Der Krieg der Kanzlerin

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Campaign Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Im Kreis der G7 kämpft Kanzlerin Angela Merkel um eine längere Evakuierung in Kabul - ohne Erfolg. Heute steht mit der Regierungserklärung die Innenpolitik an.

  • Die TV-Trielle gelten als Höhepunkt des Wahlkampfs. Hinter den Kulissen buhlen die Berater der Kanzlerkandidaten um das Abschlussstatement in der Fernsehrunde.

  • Alle drei Kanzlerkandidaten bezirzen die Gewerkschaften, doch bei den Arbeitnehmer-Vertretern genießt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz den größten Rückhalt.

  • Kein Lockdown mehr für Theater, Kinos und Museen. Das verspricht die Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei einem Besuch auf der Pioneer One.

Der Krieg der Kanzlerin

Als die Kanzlerin das letzte Mal Afghanistan besucht hat, gab es den IS noch nicht, die Krim war noch nicht von Russland besetzt und Ursula von der Leyen war Arbeitsministerin einer schwarz-gelben Koalition.

Das Thema schien über die Jahre aus der Prioritätenliste verschwunden zu sein - nun ist es mit Wucht wieder da. Heute gibt Angela Merkel nach Jahren ihre erste Regierungserklärung zu Afghanistan ab.

2013 war der letzte Besuch der Kanzlerin am Hindukusch, unter anderem im damaligen Bundeswehr-Lager in Kundus. Afghanistan stand vor dem Übergang vom Kampfeinsatz ISAF zur Unterstützungsmission Resolute Support.

Angela Merkel grüßt eine Ortskraft in Kundus, 2013 © dpa

Bis in den Dienstagabend arbeitete sie noch an ihrer Rede. Es soll eine umfassende, realistische Bilanz des Einsatzes werden. Und Merkel wird die Öffentlichkeit darauf vorbereiten müssen, dass der Einsatz und die Evakuierung in wenigen Tagen enden dürften - da sich die USA unwiderruflich zurückziehen wollen.

Das Scheitern in Afghanistan bleibt auch ihr Scheitern. Keine Regierungschefin weltweit trug so lange eine Gesamtverantwortung für den Einsatz - bei Merkel sind es nahezu die gesamtem 16 Jahre ihrer Kanzlerschaft.

Am Dienstag mühte sich Merkel im Rahmen der G7 um eine Verlängerung der Evakuierung - doch US-Präsident Joe Biden ließ mit sich nicht über eine Veränderung des Enddatums 31. August verhandeln. Zwar schloss sie in der anschließenden Pressekonferenz nicht eindeutig eine Verlängerung über das Ende des Monats aus. Doch in Regierungskreisen gilt als unzweifelhaft, dass mit den USA auch der deutsche Einsatz enden wird.

Insbesondere in den ersten Jahren ihrer Amtszeiten stand das Thema Afghanistan hoch auf der Prioritätenliste der Kanzlerin. Die meisten ihrer Regierungserklärungen und Reisen hielt und machte Merkel in den Jahren 2006 bis 2011 - in der Phase, in der Deutschland auch die meisten gefallenen Soldaten zu beklagen hatte.

Auch durch den Auftritt des damaligen Verteidigungsministers Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) war Afghanistan im Zentrum der politischen Debatte.

Moderator Kerner, Minister Guttenberg in Masar-e Scharif, 2010 © dpa

"Es ist damals Chefsache gewesen", sagt einer, der den Einsatz lange politisch begleitet hat. Daran habe auch Guttenberg seinen Anteil gehabt.

Dennoch habe Merkel dem Einsatz "nie ihren Stempel aufgedrückt", sagte uns ein anderer.

Bei einem Abendessen mit dem verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt zu Beginn ihrer Amtszeit habe dieser auf einen schnellen Rückzug gedrängt, hörten wir. Doch Merkels Prinzip über die Jahre blieb stets die Idee, gemeinsam mit den USA den Einsatz zu begleiten.

Auch die Möglichkeit eines Rückzugs aus dem Land nach der Zerschlagung von al-Qaida 2011 wurde im Kanzleramt nie wirklich diskutiert. "Vielleicht aus heutiger Sicht ein Fehler", hörten wir als Einschätzung von Insidern.

