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Unsere Themen heute:
Der Kompromiss um die Bundeswehr-Milliarden sorgt bei Grünen und SPD für Unmut. Wir wissen, was am Montag geschah.
Die Chauffeure im Fahrdienst für den Bundestag sind angestellt bei einer Bundeswehr-Tochter, bisher jedoch ohne den Schutz eines Tarifvertrags. Das soll sich nun ändern. Wir erklären, wie.
Aus der SPD kommt die Forderung, Langzeitarbeitslosen für Fitness-Anstrengungen eine Prämie zu zahlen. Wir erläutern diese Idee.
Nach Kritik an ihrer Abgeordneten und Interessenvertreterin gibt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ihren Platz im Bundestag frei - wir sagen, für wen.
Der Kampf um das Sondervermögen
Die SPD-Fraktionssitzung lief eigentlich planmäßig. Kontrovers, einige kritische Stimmen zum Sondervermögen. Aber die offene Debatte war von Fraktionschef Rolf Mützenich gewünscht, Kritiker sollten ihre Meinung sagen können.
Dann platzte ihm doch noch der Kragen. Es war 19 Uhr am Montag, da ging der Gastbeitrag "Ein Sondervermögen allein für die Bundeswehr greift viel zu kurz" von Juso-Chefin Jessica Rosenthal beim Spiegel online. Unangekündigt, unerwähnt. Ein Foul, so empfanden es zahlreiche Abgeordnete.
Mützenich in der Sitzung:
Das ist ein Affront.
"Das war unkollegial", sagte uns einer.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete und Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal © shschroederRosenthal hatte kurz vorher dargelegt, warum sie nicht mitstimmen wolle. Sie störte sich etwa daran, dass trotz allem an der Schuldenbremse festgehalten werden solle - ein krudes Argument, wie mancher fand.
Ähnlich ablehnend hatten sich Erik von Malottki und Jan Dieren geäußert. Ebenfalls mit Tendenz zur Ablehnung: die Starnbergerin Carmen Wegge und die Berlinerin Annika Klose.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren © Jan DierenSebastian Roloff, Chef des Forums DL21, sagte uns: Es sei gut, „dass die Investitionen in das Militär keine direkten Auswirkungen auf andere Projekte im Haushalt haben”. Es bestehe aber die Gefahr, dass das Sondervermögen nun auch mit Blick auf das Zwei-Prozent-Ziel verplant werde.
Unmut bei den Grünen
Auch in der Grünen-Bundestagsfraktion war nach Informationen unserer Kollegin Marina Kormbaki Unmut spürbar. Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock mussten erklären, weshalb die 100 Milliarden Euro vollständig in die Bundeswehr fließen.
Außenministerin Annalena Baerbock am Montag auf dem Weg zur Grünen-Bundestagsfraktion. © dpa"So kann es nicht weitergehen" - der Satz fiel mehrmals. Ein Fraktionsmitglied stellte klar, dass man nur zustimmen werde, um Baerbock nicht in den Rücken zu fallen.
"Große runde Summen schaffen keine Sicherheit", sagte uns Sarah-Lee Heinrich, Co-Chefin der Grünen Jugend. "So etwas kommt dabei heraus, wenn man sich auf Verhandlungen mit der Union einlässt."
Dort war die Stimmung gelöst: In einer Videoschalte informierten die Verteidigungspolitiker Johann Wadephul (CDU) und Florian Hahn (CSU) über das Ergebnis. Beide sprachen von einem „Erfolg für die Union“.
Allerdings: Unter Unionsleuten löst die Aufweichung des Zwei-Prozent-Ziels Verwunderung aus.
Um Protest zuvorzukommen, überraschten ihre Verhandlungsführer intern mit einem Eingeständnis: Zwar habe man bisher auf das Zwei-Prozent-Ziel gepocht, aber das Festhalten an der starren Quote sei finanzpolitisch nicht seriös.
Luftwaffe erhält zahlreiche Projekte
Ein Tornado landet in Büchel © dpaDie Luftwaffe dürfte der interne Gewinner der nun möglichen Milliarden-Zuwendungen für die Bundeswehr sein. Dies geht aus internen Aufstellungen hervor, über die wir vertraulich Kenntnis erlangen durften.
Demnach wird knapp die Hälfte der zur Verfügung stehenden Gelder der Luftwaffe zugute kommen. Darunter fallen Projekte wie die Nachfolgelösung für den in die Jahre gekommenen Tornado sowie der schwere Transporthubschrauber.
Auch das Thema Luftabwehr ist großzügig bedacht. Neben der Anschaffung des israelischen Arrow 3 Systems für aus großer Höhe einfliegende Geschosse ist ein Defizit bei der Abwehr von Drohnen-Angriffen festgestellt worden, das behoben werden soll.
Ein niedriger, zweistelliger Milliardenbetrag soll zudem für den Komplex Digitale Ausstattung aufgebracht werden. Darunter fallen Funkgeräte, das Battle Management System und die technische Grundausstattung, um ein digitales Lagebild zu erstellen.
SPD-Vorstoß: Gesundheitsbonus für Langzeitarbeitslose
Martin Rosemann © ImagoNach dem Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für ein Klimageld und höhere Leistungen in der Grundsicherung kommt aus der SPD ein weiterer sozialpolitischer Vorschlag. Dabei geht es darum, Langzeitarbeitslosen einen „Mitwirkungsbonus“ zu zahlen: Unter anderem, wenn sie etwas für ihre Gesundheit tun.
„Vertrauen stärken, Mitwirkung belohnen und zusätzlichen Aufwand honorieren - das ist Teil des Kulturwandels, den wir mit der Einführung des Bürgergeldes erreichen möchten“, sagte uns Martin Rosemann, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Konkret geht es um drei Vorhaben:
Arbeitslose sollen auch künftig bis zu 1.500 Euro erhalten, wenn sie eine Ausbildung erfolgreich abschließen. Diese Regelung würde eigentlich Ende 2023 auslaufen.
Eingeführt werden soll ein monatliches Weiterbildungsgeld, damit sich eine berufliche Qualifizierung gegenüber dem Ein-Euro-Job oder Minijob lohne.
Einen Mitwirkungsbonus soll es auch für Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit geben. SPD-Experte Rosemann: „Gesundheitliche Probleme erschweren bei vielen Grundsicherungsempfängern die Integration in den Arbeitsmarkt.“
Tarifvertrag für Bundestags-Fahrer vor Sommerpause möglich
Fahrdienst-Fahrzeuge am Bundestag © ImagoFür die rund 270 Beschäftigten des Dienstleisters BwFuhrparkService, die im Fahrdienst für Abgeordnete des Deutschen Bundestages eingesetzt werden, könnte noch vor der Sommerpause erstmals überhaupt ein Tarifvertrag vereinbart werden.
„Es gibt auf beiden Seiten einen klaren Willen zur Einigung“, sagte der zuständige Verdi-Fachgruppenleiter Nils Kammradt unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner. Es habe bereits eine deutliche Annäherung gegeben. „Wir halten eine Einigung vor der parlamentarischen Sommerpause für realistisch.“
Die Tarifverhandlungen laufen seit März. Fortgesetzt werden sollen sie am 14. Juni 2022.
Ziel der Gewerkschaft ist, dass alle Beschäftigten künftig über 16 Euro Stundenlohn erhalten - und in höheren Stufen mehr als 17,50 Euro. Wirksam werden könnten die Verbesserungen beim Entgelt zum 1. Oktober 2022, hören wir.
Nach Gewerkschaftsangaben aus 2021 lag der Stundenlohn der Beschäftigten zwischen 13,93 Euro und 15 Euro, fast die Hälfte der Fahrerinnen und Fahrer sind Minijobber. Die BwFuhrparkService GmbH gehört zu 75 Prozent der Bundeswehr und zu 25 Prozent der Bahn.
Balkan-Konflikt in der SPD-Fraktion beigelegt
Zwei Wochen später als geplant haben gestern die Ampel-Fraktionen einen Antrag für einen entschlosseneren Umgang mit Bosnien-Herzegowina beschlossen.
Innerhalb der Sozialdemokraten hatte es zuvor Dissens zum Wortlaut des Textes gegeben, der führenden Politikern des Westbalkanstaates völkisch-nationalistische Politik mit zerstörerischer Wirkung vorwirft.
Aber: Die jetzt beschlossene Fassung unterscheidet sich nur in unwesentlichen Details von der vorherigen.
Wie unsere Kollegin Marina Kormbaki vernahm, ging der Verzögerung ein Dissens zwischen Adis Ahmetovic, dem Berichterstatter der Fraktion für den Westbalkan, und seinem Vorgänger in dieser Funktion, Josip Juratovic, voraus.
Außenministerin Annalena Baerbock begrüßt Milorad Dodik, den Präsidenten der Teilrepublik Republika Srpska. © ImagoJuratovic, selbst kroatischer Herkunft, soll sich gegen eine namentliche Verurteilung des kroatischen Politikers Dragan Čović ausgesprochen haben - doch der wird weiterhin neben dem Serbenführer Milorad Dodik als "Gefahr für den Frieden in Südosteuropa" bezeichnet. Ganz so, wie es die Initiatoren des Antrags - neben Ahmetovic sind dies Boris Mijatović (Grüne) und Thomas Hacker (FDP) - beabsichtigten.
CDU: Ampel lässt Chance für Staatsreform ungenutzt
Nadine Schön und Thomas Heilmann © dpaKurz vor den abschließenden Beratungen über den Bundesetat für das laufende Jahr werfen CDU-Politiker mangelnden Ehrgeiz für Reformen von Staat, Politik und Verwaltung vor.
„Viele Schulden, wenig Zukunft: Die vielen Reformziele der Ampel werden verfehlt, weil der Staat nicht Teil der Reform ist“, sagte uns der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann.
Zusammen mit seiner CDU-Kollegin Nadine Schön und anderen hatte er im vergangenen Jahr das Buch „Neustaat“ vorgelegt.
Der Staat sei in eine Komplexitätsfalle geraten und könne der Volkswirtschaft in diesem Zustand keinen wirklichen Dienst mehr erweisen, so eine der Thesen des Buches.
CDU-Politikerin Schön sagte uns, die Ampel habe zwar die Idee des Neustaats übernommen, aber die wichtigsten Maßnahmen weggelassen - „von einem ordentlichen Digitalministerium bis hin zur Reform der Entscheidungsfindung auf allen Ebenen“.
Unions-Antrag: 12 Euro Mindestlohn sind richtig
CDU und CSU halten eine einmalige Anhebung des Mindestlohns für richtig. „Ein Mindestlohn in Höhe von 12 Euro ist richtig, um Beschäftigte vor unangemessenen, niedrigen Löhnen zu schützen“, heißt es in einem Bundestagsantrag der Union, der uns vorliegt.
Am Freitag entscheidet der Bundestag über die Koalitionspläne. „Die Mindestlohnkommission darf zukünftig nicht noch einmal übergangen werden. Sonst droht ein Überbietungswettbewerb, der populistischen Forderungen Tür und Tor öffnet.“
Außerdem fordert die Union, den gesamten Einkommenssteuer-Tarif zügig an die hohe Inflation anzupassen und den Mittelstandsbauch so abzuflachen, dass die Erhöhung des Mindestlohns im Ergebnis bei den Beschäftigten ankommt. Darüber hinaus sollten die Sozialbeiträge auch in dieser Wahlperiode unter 40 Prozent gehalten werden.
Die Minijob-Grenze soll nach dem Willen der Union von heute 450 auf 550 Euro steigen. Die Ampel plant eine Erhöhung auf 520 Euro.
SPD-Politikerin Daniela de Ridder zieht wieder in den Bundestag ein. Die 59-Jährige folgt auf Yasmin Fahimi, die kürzlich zur DGB-Chefin gewählt worden war und am Dienstag den Verzicht auf ihr Bundestagsmandat erklärte.
Eigentlich hatte sie ihre Mitgliedschaft erst Ende Juni niederlegen wollen, um für einen geordneten Übergang in ihren Büros zu sorgen, wie der DGB erklärte.
De Ridder war bereits zwischen 2013 und 2021 Mitglied des Bundestages. Bei der Wahl im vergangenen Jahr hatte sie jedoch mit Listenplatz 24 den Wiedereinzug ins Parlament verpasst.
Daniela De Ridder (SPD) zieht für Yasmin Fahimi in den Bundestag nach. © dpaDie Renten sollen zum 1. Juli 2022 um 5,35 Prozent in den alten und um 6,12 Prozent in den neuen Bundesländern steigen. Das dafür notwendige parlamentarische Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Am kommenden Freitag soll erst einmal der Bundestag grünes Licht geben. Danach ist noch ein Durchlauf im Bundesrat erforderlich.
Damit dieser rechtzeitig erfolgen kann, müsste es eine Fristverkürzung geben. Es bleibt schließlich nur noch eine einzige Plenarsitzung der Länderkammer vor der geplanten Rentenerhöhung. Und zwar am 10. Juni 2022.
Auf - Gestern würdigten wir hier den Kapitän des FC Bundestag, den Franz Beckenbauer sozusagen, SPD-Staatssekretär Mahmut Özdemir. Heute geht es um den Gerd Müller des FC Bundestag - FDP-Mann Oliver Luksic. Den Mann also, der die drei Tore im EM-Finale in Lahti am Wochenende zum Sieg der deutschen Mannschaft geschossen hat und den Mann, der im Match gegen die Wortspieler im vergangenen Jahr auch die Führung zum 1:0 erzielt hat (Endstand 1:8, die Red.). Luksic vereint die Fähigkeiten eines wahren Knipsers auf sich. Am 5. Juli wird er diese Fähigkeiten besonders brauchen. Unser Aufsteiger.
Ab - Annalena Baerbock wollte den Beweis erbringen, dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands nicht allein eine militärische Frage ist. Die Außenministerin ließ aus dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Ampel zum Sondervermögen die "Ertüchtigung der Bundeswehr" streichen und die "Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit" hineinschreiben. Den überrumpelten Grünen sagte Baerbock zu, dass die 100 Milliarden Euro nicht komplett in die Armee fließen würden - konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Unsere Absteigerin.
Die Einigung der Koalitionsparteien mit der Union zum Sondervermögen ist nicht nur bei uns das Thema der Woche - ein Überblick über die spannendsten Kommentare hierzu:
SZ-Korrespondent Mike Szymanski ist der Meinung, dass die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr schnell ausgegeben sein werden und die Summe deswegen nur ein Anfang sein dürfe: „100 Milliarden Euro können am beklagenswerten Zustand der Bundeswehr einiges ändern - alle Probleme lösen werden sie nicht.“ Warum das so ist und wofür das Geld ausgegeben werden könnte, lesen Sie hier.
Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin des RedaktionsNetzwerks Deutschland, fordert, dass sich die Bundeswehr mit dem Sondervermögen von Friedenssicherung im Ausland auf Landesverteidigung und Schutz der Nato-Außengrenzen umstellt: „Nur wenn dieser Schritt gelingt, wird das Sondervermögen tatsächlich ein Beitrag zur Zeitenwende sein.“ Lesenswert!
FAZ-Redakteur Jasper von Altenbockum sieht das Sondervermögen als „Verschiebebahnhof“ für die Union: „Was im Sondervermögen nicht berücksichtigt werden konnte, geht zu Lasten des ,regulären Haushalts', was umgekehrt bedeutet: Vom Bundeshaushalt wird in das Sondervermögen verschoben, was wirklich notwendig ist.“ Seine Analyse lesen Sie hier.
Die stärkste Waffe des Westens – die Geschlossenheit gegen Putin – beginnt, ihre Wirkung zu verlieren. Der Krieg in der Ukraine wird immer komplexer und die Einigkeit Europas zeigt erste tiefere Risse. Wie will man sich so strategisch gegenüber Russland aufstellen? Wie lange will und muss man die Ukraine unterstützen? Und wie soll das "Endgame" der Ukraine-Politik aussehen? Diese Fragen stellt sich Stefanie Babst hier.
Heute gratulieren wir herzlich:
Aydan Özoğuz (SPD), Bundestagsvizepräsidentin, 55
Frank Ulrich Montgomery, Weltärztepräsident, 70
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre