unsere Themen heute:
Die Deutsche Umwelthilfe mahnt tausendfach Immobilienmakler ab – und kassiert die Strafgelder ein. Wir haben das System recherchiert.
Es gibt Streit um ICE-Freifahrkarten für Bundesratsmitglieder. Wir wissen, warum.
Die FDP fordert eine europäische Untersuchung der Boeing-Pannen.
Die Bundesregierung erhofft sich durch Umwidmung von Kaufhäusern mehr Wohnraum. Doch die Rechnung geht wohl nicht auf.
Der Ex-Botschafter von Argentinien erklärt, warum Präsident Javier Milei Argentinien guttun könnte.
Der Berliner Immobilienmakler René B. bekam per Post eine Unterlassungserklärung von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Das Vergehen: Der Unternehmer hatte für den Verkauf einer Wohnung in einer Zeitungsannonce die Energieeffizienzklasse nicht angegeben. Strafgebühr: 280,78 Euro.
Ein Flüchtigkeitsfehler, sagt René B. Eine Missachtung des Verbraucherschutzes, sagt die DUH, die in der Vergangenheit schon Themen wie Dosenpfand, die Umweltzone und das Diesel-Fahrverbot in Innenstädten vorangetrieben hat. Sie hat für Fälle wie den von Herrn B. eine eigene Abteilung geschaffen: die „Ökologische Marktüberwachung“.
Aber handelt die DUH dabei wirklich im Sinne des Umweltschutzes? Oder sind die Abmahnungen inzwischen Teil ihres Geschäftsmodells?
Die Fakten:
16 Mitarbeiter überwachen etwa 25 umweltrelevante Verbraucherschutzvorschriften. Eine davon: ob Makler die Informationspflicht über den Dämmwert einer Immobilie einhalten.
1.198 Abmahnverfahren hat die DUH 2023 eingeleitet. 276 Fälle landeten vor Gericht, recherchiert unsere Kollegin Laura Block.
Die DUH hat im vergangenen Jahr 3,1 Millionen Euro über Abmahnungen erwirtschaftet – eine Million mehr als 2022.
Wer sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften hält, muss knapp 280 Euro zahlen – und eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Kommt es wiederholt zu einer Missachtung, muss die Immobilienfirma eine Vertragsstrafe in vierstelliger Höhe zahlen. Und zwar an die DUH.
Wer die Unterlassungserklärung nicht unterschreibt, wird angezeigt. Da die DUH oft im Recht ist, gewinnt sie auch in den meisten Fällen den Prozess.
Die Umwelthilfe argumentiert: Die Abteilung sei als „Reaktion“ darauf gegründet worden, „dass umweltbezogene Verbraucherschutzvorschriften in Deutschland kaum oder gar nicht kontrolliert wurden“, sagt sie unserer Kollegin Laura Block.
Möglich macht das Abmahnverhalten ein rechtlicher Sonderstatus, den der Verein seit 2004 hat. Dieser wird ausgerechnet vom Bundesamt für Justiz übertragen, einer dem FDP-geführten Justizministerium unterstellten Behörde.
Weitere 54 gemeinnützige Vereine haben in Deutschland das Recht, abzumahnen. Aber im Gegensatz zur DUH machen nur die Wenigsten Gebrauch von ihrem Recht. Und wenn, dann nur im geringen Umfang.
Christian Osthus © IVDDie Immobilienbranche ist erzürnt: Der DUH gehe es grundsätzlich darum, „schnell und automatisiert auf einfache Art und Weise viel Geld zu verdienen“, sagt Jurist Christian Osthus vom Immobilienverband Deutschland (IVD). Mehr als 100 solcher Fälle würde alleine der IVD jedes Jahr bearbeiten.
Judith Skudelny (FDP) © imago / Arnulf HettrichDie umweltpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Judith Skudelny, spricht gar von einem „privaten Blockwart“ und einer „Einnahmequelle“, für die der Sonderstatus nicht gedacht sei. Die DUH entwickle sich falsch, sagt sie unserer Kollegin Laura Block.
Die Grünen sehen das anders. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Linda Heitmann, sagt uns:
Auch mir wäre es lieber, wenn es ohne Strafen ginge.
Aber: ohne gehe es „manchmal nicht“.
Die DUH verteidigt sich: Sie würde mit dem Abmahnen kein Geld verdienen. Die Einnahmen würden nicht einmal ausreichen, „um die Kosten zu decken“.
Fazit: Juristisch handelt die Deutsche Umwelthilfe im Rahmen des Erlaubten. Der Umwelt hilft die systematische Abmahnstrategie wohl kaum.
Teure BahnCards 100 für Bundesrat
Zwischen Bundestag und Bundesrat gibt es Streit um die Nutzung der Jahresnetzfahrkarten der Bahn. Eigentlich erhalten sowohl Abgeordnete des Bundestags als auch Mitglieder des Bundesrats eine Jahresfreifahrtkarte in DB-Zügen.