Stattdessen kümmert sich die Kanzlerin in den letzten Wochen im Amt nun um die Verbesserung der politischen Situation vor Ort. In den vergangenen Tagen telefonierte sie fast täglich mit Staatschefs - oft ging es um die Flüchtlingsfrage.

Indien, Usbekistan, Pakistan - fast die gesamte Region stand auf der Telefonliste.

Am Dienstag telefonierte Merkel erneut mit dem Emir von Katar, über den sie Einfluss auf die Taliban auszuüben hofft. Er spiele eine "sehr konstruktive Rolle", lobte sie ihn öffentlich.

Es ist ihre Hoffnung, auf den letzten Metern im Amt nicht ein noch weiter eskalierendes außenpolitisches Drama verantworten zu müssen.

1. Verhandlungen mit den Taliban: Konsens in Katar?

In heiklen diplomatischen Gesprächen mit der Bundesregierung haben Vertreter der militant-islamistischen Taliban die Fortdauer von Verhandlungsrunden in Katars Hauptstadt Doha zugesichert.

Seit der vergangenen Woche weilt der deutsche Diplomat Markus Potzel für die vertraulichen Unterredungen am Persischen Golf.

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Unser Investigativreporter Christian Schweppe hat recherchiert, was in den Runden derzeit besprochen und verhandelt wird und wie genau alles abläuft am Persischen Golf.

Lesen Sie hier seinen Hintergrundbericht.

Minimalkonsens mit Islamisten

In Doha trifft sich ein deutscher Krisendiplomat mit den Taliban. Was dort nun besprochen wird.

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Veröffentlicht von Christian Schweppe.

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Von Seiten der Opposition kam Kritik an der Krisendiplomatie.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann findet: "Die Bundesregierung sucht den Minimalkonsens. Das passiert, wenn man das Militär abzieht und erst dann an die zivilen Ortskräfte denkt. Wir sind jetzt erpressbar und diesen Minimalkonsens wird es mit den Taliban nie geben."

Johann Wadephul (CDU) sprach uns gegenüber von einem "Arbeitskontakt", der derzeit mit den Taliban wichtig sei. Es müsse aus seiner Sicht aber darum gehen, "gute Rahmenbedingungen für die Ausreise und Evakuierung unseres Personals zu schaffen – auch Ortskräfte und Familien".

Er kritisiert die Bundesregierung: "Wir haben zu lange nicht wahrhaben wollen, dass Joe Biden Donald Trumps Versprechen tatsächlich umsetzen würde und die Truppen so schnell abzieht. Man dachte wohl immer: Es geht irgendwie weiter und schaltete zu spät um."

So habe eine gute Exitstrategie gefehlt.

"Wir müssen in Europa Außen- und Verteidigungspolitik ernsthaft auf die Agenda setzen, denn nur so können wir der Verantwortung für unsere gemeinsame Sicherheit gerecht werden", sagte uns CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte.

Die diplomatischen Gespräche in Doha gingen am Dienstagabend deutscher Zeit weiter. Einbezogen ist neben dem AA sowie dem Gesandten Potzel auch der Krisenstab in Berlin.

Interne Regierungspapiere belegen zudem, dass es derzeit nächtliche Konvois zum Flughafengelände von Kabul gibt, „die von den Taliban kontrolliert und eskortiert werden“.

So steht es wörtlich in Unterlagen, die unter anderem an zu evakuierende Ortskräfte der Bundeswehr geschickt wurden.

Auszug aus Papier der Bundesregierung  © The Pioneer

Die Bundesregierung könne aber nicht für eine erfolgreiche Umsetzung der Fahrten garantieren. Organisiert würden sie von einem Partnerland. „Die Entscheidung mitzufahren liegt ganz bei Ihnen“, hieß es so auch gegenüber Helferinnen und Helfern der deutschen Truppen, die derzeit auf den Evakuierungslisten stehen.

2. Grütters: Kein Lockdown mehr für die Kultur

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hält einen erneuten Lockdown für Kulturbetriebe für unwahrscheinlich.

“Wir gleiten wieder in die Normalität. Die Kulturschaffenden waren damals die Ersten, die schließen mussten, sie dürfen nicht die Letzten sein, die wieder aufmachen.”

Kulturbetriebe seien keine Orte für Infektionsgeschehen, sagte Grütters bei einem Besuch auf der Pioneer One.

