Corona im Kabinett

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Mit der Corona-Infektion von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erreicht die Pandemie das Kabinett. SPD-Kollegin Franziska Giffey wurde negativ getestet.

  • CDU-Parlamentschef Wolfgang Schäuble mahnt intern eine Verschiebung des Bundesparteitags an. Die bisherigen Pläne der Parteispitze scheinen zu scheitern.

  • Die CDU in Berlin will bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 mit der inneren Sicherheit punkten. Und der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, soll helfen.

Der kranke Gesundheitsminister

Kaum jemand hat sich so akribisch vor einer Corona-Infektion geschützt, wie Gesundheitsminister Jens Spahn - und doch ist ausgerechnet der CDU-Politiker nun das erste Kabinettsmitglied, das selbst betroffen ist. Das Virus hat Deutschland, Berlin - und dort nun auch das Regierungsviertel selbst mit Wucht erreicht. Bis auf Erkältungssymptome geht es Spahn bisher gut.

Spahn hatte am vergangenen Mittwoch persönlich an der Kabinettssitzung im Kanzleramt teilgenommen. Die habe unter Einhaltung der Abstandsregeln im Internationalen Konferenzsaal stattgefunden, wie ein Regierungssprecher gestern erklärte. Die Hygiene- und Abstandsregeln zielten darauf ab, "dass auch im Falle der Teilnahme einer Person, die später Corona-positiv getestet wird, eine Quarantäne anderer oder gar aller Teilnehmer nicht erforderlich wird".

Lothar Wieler und Jens Spahn © dpa

Ein Minister der Bundesregierung berichtete uns, dass es "ausreichend Abstand und Lüftung" gegeben habe. Er gehe nicht davon aus, dass Spahn jemanden angesteckt haben könnte. Außerdem gebe es eine ausgezeichnete Belüftungsanlage. Der Saal, so hören wir, sei zu Beginn der Corona-Pandemie auf Aerosol-Bildung untersucht und für geeignet befunden worden.

Und doch beunruhigte die Meldung manches Kabinettsmitglied. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte für den Termin im Kanzleramt eigens ihren Urlaub unterbrochen. Am vergangenen Freitag war sie mit Spahn gemeinsam in der Bundespressekonferenz aufgetreten - sie unterzog sich kurz nach der Bekanntgabe von Spahns Infektion einem Schnellest. Gegen 19 Uhr stellte sich das erste Ergebnis als negativ heraus. Noch in dieser Woche will sich Giffey erneut testen lassen, um sicher zu sein, dass sie sich nicht infiziert hat.

Arbeitsminister Heil fehlte - er war bereits in Quarantäne

Im Kabinett fehlte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der bereits am Montag einen Risikokontakt von seiner App gemeldet bekam und sich deshalb in Quarantäne begab. Eine Erfahrung, die neben ihm schon weitere Kabinettsmitglieder gemacht haben: zuletzt auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das Virus rückt näher an das Machtzentrum der Hauptstadt heran.

Gesundheitsminister Spahn lasse routinemäßig jeden Tag Fieber messen und habe nun Erkältungssymptome festgestellt und deshalb einen Test absolviert, erfuhren wir. Es ist noch nicht klar, wo sich der Minister angesteckt habe - einen eindeutigen Zusammenhang zu einem beruflichen Kontakt konnte man aber bisher nicht feststellen. Auch Spahns Ehemann Daniel Funke soll sich nun testen lassen.

1. CDU-Spitzen distanzieren sich vom eigenen Parteitag

Spitzenpolitiker der CDU drängen auf eine Verschiebung des geplanten Bundesparteitags mit 1001 Delegierten am 4. Dezember in Stuttgart.

Nach unseren Informationen aus Parteikreisen haben Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit der Noch-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer eine Verschiebung des Parteitags in das Frühjahr 2021 angeregt. Aus dem Kanzleramt hören wir, dass den Planungen für den Stuttgarter Parteitag keine echten Chancen mehr eingeräumt werden.

Die Änderung des Parteiengesetzes vom 9. Oktober macht rechtlich eine Verschiebung in das kommende Jahr möglich. Das RKI meldet heute mehr als 11.000 Neuinfektionen innerhalb der vergangenen 24 Stunden. "Bei solchen Zahlen ist ein Präsenzparteitag undenkbar", sagte uns ein Regierungsmitglied.

Paul Ziemiak und Annegret Kramp-Karrenbauer © imago

Im Adenauer-Haus wird der Stuttgarter Parteitag mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept noch als Plan A behandelt, doch wollen Kramp-Karrenbauer und ihr Generalsekretär Paul Ziemiak am Montag im Präsidium Alternativen präsentieren. Dabei geht es angeblich um eine Verlegung des Parteitags nach Leipzig, wo die Zahl der Neuinfektionen deutlich niedriger ist oder um einen dezentralen Parteitag mit weniger anwesenden Delegierten an mehreren Orten verteilt. Das Präsidium der CDU Niedersachsen hat diesen Weg bereits am Dienstag für ihren Landesparteitag am 7. November beschlossen.

Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz wollen sich aus den Entscheidungen möglichst heraushalten. Friedrich Merz ist, so hören wir, gegen eine Verschiebung des Termins. Armin Laschet dürfte als einziger Kandidat mit einem Posten in der Führung im Präsidium kein offenes Votum abgeben. Norbert Röttgen äußerte sich gestern auf Anfrage nicht.

2. Berliner Konservative wechseln Kandidaten

Der Landesvorsitzende der CDU in Berlin, Kai Wegner, hat mit einem taktischen Kniff eine Kampfkandidatur um den Hauptstadt-Wahlkreis Berlin-Mitte für die Bundestagswahl vermieden. Der Musikmanager Joe Chialo soll nun Wegners eigenen Wahlkreis in Berlin-Spandau übernehmen und dort für den Bundestag antreten. Wegner selbst will Regierender Bürgermeister werden, er tritt im Herbst 2021 für die Wahl des Abgeordnetenhauses als Spitzenkandidat der CDU an.

Mit der Rochade kann die bisherige Favoritin Wegners für den Bundestagswahlkreis Mitte, Ottilie Klein, für die CDU antreten. Aber auch Chialo, der überraschend vergangene Woche seine Kandidatur angekündigt hatte, hat im Wahlkreis Spandau / Charlottenburg-Nord Chancen auf ein Direktmandat. 2017 gewann SPD-Kandidat Swen Schulz knapp mit 32 Prozent gegenüber 30 Prozent für Wegner.

Joe Chialo will für die CDU in den Bundestag.  © Anne Hufnagl

Der 49-jährige Chialo ist ein Seiteneinsteiger in der Politik und erst seit 2016 in der CDU. Der Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie ist in Bonn geboren, hat sein Studium für eine Karriere als Bandsänger abgebrochen und ist heute Vizepräsident des renommierten Musikkonzerns Universal Music.

Unser Portrait des ungewöhnlichen CDU-Kandidaten lesen Sie hier.

3. Rente: Versicherungszeiten von Frauen deutlich länger

Frauen erwerben inzwischen deutlich höhere Rentenansprüche als noch zu Beginn des Jahrtausends. Das geht aus Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund hervor, die uns vorliegen.

  • Den Angaben zufolge hatten Frauen, die im Jahr 2000 erstmals eine Altersrente bekamen, durchschnittlich 27,7 Versicherungsjahre.

  • 2019 waren es bereits 35,3 Jahre.

  • Bei Frauen in den neuen Bundesländern stieg die Zahl der durchschnittlichen Versicherungsjahre zwischen 2000 und 2019 von 40,9 auf 43,2 Jahre.

  • Bei Frauen in den alten Bundesländern stieg der Wert von 24,2 auf 33,2 Jahre.

„Die Zunahme der Versicherungsjahre ist hauptsächlich auf eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen zurückzuführen. Rentnerinnen, die derzeit in Rente gehen, haben im Durchschnitt längere Erwerbsbiographien und damit eine höhere Anzahl an Versicherungsjahren als ältere Rentnerinnen“, sagte ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung.

Ein weiterer Grund für die Zunahme der Versicherungsjahre sei die Begrenzung von Möglichkeiten des vorzeitigen Rentenbezugs. Bei Rentnerinnen wirke sich auch die erhöhte Anrechnung von Kindererziehungszeiten durch die "Mütterrente“ aus.

Zu den Versicherungsjahren zählen neben Zeiten der Erwerbstätigkeit zum Beispiel auch Zeiten der Kindererziehung, des Sozialleistungsbezugs und der Pflege.

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Das Gesundheitsministerium hat ein erstes Eckpunktepapier zum neuen Digitalisierungsgesetz verfasst. Der Entwurf liegt uns vor und listet 12 Punkte zur digitalen Vernetzung des Gesundheitswesens auf. Dazu gehört die Einführung der Videosprechstunde bei Ärzten, Heilberufen und Hebammen. Diese sollen auch in der sprechstundenfreien Zeit möglich sein und abgerechnet werden können. Außerdem sollen die Gesundheitsangebote per App ausgebaut und beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert werden.

