Union droht mit Blockade im Bundesrat

Der Machtkampf ums Bürgergeld

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© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Die Union droht, das Bürgergeld der Ampel-Koalition im Bundesrat zu boykottieren. Wir analysieren, welche Kompromisslösungen denkbar sind.

  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Eckpunkte für das Klimaschutzsofortprogramm gestern in die Ressortabstimmung gegeben. Doch es gibt Konflikte mit der FDP.

  • Heiko Thoms ist Deutschlands Botschafter in Brasilien. Wir haben mit ihm über den Ausgang der Präsidentschaftswahl gesprochen.

  • Die Bundeswehr sieht sich bei ihrem Einsatz in der Sahel-Zone mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Ein interner Bericht dazu liegt uns vor.

Machtkampf ums Bürgergeld

Es ist ein Machtkampf, den die Union durchaus gewinnen könnte. Die Ampel-Koalition will zum Jahreswechsel das neue Bürgergeld einführen. Es soll das alte Hartz-IV-System ersetzen.

Vielen in der Union aber gehen die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu weit. CDU-Chef Friedrich Merz hat deshalb jene acht Länder hinter sich geschart, in denen die Union mitregiert. Halten die acht zusammen, können sie das Gesetz blockieren.

Für die Bundesregierung drängt die Zeit. Landet das Gesetz im Vermittlungsausschuss, ist der Zeitplan nicht zu halten.

Hubertus Heil (SPD) © The Pioneer

Zumindest aus dem grünen Teil der Landesregierung von Baden-Württemberg vernimmt unser Kollege Thorsten Denkler Kompromiss-Bereitschaft. Etwa in Fragen des Schonvermögens.

Aber auch eine Drohung ist zu hören: Mit elf Regierungsbeteiligungen könnten die Grünen den Abbau der kalten Progression blockieren.

Die Liste der Kritikpunkte am Bürgergeld ist lang. Wir haben uns die Liste zusammen mit Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, angesehen:

Schonvermögen von 150 000 Euro für eine 6-köpfige Familie: Hier einen Kompromiss zu finden, wäre kein echter Gewinn für die Union. Derart hohe Schonvermögen spielten empirisch gesehen keine große Rolle, sagt Schäfer.

Keine Obergrenze für Wohnkosten in den ersten zwei Jahren. "Da gibt es wenig Handlungsbedarf", sagt Schäfer. Die Wohnfrage werde von den Jobcentern sehr verantwortungsbewusst gehandhabt. Außerdem gelte bereits eine sechsmonatige Karenzzeit.

Erwerbsfreibetrag: Kein Problem hat Schäfer damit, dass Jugendliche Einnahmen aus Ferienjobs behalten sollen. Er hätte sich aber gewünscht, dass die Zuverdienstmöglichkeiten auch für Erwachsene deutlich ausgeweitet werden würden. Da könnte für die Union noch etwas drin sein.

Sechs Monate Vertrauenszeit, bevor Sanktionen greifen können: Damit hat Schäfer das größte Problem. Das sei das "falsche Signal". Es zeige Neuzugängen im System, "dass sie sich einrichten können, dass man erstmal nichts von ihnen erwartet". Für SPD und Grüne dürfte die Vertrauenszeit sakrosankt sein.

Maximal 30 Prozent des Regelsatzes sind sanktionsfähig. Da sieht Schäfer Verhandlungsspielraum. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zur Verhältnismäßigkeit der Sanktionen durchaus die Tür dafür offen gelassen, Menschen, die jede Mitarbeit verweigern, die Hilfe komplett zu streichen. In dem Fall könne angenommen werden, dass diese Person die Hilfe nicht nötig habe.

FDP pocht auf Verrechnung der CO2-Ziele

Die FDP fordert das Bundeswirtschaftsministerium auf, "die Sektorenziele durch eine Gesamtbudgetbetrachtung zu ersetzen". Das sagt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad unserem Kollegen Thorsten Denkler. Das BMWK soll dazu "endlich einen Gesetzesentwurf zur Reform des Klimaschutzgesetzes auf den Weg" bringen.

Carina Konrad, FDP-Bundestagsabgeordnete. © dpa

Aus dem BMWK hören wir, dass es dafür eine gewisse Offenheit gibt. Allerdings wird der Effekt als gering eingestuft. Es sei jetzt schon davon auszugehen, dass die Ziele in den anderen Sektoren nur knapp erreicht werden. Da gebe es nicht viel umzuschichten.

Hintergrund der Forderung ist der koalitionsinterne Disput um das Klimaschutzsofortprogramm, das das BMWK am Montag als Eckpunktepapier in die Ressortabstimmung gegeben hat.

Demnach verfehlt nur das von Volker Wissing (FDP) geführte Verkehrsministerium die Aufgabe, die Sektorziele für seinen Bereich zu erreichen. Dort verbleibe ein Minderungsbedarf von 118 bis 175 Millionen Tonnen CO2, heißt es in dem Papier.

Deutschland hat sich per Gesetz verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Ab 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.

Die Bundesregierung will jetzt erst im Frühjahr darüber verhandeln, ob und wie die Ziele für den Verkehr erreicht werden können. Konrad sagt uns: Erst auf Basis einer sektorübergreifenden Gesamtbudgetbetrachtung sei es "sinnvoll, über Art und Umfang der notwendigen Maßnahmen" zu entscheiden. "Bis dahin erübrigt sich jede Debatte über ein mittel- bis langfristiges Maßnahmenpaket."

Botschafter Thoms zu Lula-Sieg: "Jeder Tag zählt"

Der Deutsche Botschafter in Brasilien, Heiko Thoms, sprach mit uns über den Sieg Lulas in Brasilien und die Hoffnung der Bundesregierung.

Herr Botschafter, Lula hat die Wahl in Brasilien gewonnen. Kann man mit der Regierung jetzt wieder über Klimapolitik verhandeln? Ja, dies ist vielleicht der größte Unterschied zu seinem Vorgänger, Noch-Amtsinhaber Bolsonaro. Lula hat aktiv Wahlkampf damit gemacht, dass er Brasilien wieder zu einem engagierten Protagonisten im Kampf gegen den Klimawandel machen und die Entwaldung stoppen will. Damit war er bereits in seiner ersten Amtszeit 2003 bis 2010 sehr erfolgreich. Deutschland ist bereit, Brasilien dabei – wie schon in der Vergangenheit – intensiv und mit konkreten Angeboten zu unterstützen. Jeder Tag zählt.

Auf dem G20-Gipfel wird Lula seinen ersten großen internationalen Auftritt haben. Wird die Wahl im Kreise der G20 zu einer Machtverschiebung führen? Brasilien ist als mit Abstand größte Volkswirtschaft Lateinamerikas ein wichtiger Bestandteil der G20 und wird dies auch in Zukunft bleiben. Brasilien ist eine führende Stimme der Schwellenländer und ich bin sicher, dass wir auch in der G20 unter Lula ein international noch engagierteres Brasilien erleben werden. Der Austausch mit den Schwellenländern in der G20 ist für uns von großer Bedeutung, dies wird derzeit angesichts des globalen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Umfelds besonders deutlich. In wichtigen globalen Zukunftsfragen, wie der Bekämpfung des Klimawandels, der Ernährungssicherheit, der Verfügbarkeit nachhaltiger Energieträger und auch bei der Digitalisierung unserer Volkswirtschaften, hat Brasilien viele Angebote zu machen.

Welche Erwartungen und Hoffnungen werden Deutschland und der Westen in ihn setzen? Brasilien ist unser engster Partner in Südamerika. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind außerordentlich eng. Rund 1.000 deutsche Unternehmen sind hier vor Ort, die rund 10 Prozent des industriellen BIP des Landes erwirtschaften. Wir setzen auch hier auf eine weitere Intensivierung dieser Beziehungen. In seiner Rede als gewählter Präsident hat Lula die große Bedeutung betont, die er Klima- und Nachhaltigkeitsfragen beimisst. Besonders optimistisch stimmt mich seine Ankündigung, die illegale Entwaldung besser bekämpfen und auf null zurückfahren zu wollen.

Bundeswehr mit Problemen im Sahel

Die Bundeswehr ist aktuell mit zahlreichen Problemen in ihrem Einsatzgebiet in der Sahel-Region konfrontiert. Dies geht aus einem Einsatzbericht der Truppe hervor, den wir gelesen haben.

So konnte etwa die Drohne Heron 1 wegen fehlender malischer Fluggenehmigungen zuletzt nicht eingesetzt werden. Als Folge der komplizierten Genehmigungsverfahren für Überflug- und Landerechte fehlen der Bundeswehr auch grundlegende Informationen über Flugbewegungen von und nach Mali.

Bundeswehr-Missionen in der Sahelzone: Fragwürdige Rechnungen – zweifelhafte Sitten © Bundeswehr/ Tessensohn/ dpa

Auch die Sicherheitslage vor Ort ist weiter kritisch. Ende Oktober kam es bei einem dschihadistisch motivierten Angriff in der Region Tillabéri im Niger zu mindestens elf getöteten Zivilpersonen.

"Dieser erneute Angriff reiht sich ein in eine Vielzahl von Angriffen dschihadistischer Gruppierungen in der malischnigrischen Grenzregion", heißt es in dem Bericht.

Der Angriff sei mutmaßlich einer Untergruppe des Islamischen Staats zuzuordnen. Wie in weiten Teilen der Region seien "die überdehnten, schlecht ausgebildeten und ausgerüsteten nigrischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, flächendeckend und nachhaltig ohne externe Unterstützung gegen die Dschihadisten vorzugehen."

Das Fazit in dem Bericht:

Eine flächendeckende und nachhaltige Eindämmung der dschihadistischen Gewalt ist unwahrscheinlich.

Am 8. November treffen Hubertus Heil (SPD), Friedrich Merz (CDU), Wolfgang Kubicki (FDP), Jens Spahn (CDU) und Michael Kellner (Grüne) auf dem Branchentag des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verbands in Berlin zusammen.

Friedrich Merz © dpa

Unter dem Motto "Wandel gestalten. Perspektiven schaffen. Zukunft sichern." kommt das Gastgewerbe in den Bolle Festsälen in Moabit zusammen und diskutiert über die immer noch von den Nachwirkungen der Pandemie geschwächte Branche.

Die Referenten Heil und Merz treten direkt nach der Eröffnung durch den Dehoga-Präsidenten Guido Zöllick auf, am Nachmittag folgt dann ein Branchentalk mit Spahn, Kellner und anderen Experten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reist heute nach Dresden. Am Morgen ist ein Gespräch mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sowie den stellvertretenden Ministerpräsidenten Wolfram Günther (Grüne) und Martin Dulig (SPD) zu aktuellen energie- und wirtschaftspolitischen Themen geplant. Am Nachmittag besucht er außerdem das Unternehmen Wacker Chemie.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) reist von Mittwoch bis Donnerstag an die polnisch-belarussische Grenze. Im Grenzgebiet nahe Białystok möchte sie sich ein Bild von der Situation Geflüchteter entlang der dortigen Migrationsroute machen.

© The Pioneer, Foto Cherax wagenknechtae: Christian Lukhaup/dpa

Auf - Sahra Wagenknechts Name erhält nun auch einen festen Platz in der Welt der Zoologie. Der Meerestierexperte Christian Lukhaup benannte eine von ihm entdeckte Krebstierart nach ihr: Cherax wagenknechtae. Die Linken-Politikerin habe ihn inspiriert, entschlossen für eine bessere und fairere Zukunft zu kämpfen, begründete Lukhaup seine Namenswahl. Und welches Sternzeichen hat Wagenknecht? Sie können es sich schon denken. Geboren wurde sie am 16. Juli 1969. Unsere Aufsteigerin!

Ab - Cherax wagenknechtae. Der arme Krebs kann nun wirklich nichts für seine Namensgeberin. Nun wird er ein Leben lang mit der umstrittenen Politikerin in Verbindung gebracht werden und bestimmt noch viele hämische Kommentare seiner Meereskameraden über sich ergehen lassen müssen. Unser Absteiger!

Der Demografiewandel wird zunehmend problematisch für die deutsche Altersvorsorge: Zu wenige junge Menschen müssen die Kosten der Baby-Boomer-Generation tragen, der Generationenvertrag ist nicht mehr solidarisch. Daher schlägt der Volkswirt Manfred Schlumberger in seinem Gastbeitrag eine Reformation des deutschen Rentensystems in zwei Schritten vor: Einerseits die Ergänzung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch einen kapitalgedeckten Staatsfonds, eine grundlegende Reform der "missratenen" Riester-Rente andererseits. Lesenswert!

Mit Kapitaldeckung aus der Rentenfalle

Wie das Demografie-Problem gelöst und das Rentensystem gestärkt werden kann – in zwei Schritten.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Manfred Schlumberger.

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"Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht". Das scheint das Leitmotiv zu sein, wenn es um die Ausgestaltung des 200 Milliarden Euro großen Abwehrschirms gegen die hohen Energiepreise gehe, kommentiert die FAZ-Wirtschaftskorrespondentin Julia Löhr. Der am Montag vorgestellte Abschlussbericht der Gaskommission verdeutliche dies noch einmal. "Was Ende September als schnelle und unkomplizierte Entlastung angekündigt war, entwickelt sich zu einem bürokratischen Monstrum, bei dem kaum noch jemand durchblickt – am wenigsten diejenigen, die es entlasten soll." Warum Einmalzahlungen stattdessen einfacher gewesen wären, lesen Sie hier.

Heute gratulieren wir herzlich:

Klaus Ernst, Linken-Bundestagsabgeordneter, 68

Margit Gottstein (Grüne), Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, 62

Bernard Kouchner, ehem. französischer Außenminister und Mitbegründer von Ärzte ohne Grenzen, 83

Kerstin Radomski, CDU-Bundestagsabgeordnete, 48

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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