Ukraine

Der Kampf um die Flüchtlingskosten

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Unsere Themen heute:

  • Bisher bekommen die Länder 700 Euro pro aufgenommenen Flüchtling – zu wenig, sagen sie. Diese Woche wird mit dem Bund nachverhandelt.

  • Kanzler Olaf Scholz nimmt den CDU-Chef Friedrich Merz in die Pflicht. Nun wird noch einmal über die Impfpflicht gesprochen. Alle Hintergründe lesen Sie bei uns.

  • Das Saarland wählt den CDU-Regierungschef in einer historischen Niederlage ab, die SPD triumphiert. Für Tobias Hans ist die politische Karriere wohl beendet.

  • Bayern, Baden-Württemberg und andere Länder machen einen Vorstoß zur Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes. Wir erklären, warum.

  • Das von der Ampel-Koalition verabredete 9-Euro-Ticket sorgt bei den Verkehrsunternehmen für Unruhe. Wir haben den Brandbrief der Branche vorliegen.

Der Kampf um die Flüchtlingskosten

Mehr als 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind auf der Flucht bereits in Deutschland angekommen. Hundertausende dürften folgen, sofern der Krieg nicht bald endet.

Die Politik muss sich damit erstmals seit sechs Jahren wieder mit den Folgen einer Flüchtlingswelle auseinandersetzen. Es geht dabei um Unterkünfte, um den Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge – und es geht um die Übernahme von Kosten.

Und dabei knirscht es zwischen Bund und Ländern.

Kernstreitpunkt: Werden die Flüchtlinge über das SGB II unterstützt – erhalten also die Mittel von Hartz-IV-Empfängern – oder wird das Asylbewerberleistungsgesetz herangezogen. Bei einer Lösung über das SGB II müsste der Bund mehr Kosten übernehmen.

Christian Lindner © imago

Bisher erhalten die Länder, so vernehmen wir, knapp 700 Euro für jeden aufgenommenen Flüchtling – es liegt deutlich unter den tatsächlichen Kosten.

Seit vergangener Woche laufen die Vorgespräche, bereits am Donnerstag hat Finanzstaatssekretär Werner Gatzer Vertreter aus Bund und Ländern zusammengerufen, um einen Kompromiss zu finden. In dieser Woche soll eine Lösung auch politisch verhandelt werden. Gelingt das nicht, muss sie spätestens am 7. April stehen – zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz.

Aus den Gesprächen sind diverse Details zu uns geraten. Die Verhandlungslage sieht wie folgt aus:

  • Die Bundesregierung ist bereit, eine Lösung über das SGB II zu akzeptieren, will diese aber stark einschränken. So sollen die Leistungen nur diejenigen erhalten, die einen Aufenthaltstitel haben.

  • Noch zu verhandeln ist, ob die Mittel bereits von Anfang an zur Verfügung gestellt werden, oder ob dies erst nach einem halben Jahr oder noch später der Fall ist.

  • Der Bund will bestenfalls darüberhinaus keine weiteren Kosten erbringen. Und davon fallen einige an: Integrationskosten wie die Bereitstellung von Kita- oder Schulplätzen würden dann an den Ländern hängen bleiben.

  • Hier besteht zwischen A- und B-Seite im Bundesrat Einigkeit – das würde nicht ausreichen. Die Bundesregierung dagegen verweist auf die schon erbrachten Leitungen.

  • Ebenfalls verhandelt wird eine grundsätzliche Anschlussregelung für die Ende 2021 ausgelaufene Bundesbeteiligung an den Flüchtlingskosten.

Die politische Verhandlung über die Fragen sollen Ende dieser Woche stattfinden.

Weitere Informationen:

  • Hören Sie hier den Podcast mit Franziska Giffey über die Flüchtlingssituation in ihrer Stadt.

  • Und hier den aktuellen Hauptstadt Podcast, ebenfalls zu dem Thema.

Scholz drängt Merz zu neuen Impfpflicht-Verhandlungen

Olaf Scholz und Friedrich Merz © Imago

Auf Betreiben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird nun der wahrscheinlich letzte Versuch unternommen, mit der Union eine Verständigung beim Thema Corona-Impfpflicht zu finden.

