Das EU-Duell: Strack-Zimmermann vs. von der Leyen

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • Die FDP stellt heute ihre Europa-Wahlkampagne vor. Wir kennen Details.

  • Die Union will erneut einen Taurus-Antrag einbringen. Und erhält womöglich eine neue Stimme.

  • Die Bundeswehr-Reform steht. Wir kennen den Plan aus dem Verteidigungsministerium.

  • Die Fachkräfte-Zuwanderung wächst – aber nicht genug.

  • Joe Biden kritisiert Israel. Unterstützung bekommt er aus Bundesregierung und Opposition.

Das EU-Duell: Strack-Zimmermann vs. von der Leyen

Heute präsentieren FDP-Chef Christian Lindner, Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihre Kampagne zur Europawahl. Wie wir hören, steht inhaltlich das Thema Wirtschaft im Fokus – Wirtschaft als Grundlage für Sicherheit und alles andere.

Im Mittelpunkt der Kampagne: Marie-Agnes Strack-Zimmermann selbst. In der Rolle einer unbequemen und streitbaren Klartext-Politikerin mit Meinung und Standpunkten. Die FDP will sich so als Reformerin des trägen Brüsseler Behörden-Apparats in Stellung bringen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann beim Dreikönigstreffen der FDP Anfang 2024. © imago

Und was noch? Der Wahlkampf wird sich damit gegen die Frau an der Spitze der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, richten. Die CDU-Politikerin wurde vergangene Woche zur Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei EVP gekürt. Heute will sie gemeinsam mit den Präsidien von CDU und CSU das Europawahlprogramm verabschieden.

Der FDP-Plan: Strack-Zimmermann will in den nächsten Wochen von der Leyens Fünf-Jahres-Vermächtnis filetieren: Die CDU-Frau soll als grüne Kommissionspräsidentin und Politikerin inszeniert werden, die Europa nicht weiter gebracht hat, für die Wirtschaft mehr Berichtspflichten einführte, anstatt sie zu entlasten, und Außen- und Verteidigungspolitik zum politischen Brachland verkommen ließ.

Die Angriffspunkte: Green Deal, Lieferkettengesetz und Bürokratie.

Es heißt also: Strack-Zimmermann vs. von der Leyen. Zwei deutsche Frauen, die für ihre europäische Parteienfamilie in den Wahlkampf ziehen wollen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen © imago

Denn Strack-Zimmermann wird wohl bei der Europawahl direkt gegen von der Leyen antreten. Wie unser Kollege Marc Saha am Freitag exklusiv erfuhr, soll die FDP-Politikerin auch Spitzenkandidatin der europäischen Liberalen, der ALDE, werden. Ihre Nominierung soll heute eingereicht werden und am 20. März durch den ALDE-Kongress in Brüssel offiziell erfolgen.

Strack-Zimmermann sagt uns mit Blick auf die Kampagne:

Es ist Wahlkampf, wir werden aber unseren Spaß am Humor nicht verlieren.

Weiterer Ampel-Vertreter könnte für Unions-Antrag stimmen

Nach dem Antrag ist vor dem Antrag: Die Union will erneut über Taurus-Lieferungen an die Ukraine abstimmen lassen.

Womöglich erhält sie eine neue Stimme: „Ich bin noch nicht entschieden“, sagt uns der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter über sein Abstimmungsverhalten. FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte sich zuvor dem Unions-Antrag angeschlossen und will dies weiter tun.

Was sagt der Rest? Die große Mehrheit unter den Ampel-Parlamentariern verweist auf den eigenen Antrag der Koalitionsfraktionen. Darin wird die Lieferung von „weitreichenden Waffensystemen“ gefordert. Allerdings wird der Marschflugkörper Taurus selbst nicht erwähnt.

Der Kanzler soll entscheiden: „Der Taurus erfüllt diese Definition“, sagt uns SPD-Politiker Andreas Schwarz. „Die Entscheidung zur Lieferung liegt nun bei der Bundesregierung und persönlich würde ich die Lieferung auch begrüßen.“

Andreas Schwarz (SPD) © imago

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller, bezieht sich ebenfalls auf Olaf Scholz. „Die Union stellt jetzt jede Woche einen Taurus-Antrag, um Unruhe zu stiften. Das ist ok, das haben wir als Opposition damals auch so gemacht.“ Man wolle aber nicht über das Stöckchen springen.

Das Machtwort: „Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das“, sprach Scholz schon vor einer Woche. Gemeint war das Nein zur Taurus-Lieferung.

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller. 

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagt uns, dass „der außenpolitische Schaden, der durch diese Unklarheit entsteht“, immens sei. „Die Taurus-Lieferung wäre ein starkes Signal, dass sich der Westen nicht von Putin spalten lässt.“

Bundeswehr-Reform: Weniger Kommandos, mehr Truppe

Seit einem Jahr arbeitet das Verteidigungsministerium an der Reorganisation der Bundeswehr. In einem internen Papier aus dem Ministerium von Ende Februar (nur für den Dienstgebrauch) sind nun Reform-Maßnahmen ausformuliert.

Verteidigungsminister Boris Pistorius © dpa

Das 50-Seiten-Dokument „Bundeswehr der Zukunft“ liegt unserem Kollegen Michael Bassewitz vor. Geplant ist:

  • die Aufstellung eines einheitlichen operativen Führungskommandos – anstatt der bisher zwei Kommandos (Territoriales Führungskommando und Einsatzführungskommando). Durch die Reform sollen außerdem Schnittstellen aufgelöst und Entscheidungsprozesse beschleunigt werden.

  • die Einführung einer vierten Teilstreitkraft neben Heer, Luftwaffe, Marine nun auch Cyber-/Informationsraum (CIR), was bisher ein Organisationsbereich war.

  • die Aufstellung eines Kommandos Unterstützung. Hier sollen die beiden Organisationsbereiche Zentraler Sanitätsdienst und Streitkräftebasis (SKB) zusammengefasst werden.

  • der Unterstellungswechsel des ABC-Abwehrkommandos und des Kommandos Feldjägerwesen von der SKB in das Heer.

Die Einschätzung des Ministeriums: Es sei ein „gut ausgewogener Vorschlag, der die Bundeswehr insgesamt kriegstüchtiger macht und Landes- und Bündnisverteidigung strukturell abbildet“. Alle betroffenen Akteure sollen intensiv einbezogen worden sein. „Es gilt, im Weiteren die Vorschläge zeitnah und konsequent umzusetzen.“

Die Fachkräfte-Zuwanderung wächst – aber nicht genug

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) genehmigt seit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Jahr 2020 deutlich mehr Aufenthaltstitel für ausländische Fachkräfte. Das verdeutlichen Zahlen der BA, die uns vorliegen:

  • In den Jahren 2019 genehmigte die Agentur jeweils etwa 5.000 Aufenthaltstitel für Fachkräfte.

  • 2023 konnte sich diese Zahl fast versechsfachen – auf fast 30.000 eingewanderte Fachkräfte.

Der Grund laut BA: Zuvor war eine vereinfachte Einwanderung nur für Menschen in Engpassberufen vorgesehen. Diese Einschränkung wurde aufgehoben.

© The Pioneer

Die andere Meinung: Dadurch, dass viel weniger Menschen während Corona eingewandert sind, sei das Bild verzerrt, gibt der Migrationsexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft, Wido Geis-Thöne, gegenüber unserem Kollegen Michael Bassewitz zu bedenken:

In vielen Fällen dürfte dies eher zu einem Aufschub der Einreise als zu einem Verzicht auf die Zuwanderung geführt haben.

Zwar seien im Fachkräfteeinwanderungsgesetz „wichtige Weichenstellungen in Richtung einer verstärkten Fachkräftezuwanderung aus Drittstaaten erfolgt“, trotzdem fehle „ein zeitgemäßer administrativer Rahmen.“

Vom Ziel sei Deutschland noch weit entfernt: „Experten sind sich weitgehend einig, dass wir rund 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland im Jahr bräuchten, um die negativen Folgen des demografischen Wandels auszugleichen und die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf dem aktuellen Niveau zu erhalten“, sagt uns Geis-Thöne.

Gaza: Unterstützung für Bidens Kritik

Regierungsvertreter und Opposition in Deutschland unterstützen die Kritik von US-Präsident Joe Biden an dem Vorgehen Israels im Gaza-Streifen.

Der Hintergrund: Im US-Fernsehsender MSNBC sagte Biden, Israels Präsident Benjamin Netanjahu schade dem Land durch sein Vorgehen in Gaza. Israel habe das Recht, gegen die Hamas vorzugehen, aber es könnten nicht „weitere 30.000 Palästinenser sterben“. Stattdessen brauche es eine Feuerpause mit Gefangenenaustausch.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sagt uns:

Ich halte Bidens Kritik an der israelischen Vorgehensweise für vollkommen berechtigt.

Nils Schmid © Imago

„Die Art der Kriegsführung untergräbt das berechtigte Anliegen Israels, den Terror zu bekämpfen“, so Schmid.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, sieht das so:

Der israelische Regierungschef wäre gut beraten, mehr auf die Freunde Israels zu hören.

