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Unsere Themen heute:
Die AfD hat den Vorsitz im Innenausschuss gezogen und könnte so an sensible Sicherheitsinfos gelangen. Doch in den Fraktionen wächst der Widerstand.
In der SPD will sich Michael Müller nicht kampflos in die hinteren Reihen begeben. Er plant die Kampfkandidatur gegen Michael Roth um den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses.
Die Suche der Grünen nach einem neuen Generalsekretär gestaltet sich schwerer als erwartet. Wir kennen die Hintergründe.
In der Union sind die Posten in der Fraktion neu verteilt - manch ein prominenter Landeschef musste eine herbe Niederlage bei einer Kampfkandidatur erleiden.
Eine Grünen-Politikerin wird neue Koordinatorin der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft. Wir wissen, wer.
Der braune Schatten
46 Mitglieder hat der Innenausschuss des Deutschen Bundestages in dieser Wahlperiode. An diesem Mittwoch wird er konstituiert. Erstmals soll er nach einer Vereinbarung der Fraktionen von einem AfD-Politiker geführt werden.
Doch der Widerstand gegen die Personalentscheidung wächst. Aus der SPD vernehmen wir, dass die neu benannten Mitglieder des Ausschusses mehrheitlich gegen den AfD-Kandidaten stimmen werden. "Das ist eine Prinzipienfrage", heißt es uns gegenüber.
Am Montag hat sich die SPD den stellvertretenden Vorsitz gesichert. Vorgesehen ist dafür der Baden-Württemberger Lars Castellucci. Würde der AfD-Kandidat durchfallen, wäre der SPD-Politiker de facto Vorsitzender.
Lars Castellucci im früheren griechischen Flüchtlingscamp Moria © Lars Castellucci„Man kann den Vorsitz in diesem Ausschuss nicht einer Partei geben, die selbst in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird“, sagte uns CSU-Politikerin Andrea Lindholz, die den Ausschuss bis Oktober geleitet hat, über die AfD.
Die Union macht für das Problem vor allem die Grünen verantwortlich, die sich zunächst den Europaausschuss für Anton Hofreiter sicherten.
Die Union sieht SPD, Grüne und FDP nun unter Zugzwang. „Die Ampel hat ein massives Problem geschaffen. Sie muss es selbstständig lösen“, sagte uns CDU-Mann Alexander Throm, innenpolitischen Sprecher seiner Fraktion.
Wer den Innenausschuss leitet, hat in der Regel Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen. Nicht selten gibt es einen direkten Draht zu den Spitzen von Bundeskriminalamt oder Verfassungsschutz, die etwa über Terrorlagen oder Entwicklungen in Extremistenkreisen informieren.
Innenausschuss-Sondersitzung im Bundestag im Sommer 2021 © dpaDie AfD will an diesem Dienstag über ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin entscheiden.
Wie wir erfahren haben, ist mit einer Kampfabstimmung zwischen den Abgeordneten Jochen Haug und Martin Hess zu rechnen.
Der 49-jährige Haug war zuletzt Vizechef des Innenausschusses. In Pressemitteilungen beklagt er, der Schwerpunkt staatlicher Anti-Extremismus-Prävention liege im ,Kampf gegen rechts‘, von dem die linksextreme Szene profitiere.
Martin Hess, ein 50 Jahre alter Polizist aus Baden-Württemberg, zog im September über Platz zwei der AfD-Landesliste in den Bundestag ein. Am kommenden Samstag ist er angekündigt bei einer Impfgegner-Demo in Göppingen.
Scheitert der Kandidat der AfD, dürfte die Fraktion dagegen klagen und das Ganze vor das Bundesverfassungsgericht bringen. Das Argument: Die Posten stünden der Fraktion ihrer Stärke im Bundestag gemäß zu.
Ampel-Pläne für Minijobs sorgen für Streit
Reinigungskräfte sind häufig auf Minijob-Basis beschäftigt. © ImagoDie Pläne der Ampel-Parteien zur Anhebung der Minijob-Grenze von 450 auf 520 Euro stoßen auf massive Kritik. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warnt vor kontraproduktiven Effekten.
Es drohten „noch mehr Minijobs, die den Beschäftigten keine soziale Sicherheit bieten“, kein Kurzarbeitergeld, kein Arbeitslosengeld und bei vielen auch keine Rentenansprüche, so Piel weiter.
Die Arbeitgeber begrüßen dagegen die Ampelpläne.
Es sei jedoch wichtig, dass Beschäftigte möglichst mehr als nur einen Minijob ausüben, sagte uns Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Sinnvolle Maßnahmen in diese Richtung werde man unterstützen, beispielsweise bei der Verbesserung der Betreuungsinfrastruktur für Kinder und Pflegebedürftige.
Pascal Kober © ImagoFDP-Sozialexperte Pascal Kober sagte uns, mit der Anhebung könnten Minijobber erstmals seit 2013 spürbar „an den Lohnsteigerungen und dem insgesamt erzielten Wohlstandsgewinn der letzten Jahre“ teilhaben. Davon profitieren sechs Millionen Minijobber, darunter 870.000, die auf Mindestlohnbasis arbeiten.
SPD-Sozialexpertin Dagmar Schmidt kündigte verschärfte Arbeitszeit-Kontrollen an: "Wir wollen im Gesetzgebungsverfahren sicherstellen, dass der Minijob auch in Zukunft kein Ersatz für reguläre Beschäftigungsverhältnisse darstellt und dass insbesondere Frauen nicht in die so genannte Teilzeitfalle geraten."
SPD: Michael Müller will um Top-Posten kämpfen
Berlins scheidender Regierender Bürgermeister Michael Müller will in einer Kampfabstimmung am heutigen Dienstag den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses für sich gewinnen, so hörten wir am Montagabend. Müller tritt in der Wahl gegen den langjährigen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, an.
Führte die Berliner SPD-Liste an: Michael Müller © imago imagesRoth gilt wegen seiner fachlichen Kompetenz aus der Regierungsarbeit als Favorit gegenüber dem Parlamentsneuling Müller und wird auch von Fraktionschef Rolf Mützenich unterstützt. Doch auch Müller ist ein hochrangiger Politiker, für den eine Verwendung gesucht wird.
Gesucht: Grünen-Generalsekretär (m/w)
Die Grünen stellen ihre Parteispitze neu auf. Wie berichtet, kandidieren der Außenexperte Omid Nouripour und die Vize-Chefin Ricarda Lang Ende Januar für den Parteivorsitz; beide haben inzwischen ihre Bereitschaft öffentlich erklärt.
Doch die Suche nach einem neuen politischen Bundesgeschäftsführer der Partei gestaltet sich offenbar schwieriger als erwartet, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki.
Bislang waren die frühere stellvertretende Parteivorsitzende Gesine Agena und der Europapolitiker Erik Marquardt im Gespräch für die Nachfolge von Michael Kellner, der seit 2013 in der Rolle des politischen Bundesgeschäftsführers die Partei managt und nun parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium geworden ist; sein bisheriges Parteiamt entspricht in anderen Parteien dem des Generalsekretärs.
Doch weder Agena noch Marquardt werden auf der Bundesdelegiertenkonferenz am 28./29. Januar für Kellners Nachfolge kandidieren, erfuhren wir.
Unbeliebter Job? Für die Nachfolge von Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner drängt sich offenbar niemand auf. © ImagoNun halten Vertreter der Bundesgeschäftsstelle Ausschau nach potenziellen Kandidaten. Die Suche fällt offenbar auch deswegen schwer, weil erfahrene Grüne aus dem Mittelbau der Partei nun in den Bundestag gewählt wurden. Die Grünen-Satzung sieht jedoch vor, dass nur zwei der sechs Mitglieder des Bundesvorstands ein Mandat innehaben dürfen - mit Nouripour und Lang wäre dieser Anteil bereits ausgeschöpft.
Neuer CDU-Vorsitzender steht Freitag, 14 Uhr, fest
Der künftige Vorsitzende der CDU wird am kommenden Freitag, um 14 Uhr, feststehen. Dann werden die Ergebnisse der ersten Mitgliederbefragung über den Vorsitz in der Geschichte der Partei veröffentlicht, erfuhren wir aus der Parteispitze. Abgestimmt werden konnte mittels Online-Tool und Briefwahl.
Es soll keine Vorab-Informationen an die Parteiführung geben. Das Ergebnis will CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf einer Pressekonferenz bekanntgeben, es wird auch auf cdu.de veröffentlicht. Der CDU-Vorstand hatte sich darauf verständigt, dass das rechtlich nicht bindende Votum bei einem ordentlichen Bundesparteitag im Januar bestätigt wird. Kandidaten sind Norbert Röttgen, Helge Braun und Friedrich Merz. 400.000 Mitglieder durften abstimmen.
Helge Braun, Friedrich Merz, Norbert Röttgen (v.l.). © ThePioneerWählen Sie Ihre Politiker des Jahres!
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Die Unionsfraktion schafft neue Fachsprecher-Posten für bestimmte Themen, die nicht zugleich Vorsitzende der Arbeitsgruppen in der Fraktion sind. Darauf verständigte sich die Fraktion gestern.
Neben dem CDU-Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern, Philipp Amthor, der als Sprecher für Staatsorganisation und -modernisierung nominiert wurde, soll der niedersächsische CDU-Abgeordnete Henning Otte für den Ländlichen Raum zuständig sein, der bisherige Staatssekretär Thomas Rachel für Kirchen, der schleswig-holsteinische Abgeordnete Mark Helfrich für Energiepolitik und der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter für Krisenprävention.
In einer Kampfkandidatur gegen den bisherigen Transatlantik-Beauftragten Peter Beyer konnte sich der ebenfalls aus NRW stammende Abgeordnete Jürgen Hardt als neuer außenpolitischer Sprecher durchsetzen.
Bei den Stellvertreter-Wahlen in der Unionsfraktion gab es zwei überraschende Entwicklungen.
So setzte sich Sepp Müller aus Sachsen-Anhalt mit 86:56 Stimmen in einer Kampfabstimmung gegen Christian Hirte, den Landeschef der CDU in Thüringen, durch. Müller ist nun Fraktionsvize für die Themen Gesundheit, Neue Länder, Sport und Ehrenamt und Petitionen.
Patricia Lips, bisher Mitglied im Haushaltsausschuss, wurde zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden mit Zuständigkeit für Europa und Menschenrechte gewählt. Der Noch-CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wird Mitglied im Ausschuss für Entwicklungshilfe.
Claudia Müller, Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, wird neue Koordinatorin der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck will die Wirtschaftspolitikerin zu sich ins Haus holen, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki aus Partei- und Regierungskreisen.
Claudia Müller, Grünen-Abgeordnete © ImagoMüller soll an der Schnittstelle zwischen dem grün geführten Wirtschafts- und dem FDP-geführten Verkehrsministerium die Politik der Ampel zur Stärkung des Standorts Deutschland in den Bereichen Schiffbau, Seeschifffahrt, Hafenwirtschaft und Meerestechnik koordinieren.
Sebastian Hartmann, bis ins vergangene Jahr Chef der SPD in Nordrhein-Westfalen, soll innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag werden. Dies hören wir aus Fraktionskreisen.
Hartmann würde damit auf die ausgeschiedene Ute Vogt folgen, die bei der Bundestagswahl nicht mehr angetreten war. Er war auch in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied des Innenausschusses.
Sarah Bäumchen wechselt zum 1. März 2022 von der FDP-Bundesgeschäftsstelle in den Zentralverband Elektrotechnik (ZVEI). Dort wird sie die Leiterin des Berliner Büros für den Wirtschaftsverband. Sie war erst im Januar 2020 von der Bundestagsfraktion in die Parteizentrale gegangen und ist dort bisher Leiterin des Bereichs Kommunikation und Medien.
In der FDP-Bundestagsfraktion werden an diesem Dienstag die fachpolitischen Sprecher gewählt. Wie wir hören, soll Pascal Kober den Bereich Arbeitsmarktpolitik übernehmen und Bernd Reuther die Verkehrspolitik.
Otto Fricke ist wie bisher als Chefhaushälter vorgesehen, als Mitglied im Haushaltsausschuss soll Finanzexperte Frank Schäffler gewählt werden. Judith Skudelny soll abermals umweltpolitische Sprecherin werden, der Digitalpolitiker Manuel Höferlin ist als innenpolitischer Sprecher vorgesehen.
Wegen der Bundestagswahl und der erst jetzt beendeten Regierungsbildung ist der Bundeshaushalt für das kommende Jahr noch nicht vollendet. Für die Beratungen über den Entwurf, der noch von der alten Regierung stammt, gibt es nun einen vorläufigen Fahrplan.
Wie wir hören, soll der Haushalt 2022 am 3. Juni 2022 vom Bundestag beschlossen werden.
Bis dahin gilt die vorläufige Haushaltsführung. Das bedeutet: Die Bundesregierung darf nur Ausgaben auf den Weg bringen, die unbedingt erforderlich sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Auf - Sara Nanni wurde gerade erst in den Bundestag gewählt - und schon ist die Düsseldorferin die neue Stimme der Grünen-Fraktion bei Fragen von Krieg und Frieden. Nanni, die vor ihrem Einzug in den Bundestag über Islamismus sowie über Militärtechnologie forschte, leitet die AG Sicherheitspolitik der Fraktion und wurde zur sicherheitspolitischen Sprecherin gewählt. Ein Amt, das angesichts der Grünen-Federführung im Auswärtigen Amt für Auslandseinsätze der Bundeswehr kein leichtes werden dürfte. Mutig von Nanni. Unsere Aufsteigerin.
Ab - Den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss ist Norbert Röttgen los. Er hat damit einen Job verloren, der Sichtbarkeit und Talkshow-Einladungen garantiert. Auch sonst war der Name des Rheinländers bei der Verteilung der Strippenzieher-Posten in der Unionsfraktion nicht im Spiel. Jetzt bleibt Röttgen nur noch die Hoffnung auf den CDU-Vorsitz, auf den nach Lage der Dinge aber Friedrich Merz die besten Chancen hat. Unser Absteiger.
Ricarda Lang, derzeit Vize-Chefin der Grünen und neu in den Bundestag gewählte Abgeordnete, möchte Ende Januar Parteichefin werden. Im Interview mit Eva Quadbeck und Markus Decker vom Redaktionsnetzwerk Deutschland erläutert Lang ihre Motive und Pläne: "Ich möchte die Umsetzung des Koalitionsvertrages unterstützen und gleichzeitig über den Regierungsalltag hinausdenken und das Profil der Grünen weiter schärfen." Lang betont: "Die Grünen sind noch nicht am Ziel angekommen, die führende progressive Kraft in diesem Land zu werden. Ich möchte, dass wir diesen Anspruch ausfüllen können." Aufschlussreiches Interview!
In einem umfassenden Porträt beschreibt Ralph Bollmann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den neuen Gesundheitsminister. Karl Lauterbach sei nicht nur als Mediziner ein Außenseiter im Kabinett, sondern auch als Ökonom, genauer: als Gesundheitsökonom. „Ein Wissenschaftler also, der Arztpraxen und Krankenkassen stets auch nach dem Kalkül von Kosten und Nutzen betrachtet, der die Qualität in Beziehung setzt zu dem Geld, das dafür aufgewandt wird“, schreibt Bollmann. Lesenswert!
Heute gratulieren wir:
Michael Glos, früherer CSU-Politiker und ehemaliger Bundeswirtschaftsminister, 77
Matthias Middelberg, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen, 57
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre