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Unsere Themen heute:
Die Corona-Lage verschärft sich. Die Kanzlerin warnt vor französischen Verhältnissen und neuen Milliardenhilfen. Und schlägt Verschärfungen vor. Wir haben die Details.
Die SPD in Nordrhein-Westfalen sucht eine neue Aufstellung - und neun Genossen kommen der Lösung nicht näher.
Bodo Hombach hat Wolfgang Clement in fast allen Ämtern erlebt. Er sagt: "Clement wusste: Mit schierer Sentimentalität ist kein Staat zu machen." Ein Nachruf.
Merkel warnt vor "zweitem Hilfspaket"
Heute treffen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihrem Kanzleramtschef Helge Braun und Gesundheitsminister Jens Spahn (alle CDU) zur Schaltkonferenz zu den Corona-Maßnahmen.
Der Entwurf für den Beschluss liegt uns vor. Hier sind die wesentliche Punkte:
Der Bund schlägt für Feiern in privaten Räumen eine Beschränkung auf maximal 25 Teilnehmer vor (öffentliche Räume: maximal 50 Teilnehmer).
Angesichts der sinkenden Temperaturen, des vermehrten Aufenthalts in geschlossenen Räumen in der Herbst- und Winterzeit sowie der drohenden Grippesaison müssen wir jetzt besonders vorsichtig sein. Dies gilt gerade im Bereich der Freizeitgestaltung und privaten Feiern, die sich zuletzt als eine der maßgeblichen Ursachen für regionales Infektionsgeschehen gezeigt haben.
Möglich ist, dass die Grenzen für private Feiern nur gelten, wenn bestimmte Grenzwerte bei den Neuinfektionen überschritten werden. Also etwa, wenn in einem Landkreis innerhalb von sieben Tagen die Zahl von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern überschritten wird.
Sollten sogar mehr als 50 Menschen pro 100.000 Einwohner infiziert werden, seien weitere Maßnahmen zu erlassen, heißt es in der Vorlage. Die Teilnehmergrenze könnte dann weiter begrenzt werden - nach den Vorstellungen des Bundes auf 10/25 Teilnehmer (privat/öffentlich).
Um eine präzise Kontaktnachverfolgung zu ermöglichen, sollen Ordnungsbehörden Verstöße bei falschen persönlichen Angaben in Restaurants mit einem Mindestbußgeld von 50 Euro belegen können.
Regelmäßiges Lüften könne die Gefahr einer Ansteckung "wesentlich verringern", heißt es in dem Entwurf für den Beschluss. "Zu der allgemein gültigen Formel „AHA“ für 1,5m Abstand halten, Hygiene, Tragen von Alltagsmasken ist gerade in der kalten Jahreszeit mit steigenden Infektionszahlen ein „C“ für Corona-Warn-App nutzen und ein „L“ für Lüften hinzuzufügen."
Eindringlich soll vor Reisen in Risikogebiete gewarnt werden.
Die Bevölkerung soll sich gegen Influenza impfen lassen, damit sich die Viruserkrankungen in Herbst und Winter nicht überlappen.
In der gestrigen CDU-Präsidiumssitzung warnte Kanzlerin Merkel Teilnehmern zufolge außerdem vor einem zweiten europäischen Hilfspaket für Wirtschaft und Verbraucher, das notwendig sein könnte, wenn sich das Infektionsgeschehen in Europa wie zuletzt fortsetzen würde.
Die Situation ist fragil.
Das Ansehen der Bundesregierung sei während der Corona-Pandemie gestiegen, so Merkel. Dies stehe nun aber auf dem Spiel, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen sichtbar werden. Für ein zweites Hilfspaket "haben wir nicht die Kraft".
Beim Gipfeltreffen will NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vorschlagen, dass künftig Privatfeiern wie Hochzeiten vorab inklusive Teilnehmerliste beim Gesundheitsamt angemeldet werden. Es müsse eine neue "Risikobewertung" und ein standardisiertes Verfahren in Deutschland geben.
Mehrere Länderchefs wie Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern, SPD) sowie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollen eine Ampel-Bewertung einführen, die die Kapazität der Intensivbetten, die Neuinfektionen und die Anzahl der Tests und der Anteil positiver Testergebnisse anschaulich darstellt und so eine Lagebewertung für Maßnahmen ermöglicht.
1. NRW-SPD: Neun Genossen, keine Lösung
Die nordrhein-westfälische SPD ist auch nach der Stichwahl um die Rathäuser des Landes sehr weit von einer Lösung in der offenen Führungsfrage entfernt. Dabei haben neun Genossen alles gegeben - am Sonntag berieten sie sich. Wir haben uns die Lage von mehreren Insidern schildern lassen:
In den Hauptrollen:
Die zerstrittenen Sebastian Hartmann (will gerne Landeschef bleiben) und Thomas Kutschaty (will neben seiner Rolle als Fraktionschef im Landtag auch Landeschef und Spitzenkandidat werden)
Die Regionalvorsitzenden Britta Altenkamp, Stefan Schwarze, Jochen Ott und Marc Herter
Aus Berlin die Friedensstifter und Mediatoren Norbert Walter-Borjans, Rolf Mützenich und Achim Post für Partei, Fraktion und Landesgruppe
Das Treffen am Sonntag verlief zäh. Statt einer Klärung hinterfragte Parteichef Walter-Borjans lediglich Hartmanns Position als Landeschef in der internen Runde - ohne das aber als Machtwort zu formulieren. Hartmann stellte sich stur.
Einzige echte Einigung der Sitzung: Keiner der Anwesenden sollte danach in die Offensive gehen und seine Kandidatur ausrufen.
Hartmann durchbrach am Montag diese Abmachung, indem er sagte, er stehe als Landeschef weiter zur Verfügung. Damit hat er seine Position womöglich geschwächt und intern die Kritik zahlreicher Teilnehmer auf sich gezogen.
Sehr weit auseinander, nicht nur auf diesem Bild: NRW-Landeschef Sebastian Hartmann (links), Fraktionschef Thomas Kutschaty (rechts). © dpaKutschaty wird nun abwarten und auf Hartmanns Ende an der Landesspitze hoffen. Im Falle einer Implosion des Landesverbands steht Landesgruppenchef Achim Post als neuer Vorsitzender zur Verfügung. Ihn unterstützen auch die beiden Regionalvorsitzenden Herter und Schwarze. Wahrscheinlicher denn je erscheint aktuell die Möglichkeit einer Doppelspitze, einer Art Stützrad also für die schwachen Kutschaty oder Hartmann, sollten sie doch noch im November die Führung übernehmen wollen. Mehr hierzu demnächst in diesem Briefing.
2. CDU-Bewerber machen doch TV-Trielle
Die CDU-Bewerber für den Vorsitz, Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen, haben sich in einem gemeinsamen Gespräch mit Annegret Kramp-Karrenbauer auf einen begrenzten innerparteilichen Wettbewerb geeinigt.
Nur zwei öffentliche 90-minütige Talk-Duelle wurden vereinbart, sie sollen Anfang November und Ende November stattfinden und digital im Netz bei Youtube und im Fernsehen übertragen werden. Dies hatte Merz zuvor noch abgelehnt. Der Fernsehsender Phoenix hat intern bereits Interesse angemeldet.
Drei weitere Talk-Formate mit den einzelnen Kandidaten sollen nur für Mitglieder offen sein. Dabei diskutieren die CDU-Bewerber in Form einer Videokonferenz über ihre inhaltlichen Schwerpunkte. Außerdem dürfen die Kandidaten einen Brief an alle CDU-Mitglieder mit ihren persönlichen Zielen für die CDU schreiben.
Am 17. Oktober stellen sich Laschet, Merz und Röttgen bei der Online-Veranstaltung Pitch der Jungen Union den Fragen der jüngeren CDU-Mitglieder.
3. Rüstungsprojekte unter Spardruck
Einige zentrale Rüstungsprojekte der Bundesregierung könnten den Haushaltszwängen in Folge der Corona-Krise zum Opfer fallen. So sind im Haushaltsentwurf für 2021 für das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) keine neuen Mittel eingestellt. Im letzten Haushalt des Jahres 2020 war es zudem gesondert in einer Vorbemerkung aufgeführt, dies ist jetzt nicht mehr der Fall.
Beim Kampfhubschrauber Tiger Mark III wurden die Verpflichtungsermächtigungen fast vollständig gekürzt, komplett ist dies sogar beim Schweren Transporthubschrauber geschehen. Auch das gilt als Indiz dafür, dass die Projekte in der Priorisierung nach hinten durchgereicht werden.
Auf der Kippe: Das taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) © dpa4. Gesetzliche Regelung für Frauen in Dax-Vorständen vor dem Aus
Der Vorstoß der sozialdemokratischen Ministerinnen Franziska Giffey (Familie) und Christine Lambrecht (Justiz) für eine gesetzliche Regelung für Frauenbeteiligung in Dax-Vorständen steht vor dem Aus. Am heutigen Nachmittag trifft sich eine Koalitionsarbeitsgruppe zu dem Thema bei Giffey im Ministerium. Die Unionsseite zeigt hier jedoch keine Kompromissbereitschaft und will das Thema durchfallen lassen.
Der Grund: nicht im Koalitionsvertrag verankert. Auf SPD-Seite wird nicht mehr mit einem Erfolg gerechnet, und so richtig schlimm finden es manche auch nicht: Schließlich ergibt das Thema guten Stoff für den nächsten Bundestagswahlkampf.
Aus einem Bericht des Bundesinnenministeriums © ThePioneerBundeseigene Grundstücke und Gebäude werden immer häufiger zu verbilligten Konditionen verkauft, um Sozialwohnungen zu schaffen. Das geht aus einem Bericht des Bundesinnenministeriums hervor, der uns vorliegt.
Länder und Kommunen können auf alle „entbehrliche” Liegenschaften des Bundes zugreifen und sie auch „an private Dritte für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“ verkaufen. 2018 waren die Vorgaben dafür gelockert worden.
Laut Bericht wird davon „in hohem Maße” Gebrauch gemacht: „Für den Gesamtzeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2020 konnten bisher in 277 Verkaufs- und Nachverhandlungsfällen Verbilligungen mit einem Volumen von insgesamt rd. 142 Mio. Euro gewährt werden.”
Am 11. Dezember soll der Bundestag den Haushalt für das kommende Jahr beschließen. Eine Woche später am 18. Dezember könnte der Bundesrat stimmen. An diesem Dienstag wird der Etat von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erst einmal in den Bundestag eingebracht.
Unions-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg warnt intern, auch nach 2021 werde die Haushaltsanlage weiter angespannt bleiben. Für die nächsten Jahre, heißt es in einer Präsentation des CDU-Politikers, sei im Haushalt mit einer strukturellen Lücke „von jährlich rund 30-55 Mrd. Euro” zu rechnen.
© The PioneerAuf - Irene Mihalic, Polizeibeamtin und Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen, dürfte von dem Sieg Katja Dörners im Duell um das Oberbürgermeister-Amt in Bonn profitieren: Auf der Landesliste für die kommende Bundestagswahl hätte die Innenpolitik-Expertin normalerweise wahrscheinlich den fünften Platz hinter Dörner belegt - nun könnte es Platz drei werden. Für die engagierte Bundestagsabgeordnete geht es bei uns deshalb bergauf.
Ab - Auf diesen Tweet zum Tod des früheren NRW-Ministerpräsidenten und Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement hätte der SPD-Linke Ralf Stegner lieber verzichtet. „Er hat viele Jahre für die Sozialdemokratie Verantwortung getragen“, so Stegner, der bei den Genossen längst aus der ersten Reihe verschwunden ist. „Als Chefredakteur der Hamburger Morgenpost war er journalistisch tätig. In den letzten Jahren hatten sich die politischen Wege dann getrennt“, textete er lieblos weiter. Etwas mehr Empathie und Mitgefühl wäre für einen Sozialdemokraten angemessen gewesen.
Ob ihm das wirklich noch schadet in seiner Anhängerschaft? Donald Trump soll nach Recherchen des Investigativ-Teams der New York Times in 10 von 15 Jahren, bevor er Präsident wurde, keine Einkommensteuer bezahlt haben. In den Jahren 2016 und 2017 nur jeweils 750 Dollar. Ein Grund, warum der US_Präsident den Einblick in seine Steuerakten im Wahlkampf so vehement ablehnte. Giovanni Russonello hat hier alles Wichtige zusammengefasst.
Bodo Hombach war Landesgeschäftsführer der GEW, als er den Journalisten Wolfgang Clement in den 1970er Jahren kennenlernte. Dann wechselten beide in die Politik und arbeiteten im Wahlkampfteam von Johannes Rau, später war Hombach Wirtschaftsminister im NRW-Kabinett von Clement. 1999 holte Kanzler Gerhard Schröder beide in sein Kabinett nach Bonn und dann nach Berlin.
Was blieb, war eine Freundschaft, die über Posten und Parteifarben hinausging. Hier schreibt Hombach, was er an Clement schätzte und warum Deutschland den früheren Ministerpräsidenten noch vermissen wird. Im Alter von 80 Jahren war Clement am vergangenen Sonntag nach langer Krankheit gestorben.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentiert Frank Pergande die Entscheidung von Sachsen-Anhalts Regierungschef Rainer Haseloff (CDU), bei der nächsten Landtagswahl doch noch einmal anzutreten. „Er ist zu einer wichtigen Stimme des Ostens geworden, die den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD im Bund mitprägte und auf die auch die Kanzlerin hört”, so der Kollege. „Haseloff hat in der Corona-Zeit eigene Akzente gesetzt, die Botschaft war nicht zu überhören: Mit mir ist weiter zu rechnen. Er ist für die CDU die einzige Chance, die Macht in Magdeburg zu sichern.” Lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Johannes Schmid, Kommunikationschef der Münchener Sicherheitskonferenz, 38
Isabel Mackensen, SPD-Bundestagsabgeordnete, 34
Svenja Schulze, SPD-Politikerin und Bundesumweltministerin, 52
Kathrin Vogler, Linken-Bundestagsabgeordnete, 57
Verena Pausder ist nicht nur eine gefragte Buchautorin, ihr Plädoyer für eine digitale., innovative und gleichberechtigte Aufsteigerrepublik (Das neue Land) stürmt gerade die Bestsellerlisten. Auch die Parteien sind auf die 41-jährige Serien-Unternehmerin ("Fox & Sheep") und Bildungsexpertin aufmerksam geworden. Aus der Berliner CDU wird berichtet, man habe Pausder als Kandidatin für den Bundestag im Wahlkreis Pankow angefragt, führende FDP-Politiker sprechen mit ihr über eine Rolle bei den Liberalen und CDU-Vorsitzendenkandidat Friedrich Merz fragte angeblich Pausder, ob sie sein Buch vorstellen will. Bisher sagt Pausder zu allem Nein. Doch ihren Gestaltungsanspruch sollte man nicht unterschätzen. Man darf gespannt sein.
ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker, Verena Pausder und der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann an Bord der Pioneer One. © Anne Hufnagl© The PioneerUlrich Matthes, Schauspieler am Deutschen Theater in Berlin, über seine Beobachtungen zur Person Angela Merkels.
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