Das Mädchenzimmer

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© ThePioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Angela Merkel hat ein neues Büro in Aussicht - es hat eine bewegte Geschichte. Ein Ortsbesuch Unter den Linden 71.

  • Der Wirtschaftsrat der CDU lobt in einem internen Papier zahlreiche Maßnahmen der Ampel-Sondierer, in der Arbeits- und Sozialpolitik gibt es Kritik. Wir kennen die Details.

  • Bundesinnen- und Außenministerium arbeiten daran, die Einreise von Flüchtlingen via Belarus in die EU zu verhindern. Wir wissen, wie.

Das Mädchenzimmer

Das Bundestagsgebäude Unter den Linden 71 ist ein vergleichsweise unscheinbarer Bau, von außen ist er auch nicht so markant als Heimat von Abgeordnetenbüros zu erkennen wie etwa das Jakob-Kaiser-Haus oder das Paul-Löbe-Haus, die etwas nördlich vom Brandenburger Tor gelegen sind.

Doch genau hier, gegenüber der britischen Botschaft auf der einen und der ungarischen Botschaft auf der anderen Seite, wird bald die erste Altkanzlerin Deutschlands ihre Büroräume beziehen.

Im vierten Stock, direkt gegenüber der Fahrstühle. Wir haben das nächste Büro von Angela Merkel vorab besucht.

Schreibtisch in Angela Merkels neuem Büro © ThePioneer

Es ist ein Büro mit großer Geschichte. Hier war bis zu seinem Tod das Büro von Altkanzler Helmut Kohl. Und damit nicht genug: Im Gebäude regierte auch Margot Honecker bis 1989 als Ministerin für Volksbildung der DDR.

Aktuell packt gerade die Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann ihre Kartons zusammen: Sie hatte zuletzt die Ehre des geschichtsreichen Arbeitsplatzes mit Blick auf die Straße Unter den Linden.

Ausblick in Richtung Friedrichstraße © ThePioneer

Der Hintergrund der Zuteilung für Merkel: Früheren Regierungschefs stehen ebenso wie ehemaligen Bundespräsidenten auf Lebenszeit Büros im Bundestag zu.

Und zwar für die „Abwicklung fortwirkender Verpflichtungen“ und „die Erledigung der mit dem früheren Amt zusammenhängenden Aufgaben für begrenzte Zeit“.

Zur normalen Amtsausstattung gehört eine Büroleiter-Stelle. Diese wird vergütet nach Besoldungsstufe B3, mit einem Grundgehalt von derzeit rund 8.762,03 Euro monatlich.

Aus CDU-Kreisen heißt es, die langjährige Merkel-Vertraute und Wegbegleiterin Beate Baumann werde das Büro im Bundestag leiten.

Sie dürfte dann im angrenzenden Büro in Sichtweite der Kanzlerin ihren Schreibtisch beziehen.

Blick vom Schreibtisch ins Büro © ThePioneer

Darüber hinaus haben frühere Bundeskanzler Anrecht auf zwei Stellen für Referentinnen und Referenten sowie für eine Schreibkraft und einen „Chefkraftfahrer“. Merkel würde auch weiter Personenschutz vom Bundeskriminalamt erhalten.

In dem Gebäude in der Nähe des Brandenburger Tores könnte auch das geplante Helmut-Kohl-Zentrum eröffnen, wie wir erfahren haben. Im Augenblick wird noch geprüft, welche Räumlichkeiten am besten geeignet sind.

In dem für Besucherinnen und Besucher zugänglichen Zentrum soll an die Verdienste des 2017 verstorbenen Altkanzlers unter anderem um die Deutsche Einheit und die europäische Einigung erinnert werden.

Ausblick aus Angela Merkels neuem Büro in Richtung Wilhelmstraße © ThePioneer

1. CDU-Wirtschaftsrat lobt Ampel-Sondierer

Der Wirtschaftsrat der CDU hat in einem internen Memo ein differenziertes Urteil über das Grundlagenpapier der Ampel-Sondierer abgegeben und einige Maßnahmen gelobt.

Als positiv (grün gekennzeichnet) wird etwa die Halbierung der Verfahrensdauer für beschleunigte Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Ausbau der Gigabit-Leitungen bewertet. Auch der Ausbau der Öko-Energien, die Wohnraumoffensive, die Absage an Steuererhöhungen und die geplante Abschaffung der EEG-Umlage und die in Aussicht gestellten Steigerungen des Forschungsetats stoßen bei dem Wirtschaftsrat auf ein positives Urteil.

Die Anhebung der Minijob-Grenze und die geplanten besseren Hinzuverdienstregeln begrüßt der Wirtschaftsrat der CDU ebenfalls ausdrücklich.

Kritisch sieht der Wirtschaftsrat die Absage der Ampel-Sondierer an eine Anhebung des Renteneintrittsalters sowie das Einfrieren des Rentenniveaus bei 48 Prozent.

Dass das bisherige Ziel der Großen Koalition, die Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent zu halten, in dem Dokument nicht mehr erwähnt wird, bemängelt der Wirtschaftsrat. Die Passage ist in roter Schrift unterlegt.

Hinterfragt wird auch die Idee eines Digitalministeriums, ein “erfolgskritisches Thema”, wie es in dem Papier heißt, das in seinen “verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten bisher keine Erwähnung findet”.

Eine generelle Verpflichtung zur Nutzung von Solarenergie für gewerbliche Neubauten sowie den Ausstieg aus der Kohle schon 2030 halten die Autoren des Wirtschaftsrates für falsch.

Ihre Bewertung:

“Hohe Strompreise und mangelnde Versorgungssicherheit gefährden den Industriestandort."

2. Drei von vier Abgeordneten vollständig gegen Corona geimpft

Drei von vier Mitgliedern des neuen Bundestages sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Bundestagsverwaltung hervor, die unserem Chefkorrespondenten Rasmus Buchsteiner vorliegt.

Die Teilnahme daran war freiwillig.

Die Frage zum Impfschutz beantworteten 541 Parlamentarier. 514 gaben an, vollständig geimpft zu sein. Das sind etwa drei Viertel der Parlamentarier. 22 Abgeordnete sind nach eigenen Angaben nicht geimpft.

Auf die Frage, ob sie vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages am Dienstag bereit seien, sich testen zu lassen, antworteten elf ungeimpfte Parlamentarier mit Ja und sieben mit Nein.

Bei der ersten Zusammenkunft des neuen Bundestages gilt die 3G-Regel, da im Plenarsaal die Corona-Abstände nicht eingehalten werden können.

Die Nachweise müssen auf der Präsidialebene des Reichstagsgebäudes vorgezeigt werden. In einer Mail von Bundestagsdirektor Lorenz Müller an die Abgeordneten heißt es:

Sie erhalten dann als sichtbaren Nachweis ein speziell für die Konstituierung angefertigtes Handgelenkband, welches Ihnen schon vor Ort angelegt wird und am Tag der Konstituierung als Zutrittsberechtigung zum Plenarsaal sowie zur Ost- und Westlobby einschließlich der Abgeordnetenlobby gilt.

Bis Ende Oktober gilt im Bundestag und den angrenzenden Gebäuden noch Maskenpflicht.

Die Entscheidung über eine mögliche Verlängerung obliegt dem neuen Bundestagspräsidenten oder der neuen Bundestagspräsidentin.

3. Seehofer will Migration aus Belarus nach Deutschland verhindern

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) beklagt die anwachsende Migration über Belarus nach Deutschland und fordert rasche Gegenmaßnahmen.

„Mittlerweile hat der zunehmende Migrationsdruck an der östlichen EU-Außengrenze auch direkte Auswirkungen auf Deutschland“, heißt es in einem Bericht des Bundesinnenministeriums, der unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vorliegt und heute im Bundeskabinett beraten werden soll.

„Die Zahlen steigen stetig“, so das Seehofer-Ministerium.

Und weiter:

Das Regime in Belarus wirbt weltweit für eine Schleusung in die EU über Belarus.

„Wir sehen verstärkt Flüge aus Dubai, Istanbul und Beirut“, so das Innenministerium.

Nach unseren Informationen flogen im Laufe eines Monats 4.500 Migranten aus Dubai nach Minsk, 3.500 aus Istanbul und 1.100 aus Beirut.

Im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen haben sich laut Innenministerium rund 15.000 irreguläre Migranten gesammelt. Die meisten strebten „einen dauerhaften Aufenthalt“ in Deutschland an.

Flüchtlinge in Polen, kurz hinter der Grenze zu Belarus. Nach ThePioneer-Informationen stammen zwei Drittel der in Belarus eingereisten Flüchtlinge aus dem Irak - die meisten von ihnen sind Kurden. © Imago

CSU-Minister Seehofer will gegensteuern. So müssten an den Außengrenzen der EU „physische Barrieren“ errichtet werden:

„Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen hiermit nun schnell vorankommen.“

Zudem fordert der Minister Sanktionen gegen Privatunternehmen. „Gegen alle Fluggesellschaften und sonstigen Unternehmen, die durch ihr Handeln die Instrumentalisierung irregulärer Migration durch das Regime in Belarus unterstützen, sind so schnell wie möglich EU-weite einschneidende Sanktionen zu verhängen“, heißt es in dem Bericht.

Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko. © dpa

Um eben diese Sanktionen bemüht sich derzeit das Auswärtige Amt.

Nach Informationen unserer Kollegin Marina Kormbaki soll das EU-Sanktionspaket gegen Belarus ausgeweitet werden. Demnach sollen auch Fluggesellschaften und Reiseveranstalter mit Sanktionen belegt werden können, die Direktverbindungen nach Minsk anbieten. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, soll bereits im Laufe der nächsten zwei Wochen die Androhung von Einreisesperren in die EU für CEOs solcher Reiseunternehmen in den Sanktionskatalog aufgenommen werden.

Mit diplomatischem Druck konnte Berlin zuletzt erwirken, dass Direktverbindungen aus den irakischen Städten Bagdad und Erbil nach Minsk eingestellt wurden.

Doch Machthaber Alexander Lukaschenko liefert sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Europäern: Seit wenigen Tagen gibt es eine Direktverbindung aus dem syrischen Damaskus nach Minsk. Und in der vergangenen Woche hob Belarus die Visumspflicht für Reisende aus Ägypten, Jordanien, Pakistan, Iran und Südafrika auf.

Mit der eiligen Androhung neuer Sanktionen für Reiseunternehmen hofft Berlin, der Aufnahme neuer Direktverbindungen zuvorzukommen.

4. Koalitionsverhandlungen starten nächste Woche

Am morgigen Donnerstag treffen sich die Unterhändler von SPD, Grünen und FDP zu einer ersten großen gemeinsamen Auftaktrunde. Die Koalitionsverhandlungen für ein Ampel-Bündnis beginnen dann am Mittwoch nächster Woche.

Darauf haben sich nach unseren Informationen die Generalsekretäre Lars Klingbeil (SPD), Volker Wissing (FDP) und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Dienstag verständigt.

Insgesamt wird es 22 Arbeitsgruppen geben, in denen jeweils vier bis sechs Vertreter der drei Parteien verhandeln werden.

Die SPD hat die Personen für ihre Arbeitsgruppen bereits benannt, darunter sind als koordinierende Politiker unter anderem NRW-Landeschef Thomas Kutschaty (Moderner Staat), Fraktions-Geschäftsführer Carsten Schneider (Wirtschaft), Außenminister Heiko Maas (Außenpolitik & Sicherheit), Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (Migration), Saarlands Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (Mobilität), Arbeitsminister Hubertus Heil (Arbeit), SPD-Vize Kevin Kühnert (Bauen, Wohnen) und Justizministerin Christine Lambrecht (Innen).

An diesem Samstag wird NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet sein Amt als Landesvorsitzender des wichtigsten und mitgliederstärksten Landesverbands an Hendrik Wüst abgeben. Auf dem Parteitag der NRW-CDU in Bielefeld soll Laschet ein würdevoller und freundlicher Abschied bereitet werden, heißt es in der Landes-CDU.

Die Dankbarkeit der CDU-Funktionäre an Rhein und Ruhr für den Wahlsieg 2017 sei weiter groß. Laschet hatte vor vier Jahren für viele überraschend SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geschlagen und die Staatskanzlei für die CDU erobert.

Der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, soll weiter im Amt bleiben, erfuhren wir aus der Partei. Der 58-jährige Westfale hatte sich als einer der ersten führenden Politiker im Land für Hendrik Wüst als Laschet-Nachfolger ausgesprochen. Hovenjürgen ist seit 2018 Generalsekretär und sitzt seit 2002 im Landtag.

NRW-Generalsekretär Josef Hovenjürgen. © dpa

Am 24. November 2021 läuft die sogenannte epidemische Lage von nationaler Tragweite aus - und damit die zentrale Rechtsgrundlage für das Corona-Krisenmanagement. In einem Schreiben an die Spitzen der Bundestagsfraktionen, das uns vorliegt, weist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) darauf hin, dass Länder und Kommunen auch für die Zukunft eine Rechtsgrundlage benötigen, „um vor Ort die notwendigen Maßnahmen umsetzen zu können“.

Auf - Claudia Roth will für eine dritte Amtszeit als Bundestagsvizepräsidentin kandidieren und wirbt um die Gunst ihrer Fraktionskolleginnen und -kollegen. "Wenn mir jemand vor 40 Jahren gesagt hätte, dass ich eines Tages Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags werde, hätte ich ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt", heißt es im Bewerbungsschreiben der früheren Grünen-Chefin, das neben der Augsburger Allgemeinen auch uns vorliegt. Und: "Heute verstehe ich mich zunehmend – und anders, als ich es selber je gedacht hätte – auch als ,Verfassungsschützerin'", so Roth. In dieser Legislaturperiode hat die 66-jährige Ulmerin mit der ihr eigenen Mischung aus Herzlichkeit und Professionalität die Sitzungen des Bundestags geleitet. Den Provokationen von rechts begegnete sie souverän. Roths Erfahrung wird angesichts des personellen Umbruchs im Plenum von Nutzen sein. Unsere Aufsteigerin.

Ab - Für Frauke Petry ist es jetzt vorbei. Abschied aus dem Bundestag, Abschied von der politischen Bühne. Wie alle Abgeordneten, die nicht mehr Mitglied des Hohen Hauses sind, muss die frühere AfD-Chefin ihr Büro räumen. Die Wahrheit ist: Politisch hat die Frau, die 2017 ihren Wahlkreis in der Sächsischen Schweiz mit deutlichem Vorsprung direkt gewonnen hatte, in Berlin ohnehin keine Rolle mehr gespielt. Kürzlich machte Petry privat Schlagzeilen, weil sie vom Landgericht wegen Subventionsbetrug, Untreue und Steuerhinterziehung schuldig gesprochen und zur Zahlung von 9.000 Euro verurteilt wurde. Die 46-Jährige wird dagegen wohl in Revision gehen. Unsere Absteigerin!

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will das Klima mit modernen Mini-Atomkraftwerken retten. Eine auf den ersten Blick vernünftige Idee, kommentiert FAZ-Korrespondent Konrad Schuller. Aber eben nur auf den ersten Blick, denn es bräuchte "viele zehntausend neue Mini-Meiler", um den Bedarf zu decken. Und das, so Schuller, würde ein großes Risiko bergen: "Es geht hier nicht nur um Unfälle. Die bleiben möglich, und es weiß auch niemand wohin mit dem Atommüll. Aber schlimmer ist, dass jemand einen dieser unzähligen Reaktoren plündern und aus dem Brennstoff Bomben bauen könnte." Bedenkenswert!

Der Auftritt von Polens Premierminister Mateusz Morawiecki im Europäischen Parlament veranlasst Stefan Kornelius, Leiter der SZ-Politikressorts, zu einem beunruhigenden Urteil: "Die Europäische Union verdankt Polen eine Existenzkrise." Morawiecki stelle die Grundidee der EU infrage, wonach sich die Länder Europas zum gemeinsamen Vorteil unter einem Rechtssystem vereinten. "Die polnische Regierung hat den Grundkonsens der EU verlassen und damit die stille politische Verabredung gebrochen, auf die sich alle in Europa zuletzt verlassen konnten: Ihr kühlt weiter euer nationalistisches Mütchen, aber die prinzipielle Konstruktion bleibt unangetastet." Nun, so Kornelius, beginne "ein zäher Kampf um den Bestand der EU". Schonungslose Analyse!

Heute gratulieren wir herzlich:

Martin Rosemann, SPD-Bundestagsabgeordneter, 45

Ines Strehlau, Grünen-Abgeordnete im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 62

Stefan Raab, Fernseh- und Musikproduzent, 55

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Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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