unsere Themen heute:
Ein chinesischer Staatskonzern dominiert Deutschlands Hafeninfrastruktur. Die Sorge vor Spionage wächst.
Spion als Mitarbeiter: Innerparteilicher Druck auf AfD-EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah wächst.
Die Union legt einen Antrag zur „Wirtschaftswende“ vor und provoziert damit die FDP.
Warum das Datenschutzverfahren um ChatGPT kaum vorangeht.
Die Bezahlung von Betriebsräten soll klarer geregelt werden. Wir kennen die Details.
Berlins Oberbürgermeister Kai Wegner begrüßt die Verlängerung der Mietpreisbremse.
Spionage wie im Film: In den vergangenen zwei Tagen wurden vier mutmaßliche chinesische Spione in Deutschland festgenommen. Die Politik ist alarmiert. Die Beziehungen – eine Woche nach dem dreitägigen Besuch von Kanzler Olaf Scholz in China – sind angespannt.
Dabei manifestiert sich das schwierige Verhältnis zu China nicht nur in menschlichen Spionen, sondern schon länger in wirtschaftlicher und infrastruktureller Abhängigkeit.
Ein wunder Punkt: In den größten Häfen Deutschlands sind zu mehr als zwei Dritteln die Containerkräne eines einzigen Herstellers im Einsatz. Und zwar die des chinesischen Staatsunternehmens Shanghai Zhenhua Heavy Industries (ZPMC). Das ergab eine Umfrage unserer Kollegin Claudia Scholz unter den Hafenbetreibern.
Von rund 122 Kränen, die für die Verladung von Schiffscontainern in den Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven benötigt werden, sind 82 aus der Produktion von ZPMC, also 67 Prozent.
ZPMC baut über 70 Prozent der weltweiten Containerkräne und liefert sie mit seiner eigenen Flotte von 26 Schiffen aus. 96 Prozent aller Container kommen aus China.
Eine Infografik mit dem Titel: Dominanz von China
Anzahl von Containerkränen des chinesischen Produzenten ZPMC in den größten deutschen Häfen
Der FDP-Sprecher für maritime Wirtschaft, Christian Bartelt, sagt uns:
Christian Bartelt © FDPDas Beispiel ZPMC ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie abhängig der maritime Sektor in Deutschland, in Europa und der Welt mittlerweile von China ist.
Die US-Regierung ist zunehmend besorgt über potenzielle Störungen und Spionage durch die riesigen ZPMC-Kräne, die an den amerikanischen Hafenterminals einen Anteil von 80 Prozent haben. Vor Kurzem seien bei einer vom US-Kongress beauftragten Untersuchung der ZPMC-Frachtkräne „verdächtige" Mobilfunkmodems gefunden worden, über die ein Fernzugriff möglich sei.
US-Präsident Joe Biden kündigte an, dass seine Regierung in den nächsten fünf Jahren mehr als 20 Milliarden US-Dollar investieren werde, um im Ausland gebaute Kräne durch in den USA hergestellte zu ersetzen.
Der größte Betreiber am Hamburger Hafen, HHLA, versichert uns:
Fakt ist, dass die Steuerungskomponenten und -software der Containerbrücken ausschließlich von europäischen und amerikanischen Komponentenherstellern geliefert werden.
Die logistische Steuerung der Geräte erfolge über die zentral verwaltete, intern betriebene IT der HHLA. Alle Dienstleister und Lieferanten würden umfassend geprüft. Gleiches berichtet der Betreiber Eurogate. Zudem erfolge die Wartung der Systeme nur durch die firmeneigene Servicegesellschaft.
Containerschiffe zwischen den Hafenterminals der Betreiber Eurogate (links) und HHLA am Hamburger Hafen. © DPADer Ursprung der Übermacht: Zwischen 1995 und 2015 konnte ZPMC bei vielen Projekten das beste Angebot abgeben, was die hohe Anzahl erkläre, sagt uns Eurogate. Die Association of American Port Authorities erklärt, China subventioniere die ZPMC-Kräne, so dass sie etwa die Hälfte der Konkurrenzkräne kosten.
Veränderung in Sicht? In den Projekten nach 2015 hätten sich jedoch auch andere Wettbewerber wie der Schweizer Maschinenbauer Liebherr durchgesetzt, so Eurogate. Im Schnitt laufen die Containerbrücken etwa 20 bis 25 Jahre.
Position stärken: Da die maritime Wirtschaft für Deutschland als Exportland von enormer strategischer Bedeutung sei, fordert FDP-Politiker Christian Bartelt, „regelmäßige Abhängigkeits-Stresstests und Risikoanalysen mit dem Ziel, unsere Wettbewerbsposition gegenüber der Volksrepublik zu stärken“.
In der AfD wächst der Unmut über Krah
Nach der Festnahme eines Mitarbeiters von AfD-EU-Spitzenkandidat-Politiker Maximilian Krah wegen Spionageverdachts fordern einige in der Partei offenbar einen neuen Spitzenkandidaten.
In einer Nachricht aus der internen Telegram-Gruppe der innerparteilichen Gegner von Alice Weidel, die unserem Kollegen Jan Schroeder vorliegt, heißt es:
Maximilian Krah © dpaIn den letzten zwei Monaten haben sich intern die Beschwerden über und die Unzufriedenheit mit Krah angehäuft.
Neuer Spitzenkandidat? Das Lager kritisiert, dass der Bundesvorstand die Festnahme von Jian G. für seine politischen Zwecke nutzen wolle. Dort gebe es einige, die Krah als Spitzenkandidat gegen den Dritten der Europaliste, den thüringischen AfD-Politiker René Aust, „austauschen“ wollen, heißt es in den Chats.
Risikokandidat: „Die Gerüchte bezüglich China-Jian-Max sind nicht neu“, heißt es aus Parteikreisen in Anspielung auf den Vornamen des Krah-Mitarbeiters Jian G.
Bundesanwaltschaft ermittelt. Jian G. wird vorgeworfen, für die chinesische Regierung Informationen über die chinesische Opposition in Europa gesammelt zu haben.
Der Bundesvorstand wollte auf Nachfrage weder die Festnahme noch die innerparteiliche Diskussion kommentieren. Weidel und Tino Chrupalla werden sich morgen mit Krah treffen, sagt uns ein Sprecher.
Unionsantrag zur Wirtschaftswende
Die Unionsfraktion will diese Woche einen Antrag „Für eine echte ,Wirtschaftswende‘“ in den Bundestag einbringen. Darin greifen CDU und CSU viele Forderungen der Liberalen auf. Wie:
Solidaritätszuschlag „zumindest stufenweise“ streichen
Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag anheben
Steuervorteile für geleistete Überstunden
Ausgleich für die kalte Progression für 2025 und 2026
Stärkere Sanktionen im Bürgergeld „bei verweigerter Arbeitsannahme“
Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes
Mit dem Antrag legt die Union den Finger in die Wunde der Ampel. Denn die Vorschläge der FDP sind alles andere als in der Koalition geeint. Im Gegenteil: SPD und Grüne lehnen den Großteil ab. Die SPD legte umgehend „Gegenargumente“ gegen den 12-Punkte-Plan der FDP vor.
Eine öffentliche Diskussion über den Antrag wird es aber nicht geben. Die Ampel wird ihn vermutlich direkt an den zuständigen Ausschuss weiterleiten.
Mathias Middelberg (CDU) © dpaDer stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Mathias Middelberg sagt uns„jetzt muss geliefert werden“, sonst bleibe ein „bloßes Ankündigungsfeuerwerk vor dem FDP-Parteitag“.
Alle werden jetzt genau beobachten, wie durchsetzungsfähig Christian Lindner in dieser Regierung noch ist.
Interessant ist auch, was sich nicht in dem Antrag findet: zum Beispiel die Abschaffung der Rente mit 63, die ebenfalls von der FDP gefordert wird. Diese wurde unter der Großen Koalition eingeführt.
Zum Download: Unionsantrag: Echte Wirtschaftswende
Taskforce prüft (und prüft) Datenschutz von ChatGPT
Die deutschen Landesdatenschutzbeauftragten prüfen seit gut einem Jahr, ob die KI-Algorithmen von ChatGPT den Vorgaben der europäischen Datenschutzregeln der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) genügen. Eine Entscheidung wird erst Ende des Jahres erwartet, hört unsere Kollegin Clara Meyer-Horn.
Worum geht's? Im vergangenen Jahr hatte eine Taskforce der Datenschutzkonferenz (DSK) in zwei Runden Fragen an OpenAI geschickt. Anhand der Antworten soll entschieden werden, ob formelle Schritte gegen das US-Unternehmen eingeleitet werden sollen.
OpenAI CEO Sam Altman © imagoDer Status Quo: Die diversen datenschutzrechtlichen Aspekte wurden zunächst in verschiedene „Arbeitspakete“ aufgeteilt. Eine zentrale Frage ist, ob die Trainingsdaten, die OpenAI für den Chatbot verwendet hat, auf Basis einer legitimen Rechtsgrundlage erhoben wurden. Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann ist Vorsitzender der Taskforce. Er sagt:
Das läppert sich schon. Die verschiedenen Arbeitspakete werden uns bestimmt das ganze Jahr beschäftigen.
Im Februar schätzte Kugelmann noch, die Bewertung würde lediglich zwei bis drei Monate dauern.
Dieter Kugelmann © picture alliance/dpa | Silas SteinKeine Priorität: Der Fokus lag in den vergangenen Wochen auf der Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Unternehmen im Umgang mit KI. Es gebe nicht genug Personal, um beide Unterfangen parallel zu bearbeiten, hören wir. Die Taskforce bestehe aus etwa zehn Fachleuten. Auch uneinheitliche Auslegungen der Datenschutzvorgaben in den Bundesländern bremsen das Vorhaben.
Bezahlung von Betriebsräten soll klarer geregelt werden
Arbeitgeber und Betriebsräte sollen durch eine Betriebsvereinbarung künftig mehr Klarheit bei der Vergütung von freigestellten Betriebsräten schaffen können. Dies geht aus einem innerparteilichen SPD-Papier hervor, das uns vorliegt.
Derzeit beraten die Fraktionen im Bundestag das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Verabschiedung des Gesetzes sei für Ende Mai geplant.
Das Ziel: Es soll sichergestellt werden, dass Betriebsratsarbeit keine beruflichen oder finanziellen Nachteile mit sich bringt – dazu sollen sich Arbeitgeber und Betriebsräte künftig einigen können. Im SPD-Papier heißt es dazu:
Martin Rosemann © imagoDurch diese präzisere Regelung wird das Risiko der Strafbarkeit redlich handelnder Arbeitgeber und betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger reduziert.
Zustimmung unter Sachverständigen: Unserem Kollegen Michael Bassewitz sagt Martin Rosemann, arbeitspolitischer Sprecher der SPD, es gäbe dazu „große Zustimmung von allen Sachverständigen“ bei einer öffentlichen Sitzung in dieser Woche. Dort sprachen etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG Metall.
Auch die FDP ist optimistisch: Pascal Kober, arbeitspolitischer Sprecher der FDP, sagt uns: „Wir stehen der Regelung offen gegenüber, werden Ergebnisse der Anhörung mit den Koalitionspartnern noch diskutieren.“
Kai Wegner befürwortet die Verlängerung der Mietpreisbremse
Auf einer Podiumsdiskussion des Hauptstadtboards gestern Abend in Berlin springt Berlins CDU-Oberbürgermeister Kai Wegner der SPD-Bauministerin Klara Geywitz zur Seite:
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner © Anne HufnaglIch halte die Verlängerung der Mietpreisbremse für richtig.
Das Instrument hätte in den vergangenen Jahren seine Wirkung gezeigt. Doch gleichzeitig müsse der „Neubaumotor angeschmissen werden“.
Zudem plädiert der CDU-Politiker für härtere Sanktionen gegen „schwarze Schafe“, die die Mietpreisbremse umgehen. Zu häufig würden Wohnungen zu Mietpreisen deutlich über dem Mietspiegel angeboten.
Mit dieser Position tanzt Wegner in der CDU aus der Reihe. Sein Parteikollege Jan-Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der CDU, nannte die Mietpreisbremse einen „intensiven Eingriff in das Eigentum von Vermietern“.
Keine guten Aussichten: Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland kippt die Stimmung. Das ist das Ergebnis der diesjährigen Studie „Jugend in Deutschland“.
Mehr Stress, Krise, Frustration: Die Angst vor Altersarmut, Wirtschaftskrisen und chaotischen Umbrüchen in Folge von Migrationsströmen steigt. Immer mehr junge Menschen fühlen sich gestresst und erschöpft. Die Sorge vor dem Klimawandel hingegen rückt in den Hintergrund.
Eine Infografik mit dem Titel: Zukunftsängste unter Jugendlichen
Unter den 19- bis 29-Jährigen steigt die Sorge um die Zukunft an.
Wohl auch deswegen würden immer mehr die AfD wählen – und immer weniger die Grünen. Auch FDP und SPD verzeichnen Jungwählerschwund.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Jugend wählt immer öfter rechts
So würde die Jugend wählen.
Das war gestern und in der Nacht los:
Brüssel: Das EU-Parlament will ein „Recht auf Reparatur“ gesetzlich verankern. Damit soll es möglich werden, Waren länger zu nutzen.
Statistisches Bundesamt: Der Frauenanteil in typischen Männerberufen nimmt zu. Zwar seien sie in der IT, Forschung oder Polizei noch unterrepräsentiert, aber das ändere sich zunehmend.
Bundesgerichtshof: Das Gericht hat Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb bestätigt. Eine Beschwerde des US-Unternehmens wiesen die Richter zurück. Damit darf das Bundeskartellamt Amazon stärker kontrollieren.
Pflegeversicherung: Gesundheitsminister Karl Lauterbach will Altenpflege langfristig mit Steuergeld stützen. Zur Begründung verwies der SPD-Politiker auf die Folgen einer zunehmend alternden Gesellschaft.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt den britischen Premierminister Rishi Sunak in Berlin mit militärischen Ehren. Die beiden sprechen anschließend über die Militärhilfe für die Ukraine und den Gaza-Krieg.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft in Ankara den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Justizminister Marco Buschmann und Gesundheitsminister Karl Lauterbach stehen im Bundestag im Rahmen einer Regierungsbefragung den Abgeordneten Rede und Antwort.
Bundesbauministerin Klara Geywitz und die Berliner Senatorin für Soziales, Cansel Kiziltepe, stellen den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit in Berlin vor.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen informiert in Baden-Württemberg auf einer Veranstaltung der Union Bürger über die anstehenden Europawahlen.
Auf - Michael Theurer. Der Neue an der Spitze der Bundesbank. Nach monatelanger Suche hat sich die Bundesregierung entschieden: Der FDP-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär Michael Theurer wird's! Er steht für den Erhalt der Schuldenbremse und eine stabilisierende Fiskalpolitik. In diesen Zeiten keine einfache Aufgabe. Respekt, Herr Theurer!
Ab - Marcel de Groot. Erst Anfang April trat de Groot seinen Job als Chef von Vodafone Deutschland an und schon steht ihm die erste Belastungsprobe bevor: Die Kunden wehren sich mit einer womöglich riesigen Verbandsklage gegen unrechtmäßige Preiserhöhungen! Kaum im Amt und schon im Stress.
Heute gratulieren wir herzlich:
Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, 77
Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, 62
Sascha Müller, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 54
Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, 54
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre