Das Abspeckprogramm für die Krankenkassen

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • Mehr Wettbewerb und Leistungskürzungen – diese Krankenkassenreformen fordert der Chef der Innovationskasse.

  • FDP-Vize Johannes Vogel im Hauptstadt-Podcast: Der Kanzler irrt.

  • Kommt die Erklärung einer Notlage? Vier Prognosen zur Steuerschätzung.

  • Der Normenkontrollrat fordert 16 Milliarden Euro weniger Bürokratiekosten.

  • Wir wissen, wer für die Grünen in den Aufsichtsrat der Bahn-Tochter InfraGo geht.

  • Wagenknecht-Europakandidat Michael von der Schulenburg wollte bei rechter Burschenschaft sprechen.

25 Milliarden Euro bis 2035 sollen die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in den Transformationsfonds für Karl Lauterbachs Krankenhausreform zahlen. Die Bedenken wachsen:

  • Ab 2027 bedeute das jährlich mindestens vier Milliarden Euro Mehrbelastung für die Beitragszahler, warnte der Bundesrechnungshof gestern. Mehr als 0,2 Prozentpunkte müsste der Zusatzbeitrag steigen.

  • Dabei machen die Krankenkassen bereits heute ein großes Minusgeschäft: Das Gesundheitsministerium rechnet für das kommende Jahr mit Verlusten in Höhe von 330 Millionen Euro. 2026 sollen es eine Milliarde sein. Danach noch mehr.

Wie also sollen TK, Barmer oder DAK auch noch die Reform stemmen? Ralf Hermes, Vorstand der Innovationskasse (IKK) – einer deutschlandweit agierenden GKV –, argumentiert: Die GKV selbst müssen effizienter werden. „Sonst wird das Gesundheitssystem kollabieren.“ Dabei ließe sich viel Geld sparen, hören unsere Kollegen Christian Schlesiger und Michael Bassewitz.

Ralf Hermes © Innovationskasse

Die Vorschläge des Krankenkassenchefs:

1) Weniger Krankenkassen: Es gibt derzeit 96 Krankenkassen in Deutschland. „20 bis 30 würden ausreichen“, sagt Hermes. Fusionen würden die Verwaltungskosten senken und die Wirtschaftlichkeit erhöhen.

Er kritisiert: Die vielen verschiedenen Kassenarten – also die Unterscheidung etwa in Betriebs-, Ersatz- und Innungskrankenkassen – seien ein „Anachronismus“.

Da hängen Verbände dran, die sich erhalten wollen. Das ist ein Erhaltungszirkus.

2) Mehr Wettbewerb: „Viele Krankenkassen begreifen sich als Verwaltung“, kritisiert Hermes. Etwa bei der Digitalisierung hinkten sie hinterher. Er fordert:

Wir brauchen ein System, das unternehmerische Innovationen zulässt – etwa bei Zusatzleistungen und Selbstbehalttarifen.

Hermes berichtet auch von „Postengeschachere“ in den Institutionen: „Ältere Herrschaften sitzen in Verwaltungsräten und Vorständen. Das Gesundheitssystem braucht Manager statt Kommunalpolitiker.“

3) Weniger Leistungen: „Es geht nicht ohne Leistungskürzung“, sagt der IKK-Chef. Er hält Leistungskürzungen angesichts der finanziellen Lage für alternativlos, auch wenn sie unpopulär sein mögen. Im Klartext:

Es gibt Leute, die fressen, saufen und rauchen – ohne sich der gesundheitlichen Kosten im Klaren zu sein. Eine gute Basisversorgung muss ausreichen.

„Bei den Zahnarztleistungen würde ich ansetzen.“ Denn die seien zu teuer. „Die Versichertengemeinschaft muss nicht jede Zahnarztleistung übernehmen. Wenn die Leute vernünftig Vorsorge betreiben, können die Kosten erheblich sinken“, prognostiziert Hermes.

Zahnärztin © picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Fazit: Die fetten Jahre sind vorbei. Die Kosten für die Krankenhausreform sind nur ein Vorgeschmack auf die nächsten Jahre, wenn immer mehr Menschen alt und immer weniger jung sind. Vorsorge fängt bei sich selbst an – das gilt auch für Krankenkassen.

