Neustart für Europa

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© ThePioneer

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Die drei künftigen Vorsitz-Länder im Europäischen Rat, Deutschland, Portugal und Slowenien, beschreiben ihr Arbeitsprogramm für die nächsten eineinhalb Jahre.

  • Der Rechnungshof warnt vor neuen Milliardenhilfen für die Bahn: Der Konzern hätte zuvor Missmanagement bekämpfen müssen. Wir haben das Dokument gelesen.

  • In den abschließenden Worten sagt heute bei uns Altkanzler Gerhard Schröder, warum ihm Podcasts Spaß machen.

Fitnesskur für die EU

Angela Merkel EU © dpa

Deutschland, Slowenien und Portugal wollen die Europäische Union in den kommenden Jahren einer Fitnesskur unterziehen, damit sie gestärkt aus der Corona-Krise herauskommt. In einem 27-seitigen vertraulichen Arbeitspapier, das maßgeblich in der Bundesregierung erarbeitet wurde, beschreiben die Vorsitz-Länder der Ratspräsidentschaft der nächsten eineinhalb Jahre ihren Masterplan zur Bewältigung der Krise und ein wirtschaftliches Aufbauprogramm in beispiellosem Ausmaß.

Die Covid-19-Pandemie stellt eine beispiellose Herausforderung für Europa dar.

Trio-Programm Deutschland, Portugal und Slowenien

Im finalen Entwurf der Mitgliedsstaaten heißt es: “Die Covid-19-Pandemie stellt eine beispiellose Herausforderung für Europa und die ganze Welt dar. Als globale Gesundheitskrise hat sie die Gesellschaften und Volkswirtschaften der EU- Mitgliedstaaten auf dramatische Weise getroffen. Sie erfordert dringendes, entschlossenes und umfassendes Handeln auf EU-Ebene sowie auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene.”

Mit dem Dokument bündeln die drei Länder, die nacheinander in den kommenden eineinhalb Jahren den Vorsitz des Europäischen Rates übernehmen, ihr Arbeitsprogramm. So soll eine Kontinuität in der Politik in und nach der Corona-Krise gewährleistet werden. Der Bericht wird dann an die EU-Kommission als Grundlage für die Arbeitsschwerpunkte übersandt. Deutschland übernimmt als erstes der drei Länder ab dem 1. Juli die Präsidentschaft.

Übergang zu einer grünen Wirtschaft

Der Fokus liegt auf wirtschaftlichen Stützungsmaßnahmen und einem neuen Selbstbewusstsein der Europäischen Union im globalisierten Weltmarkt. “Die drei Vorsitze werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um im Einklang mit den wichtigsten Empfehlungen des Fahrplans für die Erholung nach der Pandemie den Binnenmarkt wiederherzustellen und weiter zu vertiefen, den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und den digitalen Wandel voranzubringen, die digitale Souveränität anzustreben, die strategische Autonomie der EU durch eine dynamische Industriepolitik sicherzustellen, KMU und Start-ups zu unterstützen, ausländische Direktinvestitionen zu prüfen, widerstandsfähigere Infrastrukturen, insbesondere im Gesundheitssektor, aufzubauen und kritische Güter in Europa herzustellen, um die übermäßige Abhängigkeit von Drittländern zu verringern”, heißt es.

Das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu ihrem Amtsantritt formulierte Ziel eines “Green Deal” für Europa wird von den Autoren trotz der Corona-Pandemie als Priorität für Europa aufgenommen.

Die drei Länder wollen ein neues “governance system” aufbauen, um Entscheidungen in der Union effektiver zu machen. Damit sind etwa qualifizierte Mehrheiten gemeint, die die langwierigen Verfahren der Einstimmigkeit in einigen Feldern ablösen könnten. Außerdem soll in einem Zukunftskongress über die strategische Rolle der EU in der Weltpolitik diskutiert werden. Das EU-Budget, der mehrjährige Finanzrahmen bis 2027, soll schnell zum Abschluss gebracht werden. Die krisenbewältigenden Maßnahmen in der Corona-Pandemie hätten dabei Priorität, heißt es in dem Entwurf.

Papier zum EU Trio-Programm © The Pioneer

"Gemeinsam mit einem Aufbaufonds wird der nächste mittelfristige Finanzrahmen die ambitionierte Antwort sein, die Europa benötigt zur Unterstützung unserer gemeinsamen Prioritäten. Der Dreiervorsitz sagt zu, ohne Unterlass die Zustimmung des Europäischen Parlaments einzuholen und die noch ausstehenden sektoralen Vorschläge so bald wie möglich fertigzustellen."

Die drei Länder fordern eine einheitliche europäische Industriepolitik und eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion durch die Umsetzung der Bankenunion und der Basel-III-Regeln für den Finanzsektor. Außerdem soll die Energieunion “durch einen integrierten, vernetzten und einwandfrei funktionierenden europäischen Energiemarkt mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Energie und dem Übergang zur Klimaneutralität” vollendet werden und die digitale Verwaltung angetrieben werden.

Heute Mittag will Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel den Kompromiss für einen milliardenschweren, europäischen Wiederaufbaufonds vorstellen. Von der Leyen hatte in den vergangenen Tagen hinter den Kulissen einen Kompromiss zwischen dem Merkel-Macron-Vorschlag und den kritischen vier Ländern Österreich, Schweden, Dänemark und Niederlande ausgehandelt.

Nun soll der Fonds, der von der EU an den Kapitalmärkten eigenständig aufgelegt wird, zu einem Teil in Form von Krediten und Zuschüssen an die Krisenstaaten vergeben werden. Merkel und Macron hatten den 500 Milliarden Euro schweren Fonds als Zuschuss geplant. Die Haftung für die Kredite soll weiterhin nur auf die prozentuale Beteiligung der jeweiligen Nationalstaaten am EU-Budget begrenzt bleiben.

1. Rechnungshof lehnt neue Milliarden für Bahn ab

Geldregen Deutsche Bahn © The Pioneer / Henning Schmitter

Als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Dienstag mit Bahnchef Richard Lutz ein „Bündnis für unsere Bahn“ präsentierte und Optimismus für die Zeit nach der Corona-Krise vermitteln wollte, landete in unseren Postfächern gerade ein brisantes Dokument. Es zeugte von allem - nur nicht von Optimismus.

Es handelt sich um eine 62-seitige Analyse des Bundesrechnungshofs für den Haushaltsausschuss. Dort warnt der Rechnungshof die Bundesregierung vor neuen, vorschnellen Milliardenhilfen für den Staatskonzern und vor einer noch höheren Schuldengrenze von 30 Milliarden Euro. Der Tenor: Der Bund dürfe bei der Bahn keine Finanzlöcher stopfen, die nichts mit der Corona-Krise zu tun haben, sondern mit Managementfehlern der Vergangenheit und verlustreichen Auslandsengagements.

Die vom Bund geplante Kapitalerhöhung um zunächst 4,5 Milliarden Euro lehnt der Rechnungshof ab. „Die unternehmensinternen Möglichkeiten zur Verbesserung der Ertrags- und Liquiditätslage sollten konsequent ausgeschöpft werden”, heißt es kurz und klar. Angesichts der „wirtschaftlichen Defizite und Fehlentwicklungen des Konzerns“ dürfe es nun keinesfalls so weitergehen wie bisher. Statt einfach wahllos Kapitalhilfen zu beantragen müsse die Bahn fortan „Liquiditätsbedarf getrennt nach ihren einzelnen Geschäftstätigkeiten nachweisen“.

Das Gesamturteil des Berichts: „Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie wären beherrschbarer gewesen“, heißt es, "wenn die Bundesregierung den seit Jahren bekannten (…) unternehmerischen Fehlentwicklungen des Konzerns entgegengewirkt (…) hätte.”

2. Regierung forciert Gutscheine für Pauschalurlauber

Die Bundesregierung treibt die geplante Gutschein-Lösung für wegen der Corona-Pandemie abgesagte Pauschalreisen weiter voran - mit staatlicher Absicherung gegen Insolvenz der Anbieter. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hervor, der uns vorliegt und heute vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

Laut Entwurf sollen Reiseveranstalter zeitlich befristet die Möglichkeit erhalten, statt einer Sofort-Rückerstattung des Reisepreises einen Gutschein über die geleisteten Vorauszahlungen anzubieten.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) © imago

„Dieser Gutschein, den die Reisenden nicht annehmen müssen, kann dann bei der erneuten Buchung einer Reise eingelöst werden, sobald der Wegfall der aktuell bestehenden Reisebeschränkungen und Gefährdungslage dies wieder zulässt“, heißt es in dem Entwurf weiter. Für den Fall einer Insolvenz des Anbieters plant die Bundesregierung eine staatliche Absicherung.

Eine Geld-zurück-Garantie soll es auch auch für Reisende geben, die sich gegen einen Gutschein entscheiden: „Dies gilt auch, wenn der Gutschein bis zum Ablauf seiner Gültigkeit nicht eingelöst wird“ Nach Ende 2021 sollen die geplanten Gutscheine verfallen.

3. Weniger Tierversuche in der Wissenschaft

Die Zahl der für wissenschaftliche Zwecke getöteten Tiere ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervor, die an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen wird. Demnach wurden im Jahr 2018 genau 686.352 Tiere für Forschungszwecke getötet. 2013 waren es 819.094 gewesen. Für 2019 liegen der Regierung noch keine Daten vor.