Digitale Pflegeanwendungen sollen in die Erstattung durch die Pflegeversicherung integriert werden und die digitale Patientenakte und das elektronische Rezept vorangetrieben werden. Die Eckpunkte sollen bis Ende des Jahres zum Gesetzentwurf fortgeschrieben und in die Ressortabstimmung gegeben werden. Ob daraus noch vor der Bundestagswahl ein Gesetz wird, ist aber offen.

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) wollen dem Kabinett kommende Woche den zweiten Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit vorlegen. Das geht aus dem internen Kabinettszeitplan der Bundesregierung hervor. Der Bericht werde ernüchternd sein, ist zu hören. Weltweit nimmt die Verfolgung von Christen ebenso zu wie Angriffe auf Muslime und kleinere Religionsgruppen wie Rohingya und Jesiden.

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Auf - Überraschung im Vatikan. Zum ersten Mal hat das Kirchenoberhaupt der katholischen Kirche gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht eingeräumt, eine Familie zu haben. "Homosexuelle Menschen haben das Recht darauf, in einer Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes", sagte Papst Franziskus in einem Interview für den Dokumentarfilm Francesco, der gestern beim Filmfestival in Rom Premiere feierte. In der katholischen Kirche in Deutschland wurden die Sätze mit Überraschung, aber auch mit Freude aufgenommen. In der Politik ohnehin. Auch für uns ist der Papst ein Aufsteiger.

Ab - Politiker aus allen Parteien wünschten dem an Corona-erkrankten Gesundheitsminister Jens Spahn gestern in den sozialen Netzwerken gute Besserung. Nicht so ein AfD-Politiker, auf dessen Namensnennung wir hier gerne verzichten. In seinem ersten Kommentar zur Erkrankung sah er den Beweis dafür, dass Spahn sich nicht an die Vorgaben gehalten habe oder die Maskenpflicht unwirksam sei. Für so viel Häme, Hass und dumpfe Provokation geht es bergab.

Die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty in Paris, der in seiner Klasse Meinungsfreiheit auch anhand von Mohammed-Karikaturen diskutieren wollte, wühlt Frankreich auf. Michaela Wiegel ist Korrespondentin für die FAZ in Paris. Sie kommentiert, dass diese Tat im Kulturkampf gegen den Islamismus ein Wendunkt darstellen könnte. Lesenswert!

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Mike Cosse, Vizepräsident Government Relations, SAP Deutschland, 48

Sonja Steffen, SPD-Bundestagsabgeordnete, 57

Winfried Bausback, CSU, früherer Justizminister in Bayern, 55

Der Wahlkampf um das Rathaus in Berlin hat begonnen, die designierte SPD-Landeschefin und wahrscheinliche Spitzenkandidatin für den Posten als Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD), hat bereits klargemacht, dass die Themen Recht und Ordnung für ihre Kampagne ein Kernthema sein sollen.

Auch die CDU und ihr Spitzenkandidat Kai Wegner wollen mit dem Thema punkten. Zwar ist die Zahl der Straftaten in Berlin rückläufig, doch sorgen Meldungen über Clan-Kriminalität, Linksextremismus und Drogenhandel in großen Teilen der Bevölkerung für Unmut. Wegner will nun einen Mann als Schatteninnensenator präsentieren, der das Etikett Law & Order mit Stolz trägt. Angeblich soll der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, in das Wahlkampf-Team von Wegner gehen, wie wir aus der Landes-CDU erfahren haben. Die CDU-Frau im Bundeskanzleramt, Angela Merkel, dürfte diese Idee gar nicht goutieren.

Dieter Romann, Chef der Bundespolizei.  © dpa

Denn Romann, einst Deutscher Meister im Karate, hatte sich in der Flüchtlingskrise 2015/2016 intern gegen die Kanzlerin und ihren Innenminister gestellt und eigenhändig Materialien zur Sicherung der Grenzen nach Bayern geschafft.

In der Bundesregierung ist der promovierte Verwaltungswissenschaftler, der sich bestens mit Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen versteht, seither nicht wohlgelitten. Konservative dürften indes ihre wahre Freude an dem Mann aus Ahrweiler haben, der ausreisepflichtige Gefährder schon mal persönlich im Jet in ihr Heimatland bringt. Romann soll nicht abgeneigt sein, heißt es. Eine Bestätigung war aber weder von der CDU noch von Romann zu bekommen. "Alles Spekulation", kommentierte ein Führungsmitglied der Landes-CDU gestern auf Anfrage.

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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist spürbar verärgert über die lasche Haltung in Teilen der Berliner Bevölkerung bei den Corona-Regeln. Und das zeigte er in einer Pressekonferenz gestern auch. Ungewohnte Emotionen beim Stadtchef.

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