herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!
Unsere Themen heute:
In Berlin freuen sich Politiker der Koalition über das Konjunkturpaket und die von der Öffentlichkeit unerwartete Mehrwertsteuer-Senkung. Doch in einem halben Jahr könnte die Debatte um eine Verlängerung beginnen.
Der Bund beendet die zentrale Bestellung von Schutzmasken gegen Corona im Juni - wir sagen Ihnen, was das Kabinett beschlossen hat.
Bei der Innenministerkonferenz in Erfurt bahnt sich ein Parteienstreit um die Bestrafung von Fußballfans an, die Pyrotechnik im Stadion verwenden.
Der Reiz der kleinen Preise
Während der Verhandlungen über das Konjunkturpaket am Mittwoch im Kanzleramt kam es zu einer Art Schwur zwischen SPD-Vizekanzler Olaf Scholz, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den anderen Spitzenpolitikern der Koalition: Man werde nun die Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr senken - doch keiner solle die Debatte im Winter beginnen, ob man nicht doch bei den niedrigeren Sätzen bleiben werde. Der Schwur hielt nicht lange. Schon am Donnerstag diskutierte mancher in Berlin über genau diese Möglichkeit.
Am Morgen machte CSU-Chef Markus Söder mit einer uneindeutigen Aussage den Anfang: Falls es Corona-Rückschläge im Herbst gebe oder sich die Wirtschaft nicht erhole, könne es sein, dass man die Mehrwertsteuerregelung verlängern müsse, wurde er zitiert. Und auch in der SPD schließt mancher im Fall schwächelnder Konjunktur eine Debatte um die Verlängerung der Vergünstigung nicht aus.
"Der Staat muss Wort halten"
Mag sich Söder das Hintertürchen auch noch so demonstrativ offenhalten: In der CDU stoßen solche Überlegungen schon jetzt auf Ablehnung. Bereits am Donnerstagabend lehnte die Bundeskanzlerin eine mögliche Verlängerung der Vergünstigung ab. „Die Mehrwertsteuersenkung sollte dringend befristet bleiben und Ende des Jahres auslaufen", sagte uns auch Eckhardt Rehberg (CDU), haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. "Zu Jahresbeginn 2021 greifen schließlich Entlastungen von 17 Milliarden Euro - bei der kalten Progression, beim Soli und mit der längst beschlossenen Kindergelderhöhung.” Und in der SPD warnt Finanzpolitiker Lothar Binding: "Bei einer beschlossenen Befristung muss der Staat Wort halten." Mancher in der SPD sorgt sich, dass die Union mit einer dauerhaft gesenkten Mehrwertsteuer tatsächlich eine kleine Version der Unternehmenssteuerreform durchsetzt - sie heißt dann eben nur anders.
Bei Ökonomen gibt es ebenfalls Vorbehalte gegenüber einer Mehrwertsteuersenkung, die über die jetzt geplanten sechs Monate hinausgehen würde. "Diese Debatte mag es geben. Aber die Senkung ist gerade deshalb sinnvoll, weil sie befristet ist", sagte uns Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Institut für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). "Irgendwann wird der zusätzliche Konsumimpuls nicht mehr benötigt. Und man muss dazu sagen: Die befristete Absenkung ist mit 20 Milliarden Euro relativ kostspielig für den Staat." Das vollständige Interview von ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner mit ZEW-Chef Wambach lesen Sie hier.
1. Bund beendet Masken-Bestellungen
Die Bundesregierung will noch in diesem Monat die zentrale Bestellung von Schutzmasken gegen Corona-Infektionen für den Gesundheitssektor beenden. Dies hat das Kabinett am Mittwoch auf Initiative des Gesundheitsministeriums beschlossen. In die entsprechende Vorlage haben wir nach der Kabinettssitzung Einblick erhalten. "Rund drei Monate nach Beginn der Bundesmaßnahmen haben 13 der 34 Empfänger von Waren für den Gesundheitssektor darum gebeten, nur noch in Einzelfällen oder gar nicht mehr beliefert zu werden", heißt es in dem internen Dokument. Begründet werde dies mit gedecktem Bedarf oder ausgeschöpften Lagerkapazitäten. Der Bund werde die Belieferung "deshalb am 27. Juni 2020 zunächst beenden". Insgesamt werden bis Ende Juni dann etwa 325 Millionen Masken ausgeliefert sein, heißt es.
Fortan sollen mehr Schutzmasken in Deutschland hergestellt werden. Bis Ende 2021 sollen auf diese Weise bis zu 3,5 Milliarden Schutzmasken zur Verfügung stehen. Zusätzlich sollen über neue Fördermaßnahmen des Wirtschaftsministeriums 7 Milliarden Masken produziert werden. Im Jahr 2021 rechnet die Bundesregierung insgesamt damit mit 10,5 Milliarden vorhandenen Schutzmasken. Damit seien die geschätzte Bedarfe des Bundes gedeckt. Auch bei Desinfektionsmitteln sollen die Bedarfe in dem Zeitraum gedeckt werden können.
Zusätzlich hat das Kabinett den Aufbau einer "Nationalen Reserve Gesundheitsschutz (NRGS)" beschlossen. Damit soll der Bedarf von Gesundheitseinrichtungen an Schutzausrüstung und weiteren medizinischen Gütern für die Dauer von sechs Monaten gesichert werden. Auch hier will das Gesundheitsministerium Schritt für Schritt auf inländische Produktion umstellen.
2. Streit um Fahrverbote bei Nutzung von Pyrotechnik
Bei der kommenden Konferenz der Innenminister in Erfurt (IMK) bahnt sich ein Streit zwischen SPD- und unionsgeführten Häusern um die Bestrafung von Fußballfans an, die Pyrotechnik im Stadion verwenden. Dies geht aus der aktualisierten Tagesordnung für die Konferenz hervor sowie aus dem Ergebnis der Vorkonferenz der Staatssekretäre. Bei der IMK will das bayerische Innenministerium eine Vorlage einbringen, nach der die Benutzung von Feuerwerkskörpern mit dauerhaftem Führerscheinentzug geahndet werden könne. Dies wollen die SPD-geführten Häuser nicht mittragen. Bereits im vergangenen Jahr stand das Thema auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz in Lübeck. Die diesjährige IMK findet zwischen dem 17.6. und 19.6. statt.
3. Ex-Wehrbeauftragter mahnt Investitionen für die Bundeswehr an
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hat gefordert, im Rahmen der Konjunkturmaßnahmen nicht die Investitionen für die Bundeswehr aus den Augen zu verlieren. "Über 40 Rüstungs-Vorlagen wollte die Regierung eigentlich noch 2020 in die zuständigen Ausschüsse des Bundestags bringen und damit starten. Intern sammelt das Verteidigungsministerium gerade schnell realisierbar Beschaffungsprojekte, die vorgezogen werden könnten, wenn sie deutschen oder europäischen Firmen zugute kämen", schreibt Bartels in seiner ersten Kolumne für ThePioneer. "Für die Soldatinnen und Soldaten, die oft jahrelang auf Gefechtshelme, Schutzwesten und zeitgemäße Bekleidung warten, wäre das ein Segen." Die Kolumne von Hans-Peter Bartels lesen Sie hier.
Hans-Peter Bartels © dpa© The PioneerUnternehmen in Deutschland haben seit dem Beginn der Corona-Krise rund 27,7 Milliarden Euro an Liquiditätshilfen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten. Das geht aus einer Aufstellung der Bundesregierung hervor, die uns vorliegt. Die meisten Kredithilfen - rund 5,3 Milliarden Euro - gingen an Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Laut Bundesregierung sind zudem fünf Großbürgschaften in einem Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro zugesagt worden. Vier weitere Anträge auf Bürgschaften sind aktuell in Bearbeitung. Das Volumen beläuft sich hier auf 1,06 Milliarden Euro.
Auf Ab Esken Geisler © ThePioneerAuf - Mit der SPD werde es in diesem Konjunkturpaket keine Abwrackprämie geben, hatte die Parteivorsitzende Saskia Esken (58) zu Beginn der Gespräche im Kanzleramt erklärt und eine unverrückbare SPD-Linie gezeichnet. Und so geht auch der größte Erfolg auf das Konto der Sozialdemokraten, namentlich ihrer Chefin: Dass die Kaufprämie für Autos mit fossilem Verbrennungsmotor verhindert wurde, nimmt das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium zähneknirschend zur Kenntnis. Klartext geredet und Forderung durchgesetzt - Chapeau, Frau Esken!
Ab - Verlierer des Tages ist Tirols stellvertretender Landeshauptmann Josef Geisler. Der 58-jährige ÖVP-Politiker, dessen Amt einem stellvertretenden Ministerpräsidenten entspricht, hatte sich bei einem Wortgefecht mit einer Naturschützerin vom WWF eine Entgleisung erstaunlichen Ausmaßes geleistet. Geisler bezeichnete die junge Frau am Mittwoch vor laufender Kamera als "widerwärtiges Luder“. Gestern erklärte er gegenüber der Tiroler Tageszeitung, dass er seine "emotionale Entgleisung" bedaure und sich bei der Aktivistin entschuldigen wolle - allerdings nicht ohne anzufügen, dass sie ihm aber mehrfach ins Wort gefallen war. Eine halbgare Entschuldigung für einen Totalausfall, der tief blicken lässt.
Jetzt muss alles ganz schnell gehen: Schließlich soll die Senkung der Mehrwertsteuer bereits zum 1. Juli greifen. Es ist also ein Turbo-Verfahren erforderlich. Nach unseren Informationen soll der Gesetzentwurf dazu am kommenden Mittwoch auf den Weg gebracht werden. Eine Woche danach könnte er grünes Licht im Bundestag erhalten. Fehlt dann nur noch die Zustimmung des Bundesrates. Der aber tagt an diesem Freitag - und dann turnusgemäß erst wieder am 3. Juli. Zu spät für die GroKo-Pläne für die Mehrwertsteuer. Einziger Ausweg wäre eine Sondersitzung. Die könnte bereits heute offiziell terminiert werden.
Unsere Leseempfehlungen für heute:
„Wenn die Autoindustrie etwas fordert, bekommt sie das auch von der Politik - das war einmal“, kommentiert Max Hägler in der Süddeutschen Zeitung die Lage der Branche nach der GroKo-Entscheidung über ihr Konjunkturprogramm. Die Branche habe sich selbst vom Thron gestoßen, eine Vorzugsbehandlung unmöglich gemacht. „Es war ein Paradebeispiel von Chuzpe, dass Großmanager Staatsprämien forderten, aber im selben Atemzug die Auszahlung von Dividenden verteidigten: Vorgetragen mitunter in einem schwer erträglichen weinerlichen Tonfall oder patzig-fordernd." Starke Analyse!
Friedrich Merz ist wieder da - und zwar in der FAZ. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz äußert sich in einem bemerkenswerten Interview auch zur K-Frage. „Ich sehe Markus Söder nicht als einen Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur“, verrät er dem Kollegen Eckart Lohse und schiebt hinterher: „Ich nehme seine Äußerung ernst, dass er in Bayern bleiben will.“ Lesenswert!
Heute gratulieren wir zum Geburtstag:
Nadine Schön, Bundestagsabgeordnete (CDU), 37
Rudolf Henke, Bundestagsabgeordneter (CDU), 66
Thomas Sattelberger, Bundestagsabgeordneter (FDP), 71
Morgen gratulieren wir zum Geburtstag:
Bijan Djir-Sarai, Bundestagsabgeordneter (FDP), 44
Dunja Hayali, Journalistin und Fernsehmoderatorin, 46
Ulrich Lange, Bundestagsabgeordneter (CSU), 51
Theo Zwanziger, CDU-Politiker und Sportfunktionär, 75
Und übermorgen gratulieren wir zum Geburtstag:
Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, 50
Burkard Dregger, Vorsitzender der CDU-Fraktion und somit Oppositionsführer des Abgeordnetenhauses von Berlin, 56
Steffen Seibert, Regierungssprecher, 60
Bettina Müller, Bundestagsabgeordnete (SPD), 61
Hans-Christian Ströbele, Grünen-Politiker, 81
Luisa Neubauer © ImagoJoe Kaeser © dpaSiemens-Chef Joe Kaeser und die Klimaschützerin Luisa Neubauer halten auch ohne konkrete Pläne für Aufsichtsratsposten persönlichen Kontakt miteinander. Kaeser und Neubauer wurden in dieser Woche im Restaurant "Lutter und Wegner" am Berliner Gendarmenmarkt beim Mittagessen gesichtet. Der vielseitig in Klima- und Zukunftsfragen engagierte Kaeser hatte vor einiger Zeit versucht, Neubauer bei Siemens einzubinden, da "Protest auf der Straße allein keine Lösung" sei. Neubauer hatte mit Verweis auf ihre Unabhängigkeit abgelehnt. Dem guten Kontakt der beiden hat es offensichtlich keinen Abbruch getan.
© The PioneerIm Interview mit Welt-Vize Robin Alexander und unserem Chefkorrespondenten Rasmus Buchsteiner spricht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) über die Corona, Krise und Kurzarbeit. Hier können Sie das vollständige Gespräch hören.
Ihre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
Starten Sie gut in den Tag!
Herzlichst, Ihre