Konkrete Zahlen gibt es auch zur Verwendung von Affen und Halbaffen in Tierversuchen. Nach Regierungsangaben sind 2018 genau 3.288 dieser Tiere für Versuche genutzt worden. Fünf starben dabei. In ihrer Antwort erklärt die Bundesregierung, es sei ihr „ein großes Anliegen, Tierversuche möglichst schnell durch Alternativmethoden zu ersetzen und die Anzahl verwendeter Versuchstiere zu reduzieren”.

Dashboard BMWi 

Die Corona-Pandemie hat weiterhin massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind bislang 50.085 Anträge für Hilfskredite eingegangen, von denen 47.743 bewilligt wurden: Gesamtvolumen der zugesagten Kredite: 25,6 Milliarden Euro. Das geht aus dem vertraulichen Lagebericht (Dashboard) von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hervor, das uns vorliegt.

Die Pandemie trifft vor allem drei Branchen. Rund ein Fünftel der 2,2 Millionen Menschen, für die seit März Kurzarbeit angezeigt wurde, kamen aus den drei Branchen Einzelhandel, Gastronomie und Automobilindustrie.

Auf und Ab mit Margrethe Vestager und Winfried Kretschmann © The Pioneer / Henning Schmitter

Auf - EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will den Fall Lufthansa und den Einstieg des Bundes bei der Airline genau prüfen. So jedenfalls lassen sich die ersten Ankündigungen aus ihrer Behörde deuten. Die 52-jährige Dänin wird für Deutschland sicherlich keine Ausnahmen machen. In Krisenzeiten wie diesen braucht die Politik Liberale wie sie, die an die Kräfte des Wettbewerbs glauben, dringend.

Ab - Für Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann ist die Sache klar. „Die Verantwortung liegt jetzt bei den Ministerpräsidenten und Landkreisen“, sagte der Grünen-Politiker in Hinblick auf das Corona-Krisenmanagement. Heißt: Angela Merkel ist raus. Kretschmann stellt die Kanzlerin ins Abseits. Ein Fehler. Schließlich geht es in der Pandemie nicht ohne ein Mindestmaß an Kooperation zwischen Bund und Ländern.

An diesem Mittwoch trifft sich ein Gremium, das länger nicht zusammengetreten ist: Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Es ist erst das vierte Mal in dieser Legislaturperiode, dass dieser formalisierte Weg der Kompromissfindung gegangen wird.

Es geht um das so genannte Geologiedatengesetz. Es sieht - neben anderen Punkten - eine Verpflichtung zur Übermittlung geologischer Daten vor, die bei der Standortsuche für ein Atom-Endlager oder für die Erkundung unterirdischer Rohstofflagerstätten benötigt werden. Ein absolutes Expertenthema. Prognose: Der Vermittlungsausschuss setzt erst einmal eine Arbeitsgruppe ein. Heute Abend wird nicht viel mehr feststehen als der Termin für die erste Sitzung.

Unsere Leseempfehlungen für heute:

Während die Lage in Hongkong eskaliert, schweigt die Bundesregierung und auch die EU findet keine gemeinsame Haltung. Streit gibt es auch über den staatsnahen Konzern Huawei. Laurens Cerulus skizziert in einem Artikel für die Welt, wie gespalten Europa gegenüber China ist - und wie besonders zahm Deutschland agiert. Lesenswert!

Bild-Zeitung vs. Christian Drosten: Ein Gefecht, das seit zwei Tagen die Berliner Medien- und Politikbranche beherrscht. Für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat Michael Hanfeld einen Debattenbeitrag verfasst, der ungewohnt klare Worte für die Arbeit der Boulevard-Kollegen unter der Regie des Chefredakteurs Julian Reichelts findet. "Der jüngste Ausfall gegen den Virologen Drosten ist nur ein Artikel von vielen, mit denen sich die 'Bild'-Zeitung und ihr Chefredakteur als die wahre Stimme des Volkes gerieren", schreibt Hanfeld. "Von den 'Covidioten', die sich am Wochenende zu Tausenden versammeln und gegen den Staat hetzen, ist das nicht weit entfernt."

Wir gratulieren herzlich zum Geburtstag:

Florian Post, Bundestagsabgeordneter (SPD), 39

Erich Irlstorfer, Bundestagsabgeordneter (CSU), 50

Rico Gebhardt, Linken-Fraktionsvorsitzender in Sachsen, 57

Clemens Tönnies, Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04, 64

Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, 64

Henry Kissinger, US-Außenminister a.D. und Friedensnobelpreisträger, 97

Führungswechsel im Auswärtigen Amt: Für den neuen Staatssekretär Miguel Berger soll im Sommer Botschafter Michael Klor-Berchtold zum neuen Abteilungsleiter Wirtschaft in Berlin aufrücken. Klor-Berchtold ist seit 2016 deutscher Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Iran. Er war zuvor Krisenbeauftragter des Auswärtigen Amts, Leiter des Krisenstabs der Bundesregierung sowie Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.

Das letzte Wort von Gerhard Schröder © The Pioneer / Henning SchmitterIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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