Man habe schon früh Studien in Auftrag gegeben, die besagen, dass man sich in Theatern, Konzerthäusern oder Museen “so gut wie nicht anstecke kann”, sagte Grütters.

Das ist ein regelbasiertes Publikum und die Häuser sind gewohnt mit Publikumsströmen umzugehen.

Monika Grütters © dpa

Grütters: “Da steckt man sich viel weniger an als im privaten Bereich oder in der Gastronomie. Ich sehe deshalb keinen Bedarf Theater oder andere Kulturhäuser wieder zu schließen.”

Die Branche sei zwar heftig getroffen worden, aber eine Insolvenzwelle habe es bisher zum Glück nicht gegeben.

“Es hat kein Kinosterben gegeben, und es hat keine Buchhandlung getroffen. Bei den Verlagen ist auch keiner eingegangen.”

Berliner Philharmonie.  © dpa

Dass die Corona-Hilfen für die Kultur erst Ende 2020 beschlossen wurden, schiebt Grütters auf SPD-Finanzminister Olaf Scholz.

“Alle 16 Kulturminister und die Wirtschaftsminister haben schon im April für spezielle Hilfen für die Kultur geworben, da war die Aussage von Olaf Scholz immer, die Pandemie betreffe auch andere Branchen, und man könne nicht für alle Bereiche Geld ausgeben.”

Bei den Einlassbeschränkungen in Theatern und Museen gelte bis auf Weiteres das 3-G-Prinzip, betonte Grütters.

“Für staatliche Kulturinstitutionen gilt geimpft, genesen oder getestet, weil wir keine Impfpflicht aussprechen.”

Das ganze Gespräch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien können Sie heute ab 10 Uhr hier hören.

3. Letzte Chancen für R2G schwinden

Die SPD rückt wegen der aktuellen außenpolitischen Krise mehr und mehr von der Option einer rot-rot-grünen Koalition ab. Zahlreiche SPD-Politiker stören sich dabei vor allem an der Empfehlung der Linken-Bundestagsfraktion für eine Enthaltung bei der heutigen Abstimmung über das Evakuierungsmandat der Bundeswehr in Kabul.

"Die Linkspartei verpasst eine gute Gelegenheit, außenpolitische Reife zu zeigen", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid.

"Damit rückt eine gemeinsame Regierung weiter in die Ferne."

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.  © dpa

4. Corona: Nur MV und NRW haben Quarantäne-Regeln für Schulen

In sechs Bundesländern hat die Schule wieder begonnen, als letztes Bundesland startet Bayern ab dem 13. September in das neue Schuljahr.

Einheitliche Quarantäneregeln gibt es in den jeweiligen Bundesländern allerdings nicht, wie eine Umfrage unseres Kollegen Lukas Rosendahl ergeben hat.

Die Gesundheits- und Kultusminister der Länder überlassen Quarantänemaßnahmen in den meisten Fällen den lokalen Gesundheitsämtern.

Mecklenburg-Vorpommern ist eines der wenigen Länder, das zum Schulstart eine Strategie vorlegt: Tritt ein positiver Fall auf, muss vorerst nur die betroffene Person in Quarantäne. Personen, die im engeren Umfeld der infizierten Person waren, dürfen weiter zur Schule gehen, kommen aber nicht in Kontakt mit Schülerinnen und Schülern anderer Klassen.

Außerdem gilt für 14 Tage eine Maskenpflicht und die Schüler werden täglich getestet. Erst wenn vermehrt positive Fälle auftreten, gehen auch Kontaktpersonen in Quarantäne.

In Nordrhein-Westfalen gibt die Landesregierung vor, dass die direkten Sitznachbarn einer positiv getesteten Person für 14 Tage in Quarantäne müssen. Es sei denn, die Person ist vollständig geimpft. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt dann keine Quarantäne.

Die anderen Bundesländer geben die Verantwortung an die lokalen Gesundheitsämter weiter. Dort soll im Einzelfall entschieden werden, wer nach Bekanntwerden eines positiven Falls in Quarantäne muss.

Niedersachsen, Hamburg, Bayern, Sachsen-Anhalt und das Saarland wollen sich dabei an den allgemeinen Quarantäne-Vorgaben des RKI orientieren.

5. Gewerkschaften für Ampel-Koalition mit Scholz

Olaf Scholz bei DGB-Demonstration zum 1. Mai in Potsdam © dpa

Die Gewerkschaften favorisieren eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP mit Olaf Scholz als Bundeskanzler.

Das erfuhr ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner in Gesprächen mit führenden Gewerkschaftern. Scholz führe einen klugen Wahlkampf, hieß es. Die jüngsten Entwicklungen in den Umfragen seien sehr erfreulich.

Nach außen hin betonen die Spitzenfunktionäre das Prinzip der Einheitsgewerkschaft, legen sich parteipolitisch nicht fest, geben zumindest keine Wahlempfehlung ab.

In Gewerkschaftskreisen wird einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis keine Chance eingeben. Eine Deutschland-Koalition mit Union, SPD und FDP oder eine Jamaika-Koalition mit Armin Laschet als Bundeskanzler wäre aus Sicht von Gewerkschaftern die zweit- beziehungsweise drittbeste Regierungsoption.

Armin Laschet bei einer Gewerkschaftsdemonstration in Düsseldorf  © dpa

Alle drei Kanzlerkandidaten und auch FDP-Chef Christian Lindner stehen mit den Gewerkschaftsspitzen in engem Austausch, teilweise sogar in SMS-Kontakt.

SPD-Kanzlerkandidat Scholz, der Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist, hatte bei Beratungen mit dem DGB-Bundesvorstand im Januar einen guten Eindruck hinterlassen.

Positiv äußern sich Spitzenfunktionäre auch über Laschet. Der CDU-Chef denke Arbeitnehmerinteressen immer mit, heißt es.

Besonders hervorgehoben wird in Gewerkschaftskreisen, dass sowohl Scholz als auch Laschet dagegen sind, den bis 2038 geplanten Kohleausstieg vorzuziehen.

Am Dienstag hatte DGB-Chef Reiner Hoffmann mit den Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen sowie den Parteivorsitzenden von FDP und Linke über die Transformation der deutschen Wirtschaft debattiert.

Kommende Woche ist IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis sowohl mit Laschet als auch mit Lindner zu einem Talk-Format („Kantinengespräche“) verabredet.

6. Fluthilfe: Entschädigung auch für Umsatzeinbußen

Unternehmen sollen staatliche Entschädigungen auch für Einkommenseinbußen in Zusammenhang mit Flutschäden in diesem Sommer erhalten. Das geht aus einem Verordnungsentwurf der Bundesregierung hervor, der uns vorliegt.

Der Bundestag berät an diesem Mittwoch erstmals über die geplante Fluthilfe.

Der Fonds soll bis zu 30 Milliarden Euro umfassen - zwei Milliarden Euro davon kann der Bund zur Wiederherstellung seiner eigenen Infrastruktur ausgeben.

Der Rest der Mittel soll in die betroffenen Länder - Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen - fließen. Knapp 55 Prozent des Fondsvolumens ist für NRW vorgesehen, rund 44 Prozent für Rheinland-Pfalz, ein Prozent für Bayern und knapp 0,5 Prozent für Sachsen.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz kommt am 9. September zur Vorstandsklausur der konservativen europäischen Parteifamilie EVP nach München.

Gastgeber ist Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, auch Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und der EVP-Fraktionschef im Brüsseler Europaparlament, Manfred Weber, werden in München dabei sein.

Sebastian Kurz, Markus Söder und Manfred Weber 2019 in Straubing. © dpa

Manfred Weber werden Ambitionen auf die Nachfolge von Donald Tusk als EVP-Chef nachgesagt. So könne der CSU-Politiker als Partei- und Fraktionschef mit gesteigertem Einfluss in einigen Jahren einen "Neuanlauf für ein europäisches Spitzenamt nehmen", heißt es in der Fraktion der EVP in Brüssel.

Im November wählt die EVP bei ihrem Parteitag höchstwahrscheinlich einen neuen Vorsitzenden, der frühere EU-Ratspräsident Tusk war unlängst nach Polen zurückgekehrt, wo er die Führung der Oppositionspartei Bürgerplattform übernommen hatte.

Tusk könnte 2023 als Spitzenkandidat die umstrittene PiS und ihren Regierungschef Mateusz Morawiecki herausfordern.

Spekulationen, dass der CSU-Politiker Weber im Herbst in eine mögliche Unions-geführte Bundesregierung eintreten könnte, hatte Söder bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Seeon im Juli eine klare Absage erteilt. Künftige Bundesminister der CSU würden aus der Landesgruppe im Bundestag kommen, so Söder.

Die Pressesprecher und Kommunikationsberater der drei Kanzlerkandidaten haben mit den Vertretern der TV-Sender die Bedingungen für die Trielle ausgehandelt.

Dabei soll es Parteikreisen zufolge bei ARD/ZDF, Pro7/Sat.1 und bei RTL mehrere Themenblöcke geben, die von den Moderatoren abgefragt werden.

Die Kandidaten kennen diese nicht vorab. Es wird wie bei den früheren TV-Duellen in Bundestagswahlkämpfen eine eingeblendete Uhr geben, die die Redezeit der Kandidaten misst. ARD/ZDF und Pro7 planen jeweils eine 90-minütige Diskussion, nur RTL will an diesem Sonntag eine 105-Minütige Diskussion der drei Kandidaten senden und dürfte damit in die Anne Will-Sendung (21.45 Uhr, ARD) hineingeraten.

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Knifflig wurde es bei der Frage der Abschlussstatements, die als besonders attraktiv gelten. Wer das letzte Wort hat, bleibt im Gedächtnis der Zuschauer, so lautet das Kalkül der Parteistrategen.

Die Sprecher der Kandidaten hatten erwogen, dass bei drei anstehenden TV-Triellen alle drei Kandidaten jeweils einmal die Chance zum letzten Wort haben und ausgelost werden könnte, welcher Kandidat bei welchem Sender das Abschlussstatement bekommt.

Doch ARD und ZDF, vertreten durch Peter Frey und Rainald Becker, wollten sich darauf nicht einlassen. Nun wird bei ARD/ZDF das Abschlussstatement zwischen den drei Kandidaten ausgelost, RTL wird ebenso verfahren, bei Pro7/Sat1 soll es kein Abschlussstatement geben.

Zu Besuch in Bayern. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist am 11. September Gastredner beim CSU-Parteitag in Nürnberg, der Heimat von CSU-Chef Markus Söder. Laschet habe den Termin zugesagt und werde persönlich vor Ort sein, wie ein Parteisprecher auf Anfrage bestätigte. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will in seiner Heimatstadt zur Mobilisierung in den letzten beiden Wahlkampfwochen aufrufen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellt am Donnerstag den Wahlwerbespot von Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus vor. Der Spot, so erfuhren wir vorab, soll im "deutlichen Kontrast" zum Spot der Grünen daherkommen.

Er soll den Kandidaten Scholz in den Mittelpunkt stellen und das Thema Seriosität betonen. Verantwortet wurde er wie die gesamte Kampagne von der Werbeagentur von Raphael Brinkert.

Die Freien Demokraten entdecken in diesem Bundestagswahlkampf Landwirte für sich. Bei den Bauern sei der Frust über die Politik von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) erheblich. Ihnen wolle man ein Angebot machen, sagte uns ein FDP-Vorstandsmitglied.

Klöckner war zuletzt aus der Landwirtschaft Nachgiebigkeit vorgeworfen worden. Kritikern zufolge habe sie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zu häufig gewähren lassen - etwa im Streit um die Düngemittelverordnung.

Laut einer Umfrage des Branchendienstes agrarheute steigt die FDP in der Gunst der Landwirte. Inzwischen liegt sie mit einer Zustimmung von 24 Prozent vorn - ein Plus von elf Prozentpunkten gegenüber 2017. Die Union kommt dagegen nur auf 18 Prozent.

Wahlkreis 183 - Frankfurt am Main II: Bettina Wiesmann vs. Omid Nouripour

In 299 Wahlkreisen bewerben sich Kandidatinnen und Kandidaten für ein Direktmandat im Deutschen Bundestag. Von Flensburg-Schleswig, dem Wahlkreis 1, bis Homburg, der Nummer 299, geht es mal knapper und mal deutlicher, mal prominenter und mal unbekannter zu.

Bis zur Bundestagswahl stellen wir rund 40 Wahlkreise vor, auf die es zu achten lohnt. Weil es knapp ist, weil Prominente antreten oder ein Swing bevorsteht.