FDP-Vize Johannes Vogel: „Der Kanzler irrt“

Das Ziel des stellvertretenden FDP-Parteivorsitzenden Johannes Vogel beim Thema Rente: „dem schwedischen Vorbild so schnell wie möglich so nah wie möglich“ kommen.

Vogel will sich daher in den parlamentarischen Verhandlungen dafür einsetzen, den Paradigmenwechsel Richtung Aktienrente „noch ein paar Schritte entschlossener zu gehen“, wie er im neuen Hauptstadt-Podcast sagt.

Bislang sieht das Rentenpaket II keine individuellen Aktienansprüche über Beiträge vor, sondern lediglich ein schuldenfinanziertes „Generationenkapital“. Allerdings sagt er auch:

Wir werden dieses Konzept einer Aktienrente nach schwedischem Vorbild nicht in dieser Legislaturperiode in Reinform bekommen.

Mit Blick auf eine mögliche Wirtschaftswende findet Vogel, dass die Maßnahmen, die bislang zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit getroffen wurden, nicht ausreichen.

Insofern irrt der Kanzler, wenn er sagt, es sei doch alles prima.

Johannes Vogel © Imago

Das gesamte Interview hören Sie in der neuen Folge des Hauptstadt-Podcasts. Außerdem sprechen The-Pioneer-Chefkorrespondentin Politik, Karina Mößbauer, und Jörg Thadeusz über:

  • die zunehmende Gewalt gegen Politiker, insbesondere in der Kommunalpolitik, die beiden Gerichtsurteile gegen die AfD bzw. ihren Vorsitzenden in Thüringen, Björn Höcke, und den Auftritt von Altkanzlerin Angela Merkel beim Abschied von Grünen-Urgestein Jürgen Trittin.

  • Im Zwischenruf: Hans-Ulrich Jörges über die Israel-Positionierung des Auswärtigen Amts.

    Klick aufs Bild führt zum Hauptstadt-Podcast.  

Vier Prognosen auf Basis der Steuerschätzung

Elf Milliarden Euro weniger als zuvor prognostiziert stehen dem Fiskus 2025 zur Verfügung. Das ist das Ergebnis der gestern veröffentlichten Steuerschätzung.

Eine Infografik mit dem Titel: Steuerschätzer korrigieren Prognose

Ergebnisse der Schätzungen aus dem November 2023 vs. Mai 2024, in Milliarden Euro

Unser Kollege Christian Schlesiger zieht daraus vier Prognosen:

  • Ende der Illusionen. Der Sparplan der Ampel wird nicht aufgehen. Es muss noch mehr gekürzt werden als geplant. Finanzminister Christian Lindner spricht von einem „niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag“. Prognose: Nachtsitzungen im Juni.

Christian Lindner  © picture alliance/dpa | Soeren Stache
  • Zeit für eine Agenda 2030: Das Trio Scholz-Lindner-Habeck könnte den Einbruch bei den Steuereinnahmen als Startpunkt für eine radikale Kurskorrektur nutzen. Prognose: Das ist unwahrscheinlich – es wird klein statt groß gedacht.

  • Ausweg Notlage: Die Lösung: „eine politisch konstruierte Notlagenerklärung“, befürchtet CDU-Chefhaushälter Christian Haase. Ausgaben für 2025 würden dann in den Haushalt 2024 vorgezogen werden. Prognose: Er könnte recht behalten.

  • Weg geebnet. Wer Lindner gestern bei der Pressekonferenz zuhörte, kann ein Aufweichen hineininterpretieren: Weitere Ukraine-Hilfen könnten ohne Notlage erfolgen – „wenn der politische Wille da ist“. Prognose: Die Ukraine-Notlage kommt.

Fazit: Die Steuereinnahmen für Bund und Länder liegen 2025 bei rund 995 Milliarden Euro. Eigentlich genug. Aber Politik hat nicht immer mit ökonomischer Vernunft zu tun. Manchmal geht es auch um die Kunst, mit Andersdenkenden zusammenzuarbeiten.

Normenkontrollrat fordert Bürokratieabbau

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) fordert die Bundesregierung auf, die Bürokratiekosten innerhalb von vier Jahren um 25 Prozent abzubauen – und so 16 Milliarden zu sparen. Dies geht aus einem Bericht zur Arbeit des Normenkontrollrats für den Rechtsausschuss hervor, der unserem Kollegen Michael Bassewitz vorliegt.

Lutz Goebel, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates 

One in, one out: Für eine systematische Bürokratievermeidung bestehe laut NKR mit der „One-in-one-out“-Regel bereits ein geeignetes Instrument. Diese habe allerdings „zu viele Ausnahmen und bildet die Realität nicht gut ab.“

Qualität der Gesetze: Für minimierte Bürokratiehürden fordert der Rat außerdem Digital- und Praxischecks sowie eine stärkere Evaluierung von Gesetzen.

Signal aus dem Bundestag? Der NKR wünscht sich für eine Verschärfung der „One-in-one-out“-Regel Unterstützung aus der Politik, um das geforderte Bürokratieabbaupotenzial zu verstärken.

Zum Download: Thesenpapier des Normenkontrollrats

Gastel geht für Grüne in InfraGo-Aufsichtsrat

Bewegungsmelder: Die Bundestagsfraktion der Grünen hat den Verkehrspolitiker Matthias Gastel für den Aufsichtsrat der neu gegründeten Bahn-Tochter InfraGo bestimmt. Die Begründung: Gastel saß bereits im Aufsichtsrat der DB Netz, die mit der DB Station & Service zur Infrastrukturgesellschaft InfraGo fusioniert wurde.

Matthias Gastel © Stefan Kaminski

Der Haushaltsausschuss hatte das Verkehrsministerium in einem Maßgabebeschluss eigentlich aufgefordert, künftig sicherzustellen, dass dem InfraGo-Aufsichtsrat drei Mitglieder des eigenen Ausschusses angehören. Mit ihrer Entscheidung für den Verkehrspolitiker setzen sich die Grünen darüber hinweg.

Auch die SPD-Fraktion wählte die Verkehrspolitikerin Anja Troff-Schaffarzyk. Nur die FDP-Fraktion hat sich an diesen Beschluss gehalten und schon vor Monaten den Haushälter Torsten Herbst nominiert. Das Verkehrsministerium wartet bis heute allerdings auf eine gemeinsame Rückmeldung aller Fraktionen.

Matthias Gastel sagt uns, mit der Aufgabe könne er seine Arbeit im Verkehrsausschuss gut ergänzen.

Konkret leiste ich meinen Beitrag zur Kontrolle, ob politische Beschlüsse und Erwartungen im Hinblick auf ein leistungsfähigeres Netz und barrierefreie Bahnhöfe mit Aufenthaltsqualität effizient und entschlossen umgesetzt werden.

Wagenknecht-EU-Kandidat wollte bei rechter Burschenschaft sprechen

Michael von der Schulenburg, der Dritte der BSW-Europaliste, hat einen geplanten Vortrag bei einer rechten Burschenschaft abgesagt. Schulenburg sollte am 22. Mai in Gießen bei der Gießener Burschenschaft Germania einen Vortrag zum Thema „Die EU zwischen Aufrüstung und Diplomatie“ halten.

Michael von der Schulenburg © imago

Offenbar in Folge der Nachfrage unseres Kollegen Jan Schroeder sagte von der Schulenburg die Veranstaltung ab. Eine Sprecherin der Partei sagt uns:

Herr von der Schulenburg hatte die Veranstaltung in Unkenntnis der ideologischen Ausrichtung der Organisation zugesagt. Nachdem diese ihm nun bekannt wurde, hat er seinen Auftritt abgesagt.

Die Burschenschaft war in der Vergangenheit mehrfach wegen Kontakten ins rechtsextreme Milieu in die Kritik geraten. Der hessische Verfassungsschutz beobachtet den Verein allerdings nicht.