Scholz befürwortet wie sein Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Bislang zeichnet sich dafür aber keine Mehrheit ab. Die Union hat andere Vorstellungen.

Wie wir aus Fraktionskreisen hören, soll der Kanzler persönlich bei CDU-Chef Friedrich Merz gebeten haben, ein weiteres Mal mögliche Kompromisslinien auszuloten. Für den kommenden Mittwoch sind Unterhändler von SPD und Union nun zu einer Videokonferenz verabredet.

Scholz und Merz werden selbst nicht dabei sein. Vorgesehen sind bisher die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Dagmar Schmidt und Dirk Wiese sowie Unionsfraktionsvize Sepp Müller und der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller.

Ein Durchbruch käme vollkommen unerwartet. Merz hatte vergangene Woche intern das Signal gegeben, die Union sei zwar gesprächsbereit, werde aber hart bleiben.

Lesen Sie hier die Analyse unseres Kollegen Rasmus Buchsteiner.

Das Finale um die Impfpflicht 

Auf Drängen des Kanzlers soll noch einmal verhandelt werden. Kommt es noch zu einer Überraschung?

Artikel lesen

Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

Artikel

Umfrage: Ampel soll sich um Pflege, Bildung, Rente kümmern

Die Deutschen wünschen sich 100 Tage nach Beginn der Ampel-Koalition spürbare Verbesserungen bei der Pflege, der langfristigen Sicherung des Rentensystems und beim Bürokratieabbau.

Das geht aus einer aktuellen Forsa-Umfrage für den Arbeitgeberverband BDA hervor, die uns vorliegt.

Demnach wünschen sich 65 Prozent der Bundesbürger, dass die Bundesregierung deutlich mehr für die Zukunft des Pflegesystems tun müsse. 22 Prozent sagen, die Koalition müsse mehr tun. Nur 8 Prozent sind zufrieden mit der aktuellen Pflegepolitik. Befragt wurden drei Wochen nach Kriegsbeginn 1004 Personen.

Eine Mehrheit von 58 Prozent erwartet mehr Engagement der Regierung bei der Zukunftsfähigkeit des Rentensystems und eine Verbesserung des Bildungssystems.

Mehr als die Hälfte der Befragten sind außerdem der Auffassung, dass der Bürokratieabbau schneller vorangehen müsste.

Im Bundestagswahlkampf war dies bei FDP und Grünen eines der Hauptthemen.

Hier können Sie die Ergebnisse als PDF in kompletter Länge lesen.

Putins Streubomben: Bundesregierung ahnungslos

Die Bundesregierung kann nach eigenen Angaben keine Informationen zum russischen Einsatz international geächteter Waffen in der Ukraine vorlegen. Das musste sie auf eine parlamentarische Frage hin gegenüber der Linksfraktion im Bundestag zugeben.

Die Antwort liegt unserem Investigativreporter Christian Schweppe vor.

Darin heißt es: "Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen über Medienberichterstattung sowie Berichte von Nichtregierungsorganisationen (...) hinausgehenden Erkenntnisse."

Erstaunlich: Zum einen haben die Vereinten Nationen und Amnesty längst konkrete Belege für den Einsatz der seit Jahren international geächteten Streumunition vorgelegt.

Munitionsbeispiel: Unschädliche gemachte Hülsen von Minibomben (MLRS-M26-Rakete) © dpa

Zum anderen reicht schon ein einfacher Blick auf Twitter, um nicht zu ignorierende Hinweise zu entdecken, die man weiter prüfen könnte, um den Bruch des Völkerrechts zu belegen.

Streumunition enthält, vereinfacht gesagt, hunderte Minibomben, die sich bei Explosion über große Flächen verteilen – sie verwunden und töten Soldaten und Zivilisten.

Linken-Fraktionsvize Ali Al-Dailami sagte uns:

"Während mitten in Europa ein Krieg tobt und Deutschland durch Waffenlieferungen involviert ist, zeigt man sich, was den Einsatz von Streumunition durch Russland angeht, ahnungslos. Wenn das so ist, ist es eine Bankrotterklärung für die deutsche Außenpolitik und nachrichtendienstliche Aufklärung."

