Der Abend, an dem Laschet Söder besiegte

Teilen
Merken

Guten Morgen,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • CDU-Chef Armin Laschet als rheinischer Machiavellist. Beim Spitzentreffen am Sonntagabend mit der CSU zeigt er ungeahnte Härte, unterstützt von Wolfgang Schäuble. Wir haben exklusive Details des Abends, der die Wende brachte.

  • Das Bundesinnenministerium warnt vor nachrichtendienstlich getriebenen Hackerangriffen aus Russland auf Politiker im Wahljahr. Wir kennen die Details.

  • Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lässt eine Verdopplung der Förderung für den Radverkehr in Deutschland prüfen. Wir sagen, worum es geht.

Der Abend, an dem Laschet Söder besiegte

Zuhören, entscheiden, handeln. Mit diesem Motto hat Armin Laschet seinen ersten Wahlkampf als Bundestagsabgeordneter 1994 in Aachen bestritten. Nun soll es sein Motto für den Kanzlerwahlkampf werden, wie er gestern im Konrad-Adenauer-Haus verriet.

Doch eigentlich müsste der CDU-Chef ein Verb hinzufügen: stehen.

Mit stoischer Unbeweglichkeit konterte Laschet - kräftig unterstützt von CDU-Legende Wolfgang Schäuble - den machtbewussten CSU-Chef Markus Söder, populärer im Volk, beliebter auch in Teilen der CDU, bei dem entscheidenden, informellen Treffen am Sonntagabend im Reichstagsgebäude aus.

Wir haben mit mehreren Teilnehmern gesprochen und erstmals Details des Treffens erfahren, das ein Teilnehmer als Game Changer im Wettstreit um die K-Frage bezeichnete.

In einem Besprechungsraum von Bundestagspräsident Schäuble auf der Präsidialebene im Reichstagsgebäude trafen sich am späten Sonntagabend die CDU/CSU-Verhandler.

Für die CDU dabei: Laschet, Schäuble, Generalsekretär Paul Ziemiak, Vizechef Volker Bouffier. Aus der CSU waren neben Söder Generalsekretär Markus Blume und Alexander Dobrindt anwesend. Nach 23 Uhr kam man zusammen.

Es wurde diskutiert und gerungen. Schon nach kurzer Zeit soll der Satz von Laschet gefallen sein, der die Zuschreibungen des scheinbar harmlosen CDU-Politikers aus Aachen in ein neues Licht rücken dürfte.

Laschet wandte sich direkt an Söder:

Mit dir verlieren wir die Wahl.

Er sei zu polarisierend und wenig vermittelbar außerhalb Bayerns waren nur zwei der Argumente, die Laschet und Schäuble vortrugen. Die Botschaft war klar:

Die CDU wird einen Kanzlerkandidaten Markus Söder nicht unterstützen.

Markus Söder reagierte verdutzt, erinnern sich Teilnehmer. Dann Markus Blume, der Generalsekretär: Die These, sagte er, dass die Union mit Laschet an der Spitze die Wahlen gewinne sei doch “deutlich kühner”.

In ähnlicher Stimmung ging es weiter. Vor allem Schäuble nahm sich die Vertreter der CSU vor. Er wurde grundsätzlich.

Das Verhalten der Schwesterpartei sei schädlich, es gehe um den Bestand der Union:

“Ihr macht die CDU kaputt.”

© ThePioneer

So dürfe man mit dem größeren Partner nicht umgehen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier erinnerte daran, dass es Söder gewesen sei, der ein Votum der CDU akzeptieren wolle. Dobrindt entgegnete, dass das Problem doch in der CDU liege, dort fehle der Rückhalt für Laschet.

Es ging hin und her. Söder betonte, dass er Laschet als Kandidat unterstützen werde, sollte er es werden. Er fragte den CDU-Chef ob dies auch umgekehrt gelte.

Laschet soll dies nicht zugesagt haben, berichten uns Teilnehmer. Die CDU-Pressestelle gab gestern Abend keine Auskunft zu dem Treffen.

Auch eine Abstimmung in der Bundestagsfraktion oder einem anderen Gremium außerhalb des Bundesvorstand lehnten die drei CDU-Vertreter ab.

Der CSU-Seite wurde allmählich klar, dass sich Laschet nicht bewegen werde. Obwohl angeblich in den Tagen zuvor weitere hochrangige CDU-Politiker intern signalisiert hatten, dass sie sich einen Kandidaten Söder durchaus vorstellen können.

Armin Laschet blieb hart. Er werde kein Votum eines anderen Gremiums akzeptieren, da diese nicht legitimiert seien, soll er gesagt haben.

Schäuble, kampferprobt in fünf Jahrzehnten politischen Schlachten, hielt eisern zu Laschet. Der 79-Jährige machte mehrfach deutlich, dass es sich die CDU derzeit nicht erlauben könne, einen CSU-Kanzlerkandidaten zu akzeptieren.

“Betonmischer”, nannte ihn ein CSU-Mann später. Halb bewundernd, halb verärgert.

Armin Laschet bot schließlich an, im CDU-Vorstand zu beraten. Die Spitzenrunde trennte sich nach mehr als drei Stunden ergebnislos.

Mitglieder des CDU-Präsidiums wurden informiert, die Idee einer Vorstandssitzung kursiert erstmals in der Nacht.

Am Montag telefoniert Laschet erneut mit Schäuble. Und der NRW-Ministerpräsident trifft seinen Amtskollegen Bouffier in der hessischen Landesvertretung.

Es ist wieder Schäuble, der auf ein Votum im CDU-Vorstand noch am Montagabend drängt, wenn Laschet Parteivorsitzender bleiben wolle. Schon am Wochenende hatte er dies Laschet mitgeteilt, und später darüber angeblich mit Parteifreunden aus dem Präsidium gesprochen. Die Information landet bei der Bild-Zeitung.

“Kanzlerkandidat oder Aus als CDU-Chef”, titelt das Medium.

Armin Laschet weiß an diesem denkwürdigen Sonntagabend schon, dass er der Schwesterpartei keinen Zentimeter Raum lassen wird. Und er setzt sich am Ende damit durch.

Der angeblich so nette Herr Laschet bedient die ganze Klaviatur eines rheinischen Machiavellismus.

Die Runde löst sich kurz vor 3 Uhr auf. Die CSU-Politiker verlassen das Reichstagsgebäude. Sie wissen nun, dass sie keine Chance mehr haben.

Man hätte noch “fünf CDU-Landesverbände” für den Kandidaten Söder gewinnen können, Laschet hätte gnadenlos durchgezogen, sagt ein CSU-Mann später.

1. Söder-Fans fordern Teamaufstellung im Wahlkampf

Nach dem Votum der CDU für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet und dem Einverständnis von CSU-Chef Markus Söder fordert der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger eine rasche Professionalisierung des Wahlkampfes und eine breite Teamaufstellung.

“Wir brauchen jetzt ganz schnell ein Wahlprogramm, um wegzukommen von der Personaldiskussion”, sagte uns Steiniger. Außerdem erwarte er eine professionelle Umsetzung der Kampagne, die technischen Vorbereitungen der Vorstandssitzung seien dürftig gewesen.

“Wir brauchen einen Plan des Adenauer-Hauses, die zahlreichen Söder-Fans an der Basis zu motivieren, für uns in den Wahlkampf zu ziehen”, sagte er. “Es wäre eine gute Idee, rund um Armin Laschet ein Team mit neuen Köpfen, auch aus dem Lager derer, die Söder unterstützt haben, zu präsentieren.”

2. Innenministerium warnt vor russischen Hacker-Angriffen

Das Bundesinnenministerium warnt vor politisch motivierten Hacker-Angriffen aus Russland auf deutsche Politikerinnen und Politiker im Wahljahr.

Dies geht aus dem Lagebericht Hybride Bedrohungen vom 16. April vor, in den wir Einblick erhalten haben.

“Dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) liegen Informationen zu einer Phishing-Kampagne vor”, heißt es in dem Bericht.

Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) © dpa

Dabei handele es sich um eine “gezielte Kampagne gegen Politiker*innen, bei der von einem nachrichtendienstlichen Hintergrund auszugehen ist”. Betroffen seien vor allem private E-Mail-Accounts bei den Anbietern GMX und T-Online.

Nach Einschätzung des Innenministeriums könnten die Hackerangriffe eine “Vorbereitung für ‘Hack and Leak’-Operationen sowie Desinformationskampagnen darstellen. Dies zeigten auch die Erfahrungen der Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 und in Frankreich 2017.

Namentlich erwähnt der Bericht die russische Hackergruppe Ghostwriter, die sich bislang vor allem an osteuropäische Staaten richtete und dort das Ziel hatte, gegen die stationierten Nato-Truppen Stimmung zu machen. Methodisch würden etwa Nachrichtenseiten angegriffen, kompromittiert und mit gefälschten Informationen manipuliert.

Mit Blick auf die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen seien derartige Angriffe ernst zu nehmen.

So könnten mögliche Einflussoperationen im Vorfeld der Bundestagswahl mit dem Ziel stattfinden, politische oder gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen oder einzelne Politikerinnen und Politiker bzw. ihre Parteien zu diskreditieren.

Bereits im März wurde bekannt, dass mehrere Politiker der Regierungsfraktionen Opfer von Phishing-Angriffen wurden. Am Donnerstag finden nach unseren Informationen im Bundestag Gespräche zwischen Politikern verschiedener Fraktionen und dem Verfassungsschutz statt, in denen über das weitere Vorgehen beraten werden soll.

3. Scheuer verzichtet auf belastbare Finanzzusagen für den Radverkehr

© Anne Hufnagl

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lässt eine Verdopplung der Förderung für den Radverkehr in Deutschland prüfen - für den Zeitraum bis 2030. Der Nationale Radverkehrsplan 3.0, der ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner vorliegt, sieht allerdings keine verbindlichen Aussagen zur Finanzierung vor.

Anders als in früheren Entwürfen wird in der letzten Fassung, die an die Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, auf konkrete Festlegungen für mehr Ausgaben verzichtet. Stattdessen heißt es in dem Dokument nur noch:

Eine Verdopplung der jährlichen investiven wie nicht-investiven Mittel gegenüber 2020 soll geprüft werden.

Aus dem Nationalen Radverkehrsplan 3.0 des Bundesverkehrsministeriums

Gestrichen wurde dagegen eine Passage mit der Zusage, das Volumen der einschlägigen Förderprogramme von Bund, Ländern und Kommunen bis 2030 auf mindestens 30 Euro je Person und Jahr anzuheben.

Nun heißt es in dem Plan, die Förderung solle sich „perspektivisch an rund 30 Euro je Person orientieren“.

Scheuer verzichtet auch auf - ursprünglich geplante - Aussagen mit Blick auf neue, finanzielle Anreize für nachhaltige Mobilität.

„Der Bund überarbeitet die Pendlerpauschale mit dem Ziel, klimaschonendes Mobilitätsverhalten zu fördern“, war in einem früheren Entwurf noch zu lesen gewesen. Zusätzlich solle die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes „auf Fahrradkauf und fahrradbezogene Dienstleistungen“ geprüft und schnellstmöglich umgesetzt werden. Der Passus ist im finalen Text nicht mehr enthalten.

Grundsätzlich setzt Scheuer auf geschlossene Streckennetze für den Radverkehr. „Radfahrende im Mischverkehr zu führen, ist inner- wie außerorts nur bei niedrigen Kfz-Geschwindigkeiten und Verkehrsstärken eine dauerhaft gute Lösung”, heißt es in dem Papier.

Zu den Zielen des Plans gehört unter anderem, dass spätestens 2030 jeder rund 180 Wege pro Jahr mit dem Fahrrad zurücklegt - 2017 waren es 120 Wege. Außerdem soll die durchschnittliche Länge der mit dem Rad zurückgelegten Strecken von 3,7 auf sechs Kilometer gesteigert werden.

Anweisung an die Schulen aus dem Berliner Senat. © ThePioneer

Schulöffnungen wollte der Berliner Senat in der Corona-Pandemie in Kombination mit verpflichtenden Selbsttests an den Einrichtungen möglich machen. Anderenfalls sei der Unterricht - in Präsenz - nicht möglich.

Doch da hat die Verwaltung Politik gemacht, ohne den Starrsinn der Schulen selbst zu berechnen. Denn viele Schulen sperren sich gegen die Regelung.

Ein Schreiben der HasenGrund-Schule im Norden Berlins gibt ein Beispiel: "Vor allem sind es infektiologische Bedenken, aufgrund derer bei einem solchen Verfahren die körperliche Unversehrtheit aller Beteiligten als nicht sichergestellt anzusehen ist", heißt es in einem Schreiben an die Eltern. "Zudem ist der Umgang mit Kindern, die positiv getestet werden, kritisch zu betrachten."

Dennoch wolle man an den Testungen festhalten - nur sollen diese "zuhause" vorgenommen werden, das Ergebnis "per Unterschrift zweimal wöchentlich" bestätigt werden.

...und die "Umsetzung" einer Berliner Schule. © ThePioneer

Der Streit zwischen der EU und Großbritannien über die Handelsregeln für die britische Provinz Nordirland eskaliert. In einem informellen Bericht des EU-Verbindungsbüros des Bundestages wird darauf verwiesen, dass die EU-Kommission derzeit öffentliche Einlassungen zu dem Thema vermeiden und "diskret" verhandeln wolle.

Erst Mitte Mai will die britische Regierung eine ausführliche Antwort auf das 26 Streitpunkte umfassende Vertragsverletzungsverfahren der EU geben.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat sogar mit weiteren einseitigen Schritten in Bezug auf das Nordirland-Protokoll gedroht. "Wir entfernen, was wir als unnötige Ausstülpungen und Hindernisse empfinden, die aufgekommen sind, und reißen die Schlingen ab und schleifen es in Form", sagte Johnson der BBC.

© ThePioneer

Auf - Wenn gestern der Tag von Annalena Baerbock und vielleicht noch von Robert Habeck war, dann sollte heute einer nicht unerwähnt bleiben: Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Unter seiner Regie wurde seit Wochen der Tag der Tage vorbereitet, die Inszenierung war - gerade im Gegenschnitt zu dem Unionsstreit - fast schon aufdringlich perfekt durchgeplant. Kellner ist unser Aufsteiger.

Ab - Der Berliner Mietendeckel, am Montag vom Bundesverfassungsgericht kassiert, war eine Scheinhilfe für viele Berliner Mieterinnen und Mieter. Rund 365.000 Berliner hatten einen zeitweisen Anspruch auf niedrigere Zahlungen - all das ist nun hinfällig. 40.000 dürften laut Schätzungen dadurch nun ein finanzielles Problem bekommen. Der Senat setzte eilig ein millionenschweres Unterstützungsprogramm durch. Keine Partei hat mehr für das verunglückte Projekt geworben, als Die Linke. Stellvertretend geht es für deren Landeschefin Katina Schubert heute bergab.

Der frühere Berater des Ex-SPD-Finanzministers Hans Eichel, Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, ist zu Beginn des Monats als Senior Advisor in das Team von Berlin Global Advisors rund um Gründer Jan Kallmorgen gewechselt. Er wird im Bereich Government Affairs tätig sein.

In der Süddeutschen Zeitung analysiert Robert Roßmann die Lage von CDU und CSU nach der Festlegung auf Armin Laschet als Kanzlerkandidat. Seine These: Wer glaube, die Probleme der Union seien damit ausgestanden, liege falsch. „Das zeigen Söders neue Sticheleien. Der CSU-Chef hat am Dienstag mit der ihm manchmal eigenen Hinterfotzigkeit klargemacht, dass eigentlich er Kandidat hätte werden müssen“, schreibt Kollege Roßmann und bescheinigt der inhaltliche Leere. Nachzulesen ist das alles hier.

Steuerpolitik spielt bisher im heraufziehenden Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle. Schade eigentlich. Dass sich das bald ändern könnte, zeigt die Debatte über das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vorgelegte Steuerkonzept. Martin Greive zerpflückt im Handelsblatt die Pläne in Einzelteile, benennt Gewinner und Verlierer, beziffert Be- und Entlastungen. Die Analyse ist hier zu finden.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Dirk Heidenblut, SPD-Bundestagsabgeordneter, 60

Ekin Deligöz, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 50

© ThePioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

Sie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.

Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter Hauptstadt – Das Briefing