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Unsere Themen heute:
Wie hältst Du es mit der Nato? Bei den Grünen droht ein neuer Grundsatzstreit - und mittendrin steht die Parteichefin Annalena Baerbock.
Die Deutsche Bahn schreibt in der Corona-Krise Milliardenverluste, die Beschäftigten lehnen einen eigenen Sparbeitrag aber ab.
Ex-CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg hat schon wieder einen Job verloren. Dieses Mal den Aufsichtsratsposten in einem sehr umstrittenen Tech-Startup.
Die Grünen und der Zweifel an der Nato
Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock hatte einen langen Weg hinter sich gebracht, bis sie schließlich eine passende Formulierung zum Verhältnis ihrer Partei mit der Nato fand. Nichts von grüner Skepsis gegenüber dem Verteidigungsbündnis des Westens war mehr zu spüren, als Baerbock vor wenigen Wochen den entscheidenden Satz im jüngsten Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm präsentierte:
"Die NATO ist ein unverzichtbarer und Renationalisierung entgegenwirkender Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur sowie der transatlantischen Beziehungen."
Doch auch wenn noch einige Sätze dazu folgten, dass die Nato zugleich eine "strategische Neuausrichtung" brauche, ist Baerbock mit der Formulierung, die sie zu verantworten hat, offensichtlich zu weit gegangen. In Gesprächen mit zahlreichen Grünen-Politikern wurde uns verdeutlicht: Der Satz wird sich so nicht im Grundsatzprogramm wiederfinden. Außerhalb der Chefetage fremdeln die Grünen mit der Annahme, dass die Nato gerade jetzt "unverzichtbar" sein soll. "Dieser Satz wird den Parteitag nicht überstehen", heißt es uns gegenüber.
Planen ein Grundsatzprogramm: Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock (r.) und Robert Habeck © dpaEs ist ein alter Konflikt in der Öko-Partei, der im Vorwahljahr wieder aufbricht. Die Grünen und die Außenpolitik, die Grünen und die Nato: Es war immer der Stoff, aus dem ideologische Auseinandersetzungen gemacht sind. Es betrifft die pazifistische DNA der Partei. Und auch wenn mit Annalena Baerbock und Robert Habeck das geschmeidigste Führungsduo der vergangenen Jahre die Geschicke der Partei lenkt: Bei Fragen von Krieg und Frieden droht auch im Jahr 2020 ein erbitterter Streit.
Der Riss verläuft dabei nicht wie so oft klassisch zwischen dem Realo- und dem Linken-Lager. Die Grünen teilen sich in der Frage in Traditionalisten und Modernisierer. Traditionalisten wie Außenpolitiker Frithjof Schmidt oder Ex-Umweltminister Jürgen Trittin waren schon immer Skeptiker eines zu unkritischen Transatlantik-Kurses. Auf der anderen Seite wollen Modernisierer wie die Außen- und Verteidigungsexperten Omid Nouripour und Tobias Lindner die Grünen fit machen für die Mühen der Regierungsarbeit. Oder, wie die Kritiker spotten: "Alle Weichen sollen auf Schwarz-Grün gestellt werden."
Wer Europa integrieren will, schafft dies im Osten nur mit der Nato.
Der programmatische Weg von Annalena Baerbock von relativ weit links bis zum vollen Transatlantik-Kurs der Mitte ist erstaunlich. Baerbock hat mit vielen Fachleuten in den vergangenen zwei Jahren das Gespräch gesucht. Von der Nato überzeugten sie nicht nur eigene Gespräche in Brüssel, sondern auch zwei urgrüne Argumente: Wer Europa integrieren will, schafft dies im Osten nur mit der Nato. Und: Wenn die Nato als Verteidigungsbündnis ersetzt werden soll, dann müsste in Europa erst recht aufgerüstet werden. Und so wurde die Nato plötzlich "unverzichtbar" - obwohl die Facharbeitsgruppe diesen Satz so nie vorgeschlagen hatte.
Hektisch wird bei den Grünen nun nach einem Ausweg gesucht, um bei der entscheidenden Debatte um das Grundsatzprogramm im Herbst nicht anarchische Debatten vergangener Tage erleben zu müssen. Bereits jetzt werden Kompromisslinien ausgelotet. Eine gilt intern bisher als Favorit, mutet aber etwas eigenartig an. Man könne, so heißt es, die Nato als "temporär" unverzichtbar erklären. Man distanziert sich also von der Organisation - erkennt aber an, dass Deutschland nicht ohne sie kann.
Es ist keine rein theoretische Debatte. Den nächsten Außenminister könnten nach Lage der Umfragen die Grünen stellen. Favoritin für den Posten an den diplomatischen Schalthebeln der Republik: Parteichefin Annalena Baerbock.
1. Ab August Corona-Ausbildungsprämie für Betriebe
Betriebe, die in der Corona-Krise genauso viel ausbilden wie bisher oder ihr Engagement in diesem Bereich noch ausweiten, können ab dem 1. August eine staatliche Prämie beantragen. Das geht aus einer Förderrichtlinie des Arbeitsministeriums hervor, die an diesem Freitag im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.
„Azubis sollen trotz Corona ihre Ausbildung beginnen, fortsetzen und erfolgreich beenden können“, sagte uns Arbeitsminister Hubertus Heil. Der SPD-Politiker sagte, Unternehmen könnten eine Prämie von 2000 Euro pro Ausbildungsplatz erhalten, wenn die Ausbildungsquote im Schnitt der letzten drei Jahre gehalten werde.
Wer zusätzlich ausbilde, erhalte 3000 Euro pro Ausbildungsplatz. „Außerdem unterstützen wir Unternehmen, die ihre Azubis nicht in Kurzarbeit schicken und Betriebe, die Azubis aus insolvent gegangenen Unternehmen aufnehmen“, so Heil. Die Bundesregierung stelle dafür 500 Millionen Euro bereit.
2. Bahn-Gewerkschaft will Nullrunde wegen Corona nicht hinnehmen
Die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG will in den bevorstehenden Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn eine Nullrunde nicht hinnehmen. „Uns ist klar, dass die Bäume jetzt in der Corona-Krise nicht in den Himmel wachsen“, sagte uns EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel. „Natürlich werden wir einen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Eine verlängerte Laufzeit von bis zu 24 Monaten macht das - in Kombination mit einer moderaten Tarifsteigerung - möglich.“
Hommel sagte, in der kommende Woche werde seine Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber die Tarifverhandlungen vorbereiten. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir zu einem Abschluss kommen können“, sagte der designierte Vorsitzende der Gewerkschaft. Man werde allerdings nicht zulassen, dass es wie bei anderen großen Unternehmen zu mehreren Nullrunde komme: „Die Beschäftigten bei der Bahn haben während der Pandemie viel geleistet - und sie leisten weiterhin viel. Das muss auch entsprechend gewürdigt und abgebildet werden.“
Neue Kraftprobe mit der Lokführergewerkschaft GDL
Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage des Konzerns mit hohen Kosten und deutlich weniger Reisenden während der Corona-Pandemie haben die Bahn-Führung und der Bund als Eigentümer des Unternehmens vereinbart, dass bis zum Jahr 2024 rund zwei Milliarden Euro bei den Personalkosten eingespart werden sollen. Konzernchef Richard Lutz hatte sich am Freitag optimistisch gezeigt, was Einigungschancen angeht.
Spannend dürfte in nächster Zeit werden, wie sich die Lokführergewerkschaft GDL verhält. Sie hatte anders als die Konkurrenz von der EVG vorgezogenen Verhandlungen eine Absage erteilt. Sollte es nun zu einem Abschluss in den Gesprächen werden, könnte dieser womöglich mit Hilfe des so genannten Tarifeinheitsgesetzes auf alle Beschäftigten des Unternehmens übertragen werden.
Der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium © The PioneerDie Regierung plant ein neues Online-Portal, über das jeder ab Herbst 2022 seine individuellen Ansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge abrufen können soll. Die Informationen sollen mit Hilfe der Steueridentifikationsnummer zusammengeführt werden. Das Arbeitsministerium will dafür eine Zentralstelle bei der Deutschen Rentenversicherung einrichten. Diese soll das Online-Portal entwickeln und betreiben, über das Nutzer die Übersicht zu ihren Ansprüche anfordern können. Die Daten sollen „grundsätzlich nach abschließender Bearbeitung" aus dem Portal“ gelöscht werden. Sie können nach Wunsch aber auch in Nutzerkonten gespeichert werden.
Die Bundesregierung will während der deutschen EU-Ratspräsident ihre Pläne für einen europäischen Mindestlohn-Rahmen weiter vorantreiben. 22 Mitgliedstaaten - darunter Deutschland - haben feste, gesetzlich verankerte Mindestlöhne, die übrigen fünf tarifvertraglich vereinbarte Lohnuntergrenzen. Die Bandbreite reicht von 1,87 Euro in Bulgarien bis 12,38 Euro in Luxemburg. Laut einer internen Übersicht zur EU-Ratspräsidentschaft sind allerdings sieben Mitgliedstaaten - darunter Schweden, Dänemark, Österreich und Tschechien - gegen eine Harmonisierung. Die Bundesregierung will nun erst einmal den für Herbst erwarteten Vorschlag der Kommission abwarten und spätestens am 3. und 4. Dezember im Rat der Arbeits- und Sozialminister eine Einigung erreichen.
© The PioneerBundesfamilienministerin Franziska Giffey - in ihrem Ressort auch für die Jugend zuständig - denkt öffentlich über eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre nach. Ein erfrischender Vorstoß der SPD-Politikerin. Sind 16- und 17-Jährige heutzutage doch politisch aktiver als je zuvor. Wer noch daran zweifelt: Wir erinnern an die Friday-for-future-Demonstrationen. Eine Wahlrechtsreform wäre wie eine Frischzellenkur für unsere Demokratie. Bei uns geht es für Giffey deshalb bergauf.
Horst Seehofer, früher als bayerischer Ministerpräsident durchaus Anhänger von Entscheidungen in Länderhoheit, hat sich gewandelt. Der Bundesinnenminister legt sein Veto gegen Pläne des Berliner Senats zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Lagern in Griechenland ein. Das Ganze hätte eine überzeugende humanitäre Geste sein können, doch Seehofer argumentiert formalistisch. Alleingänge einzelner Länder verbieten sich. Bundeseinheitliches Handeln sei erforderlich. Wir sagen: Es geht abwärts.
Wenn wir Journalisten über Wirtschaft schreiben, sollten wir sie im Idealfall greifbar und verständlich machen – nur gelingt uns das nicht immer. Manchmal hindert uns die knappe Zeit daran, manchmal fehlt der klare Blick. Doch die Kollegen von Zeit Online haben aktuelle Themen der Wirtschaft aufgegriffen und verständlich erklärt. Ein Artikel für alle, die ihr Wirtschaftswissen auf den neuesten Stand bringen wollen.
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann möchte Düsseldorfer Oberbürgermeisterin werden. Grund genug, sich mit dieser Frau näher zu beschäftigen – und genau das haben die Kollegen von der taz getan. Ein spannendes Portrait über eine Frau, die der Autor Daniel Godeck als Charakterkopf bezeichnet. Lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Olaf in der Beek, FDP-Bundestagsabgeordneter, 53
Hartmut Mehdorn, Ex-Vorstandschef von Deutsche Bahn und Air Berlin, 72
Und am Samstag gratulieren wir:
Anne Buchsteiner, Musiktherapeutin, 43
Marco Buschmann, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, 43
Reinhard Brandl, CSU-Bundestagsabgeordneter, 43
Jens Teschke, Ex-Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums, 52
Die Public-Affairs-Agentur MSL verstärkt sich mit einem Kenner der Grünen: Martin-Sebastian Abel verstärkt ab Mitte August die Kommunikationsberatung als Director mit Schwerpunkt Public Affairs und Sustainability. Abel kommt von der NRW-Bank, wo er seit 2017 unter anderem als Repräsentant Berlin die Bank in Landes- und Bundesangelegenheiten beraten hat. Von 2012 bis 2017 war er Mitglied Landtag von Nordrhein-Westfalen und gehörte als Sprecher der Grünen-Fraktion für Haushalt und Finanzen dem Koalitionsausschuss der damaligen rot-grünen Landesregierung an.
Neu bei MSL: Martin-Sebastian Abel © MSLDurch die Lobbyaffäre des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor ist das New Yorker Start-up Augustus Intelligence bekanntgeworden und in Verruf geraten. Nun wollen die Eigentümer bei der Firma einen Neustart schaffen und wechseln mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats aus. Auch der frühere CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg muss das Gremium verlassen, wie wir aus Unternehmenskreisen erfuhren. Der frühere CSU-Politiker lebt in New York und investiert mit seiner Firma Spitzberg Partners in Technologie-Start-Ups.
Der Unternehmer und ehemalige Schattenwirtschaftsminister von Frank-Walter Steinmeier Harald Christ, 48, gründet eine Stiftung. Nach den Sommermonaten soll die "Harald Christ Stiftung für Demokratie und Vielfalt" in Berlin ihren Dienst beginnen. Sie soll einen "Beitrag zur Stärkung der Demokratie" leisten, Preise verliehen und auch Nachwuchsjournalisten fördern. Christ war 2019 nach 31 Jahren aus der SPD ausgetreten und ist nun Mitglied der FDP.
Gründet eine Stiftung: Unternehmer Harald Christ © ThePioneer© The PioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
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