herzlich willkommen zum Campaign Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Wir haben die Pioneers gefragt, welche Noten sie am Ende der Legislaturperiode den Kabinettsmitgliedern geben. Die Ergebnisse sind erstaunlich.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow bereitet Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen vor. Szenarien werden im Parteihaus besprochen.
Die für die Familienpolitik zuständige CDU-Vize Silvia Breher fordert eine Ausweitung der Elternzeit und die Einführung von Familienkonten.
Die Gewerkschaften liebäugelten mit Andrea Nahles als neuer BA-Chefin, doch die Kanzlerin lehnte ab. Einen neuen Vorstoß könnte Olaf Scholz wagen.
Das Zeugnis der Großen Koalition
Zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa haben wir im Wahljahr das Pioneer Panel gestartet. Seit einigen Wochen wollen wir wissen, welche Themen bewegen, welche Köpfe überzeugen.
In mehreren Runden befragen wir rund 5.000 Pioneers. Diesmal haben wir gefragt:
Wie zufrieden sind Sie mit den Kabinettsmitgliedern der Großen Koalition.
Dabei spielen Parteizugehörigkeiten offenbar eine untergeordnete Rolle. Sowohl der erste Platz - Kanzlerin Angela Merkel - als auch der letzte Platz - Verkehrsminister Andreas Scheuer - gehen an die Union.
Bei der SPD schneidet Vizekanzler Olaf Scholz am besten ab - am Ende der Liste findet sich gemeinsam mit Verkehrsminister Andreas Scheuer Außenminister Heiko Maas.
Eine echte Überraschung ist die Platzierung von CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller. Er schafft es auf einen bemerkenswerten dritten Platz.
Eine Infografik mit dem Titel: Die beliebtesten Kabinettsmitglieder
Bewertung der Panel-Teilnehmer, in Prozent
Doch wir wollten nicht nur wissen, wie die Pioneers die vergangene Legislaturperiode bewerten.
Wir wollten auch in die nächste einen Blick werfen.
Welcher der Minister soll auch einem neuen Kabinett angehören?
Auf den ersten drei Plätzen finden sich die Politiker, die in erster Linie mit der Pandemie-Bekämpfung zu tun hatten: Gesundheitsminister Jens Spahn, Finanzminister Olaf Scholz, Kanzleramtsminister Helge Braun. Die Pioneers waren mit der Krisenbewältigung im Großen und Ganzen zufrieden - oder zumindest mit den handelnden Personen.
Auch Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil sollen in einem neuen Kabinett eine Rolle spielen, ergibt unsere Umfrage.
Am Ende der Liste: wieder Verkehrsminister Andreas Scheuer und Außenminister Heiko Maas - und CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek.
Eine Infografik mit dem Titel: Wer gehört auch ins nächste Bundeskabinett?
Bewertung der Panel-Teilnehmer, in Prozent
1. Diana Kinnert für die CDU, Malu Dreyer für die SPD
Vor dem TV-Triell am kommenden Sonntag bei ARD und ZDF sammeln die Wahlkampfteams von SPD, Grünen und Union die Unterstützer für die Veranstaltung in Adlershof zusammen.
Bei der SPD wird Kanzlerkandidat Olaf Scholz erneut von zahlreichen Parteikollegen aus Parteispitze und Ländern unterstützt. Saskia Esken wird dabei sein, deren Stellvertreterin Klara Geywitz und Serpil Midyatli sowie Arbeitsminister und Parteivize Hubertus Heil stehen auf der Liste.
Malu Dreyer © dpaAus den Ländern wird erstmals Ministerpräsidentin Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz nach Berlin kommen. Die Fraktion vertritt ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider.
Auch die Politstrategen Frank Stauss, Kajo Wasserhövel und Raphael Brinkert werden dabei sein - und die beiden Influencerinnen Lilly Blaudszun und Marie von den Benken. Dazu stoßen wird womöglich noch Künstler Clemens Schick.
In der Union soll Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, die Publizistin Diana Kinnert und einige Mitglieder des Zukunftsteams, darunter Silvia Breher und Joe Chialo den Kanzlerkandidaten Armin Laschet unterstützen.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat auch diesmal wieder Unterstützung aus der Kulturszene. So wird die Schauspielerin, Filmregisseurin und Drehbuchautorin Karoline Herfurth in Berlin-Adlershof dabei sein; beim ersten Triell drückten Katja Riemann und Nora Tschirner die Daumen für Baerbock.
Auch der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir wird vor Ort sein, ebenso wie der frühere Verdi-Chef und jetzige Grünen-Bundestagskandidat Frank Bsirske.
2. Scharping will europäische Aufarbeitung von Afghanistan
Der ehemalige SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping fordert eine umfassende Aufarbeitung des Scheiterns des Afghanistan-Einsatzes.
20 Jahre nach den Terroranschlägen des 11. September sagte uns Scharping, der seinerzeit im Amt war:
Mir scheint sehr sinnvoll, in dieser Aufarbeitung auch die europäischen Partner der letzten 20 Jahre in Afghanistan einzubeziehen.
Der Einsatz könne nicht in Deutschland alleine aufgearbeitet werden. Die Arbeit müsse dann "auch zu entsprechenden Konsequenzen in Europa und in der NATO führen", sagte Scharping.
Das Interview hören Sie in der aktuellen Folge von Gabor Steingarts Briefing Morning Podcast.
3. Breher fordert Ausweitung der Elternzeit auf 16 Monate
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher hat eine familienpolitische Offensive der neuen Bundesregierung angemahnt.
Die nächste Bundesregierung muss die Familien noch viel stärker in den Blick nehmen. Da geht es nicht nur um Geld, es geht vor allem um Zeit.
"Wir müssen die Partnermonate auf 16 Monate ausweiten und damit jungen Eltern mehr Freiraum geben", schlägt die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Cloppenburg vor.
Die Politik müsse umdenken. "Wir wollen eine familiengerechte Arbeitswelt und keine arbeitsmarktgerechten Familien. Familienzeitkonten, mit denen Menschen Arbeitszeit ansparen und bei Bedarf reduzieren können, ohne finanzielle Verluste zu erleiden, sind ein wichtiger Baustein."
Silvia Breher sitzt seit 2017 im Bundestag und wurde 2019 zur Vize-Chefin der CDU befördert - eine Blitzkarriere. Vor einer Woche wurde die 48-Jährige in das Zukunftsteam von Kanzlerkandidat Armin Laschet berufen, während die Bundesministerinnen Julia Klöckner und Annegret Kramp-Karrenbauer außen vor blieben.
Ein Portrait der Juristin und Bundestagsabgeordneten aus dem Oldenburger Münsterland lesen Sie hier.
4. Linken-Chefin Hennig-Wellsow bereitet Sondierungen vor
Wenn sie nicht gerade für das Direktmandat im Wahlkreis Erfurt-Weimar-Weimarer Land im Einsatz ist, bereitet Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow derzeit Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen vor.
"Die Linke macht sich auf, eine entscheidende Rolle in der Bundesrepublik zu spielen - wenn die Konditionen stimmen, dann auch in einer Regierung", sagte uns Hennig-Wellsow.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow © ImagoIm Karl-Liebknecht-Haus, der Linken-Parteizentrale, werden unter ihrer Führung derzeit Szenarien und Strategien für Gespräche mit Sozialdemokraten und Grünen erarbeitet, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki.
Bisher bleibt Protest aus der Partei am Regierungskurs der Führung aus - und Hennig-Wellsow ist zuversichtlich, dass es weiterhin so ruhig bleibt.
Sie glaubt die Linke hinter sich: "80 Prozent unserer Mitglieder sind der Auffassung, dass wir eine Koalition mit SPD und Grünen ernsthaft erwägen sollten", sagte sie uns.
5. FDP: Razzia im Finanzministerium „Misstrauensvotum“ gegen Olaf Scholz
Olaf ScholzIn Zusammenarbeit mit den Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Einheit des Zolls (FIU) erhebt die FDP schwere Vorwürfe gegen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).
„Es ist ein eindeutiges Misstrauensvotum, dass die Staatsanwaltschaft sich die Dokumente mit Zwangsmitteln beschaffen lässt”, sagte uns FDP-Fraktionsvize Florian Toncar.
„Olaf Scholz hat die bekannte Problemzone FIU einem Staatssekretär überlassen, der heillos überfordert ist. Er hat hier Loyalität vor Kompetenz gestellt.”
FDP-Finanzexperte Frank Schäffler ergänzte: „Die FIU ist ein Chaoten-Haufen". In den vergangen vier Jahren habe Scholz "den Laden" nicht in den Griff bekommen. „Das ist seine Verantwortung.“
Im Scholz-Lager dagegen wurden die Durchsuchung und die politische Debatte darüber als Zeichen der Verrohung des Wahlkampfes zurückgewiesen.
6. Hauptstadt-Podcast: Afghanistan, CSU und Helge Fuhst
Im Hauptstadt-Podcast geht es dieses Mal um die CSU, die sich an diesem Freitag in Nürnberg zu ihrem Parteitag trifft. Auch dabei: Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet.
Doch die Sticheleien des CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der unlängst im Interview betonte, dass Laschet seit einigen Tagen kämpfe, er, dagegen seit Monaten, sorgen für Verärgerung in der CDU-Führung.
Was steckt hinter den Sticheleien?
Und was ist der Plan des CSU-Vorsitzenden, wenn Laschet tatsächlich die Wahl verliert?
Außerdem:
Im Interview sprechen wir mit der Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm und designierten CSU-Vize Katrin Albsteiger über das Verhältnis zwischen CDU und CSU und den Bundestagswahlkampf in Bayern.
Es geht um die Folgen des Afghanistan-Einsatzes für den neuen Bundestag und einen Rückblick auf die Terror-Anschläge vor 20 Jahren in New York.
Wir schauen bei What's left auf eine Gruppe bei der SPD, die sich für eine Reform des Transsexuellen-Gesetzes einsetzt und bei What's right auf den unverhofften Wahlkampfschub für einen SPD-Kandidaten in Süd-Thüringen durch eine CDU-Ministerin.
Und im kürzesten Interview der Berliner Republik, Ein Satz zu.., erklärt Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur von ARD-Aktuell, und stellvertretender Chefredakteur der Tagesschau, was er von dem Triell erwartet.
Den Podcast hören Sie ab 12 Uhr auf thepioneer.de und in der Pioneer-Podcast-App.
Der Klick aufs Bild führt Sie zum Podcast.Die frühere SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles wurde im vergangenen Jahr angeblich von hochrangigen Gewerkschaftsführern als Nachfolgerin von Detlef Scheele für den Vorstandsvorsitz der Bundesagentur für Arbeit ins Gespräch gebracht.
Bei einem Treffen mit Vertretern der Arbeitgeberverbände hätten zwei Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften die frühere SPD-Chefin und frühere Arbeitsministerin als Kandidatin der Gewerkschaften vorgetragen.
Angeblich hatte SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil gegenüber Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebern signalisiert, dass er noch vor der Bundestagswahl einen Vorschlag durchsetzen könne, wenn man sich gemeinsam auf eine Person einige.
© Media PioneerDie Amtszeit von Detlef Scheele, 64 Jahre, endet im Herbst 2022.
Doch im Bundeskanzleramt gab es Bedenken gegen Nahles und eine Vorabfestlegung vor der Wahl. Nach mehreren Runden lehnte Arbeitgeber-Chef Ingo Kramer schließlich ab.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gilt als enger Vertrauter von Nahles. Sollte er Bundeskanzler werden, könnte der Vorschlag erneut auf den Tisch kommen, heißt es in Regierungskreisen.
Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl wurde das interaktive Informationstool der Bundeszentrale für politische Bildung, der Wahl-O-Mat, bereits mehr als 12 Millionen Mal genutzt.
Zur Bundestagswahl 2017 wurde das digitale Frage-Tool zu den Positionen der Parteien insgesamt 15,7 Millionen Mal aufgerufen.
Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, sagte uns dazu: „Der Wahl-O-Mat ist neben den Triellen das wohl wichtigste Informationsangebot im Vorfeld dieser Bundestagswahl.“ Gerade wenn es spannend werde, „schauen viele Wählerinnen und Wählern nochmals genauer auf die Positionen der Parteien“, so Krüger.
Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe SPD Queer, Oliver Strotzer, fordert für die Zeit nach der Bundestagswahl eine Koalition der SPD ohne die Union.
"Wir brauchen in der kommenden Legislaturperiode zwingend eine Reform des Transsexuellengesetzes", sagte uns Strotzer.
Das aktuelle Verfahren zur rechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts sei Jahrzehnte alt und menschenunwürdig.
"Wir fordern ein Selbstbestimmungsrecht Trans*Menschen".
Aus Sicht seiner AG betonte er:
Gesellschaftspolitische Reformen wie diese sind in einer Regierung mit der Union nicht möglich. Selbst wenn die SPD eine solche Koalition anführen würde.
Die Grünen schlagen in ihrem neuen Wahlwerbespot einen neuen, dramatischen Ton an. „Ich möchte nicht mehr über Klimaschutz reden“, sagt Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock inmitten eines Waldes, während sich die Kamera immer weiter von ihr entfernt und vom Borkenkäfer zerfressene Bäume im Harz einfängt.
„Wir müssen endlich damit anfangen“, so Baerbock am Ende des knapp einminütigen, düsteren Clips, den unsere Kollegin Marina Kormbaki vorab sehen konnte.
Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stand für den neuen Grünen-Wahlwerbespot im Harz vor der Kamera.Mit ihrem Fokus auf das Waldsterben setzen die Grünen zwei Wochen vor der Wahl auf die Dringlichkeit von Klimaschutz.
Wahlkampfleiter Michael Kellner sagte uns:
Wir reden nicht mehr von der Zukunft. Wir reden nicht von 2030. Wir reden von jetzt. Und wie wir nach den Überschwemmungen und Dürren alle wissen: auch von hier.
Ab heute soll der Clip in den sozialen Netzwerken ausgespielt werden und den TV-Spot (der, in dem alle singen) ergänzen.
Der Spot entstand unter der Führung der eigens gegründeten Wahlkampfagentur neues tor 1. Regie führte die Spielfilmregisseurin Theresa Eltz („4 Könige“, „Ostwind“).
Schlechte Stimmung bei den etwa 40 scheidenden CDU-Bundestagsabgeordneten beim Abschiedstreffen am Mittwochabend im Berliner Gasthaus Zollpackhof.
Die Umfragen sind mies, manch einer äußerte sich erleichtert, dass er in diesem Wahlkampf nicht mehr antrete. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mahnte Teilnehmern zufolge, in den letzten Wochen zu kämpfen, die Erfolge der Union in den Regierungsjahren herauszustellen und die Sorgen des Bürgertums vor einer "linken Republik" zu thematisieren.
An den Tischen war allerdings anschließend auch eine mögliche Niederlage ein Thema. Dies wäre dann eine "Niederlage mit Ansage", sagte einer, denn man habe auf den falschen Kandidaten gesetzt. Kritisch wurde die Rolle der beiden erfahrenen CDU-Politiker, die wesentlich Laschet gegen die CSU durchgesetzt hatten, genannt: Volker Bouffier und Wolfgang Schäuble.
Die ehemaligen Bundestagsabgeordneten dürfen auch bei der ersten Fraktionssitzung am Dienstag nach der Bundestagswahl dabei sein.
Wahlkreis 75 - Berlin-Mitte: Annika Klose vs. Hanna Steinmüller
In 299 Wahlkreisen bewerben sich Kandidatinnen und Kandidaten für ein Direktmandat im Deutschen Bundestag. Von Flensburg-Schleswig, dem Wahlkreis 1, bis Homburg, der Nummer 299, geht es mal knapper und mal deutlicher, mal prominenter und mal unbekannter zu.
Bis zur Bundestagswahl stellen wir rund 40 Wahlkreise vor, auf die es zu achten lohnt. Weil es knapp ist, weil Prominente antreten oder ein Swing bevorsteht.
Heute werfen wir einen Blick in die Zentrale der deutschen Demokratie - in den Wahlkreis Berlin-Mitte.
© ThePioneerDer Wahlkreis 75 umfasst den Hauptstadtbezirk Mitte, zu dem Teile des Regierungsviertels gehören. Dort liegt unter anderem der Alexanderplatz und das Brandenburger Tor, der Reichstag und das Kanzleramt grenzen direkt an. Rund 200.000 Wahlberechtigte leben hier. 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 73,4 Prozent.
Bei der letzten Bundestagswahl gewann SPD-Kandidatin Eva Högl das Direktmandat mit 23,5 Prozent der Erststimmen gegen Stephan Rauhut von den Linken (20,5 Prozent). Auch CDU (18,6 Prozent) und Grüne (18,0 Prozent) lagen in Schlagdistanz.
Vier Jahre später hat sich einiges geändert. Högl ist inzwischen Wehrbeauftragte des Bundestages, schied deswegen aus dem Parlament aus und stellt sich auch nicht wieder zur Wahl. Stattdessen will die frühere Landesvorsitzende der Berliner Jusos, Annika Klose, das Direktmandat für die SPD verteidigen. Ihre stärkste Konkurrenz dürfte in diesem Jahr nicht von der Linken oder der Union, sondern von den Grünen kommen, die Hanna Steinmüller ins Rennen schicken.
Bewerben sich um das Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Mitte: Grünen-Kandidatin Hanna Steinmüller (links) und Annika Klose von der SPD. © Susanne Hartung/Martin Thor (Bearbeitung ThePioneer)Nach aktuellen Prognosen von election.de ist der Ausgang des Wahlkreises Berlin-Mitte relativ offen. Im Kampf um die meisten Erststimmen und den direkten Einzug ins Parlament sieht die Webseite Steinmüller gegenüber Klose leicht im Vorteil.
Annika Klose und Hanna Steinmüller haben von uns jeweils identische Fragebögen erhalten. Hier sind die Antworten in unserem ThePioneer-Battleground.
Der SPD-Kandidatin
Möchte das Direktmandat in Berlin-Mitte für die SPD verteidigen: Annika Klose. © Martin ThorWer bin ich? Annika Klose, 29, Bundestagskandidatin für Berlin-Mitte und Sozialwissenschaftlerin. Zuletzt habe ich als Gewerkschaftssekretärin beim DGB Berlin-Brandenburg gearbeitet. In meiner Freizeit habe ich vor der Pandemie gerne die Berliner Clubs unsicher gemacht.
Wo wohne ich? Ich habe lange in einer WG gelebt – zuletzt mit meiner Schwester. Sie ist inzwischen ausgezogen, allein bin ich trotzdem nicht: Im Februar habe ich eine ausgesetzte Katze bei mir aufgenommen, im Juni eine Zweite aus dem Tierschutz geholt.
Was zeichnet mich aus? Ich mache keine halben Sachen. Ich habe etwa 2017 die Seenotrettung-NGO Sea-Eye als Crew-Mitglied bei der zivilen Seenotrettung unterstützt. Es hat mir nicht mehr gereicht, in Berlin für sichere Fluchtrouten und die Aufnahme Geflüchteter zu kämpfen.
Lieblingsort im Wahlkreis: Die Panke, hier kann ich richtig abschalten beim Spazieren.
Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Ich möchte wissen, was die Menschen in Berlin Mitte bewegt. Deshalb bin ich seit Februar auf der Straße unterwegs und führe viele Gespräche an Infoständen oder beim Haustürwahlkampf. Auf allen meinen Flyern und Plakaten habe ich zudem meine Handynummer abgedruckt.
Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Inhalte, Inhalte, Inhalte (und ein paar Fotos). Wir schreiben viele lange Beiträge zum Thema. Auch wenn in irgendwelchen Social-Media-Tipps steht, es muss kurz und plakativ sein. Bei mir auf Facebook und Instagram erfährt der/die Wähler*in, wo ich politisch stehe.
Bestes Give-Away: Flaschenöffner für den Schlüsselbund. Das passt zur Späti-Kultur in Berlin und ist das einzige Give-away, dass Leute jahrelang mit sich herumtragen.
Mein politisches Thema: Wir benötigen bezahlbare Mieten, gute Arbeit, eine nachhaltige Wirtschaft, 12 € Mindestlohn – und wir müssen Hartz IV abschaffen. Stattdessen will ich eine Kindergrundsicherung und ein sanktionsfreies Bürgergeld einführen.
Als erstes ändere ich: Schon seit Jahren steigen unsere Mieten schneller als unsere Löhne und Renten. Zuerst bringe ich den Mietendeckel auf Bundesebene auf den Weg. Perspektivisch benötigen wir eine Soziale Neubau-Offensive und ein stärkeres Vorkaufsrecht.
Wunsch-Koalition: Rot-Grün.
Mein Slogan: Keine halben Sachen.
Größte Stärke meiner Konkurrentin: In Mitte haben vier Parteien eine Chance zu gewinnen. Ich freue mich, dass alle vier Parteien junge Kandidierende aufgestellt haben und drei Frauen darunter sind. Auch aus Mitte geht ein Impuls für neue Politik aus.
Größte Schwäche meiner Konkurrentin: Keine*r der anderen Kandidiat*innen kann auf so ein starkes Team in jedem Ortsteil zurückgreifen wie die SPD in Berlin Mitte. Zudem sind sie politisch weniger erfahren.
Auf diesen Termin freue ich mich: Auf den Schlussspurt im Wahlkampf und unsere Wahlparty am 26. September. Die letzten Tage vor der Wahl sind immer am intensivsten. Anschließend mit meinem Team auf ein Dreivierteljahr engagierten Wahlkampf anstoßen zu können und das zu feiern – darauf freue ich mich.
Die Kandidatin der Grünen
Bewirbt sich um das Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Mitte: Hanna Steinmüller von den Grünen. © Susanne HartungWer bin ich? Ich bin Hanna Steinmüller; 28, Sozialwissenschaftlerin, Bezirksverordnete und leidenschaftliche Radfahrerin.
Wo wohne ich? Früher in Alt-Mitte. Dann habe ich, wie so viele, keine bezahlbare Wohnung mehr in Mitte gefunden. Auch um die Situation der Mieter*innen in Berlin-Mitte zu verbessern, will ich in den Bundestag.
Was zeichnet mich aus? Neugierde und Empathie.
Lieblingsort im Wahlkreis: Ich liebe an Mitte die Vielfalt - eben noch an der quirligen Prinzenstraße, plötzlich an der Panke. Oder von der Turmstraße an die Spree - ich bin Fan von dem vielen versteckten Grün und Wasser in Mitte.
Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Ich komme zu den Menschen, statt auf sie zu warten. Mit meinem grünen Lastenrad ziehe ich durch Parks, Spielplätze, Kneipen und Straßen und versuche, ins Gespräch zu kommen. Außerdem lasse ich mich von Bürger*innen zu Hofgesprächen einladen, um unsere Ideen für eine klimaneutrale und sozial gerechte Zukunft vorzustellen.
Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Gerade habe ich meine Teilhabe-Tour gestartet, auf der ich Projekte und Initiativen besuche, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen. Das begleite ich mit Reels und Posts auf meinen verschiedenen Social-Media-Kanälen, um meine Follower*innen mitzunehmen, Eindrücke zu vermitteln und die Projekte bekannter zu machen.
Bestes Give-Away: Ich verteile kleine Tütchen mit Blumensamen - für mehr Grün in der Stadt.
Mein politisches Thema: In Zeiten der Klimakrise zur Abkühlung mehr Grün und mehr Wasser in die Städte bringen. Kinderarmut bekämpfen.
Als erstes ändere ich: Wir holen Kinder aus dem Hartz-IV-System und führen eine Kindergrundsicherung ein.
Wunsch-Koalition: Möglichst starke grüne Regierungsbeteiligung.
Mein Slogan: Kinderarmut bekämpfen, Klima schützen.
Größte Stärke meiner Konkurrentin: Durchhaltevermögen.
Größte Schwäche meiner Konkurrentin: Dass die SPD zwar von Klimaschutz spricht, aber nicht danach handelt.
Auf diesen Termin freue ich mich: Die Wahlparty.
Möchte für die baden-württembergische CDU in den Deutschen Bundestag: Yannick Bury. © ThePioneerEs wird schwer. Das weiß Yannick Bury. Der 31-jährige Volkswirt will am 26. September das Direktmandat im Wahlkreis Emmendingen/Lahr in Baden-Württemberg für die CDU gewinnen.
Zuletzt wurde die Region von seinem Parteifreund Peter Weiß in Berlin vertreten. Doch der Sozialpolitiker tritt nicht mehr an.
Die Entscheidung dürfte zwischen Bury und seinem SPD-Kontrahenten Johannes Fechner fallen, der als Rechtspolitiker im Bundestag bereits etabliert ist. CDU-Mann Bury hat sich nicht um einen Platz auf der Landesliste seiner Partei bemüht. Alles oder nichts!
"Es stehen so viele Fragen an, die über den Tag hinausreichen: Demografie, finanzielle Nachhaltigkeit, Innovationen für Deutschland", sagt der CDU-Kandidat. "Jetzt ist der Zeitpunkt, dass die jüngere Generation politisch Verantwortung übernimmt."
Der Finanzausschuss im Bundestag, das würde Bury schon gefallen.
Aktuell arbeitet Bury am Walter-Eucken-Institut in Freiburg, einem Hort für ordnungspolitisches Denken. Als Referent ist Bury für Institutschef Lars Feld tätig, der bis vor einem halben Jahr Chef der Wirtschaftsweisen war und der mit dem Düsseldorfer Ökonomen Justus Haucap zusammen den Pioneer-Podcast Feld & Haucap moderiert.
Den Rest seiner Zeit beschäftigt er sich mit Forschungsaufträgen und Politikberatung - etwa mit Reformvorschlägen für den Finanzausgleich zwischen Kommunen.
Bury leitet die Internationale Kommission der Jungen Union und nimmt gerne die globale Perspektive ein. Eine Dynamik wie in Asien, wo er einen Teil seines Studiums verbracht hat, wünscht er sich auch hier bei uns:
"Wir sind leider manchmal etwas zu selbstzufrieden und verschließen die Augen dafür, was für ein hohes Tempo in anderen Regionen der Welt herrscht."
Neben dem TV-Triell am Sonntagabend sind die Kanzler- und Spitzenkandidaten auch an diesem Wochenende auf Wahlkampfveranstaltungen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist morgen Nachmittag in Worms, dort sprechen unter anderem auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer und Generalsekretär Lars Klingbeil. Scholz tritt abends auch in Mannheim auf.
Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, besucht am Samstag die CSU bei ihrem Parteitag in Nürnberg und tritt dort mit CSU-Chef Markus Söder auf.
Einer der Köpfe in Laschets Zukunftsteam ist Friedrich Merz. Der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende macht heute Wahlkampf im hessischen Taunusstein. Am Samstag ist Merz dann zu Gast in Lerthe. Bei der Veranstaltung sprechen auch der Vize-Ministerpräsident von Niedersachsen, Bernd Althusmann und Tilman Kuban, Chef der Jungen Union.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, besucht an diesem Freitagabend die brandenburgische Stadt Teltow. Ihr Co-Spitzenkandidat Robert Habeck spricht derweil in Baden-Württemberg im Stadtgarten von Konstanz, abends geht es weiter nach Freiburg. Am morgigen Samstag besucht Habeck Offenburg, Maulbronn bei Pforzheim und Heidelberg.
FDP-Chef und Spitzenkandidat Christian Lindner macht Wahlkampf in NRW. Mit Alexander Graf Lambsdorff spricht er heute Nachmittag in Münster, später ist der Parteichef bei einer Kundgebung in Bad Salzuflen zu sehen.
Samstagabend stellt sich Lindner im SAT.1-Sommerinterview den Fragen von Katja Losch und Heiko Paluschka.
Die beiden Spitzenkandidaten der Linken, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, sind in Darmstadt und treten dort heute Mittag mit Amira Mohamed Ali auf.
Nachmittags ist das Duo mit Gregor Gysi in Frankfurt am Main. Morgen geht es für Wissler weiter nach Heidelberg und Mannheim, Sonntagmittag spricht sie außerdem in Bad-Kreuznach.
Bartsch ist morgen Nachmittag in seinem Heimatwahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern, in Lambrechtshagen, unterwegs. Abends misst er sich in Rendsburg im Format Politboxen mit seinen Kontrahenten Johann Wadephul (CDU), Konstantin von Notz (Grüne) und Marco Buschmann (FDP).
Die Veranstaltung wird auf dem YouTube-Kanal des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags live gestreamt.
Nach dem Triell am Sonntagabend sind bei Anne Will in ihrer ARD-Talkshow ab 21.50 Uhr CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn, die SPD-Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz Malu Dreyer, die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katrin Göring-Eckardt, Welt-Vize-Chefredakteur Robin Alexander, die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch und WDR-Journalistin Ellen Ehni zu Gast.
Die Funk-Journalistin Eva Schulz interviewt für ihr Podcast-Format "Deutschland3000 - 'ne gute Stunde mit ..." nacheinander alle drei Bewerberinnen und Bewerber ums Kanzleramt und stellt Fragen aus der Sicht ihrer jungen Community. Heute erscheint unter anderem hier eine neue Folge mit Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock.
Der CSU-Generalsekretär Markus Blume stichelt im Spiegel gegen den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU. “Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da”, sagt Blume in dem Interview mit Kevin Hagen. Der Wahlkampf in Deutschland habe sich bislang zu sehr mit Nebensächlichkeit beschäftigt. Jetzt müsse es aber um die großen Fragen gehen: Entlastung, Stabilität und Wachstum, so Blume. Eine neue Große Koalition unter Führung der SPD schließt Blume aus: “Als Juniorpartner stehen wir nicht zur Verfügung." Das ganze Interview können Sie hier lesen.
Vergangenen Mittwoch begann in Paris der Prozess um den Anschlag auf die Konzerthalle Bataclan im Jahr 2015. Die Justiz könne in diesem Verfahren nicht alles heilen, kommentiert Christiane Kaess im Deutschlandfunk: "Die seelischen Wunden bei Opfern und Angehörigen sind zum Teil so tief, dass sie ihr Leben lang bleiben werden." Dennoch sei der Prozess eine Chance, das Verständnis für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärken. In sozialen Medien werde unverhohlen die Frage aufgeworfen, ob man Terroristen überhaupt vor Gericht stellen sollte. Warum Kaess genau das für unabdingbar hält, lesen Sie hier.
Die Pioneer Polls ergeben sich durch den Mittelwert der aktuellen Umfragen der Institute Allensbach, Kantar, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, GMS, Infratest Dimap, Insa und YouGov.
Heute gratulieren wir herzlich:
Karl Holmeier, CSU-Bundestagsabgeordneter, 65
Deniz Yücel, Journalist bei der Welt, 48
Morgen gratulieren wir:
Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter, 58
Nina Scheer, SPD-Bundestagsabgeordnete, 50
Honey Deihimi, CDU, Leiterin des Referats Integration, Bundeskanzleramt, 47
Am Sonntag gratulieren wir:
Sigmar Gabriel, ehem. SPD-Vorsitzender und Vizekanzler, 62
Franca Lehfeldt, RTL-Chefreporterin, 32
Hans Zimmer, Filmkomponist und Musikproduzent, 64
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