Heute werfen wir einen Blick in die fünftgrößte Stadt Deutschlands - in den Wahlkreis Frankfurt am Main II.

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Der Wahlkreis 183 umfasst den südöstlichen und nördlichen Teil von Frankfurt am Main. Rund 220.000 Wahlberechtigte leben hier. 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 77 Prozent.

Bei der letzten Bundestagswahl gewann CDU-Familienpolitikerin Bettina Wiesmann das Direktmandat mit 32,4 Prozent der Erststimmen gegen Ulrike Nissen von der SPD (25,9 Prozent). Der außenpolitische Sprecher der Grünen Omid Nouripour landete mit 13,5 Prozent auf Rang drei.

Vier Jahre später hat sich zwar nicht die personelle, aber die politische Lage verändert. Wiesmann möchte ihr Mandat verteidigen, ihr größter Konkurrent ist der erneut antretende Nouripour.

Bewerben sich um das Direktmandat im Wahlkreis Frankfurt am Main II: Grünen-Kandidat Omid Nouripour (links) und Bettina Wiesmann von der CDU. © ThePioneer

Nach aktuellen Prognosen von election.de hat der Grünen-Kandidat gute Chancen, im seinem vierten Anlauf erstmals das Direktmandat im Wahlkreis Frankfurt am Main II zu gewinnen. Entschieden ist der Kampf um die meisten Erststimmen aber noch nicht. Auch CDU-Bewerberin Wiesmann räumt die Webseite noch Chancen ein.

Bettina Wiesmann und Omid Nouripour haben von uns jeweils identische Fragebögen erhalten. Hier sind die Antworten in unserem ThePioneer-Battleground.

Die Mandatsinhaberin

Bewirbt sich für die CDU um das Direktmandat im Wahlkreis Frankfurt am Main II: Bettina Wiesmann. © imago

Wer bin ich? Bettina M. Wiesmann, 54 Jahre, Unternehmensberaterin. Familienmensch: seit 30 Jahren glücklich verheiratet, Mutter von vier tollen Töchtern. Immer auf der Suche nach der richtigen Balance zwischen Freiheit und Ordnung, Vielfalt und Einklang.

Wo wohne ich? Im Nordend, genauer dem Holzhausenviertel. Mit Garten, Grün und Hund.

Was zeichnet mich aus? Sachorientierung, Hartnäckigkeit und Teamplay. Und ich weiß, dass die meisten Dinge mehrere Seiten haben und es auf den klugen Ausgleich und die Fähigkeit zum Kompromiss ankommt.

Lieblingsort im Wahlkreis: Das Holzhausenschlösschen. Hier zeigt die Frankfurter Bürgerstiftung tagtäglich, wie soziales, kulturelles und ökologisches Engagement für die Bürger Frankfurts, besonders für Kinder und Familien, aussieht.

Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Den Menschen mit Freundlichkeit und Offenheit begegnen, Information und Austausch anbieten, meine Positionen begründen, andere respektieren. Ideen aufnehmen, gemeinsamen Grund bestimmen.

Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Das Digitale nicht zum Selbstzweck machen. Sachlich und argumentativ auftreten. Keine Soaps. Mich nicht anbiedern.

Bestes Give-Away: Mein Sommerbrief. Hier finden die Leute alles, was ich seit letztem Herbst politisch unternommen habe. Dazu gibt es einen Bambus-Kugelschreiber, um Wichtiges zu unterstreichen, und Maulklammern für Zusammenhalt.

Mein politisches Thema: Familie: Hier lernen Menschen, mit sich und den Mitmenschen umzugehen. Hier entsteht Zukunft im Kleinen und Zusammenhalt für alle. Und Jugend: Junge Leute haben in der Pandemie Enormes geleistet und mehr gelitten als viele andere. Eine Hauptaufgabe der nächsten Legislaturperiode ist, ihnen zum Nachholen, Kompensieren und Durchstarten zu verhelfen.

Als erstes ändere ich: Zunächst soll im Herbst ein Kinder- und Jugendgipfel veranstaltet werden, auf dem die junge Generation ihre Wünsche an die Politik formulieren kann. Außerdem möchte ich die Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen bei Angelegenheiten erweitern.

Wunsch-Koalition: 2017 hätte ich mich sehr über Jamaika gefreut. Warten wir den 26. September ab.

Mein Slogan: Zuhören. Ausgleichen. Voranbringen.

Größte Stärke meines Konkurrenten: Netter Kollege mit viel Kompetenz in außenpolitischen Fragen.

Größte Schwäche meines Konkurrenten: Frankfurt ist natürlich nicht nur Außenpolitik.

Auf diesen Termin freue ich mich: Gestern habe ich mit dem Hessischen Kultusminister Alexander Lorz sowie Eltern, Lehrern und Schülern über das Thema "Bildung nach der Pandemie: Real. Digital. Egal?" diskutiert. Und am 26. September radle ich mit meiner Familie durch Frankfurt und freue mich auf den Wählerwillen.

Der Herausforderer

Omid Nouripour von den Grünen kandidiert für das Direktmandat im Wahlkreis Frankfurt am Main II. © Omid Nouripour

Wer bin ich? Omid Nouripour, 46 Jahre, Außenpolitischer Sprecher der Grünen und Vorsitzender vom Eintracht-Fanclub im deutschen Bundestag, EFC Bundesadler.

Wo wohne ich? Frankfurt und Berlin.

Was zeichnet mich aus? Man wird ja ausgezeichnet und zeichnet sich nicht selbst aus - das müssen andere beurteilen.

Lieblingsort im Wahlkreis: Das Waldstadion!

Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Gewinnen.

Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Auch gewinnen.

Bestes Give-Away: Mein Plakat mit dem Slogan “Für Frieden und Eintracht - weltweit."

Mein politisches Thema: Außenpolitik, Frieden, Eintracht.

Als erstes ändere ich: Die Ambitionslosigkeit der deutschen Außenpolitik.

Wunsch-Koalition: Grüne vorne.

Mein Slogan: Für Frieden und Eintracht weltweit.

Größte Stärke meiner Konkurrentin: ... welche Konkurrentin? ;)

Größte Schwäche meiner Konkurrentin: Ich als Konkurrent.

Auf diesen Termin freue ich mich: Erstwähler*innentreffen im Eintracht-Museum.

Möchte über die Landesliste der FDP Sachsen in den Deutschen Bundestag: Philipp Hartewig, 26. © ThePioneer

Die FDP hat in Ostdeutschland keinen leichten Stand. In drei der fünf neuen Bundesländer ist sie nicht im Landtag vertreten - unter anderem in Sachsen.

Dennoch hat Philipp Hartewig Chancen in den nächsten Bundestag einzuziehen. Der 26-jährige FDP-Politiker tritt im Wahlkreis Mittelsachsen an. Dass er dort das Direktmandat gewinnt, ist unwahrscheinlich, allerdings würde sein dritter Platz auf der Landesliste nach aktuellen Umfragen reichen.

Hartewig ist in Chemnitz geboren, hat in Leipzig und Prag Jura studiert und absolviert derzeit sein Rechtsreferendariat in Dresden. “Als Schülervertreter haben mich die FDP-Positionen zur Bildungspolitik angesprochen”, erzählte er unserem Reporter Jonas Wengert am Telefon.

Er habe viele weitere seiner Ansichten bei den Liberalen wiedergefunden und dann entschieden, sich selbst zu engagieren. Drei Jahre lang war Hartewig Vorsitzender der Jungliberalen Aktion (so der Name der JuLis in Sachsen). Seit 2015 gehört er dem Landesvorstand der sächsischen FDP an, seit 2019 ist er stellvertretender Vorsitzender.

Seine ostdeutsche Biografie spielt für Hartewig eine Rolle. “Ich wäre der erste sächsische Bundestagsabgeordnete, der im wiedervereinigten Deutschland geboren ist”, sagt der FDP-Kandidat. In seinen Augen spielt das Ost-West-Denken bei der Generation unter 30 eine viel geringere Rolle. Das negative Bild, dass der Ostbeauftrage der Bundesregierung Marco Wanderwitz von der Region malt, gefällt Hartewig nicht. Er wünscht sich positive und selbstbewusste Anknüpfungspunkte für den Osten.

“Wir sind die erste Generation, für die das wiedervereinigte Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist”, sagt er. Zwar kenne man “das Vorher” aus Erzählungen und es schwinge natürlich in vielen Regionen immer mit. Aber:

Mit unserem Blickwinkel können wir einen großen Beitrag dazu leisten, Konflikte abzubauen.

In nächsten Bundestag wäre Hartewig gern Mitglied im Sportausschuss. “Es gibt kaum eine Sportart, die ich nicht verfolge und bei der ich nicht mitfiebere.” Privat geht er ins Fitnessstudio, joggt und spielt Fußball mit Freunden. “Im Verein spiele ich nur noch hin und wieder Schach”, so Hartewig. Privat ist er Fan und passives Mitglied des Chemnitzer FC. “Es ist inzwischen eher ein Mitleiden.”

Olaf Scholz besucht morgen Hessens Metropole Frankfurt am Main. Der Kanzlerkandidat tritt zusammen mit den dortigen SPD-Direktkandidaten Kaweh Mansoori und Armand Zorn auf.

Robert Habeck und Annalena Baerbock setzen ihre Wahlkampftour fort. Habeck ist heute in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt in Oberhausen und Emsdetten unterwegs.

Morgen spricht er auf den Marktplätzen von Osnabrück und Braunschweig. Kanzlerkandidatin Baerbock besucht den Norden der Republik, heute spricht sie abends am Jungfernstieg in Hamburg, morgen früh auf dem Platz der Kieler Matrosen in Kiel.

Bei den Linken sind heute Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine zu Gast in Weimar und treten zusammen mit der dortigen Direktkandidatin und Bundesparteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow auf. Der Spitzenkandidat der Partei, Dietmar Bartsch, ist morgen in Sachsen unterwegs. Vormittags besucht er Freiberg, am Nachmittag ist er in Meißen zu Gast

In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Rösrath ist morgen FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner zu Gast. Er nimmt dort nachmittags am Sommer-Talk auf Schloss Eulenbroich teil.

Auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist morgen in NRW unterwegs. Er besucht in Korschenbroich den Kreisverband Rhein-Kreis Neuss und die Bundestagsabgeordneten der Union Ansgar Heveling und Günter Krings.

Die Rettungsmission am Flughafen Kabul ist noch im vollem Gang. Doch viele Politiker sorgen sich schon jetzt um die Zahl der möglichen Geflüchteten, die auf Deutschland und Europa zukommen könnte. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und Bundesinnenminister Horst Seehofer setzen darauf, die Menschen in den Nachbarländern unterzubringen - die dafür im Gegenzug von der UN und dem Westen Geld bekommen sollen. “Was die Afghanistan-Flüchtlingsfrage angeht, werden die USA und die EU sich mehr einfallen lassen müssen als dichtzumachen und gleichzeitig mit dem Scheckbuch zu wedeln”, schreibt Tomas Avenarius in seinem Kommentar für die SZ und erklärt, warum die Nachbarstaaten wie Pakistan, Iran oder Usbekistan mit Kopfschütteln auf diese Idee reagieren werden. Hier nachzulesen.

Laut Umfragewerten ist Olaf Scholz der beliebteste der drei Bewerber um das Kanzleramt. Nun zieht seine Partei nach: Die neueste Forsa-Umfrage weist die SPD mit 23 Prozent als stärkste Kraft aus. “Dabei wurde die SPD in den vergangenen Jahren abgeschrieben wie keine andere Partei. Das Totenglöcklein läutete seit dem Ende der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder. Mal lauter, mal leiser, aber fast ohne Unterlass”, schreibt Spiegel-Journalist Christian Teevs in seiner Analyse, die der Frage nachgeht, was hinter dem Umfragehoch von Scholz steckt - und er erklärt, warum der Sozialdemokrat auch für die Trielle mit Laschet und Baerbock gute Karten haben könnte. Hier nachzulesen.

Die Pioneer Polls ergeben sich durch den Mittelwert der aktuellen Umfragen der Institute Allensbach, Kantar, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, GMS, Infratest Dimap, Insa und YouGov.

Heute gratulieren wir herzlich:

Reginald Hanke, FDP-Bundestagsabgeordneter, 65

Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister der CSU, 66

Gordon Repinski, Ko-Autor dieses Briefings, 44

Morgen gratulieren wir:

Ulrich Lechte, FDP-Bundestagsabgeordneter, 44

Christian Schmidt, CSU-Bundestagsabgeordneter, 64

Svenja Stadler, SPD-Bundestagsabgeordneter, 45

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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