Der BND gab auf Nachfrage an, zu dem Thema leider nichts beitragen zu können.

ÖPNV erwartet „exorbitante Einnahmeausfälle“ durch 9-Euro-Tickets

U-Bahnhof Bundestag in Berlin © Imago

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen rechnet mit „exorbitanten zusätzlichen Einnahmeausfällen“ bei der Umsetzung der Koalitionspläne für ein 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.

„Einzelfahrscheine werden praktisch nicht mehr gelöst werden, da ein 9-Euro-Abo diese Ticketart vollständig kannibalisieren wird“, heißt es in einem Brief von VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff an die zuständigen Minister in Bund und Ländern.

Bisherigen Abo-Kunden werde eine Erstattung gewährt werden müssen. Hinzu komme eine bislang nicht absehbare Anzahl von Neukunden. Außerdem erwartet der Verband erhebliche Umsetzungskosten.

Weiter schreibt Wolff:

Neben der Kostenentwicklung ist zu berücksichtigen, dass bei einem erheblich stärker in Anspruch genommenen ÖPNV-System eine Überlastung unausweichlich ist.

Der Verband fordert rasche finanzielle Unterstützung für die Anbieter, „um die jetzt vorzunehmenden Erstattungen gegenüber den Kunden und Ausgaben für Betriebsmittel vornehmen zu können“.

Neuer Länder-Vorstoß für Verschärfung der Corona-Regeln

Beschlussvorlage für die Gesundheitsministerkonferenz © ThePioneer

Aus den Ländern kommt ein neuer Vorstoß zur Verschärfung der Corona-Regeln. „Angesichts der enorm hohen Infektionszahlen“ müssten die jeweils erforderlichen Maßnahmen „schnell und unbürokratisch wie bisher“ angewendet werden können, heißt es in einem Beschlusspapier für die Gesundheitsministerkonferenz an diesem Montag.

Es liegt unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vor. Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und das Saarland fordern darin eine Verschärfung der jüngst gelockerten Regelungen im Infektionsschutzgesetz.

Diese sehen nur noch einen Basisschutz wie etwa eine Maskenpflicht in Arztpraxen, Bussen und Bahnen sowie die Testspflicht in Kitas, Schulen und Krankenhäusern vor. Weitergehende Regeln sind in so genannten Hotspots möglich.

Dafür müssten jedoch geeignete Kriterien „klar und vollziehbar“ vorgegeben werden, heißt es nun in dem Beschlusspapier. Zudem müsse klargestellt werden, dass sich ein Bundesland auch in Gänze zum Hotspot erklären könne. Außerdem wollen die Länder, dass schärfere Corona-Regeln aus der Zeit vor der Reform noch bis Ende April in Kraft bleiben können.

Die CDU hat sämtliche Mitglieder für ihre Fachkommissionen zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms ernannt, einige interessante Personalien sind dabei.

In der Kommission Internationale Stabilität, geleitet von Ines Claus (Fraktionschefin der CDU im hessischen Landtag) und Marc Speich (NRW-Bevollmächtigter beim Bund), ist etwa der Wirtschaftsanwalt Bernd-Uwe Stucken dabei, der 30 Jahre in China gelebt hat.

In der Kommission Wohlstand, koordiniert von Ex-Minister Jens Spahn, diskutieren unter anderem JU-Chef Tilman Kuban, der Musikmanager Joe Chialo, die Geschäftsführerin einer Dachdeckerfirma, Dorin Müthel-Brennecke, sowie der Friseurmeister Guido Wirtz aus Rheinland-Pfalz über die Frage, wie Deutschland auch morgen Wohlstand schafft.

In der Gruppe Aufstieg, geleitet von CDU-Vizin Karin Prien, sollen unter anderem die Schulleiterin Sandra Gockel aus Sachsen, der Grundschullehrer Jan Günther aus Unna und der NRW-Bildungsexperte Klaus Kaiser Ideen entwickeln, wie beste Bildung für alle Kinder möglich ist.

In der Kommission Humane Digitalisierung, die von Ronja Kemmer und Nadine Schön geleitet wird, arbeitet Erik Bertram, ein SAP-Manager, und der Infromatik-Professor Dominik Ludewig Michels mit.

Aufstieg im Entwicklungsministerium: Neuer Leiter der Abteilung 5 (Flucht/Krisenprävention/Zivilgesellschaft) ist seit Mitte März Jochen Steinhilber.

Er kommt neu aus der Friedrich-Ebert-Stiftung in das Haus von Ministerin Svenja Schulze.

Diese Woche will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in NRW mit Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) Gebiete besuchen, die von der Flutkatatstrophe 2021 betroffen waren. Das hören wir aus Regierungskreisen.

Am 2. April macht der Kanzler mit dem SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Thomas Kutschaty, in Essen Wahlkampf.

Am 6. April 2022 startet der „Arbeitskreis Staatsreform“ in der Unionsfraktion. Geleitet wird die Gruppe von CDU-Parlamentarier Philipp Amthor.

Zur ersten Sitzung hat sich Parteichef Friedrich Merz angesagt. Es gehe um „eigene Ideen und Konzepte für eine Reform unseres Staatswesens“, heißt es.

Für weitere Sitzungen sind Armin Schuster, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, sowie Rechnungshof-Chef Kay Scheller eingeladen.

© The Pioneer

Auf - Robert Habeck. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk ist wegen seiner undiplomatischen Art umstritten, nun hat er öffentlich gemacht, wen er aus der Regierung besonders schätzt und wer sich in den ersten Tagen des Krieges aus seiner Sicht wenig konstruktiv gezeigt hat. Von Verteidigungsministerin Lambrecht (zu zögerlich) und FDP-Chef Lindner (er sprach von der schnellen Niederlage der Ukraine) ist Melnyk enttäuscht, Habeck sei dagegen an Tag eins bei ihm gewesen und habe echte Anteilnahme gezeigt. Bis hin zur sofortigen Unterstützung für Waffenlieferungen. Habeck ist heute unser Aufsteiger.

Ab - Tobias Hans. Die CDU-Führung in Berlin verweigerte Unterstützung, doch die historische Niederlage der CDU bei der Landtagswahl im Saarland geht vor allem auf das Konto von Hans. Als Amtsinhaber und Ministerpräsident in Krisenzeiten abgewählt zu werden, ist schon eine Leistung. Die Saarländerinnen und Saarländer hatten kein Vertrauen in den CDU-Spitzenmann, die direkte und pragmatische Art seiner Stellvertreterin kam besser an. Die Karriere des Tobias Hans in der Politik dürfte beendet sein. Unser Absteiger.

Der Spiegel analysiert die Landtagswahl im Saarland und kommentiert die Lage für die SPD nach 22 Jahren CDU-Herrschaft im Land. "An diesem Wochenende nun kehren die Saarländer zurück zur Sozialdemokratie. Spitzenkandidatin Anke Rehlinger und ihren Leuten gelingt etwas, das es deutschlandweit fast fünf Jahre lang nicht mehr gegeben hat: die Abwahl eines amtierenden Ministerpräsidenten." Dies sei auch ein Geschenk der Genossen an der Saar für den Bundeskanzler, schreiben Kevin Hagen und Christian Teevs. "Als Kanzlerpartei ist sie wieder klarer Anwärter auf die Chefposten auch in den Ländern." Hier geht es zu dem Kommentar.

FAZ-Autor Daniel Deckers geht mit der Bilanz der saarländischen CDU-Regierungen hart ins Gericht. "Die Abhängigkeit von der krisenanfälligen Stahl- und Automobilindustrie ist nach wie vor groß, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte nach wie vor ein strukturelles Problem, der Strukturwandel nach wie vor ein mehr als zähes Unterfangen, die Bildungs- und Wissenschaftspolitik nach wie vor weitgehend ambitionslos, die Verkehrspolitik phantasielos wie ehedem, das Corona-Management so verwirrend wie andernorts auch." Die Wahlniederlage sei hausgemacht. "Gleich ob Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik oder ob Innere Sicherheit – auch an der Saar hat die Union ihren traditionell großen Kredit verspielt." Hier geht es zu dem Text.

Heute gratulieren wir herzlich:

Nils Wiechmann, ehem. Co-Chef der Grünen in Rheinland-Pfalz, 46

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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