herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!
Unsere Themen heute:
Die Junge Union will die Mehrwertsteuer befristet absenken, die SPD ringt um eine Haltung zu Auto-Hilfen. Das Feilschen um das Konjunkturpaket hat begonnen.
Sauber, klimaneutral, und vielseitig einsetzbar. Wasserstoff gilt als das Öl der Zukunft. Jetzt will die Regierung ihre Strategie beschließen - wir stellen sie vor.
Die Pläne des Arbeitsministers für ein Recht auf Home Office stoßen auf Widerstand beim Koalitionspartner.
Das große Feilschen
Es sind wichtige Zeiten für die Lobbyisten Berlins. Fast täglich kontaktieren sie die einflussreichen Regierungsbeamten, versuchen sie zu beeinflussen. Sie wollen einen Teil der Konjunkturhilfen für sich haben, die von der Regierung verteilt werden sollen. Doch wo genau das Geld - im Gespräch sind 50 bis 100 Milliarden Euro in den nächsten Jahren - fließen soll, darüber wird aktuell in Berlin erbittert gestritten.
In der Union diskutieren Fachpolitiker eine zeitlich befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Ein teures Unterfangen: Ein Prozentpunkt würde auf ein Jahr gerechnet 11 Milliarden Euro weniger Einnahmen bedeuten. Doch nach einer befristeten Senkung folgt eine Erhöhung auf das alte Niveau. Deshalb gilt der Vorschlag als schwer durchsetzbar. Die Junge Union will ihn dennoch einbringen. Besonders die CSU ist wenig begeistert.
In der SPD streiten (mal wieder) Regierungs- gegen Parteipolitiker
Wenig besser geht es Armin Laschet, dem womöglich nächsten CDU-Parteichef. Sein Vorschlag, Familien einmalig 600 Euro pro Kind zu zahlen, kommt in der eigenen Bundestagsfraktion schlecht an. „Es gibt bei uns keine Befürworter“, sagte uns ein konservativer Haushaltspolitiker. Er verweist darauf, das Kindergeld werde Anfang 2021 ohnehin noch einmal angehoben - auf dann 219 Euro.
Esken walter borjans © dpaBei der SPD hat parallel das Duell der Partei- gegen die Regierungspolitiker begonnen. Der Streitpunkt: eine mögliche neue Abwrackprämie für Automobile. Die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen ausschließlich ökologische Antriebe fördern, nicht aber Verbrennungsmotoren. Mit ihrem eigenen E-Auto könne sie wunderbar ihren Wahlkreis in Baden-Württemberg bereisen, führte Esken am Mittwochmorgen im Kabinettsfrühstück der SPD aus. Auf der anderen Seite stehen Stephan Weil aus Niedersachsen und die Gewerkschaften, die Arbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie erhalten wollen.
Doch auch Spitzenminister wie Olaf Scholz und Hubertus Heil können eine Frage aktuell nicht beantworten: Wie kann man die Hilfen für die Autoindustrie ökologisch aussehen lassen und dennoch Verbrennungsmotoren nicht ganz von Hilfen ausschließen?
Auseinandersetzung um Kommunalfinanzen
Im Kabinettsfrühstück der Union, das noch als Videokonferenz abgehalten wird, wurde am Mittwoch fast zeitgleich darüber gesprochen, wie man mit Scholz und dessen Vorstoß, der Bund solle Altschulden der Kommunen übernehmen, umgehen könne. Der Finanzminister will diesen Punkt unbedingt im Konjunkturprogramm verankern. Die CSU lehnt dies strikt ab, Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus auch - in der NRW-CDU gibt es aber auch andere Stimmen.
Als sicher gilt in den Koalitionsfraktionen vor dem Koalitionsausschuss am Dienstag nur eins: Es soll einen neuen Nachtragshaushalt geben, um die Wünsche zu finanzieren. Der müsste allerdings noch vor der Sommerpause durchs Parlament.
1. Wasserstoff soll Energieträger der Zukunft werden
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) wollen die nationale Wasserstoffstrategie kommende Woche zeitgleich mit dem geplanten Konjunkturpaket ins Kabinett einbringen. Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen "wir alternative Optionen zu den derzeit noch eingesetzten fossilen Energieträgern", heißt es in dem aktualisierten Entwurf, der uns vorliegt. Die Regierung will sich auf grünen Wasserstoff konzentrieren, der aus überschüssigen erneuerbaren Energien hergestellt und etwa aus Australien oder Afrika importiert werden kann. Nur dieser sei "auf Dauer nachhaltig", schreiben die Autoren. "Wasserstoff bietet zugleich ein wachsendes industriepolitisches Potenzial und eine Chance, die deutsche und europäische Wirtschaft bei der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie zu unterstützen."
Eine Infografik mit dem Titel: Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch
Bruttostromerzeugung in Deutschland nach Energieträger, Anteile in Prozent
Die Regierung sieht laut Entwurf einen Bedarf von 90 bis 110 Terawattstunden Wasserstofferzeugung im Jahr 2030. Eine Terawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden. Zum Vergleich: Der Stromverbrauch in Deutschland liegt pro Jahr bei etwa 500 Terawattstunden. Strittig war zwischen den Ministerien bis zuletzt, wie viel von den bis zu 110 Terawatstunden aus Ökostrom erzeugt werden kann. Im Entwurf steht nun das Ziel “bis zum Jahr 2030 in Deutschland ein Erzeugungspotenzial in Höhe von mindestens 3, möglichst 5 GW Elektrolyseleistung zu realisieren”. Mit Elektrolyse wird das Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser bezeichnet. Damit könnten maximal 15 Prozent des Bedarfs gedeckt werden. Die SPD hat diesem Zielkorridor bereits zugestimmt. Für die Forschungsförderung sollen bis 2023 außerdem fast zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen, heißt es.
Wasserstoff ist das Öl und Gas der Zukunft
Die Wirtschaftsverbände drängen auf einen raschen Beschluss. “Ein klimaneutrales Europa mit einer starken Industrie ist ohne eine sichere und wirtschaftliche Versorgung mit Wasserstoff unvorstellbar”, sagt etwa BDI-Geschäftsführer Holger Lösch. "Wasserstoff ist das Öl und Gas der Zukunft", so Lösch. Außerdem will Forschungsministerin Karliczek in ihrem Ministerium einen Koordinator installieren, der die Wasserstoffstrategie persönlich umsetzen und begleiten soll. Eine Art Beauftragten für Wasserstoff. Als Favorit gilt Professor Robert Schlögl, Chemiker und Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin.
2. Pfleger müssen Corona-Prämie nicht bei Hartz-IV anrechnen
Corona-Prämien für Pflegepersonal sollen bei Bezug von Hartz-IV-Leistungen nicht als Einkommen angerechnet werden. Eine entsprechende Verordnung soll in Kürze veröffentlicht werden. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage von Linken-Chefin Katja Kipping hervor, die uns vorliegt.
„Als Risikoaufschlag gedacht“
Beihilfen und Unterstützungen, die Beschäftigten aufgrund der Covid-19-Pandemie in der Zeit von 1. März bis zum 31. Dezember erhalten, sollen demnach nicht als zusätzliche Einkommen berücksichtigt werden.
Die Regelung zielt insbesondere auf Pflegerinnen und Pfleger, die niedrige Löhne - oft in Kombination mit Teilzeit-Beschäftigung - mit der staatlichen Grundsicherung aufstocken. Gesetzlich vorgesehen ist eine Corona-Prämie von einmalig bis zu 1500 Euro.
Linken-Politikerin Kipping sagte, der Vorgang zeige „die alltäglichen Tücken des Hartz-IV-Systems. „Die Corona-Prämie ist als Anerkennung für die schwere Arbeit beziehungsweise als Risikoaufschlag gedacht“, so die Bundestagsabgeordnete. Die Anrechnung wäre ein Hohn gewesen.
3. CSU blockiert Heils Homeoffice-Pläne
Die CSU schließt eine Zustimmung zu den Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für einen Rechtsanspruch auf Homeoffice kategorisch aus. „In der Corona-Krise hat sich gezeigt, was alles ohne ein solches Gesetz möglich ist - mit Flexibilität und Kreativität. Starre Vorgaben per Gesetz werden Homeoffice in der Praxis erschweren, nicht erleichtern“, sagte Dorothee Bär, stellvertretende CSU-Vorsitzende, bei einem Besuch an Bord der Pioneer One.
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär an Bord der PioneerOne mit Chefreporterin Alev Doğan (links). © ThePioneer„Wir brauchen keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Die CSU wird einem Rechtsanspruch nicht zustimmen", so die Digital-Staatsministerin. Zuvor hatte sich auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ablehnend geäußert.
Heil will bis zum Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen. Der SPD-Politiker plant, dass Arbeitnehmer entweder komplett oder nur für ein oder zwei Tage auf Homeoffice umsteigen dürfen. Nach Schätzungen ist der Anteil der Beschäftigten, die von zu Hause aus arbeiten, während der Corona-Pandemie von zwölf auf 25 Prozent gestiegen.
Eine Infografik mit dem Titel: So hat sich während der Pandemie der internationale Postverkehr entwickelt.
Vergleich zwischen den Kalenderwochen in 2020
Die Corona-Pandemie bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den internationalen Postverkehr. Das zeigen Daten der Deutschen Post, die der Bundesregierung vorliegen. Nach einem starken Einbruch Ende Januar ist demnach bereits seit Ende Februar wieder eine deutlich höhere Zahl von Postsendungen aus China zu beobachten. Für Europa zeigen die Zahlen von Ende April nur einen leichten Wiederanstieg.
Auf Ab Boos Spohr © Media PioneerAuf - Nach all den „Fällt-aus“-Botschaften bei Veranstaltungen in Deutschland gibt es endlich mal eine gute Nachricht: Die Frankfurter Buchmesse findet statt. Das hat der Aufsichtsrat der Messe beschlossen und angekündigt, dass er aufgrund der Corona-Krise in diesem Jahr ein etwas anderes Konzept ausprobieren werde. Die Schau soll sich über das Messegelände, dezentral über die Stadt und auch über den virtuellen Raum erstrecken. Wir gratulieren Buchmesse-Direktor Juergen Boos, unter dem die Messe auf die Krise reagiert und ihr gleichzeitig trotzt!
Ab - Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat es im Moment nicht leicht. Wegen der Corona-Pandemie ist der Flugverkehr zum Erliegen gekommen, zehntausende Jobs stehen auf der Kippe. Jetzt hat der Aufsichtsrat die Entscheidung über das staatliche Rettungspaket in Höhe von neun Milliarden Euro vertagt. Die von der EU-Wettbewerbsbehörde genannten Bedingungen für die Staatshilfe bedeuteten eine Schwächung der Drehkreuze an den Standorten München und Frankfurt. Keine angenehme Zeit für Carsten Spohr.
An diesem Freitag beschäftigt sich der Deutsche Bundestag nach langem Hin und Her in der großen Koalition erstmals mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes. Geplant ist unter anderem ein Werbeverbot für herkömmliche Tabakprodukte - etwa auf Plakatwänden oder an Haltestellen. Gelten soll dies ab 2022. Passiert das Gesetz den Bundestag, folgt ab 2023 ein Werbeverbot für Tabakerhitzer, für E-Zigaretten ab 2024.
Unsere Leseempfehlung für heute:
In der neuen Zeit beschreibt Matthias Geis Deutschland als "Schönwetterrepublik". Ein Land, in dem sich zwar viel verändert hat, aber immer noch die Erwartung herrscht, dass "Krisen an unseren Grenzen haltzumachen haben". Der Autor sieht Unheil auf uns zukommen: "Die Corona-Maßnahmen jedenfalls sind einschneidend. Sollten ihre wirtschaftlichen Folgen mit Wucht über die Deutschen kommen, wird es an radikalen Demagogen nicht fehlen, die daraus politisches Kapital zu schlagen versuchen." Lesenswert!
Wir gratulieren herzlich zum Geburtstag:
Boris Palmer, Oberbürgermeister Tübingen (Grüne), 48
Frank Schätzing, Schriftsteller, 63
Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister Brandenburg (SPD), 64
Ein weiterer Führungswechsel vollzieht sich im Auswärtigen Amt: Für Rüdiger König, der im Sommer neuer deutscher Botschafter bei der Nato wird (wir berichteten) soll Sibylle Katharina Sorg neue Kultur-Abteilungsleiterin in Berlin werden. Sorg war bisher Beauftragte für die Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der EU sowie grenzüberschreitende und regionale Zusammenarbeit - und in dieser Rolle zugleich Europa-Unterabteilungsleiterin.
Comeback in der CSU-Landesgruppe: Der 38-jährige Tobias Zech, der bereits in der vorigen Legislaturperiode im Bundestag war, bei der Wahl 2017 dann aber scheiterte, kehrt zurück ins Parlament. Der Abgeordnete aus Traunstein ersetzt Astrid Freudenstein, die als zweite Bürgermeisterin von Regensburg in die Kommunalpolitik wechselt. Zech soll in den Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales.
Letztes Wort Brantner © Media PioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
Starten Sie gut in den Tag!
Herzlichst, Ihre