Aber: In einem „Haushaltsvermerk“ zum Etat 2024 heißt es mit Bezug auf den Bundesrat, dass „die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Jahresnetzfahrkarten der Deutschen Bahn AG einzelfallbezogen nachzuweisen“ sei, erfuhr unser Kollege Christian Schlesiger.
Hohe Kosten, geringer Nutzen: Hintergrund ist der Verdacht, die Länder-Spitzen würden mit dem Flieger oder den Dienstwagen zu Sitzungen des Bundesrats nach Berlin anreisen. Eine BahnCard 100 würde also viel kosten, aber dienstlich kaum genutzt.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst im Bundesrat in BerlinTorsten Herbst, Haushalts-Berichterstatter der FDP, bestätigt die Kritik. Pauschale Erstattungen wie Jahreskarten würden „deutlich Mehrkosten im Gegensatz zur Erstattung einzelner Fahrten“ verursachen. Die Grundsätze der Sparsamkeit würden verletzt.
Halbe-Million-Euro-Budget: Der Bundesrechnungshof hat die Wirtschaftlichkeit der BahnCards 100 des Bundesrats in einem Bericht 2023 „in Frage gestellt“. Allein 2024 seien dafür 620.000 Euro vorgesehen.
Die Länderkammer will sich „in den nächsten Wochen“ in einem Bericht verteidigen. Auf Anfrage verweist das Sekretariat auf den „gesetzlichen Anspruch auf kostenlose Benutzung der Bahn“ für 182 Mitglieder des Bundesrats. 107 nutzten dies.
Und: „Eine Begründungspflicht besteht nicht.“
FDP fordert europäische Boeing-Untersuchung
Angesichts der Pannenserie beim US-Flugzeugbauer Boeing fordert die FDP-Fraktion eine tiefergehende Untersuchung von der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA). Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben, sagt unserer Kollegin Claudia Scholz:
FDP-Wirtschaftssprecher Reinhard Houben © Reinhard HoubenEs muss jetzt überprüft werden, ob die Mängel ausschließlich die 737 Max oder auch andere Boeing-Modelle betreffen. Hier sollte sich die EASA ihr eigenes Bild machen, statt sich lediglich auf die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA zu verlassen.
Die europäische Agentur sagt uns, ihre Inspektoren seien „als ein Ergebnis der jüngsten Entwicklungen“ bei Boeing von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA eingeladen worden, an einem FAA-Audit bei Boeing im Oktober 2024 als Beobachter teilzunehmen.
Dies ist das erste Mal, dass die EASA in einem Boeing-Werk oder bei einem anderen US-Hersteller vor Ort sein wird.
Kritik am Umwidmungsplan der Regierung für Kaufhäuser
In einem 14-Punkte-Plan hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr einen Wohnraum-Bauturbo verabschiedet. Alte Kaufhäuser oder leerstehende Büroflächen sollen mit einer Förderung vom Bund umgewidmet werden können. Das vom Bund errechnete Potenzial liegt bei 235.000 Wohnungen.
„Das halte ich für deutlich überschätzt“, sagt Thomas Abraham unserer Kollegin Laura Block. Er ist Wissenschaftler beim Forschungsinstitut empirica. Die Umwidmung von solchen Warenhäusern würde nur einen „minimalsten Beitrag“ zur Wohnraumschaffung leisten, sagt Abraham.
Im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) hat Abraham einen möglichen Beitrag der Umnutzung von Warenhäusern zu Wohnraum untersucht.
© imago / Manfred SegererDas Ergebnis: Seit Anfang der 2000er wurden insgesamt 56 Warenhäuser umgewandelt. Entstanden sind gerade mal 350 neue Wohnungen. Gewerbeimmobilien wie Büros wurden in der Studie nicht mitberechnet.
Unsere Empfehlung: Wo die Umwidmung einer ehemaligen Karstadt-Filiale gut funktioniert und wie wirtschaftlich solch ein Konzept ist, hören Sie in der aktuellen Folge von Wohngold, dem Immobilienpodcast unserer Kollegin Laura Block.
Ex-Botschafter: Milei tut Argentinien gut
Der ehemalige deutsche Botschafter in Argentinien Ulrich Sante glaubt, der im Dezember 2023 vereidigte argentinische Präsident und Anarchokapitalist Javier Milei könnte einen positiven Einfluss auf die prekäre wirtschaftliche Situation des Landes haben.
Die Begründung: Erstens sei er „bei aller Exzentrik in seinem Äußeren und seinen Äußerungen“ im Kern „ein ausgesprochen gut ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler“.
Der argentinische Präsident Javier Milei © imagoEr hat an Universitäten gelehrt, Bücher geschrieben, aber auch in der praktischen Wirtschaft als Berater für die reichsten Leute Argentiniens gearbeitet.
Außerdem: Milei habe mit der Aufstellung seines Kabinetts einen wichtigen Baustein für die Zukunft gesetzt:
Milei hat Fachminister eingestellt, die ausschließlich daran interessiert sind – das ist das Programm von Milei –, den Staat zurückzufahren, der ein Subventionsstaat geworden ist.
Das ganze Gespräch mit dem ehemaligen argentinischen Botschafter hören Sie heute Morgen im Pioneer-Podcast.
Seit dem 24. Februar 2021 wird verhandelt über Hilfen für die Ukraine – in der Nato, in der EU und in den einzelnen Staaten selbst. Dabei ist Auffassung in der Bevölkerung über die Wichtigkeit der Ukraine-Hilfen teilweise sehr unterschiedlich.
Besonders die skandinavischen Staaten finden, die Unterstützung der Ukraine sollte auf EU-Ebene höchste Priorität haben. Im Südosten Europas ist man anderer Meinung. Deutschland befindet sich – geografisch passend – in der Mitte.
Eine Infografik mit dem Titel: Ukraine-Hilfe als EU-Priorität?
Anteil der Bevölkerung in ausgewählten Ländern, die die Ukraine-Hilfe als wichtigste Priorität des nächsten EU-Parlaments ansehen, in Prozent
Das war gestern und heute Nacht außerdem los:
Kindergrundsicherung: Familienministerin Lisa Paus verteidigt ihren Plan, für die Abwicklung der Kindergrundsicherung 5000 neue Stellen zu schaffen. Damit wolle man „von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen“ und die Bürger entlasten. Die FDP lehnt das ab. Finanzminister Christian Lindner sagte:
Die Vorstellung, dass der Staat eine ‚Bringschuld‘ bei Sozialleistungen habe, finde ich verstörend.
Haushalt: Lindner hat sich hoffnungsvoll gezeigt, Investitionen in den Verteidigungsetat durch disziplinierte Haushaltsführung in Zukunft erhöhen zu können. Bei einer Einhaltung der vorgeschriebenen Schuldenquote von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung könnten die Corona-Schulden auch später als 2028 getilgt werden. Dadurch entstehe ein Spielraum von bis zu neun Milliarden Euro.
Eskalation in Nahost: Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat nach einem Israel zugeschriebenen Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien, bei dem 13 Menschen starben, mit Vergeltung gedroht. Bei einem israelischen Angriff auf einen Hilfskonvoi in Gaza starben zudem sieben internationale Helfer. Außenministerin Annalena Baerbock forderte schnelle Aufklärung.
Damaskus: Rettungskräfte arbeiten an dem zerstörten Gebäude, das bei einem Luftangriff getroffen worden sein soll. © dpa
Wer befindet sich heute und morgen wo und welche Termine sind noch relevant?
Zum 75. Jubiläum der Nato am Donnerstag treffen sich die Nato-Außenminister ab heute in Brüssel. Es geht auch um die weitere Unterstützung der Ukraine.
Volker Wissing nimmt an einem informellen Treffen der EU-Verkehrsminister teil.
Klartext-Express: „Wahrheit gibt es nur zu zweien“: Unter diesem Motto kommen die Pioneers mit dem Klartext-Express, einem mit reichlich Studiotechnik ausgestatteten Doppeldecker, am 17. April nach Hannover. Insgesamt 14 Städte stehen auf dem Tourneeplan. Tickets gibt es hier.
Auf – Bischof Stefan Oster. Kirche ist langweilig? Nicht in Passau. Dort konnte sich der Bischof bei der Osterpredigt – und dem von ihm vorgetragenen traditionellen Osterwitz – selbst kaum vor Lachen zusammenreißen. Es ging um ein Missverständnis eines Dorfpfarrers über den neuartigen Ausdruck „WC“ in den 1920er-Jahren. Rund eine Million Views hat das Video des Bistums Passau auf YouTube. Kirche kann komisch!
Ab – Emmanuel Macron. Der französische Staat hat im vergangenen Jahr 154 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen und spielt damit schuldenmäßig in einer Liga mit Griechenland und Italien. Macron, der beim Amtsantritt noch als „Mozart der Finanzwelt“ gepriesen wurde, muss jetzt wohl eher die Klaviatur der Finanztricks bespielen, um sein Land aus dem Schuldenloch zu heben. Absteiger!
Heute gratulieren wir herzlich:
Marlon Bröhr, CDU-Bundestagsabgeordneter, 50
Katharina Günther-Wünsch, CDU-Bildungssenatorin von Berlin, 41
Peter Sauer, deutscher Botschafter in Haiti, 63
Morgen gratulieren wir herzlich:
Daniel Caspary, Vorsitzender der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, 48
Viktor Elbling, deutscher Botschafter in Polen, 65
Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 62
Ingmar Jung, Hessischer Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat, 46
Stefan Mappus, ehem. Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 58
Udo van Kampen, ehem. ZDF-Korrespondent in Brüssel und New York, 75
Maria-Lena Weiss, CDU-Bundestagsabgeordnete, 43
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre