drängt auf Ja zu EU-Gentechnik-Novelle

Das Kanzleramt drängt darauf, dass Deutschland der Novelle des EU-Gentechnikgesetzes zustimmt. Eine Enthaltung solle in jedem Fall vermieden werden, hört unsere Kollegin Claudia Scholz.

Die FDP unterstützt den EU-Vorschlag. Die Grünen lehnen ihn ab.

Cem Özdemir © imago

An diesem Montag werden sich die europäischen Mitgliedsstaaten erstmals im Agrarrat zum Vorschlag der EU-Kommission für ein novelliertes Gentechnikrecht positionieren. Deutschland wird dort von Landwirtschaftsminister Cem Özedmir (Grüne) vertreten.

Da die Ampel in EU-Abstimmungen eine einheitliche Position vertreten muss, ist eine Enthaltung wahrscheinlich, sollten die Grünen nicht einlenken. Die Kommission will neue Züchtungsmethoden wie die Gen-Schere in der Landwirtschaft erlauben, etwa um Pflanzen besser gegen Trockenheit zu wappnen.

Carina Konrad, Bundestagsabgeordnete der FDP und Landwirtin © Imago

Im Vorfeld trafen sich Özdemir und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), doch die Fronten sind verhärtet. Carina Konrad, stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende und Landwirtin, sagte uns:

Ohne neue Züchtungsmethoden sind die Landwirte gezwungen, mit veralteten Werkzeugen aus dem letzten Jahrhundert einen aussichtslosen Kampf gegen die Herausforderungen des Klimawandels zu führen.

Die wirtschaftlichen Interessen der Biobranche, die 14 Prozent der deutschen Landwirtschaft ausmacht, dürften nicht zu Lasten der Landwirte und der Ernährungssicherheit gehen.

Baerbock feiert Channukah in Dubai

Außenministerin Annalena Baerbock war gestern Abend Gast einer jüdischen Familie in Dubai, um Chanukka zu feiern. Sie entzündete dabei eine Kerze am Leuchter – die vierte von insgesamt acht Kerzen, die während der achttägigen Feierlichkeiten entzündet werden.

Annalena Baerbock und Jennifer Morgan in Dubai © Imago

In Dubai ist Baerbock im Rahmen der Klimakonferenz COP28. In den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt eine mehrere Tausend Menschen starke jüdische Gemeinde.

Scholz auf EU-Westbalkangipfel

Am Mittwoch treffen sich in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), mit den Spitzen der sechs Partnerländer des westlichen Balkans – Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und Kosovo.

Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz nach dem EU-Westbalkan-Gipfel 2022 © dpa

Ziel des Gipfels ist es, die europäische Perspektive des westlichen Balkans zu bekräftigen und das politische und strategische Engagement zu vertiefen. Die EU möchte prüfen, wie eine schrittweise Integration der Länder in die EU vorangebracht werden kann.

Es wird erwartet, dass die Führungsspitzen am Ende des Gipfeltreffens eine Erklärung abgeben.

Auf - Narges Mohammadi. Die Menschenrechtlerin ist am Sonntag für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Ihre Auszeichnung konnte sie aber nicht selbst entgegennehmen. Die 51-Jährige sitzt derzeit im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran fest. Von dort hat sie auch ihre Rede geschrieben, die ihre zwei Kinder stellvertretend für sie in Oslo gehalten haben. Acht Jahre haben sie einander nicht gesehen. Bewegend!

Ab - Tanja Prinz. Als einzige Kandidatin für das Amt der weiblichen Grünen-Landesvorsitzenden in Berlin bekam Prinz in drei Wahlgängen keine absolute Mehrheit und verließ den Saal unter Tränen. Die Frau aus dem Realo-Flügel wollte die Berliner Grünen gegenüber neuen Koalitionspartnern öffnen. Doch für mehr Pragmatismus sind sie offensichtlich nicht bereit. Schade – für Prinz und alle, die zurück in die Regierung wollen.

Im Interview mit der SZ kritisiert der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, die Bundesregierung für ihr schlechtes Krisenmanagement. Anderthalb Jahre habe er sich zurückgehalten, schließlich regiere die Ampel „in einer dramatischen Lage, die mit anderen Zeiten nicht vergleichbar ist“. Damit sei nun Schluss. Ihre Entscheidungen würden zum Vertrauensverlust bei den Bürgern führen. Ein Beispiel sei das Heizungsgesetz. „Die Menschen sind in Panik zu uns gekommen“, sagt Günther. Sie würden nun Antworten auf die größten Themen erwarten: Migration, Arbeitskräfte, Bürokratieabbau. Doch auch seine Partei müsse mit anpacken. In den letzten 16 Jahren hätten sie nicht alles auf den Weg gebracht, „was erforderlich gewesen wäre.“

In seinem Kommentar für die Augsburger Allgemeine Zeitung erklärt Peter Müller, warum der Haushaltsstreit der Ampel an den wirklichen Herausforderungen vorbeigehe. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe im politischen Berlin „Panik ausgelöst“. Alles drehe sich um die 17 Milliarden Euro, die eingespart werden müssen. Um ein starkes Land zu bleiben, müsse Deutschland aber investieren – in Klimaschutz, Schulen, Krankenhäuser und Straßen. Alles auf einmal sei zwar nicht möglich, so Müller. Es gehe allerdings nicht um die Frage nach „Entweder-oder“, sondern darum, sie zu diskutieren. „Es spricht Bände, dass eine völlig ermattete Ampelkoalition dazu nicht mehr in der Lage ist.“

Am Wochenende trafen sich die SPD-Delegierten zu ihrem Parteitag in Berlin. Meine Kollegen Thorsten Denkler, Chefreporter Kanzleramt, und Laura Block waren ebenfalls vor Ort. Ihre Einschätzung von der Scholz-Rede und dem neuen Wirtschaftsprogramm der Partei lesen Sie hier:

Plötzlich wieder links

Wie Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag Finanzminister Lindner den Spielraum verengt

Analyse lesen

Veröffentlicht von Laura Block Thorsten Denkler.

Artikel

Falko Drossmann, SPD-Bundestagsabgeordneter, 50

Caren Lay, Linken-Politikerin, 51

Björn Lüttmann, SPD-Abgeordneter im Landtag von Brandenburg, 48

Jörg Michael Müller, CDU-Abgeordneter im Landtag von Hessen, 62

Volker Nielsen, CDU-Abgeordneter im Landtag von Schleswig-Holstein, 59

Daniel Rinkert, SPD-Bundestagsabgeordneter, 36

Daniel Dominik Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter, 47

Konrad Arz von Straussenburg, Botschafter in Finnland, 61

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
  1. , Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“

Redaktion

Mitgewirkt haben heute Christian Schlesiger, Thorsten Denkler, Phillipka von Kleist und Claudia Scholz.

Grafiken

Henning Schmitter (Titelbild)

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