Jürgen Hardt © Imago

Die Strategie der Hamas, Hass auf Israel zu schüren, dürfe nicht länger aufgehen „und dafür muss Netanyahu klüger und umsichtiger vorgehen.“

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Lechte, drückt sich zurückhaltender aus: Das bisherige Vorgehen des israelischen Militärs sei stellenweise fragwürdig. „Aus diesem Grund verstehe ich auch US-Präsident Biden, der Ministerpräsident Netanjahu für seine Kriegsführung kritisiert hat.“ Netanjahus Vorgehensweise in Gaza müsse aber auch immer im Kontext seiner rechts-religiösen Koalition bewertet werden.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich gestern hinter die Kritik von Joe Biden gestellt. Netanjahu selbst widersprach dem US-Präsidenten im Interview mit BILD. Die Hamas wolle nicht verhandeln. Man sei sehr nah am Sieg und würde weitermachen:

Die Mehrheit der Israelis versteht: Wenn wir das jetzt nicht tun, dann werden wir eine Wiederholung des Massakers vom 7. Oktober haben – und das ist schlecht für Israelis, schlecht für Palästinenser und schlecht für den Frieden im Nahen Osten.

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel © dpa

In Anbetracht der weltweiten Bedrohungen – allem voran durch Russland – möchte die Mehrheit der Bevölkerung laut ARD-DeutschlandTrend, dass ihr Land mehr für die Verteidigung ausgibt. Finanziert werden soll das entweder durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch eine Aussetzung der Schuldenbremse. Mehr Steuern möchten allerdings nur die wenigsten zahlen.

Eine Infografik mit dem Titel: Mehr Verteidigung für Deutschland

Antworten der Befragten, in Prozent

Das war am Wochenende und in der Nacht außerdem los:

  • Streik: Ab Dienstag um 2 Uhr morgens streikt die GDL erneut für 24 Stunden und legt den Personenverkehr lahm.

  • Atomkrieg: In einer „Armageddon-Rede“ im Oktober 2022 stimmte US-Präsident Joe Biden laut einem Bericht der New York Times Parteifreunde auf einen Atomwaffeneinsatz Putins in der Ukraine ein. Dass es nie so weit kam, könnte auch an Olaf Scholz gelegen haben, der zu der Zeit in Gesprächen mit China war, legt der Bericht nahe.

  • Immobilien: Bauunternehmer Jan-Hendrik Goldbeck hält schnelleres Bauen derzeit für nicht möglich: „Ich bezweifle derzeit unsere Fähigkeit zur Topgeschwindigkeit.“ Darüber spricht unsere Kollegin Laura Block in der neuen Folge ihres Immobilienpodcasts Wohngold.

Der Klick aufs Bild führt Sie zum Podcast. © The Pioneer

Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?

  • Kanzler Olaf Scholz empfängt den Ministerpräsidenten Malaysias, Anwar Ibrahim.

  • Der Verteidigungsausschuss trifft sich zu einer Sondersitzung zum Taurus-Leak. Minister Boris Pistorius muss sich den Fragen der Abgeordneten stellen.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, diskutieren beim 5. Gespräch zur Transformation darüber, wie Wertschöpfung funktionieren kann.

  • Innenministerin Nancy Faeser und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nehmen an einer Veranstaltung zum Nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt teil.

  • In Brüssel treffen sich die Finanzminister der Euro-Länder.

  • Landwirtschaftsminister Cem Özdemir spricht auf der Konferenz „Agrarforschung zum Klimawandel“ der Deutschen Agrarforschungsallianz.

  • Familienministerin Lisa Paus ist in New York für die 68. Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen.

Auf – Kurt Schmalz. Der Familienunternehmer sprach wohl für viele Hidden Champions in Deutschland, als er seine drängenden Sorgen gegenüber dem Bundeskanzler beim Werksbesuch im Schwarzwald kundtat. Es ging um bezahlbare Energie, Digitalisierung und Bürokratie. Ob der Kanzler ihm zugehört habe? „Er hat gesagt, dass doch alles am Laufen sei“, sagt Schmalz der FAZ. Eine warnende Stimme – eine von vielen.

Ab – Papst Franziskus. Der Vatikan versucht sich in Schadensbegrenzung. Sein eigenes Oberhaupt sagte im Schweizer Fernsehen, Kiew sollte „Mut zur weißen Fahne“ zeigen. Er wollte „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen“, erklärte das zum Heiligen Stuhl gehörende Onlineportal Vatican News später. Hier ist einiges schiefgelaufen.

Heute gratulieren wir herzlich:

Vassili Golod, Podcaster und ARD-Korrespondent, 30

Alina Fichter, Head of Digital Format, Deutsche Welle, 42

Yannick Bury, CDU-Bundestagsabgeordneter, 33

Martina Renner, Linken-Bundestagsabgeordnete, 57

Anja Weisgerber, CSU-Bundestagsabgeordnete, 48

Cyrill Jean Nunn, deutscher Botschafter in den Niederlanden, 66

Nico Semsrott, Satiriker und Mitglied im Europäischen Parlament, 38

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
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