Aus der grüne Traum? In Deutschland stagniert die Produktionszahl von E-Autos. Schlimmer noch: Im ersten Quartal 2024 fertigten inländische Autobauer sogar elf Prozent weniger Elektrofahrzeuge als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Mit 29 Prozent liegt der E-Auto-Anteil an der Gesamtproduktion damit hinter den Klimazielen. Erst am Montag hatte Mercedes-Benz bekannt gegeben, länger an Verbrennungsmotoren festhalten zu wollen als geplant.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Autoindustrie: E-Autos stecken fest

In Deutschland produzierte PKW pro Quartal, Q1 2021 bis Q1 2024

Das war gestern und in der Nacht außerdem los:

  • Höcke-Prozess: Nachdem das Landgericht Halle den rechtsradikalen AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Strafe von 13.000 Euro wegen der Verwendung einer verbotenen SA-Parole verurteilt hat, hat dieser Revision eingelegt. Der Fall geht nun an den Bundesgerichtshof.

  • Nach Attentat: Nach einer mehrstündigen Operation befindet sich der slowakische Regierungschef Robert Fico wohl außer Lebensgefahr.

  • Urteil: Die Bundesregierung muss ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilte. In seiner bisherigen Form erfülle das im vergangenen Oktober beschlossene Programm nicht vollständig die gesetzlichen Vorgaben.

  • Haushalt 2025: Im heute-journal kündigte Finanzminister Christian Lindner gestern Abend eine „Neujustierung der internationalen Politik“ an. „Wir können nicht mehr jeden Radweg in Peru finanzieren“, sagte er. Unsere aktuelle Analyse der deutschen Entwicklungsprojekte lesen Sie hier.

Entwicklungshilfe auf verlorenem Haushalts-Posten

Fünf Beispiele für (fragliche) Projekte.

Podcast hören

Veröffentlicht von Luisa Nuhr.

Podcast

Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?

  • Kanzler Olaf Scholz und Präsident Frank-Walter Steinmeier empfangen in Berlin die Staatspräsidentin der Republik Moldau Maia Sandu.

  • Finanzminister Christian Lindner besucht das „Greentech Festival“ mit Fokus auf nachhaltige Technologien.

  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach stellt den Bundes-Klinik-Atlas vor.

  • Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt hisst zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie die Regenbogenflagge vor dem Kanzleramt.

Auf – Roland Galharague. Der EU-Botschafter in Russland beeindruckt mit Mut. Im Zentrum Moskaus feierte der französische Diplomat öffentlich den Europatag und übte scharfe Kritik an Präsident Wladimir Putin und der russischen Aggression. „Die Kriege von heute schüren nur den Hass von morgen“, betonte er auf der Veranstaltung, zu der auch russische Zivilisten geladen waren. So repräsentiert man Europa!

Ab – Kai Gniffke. Schlechte Nachrichten für den SWR-Chef – und alle GEZ-Zahler: Die Pensionen fressen einen Großteil der Finanzen auf und befördern den Sender tief ins Minus, offenbart ein neuer Bericht des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg. Für die Programminhalte des SWR bleibt Gniffke so kaum Geld übrig.

Heute gratulieren wir herzlich:

Annett Meiritz, Washington-Korrespondentin des Handelsblattes, 42

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg, 76

Thomas Rachel, CDU-Bundestagsabgeordneter, 62

Am Samstag gratulieren wir herzlich:

Thomas Gottschalk, Moderator, 74

Björn Simon, CDU-Bundestagsabgeordneter, 43

Frank Plasberg, Journalist, 67

An Pfingstsonntag gratulieren wir herzlich:

Denise Loop, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 30

Dieter Reiter, Oberbürgermeister von München, 66

Stefan Schmidt, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 43

Diana Stöcker, CDU-Bundestagsabgeordnete, 54

An Pfingstmontag gratulieren wir herzlich:

Katja Adler, FDP-Bundestagsabgeordnete, 50

Wolfgang Büscher, Journalist, 73

Armin Schuster, Innenminister Sachsen, 63

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 60

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
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Korrektur

Fehler passieren – auch im Hauptstadt-Briefing. Und so ist im gestrigen Briefing ein falscher Franzose nach Berlin gereist. Richtig ist: Nicht Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire besuchte Robert Habeck, sondern EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton.

Wie konnte das passieren? Eine schriftliche Anfrage an das Wirtschaftsministerium wurde telefonisch beantwortet. Und wo zwei Menschen sprechen, da passieren Missverständnisse. Unser Kollege Christian Schlesiger entschuldigt sich. Immerhin: Zu seiner Analyse über das angespannte Verhältnis zwischen Berlin und Paris steht er weiterhin.

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