Der Masterplan für die Macht

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Header Ampel Organisation © ThePioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Keine Wochenendschichten, maximale Vertraulichkeit. In 22 Arbeitsgruppen und mit klaren Vorgaben will die Ampel bis zum 10. November einen Entwurf für den Koalitionsvertrag erarbeiten. Wir sagen, welche Fallstricke drohen.

  • Die FDP schlägt einen Pakt mit Moldawien, Ukraine und Georgien vor, um die Flüchtlingsbewegungen in Belarus zu stoppen.

  • Die Fahrer des Bundestags proben den Aufstand und fordern einen Tarifvertrag mit höheren Löhnen. Wir kennen die Details.

  • Der SPD-Vorstand beschließt die Haltung der Partei zum umstrittenen Thema der bewaffneten Drohnen.

  • Aufsteiger ist heute Armin Laschet, der mit Applaus von der NRW-CDU verabschiedet wurde. Absteiger ist ein AfD-Mann, der nicht Bundestagsvize werden soll.

Der Masterplan für den Koalitionsvertrag

In dieser Woche wird es ernst. Ab Mittwoch, 11 Uhr, beginnen die 22 Arbeitsgruppen von SPD, Grünen und FDP mit den Koalitionsverhandlungen. Am 10. November um 18 Uhr soll die Arbeit in den Gruppen abgeschlossen sein und an die Kernverhandler abgegeben werden.

Bis dahin ist die Arbeit strikt durchstrukturiert. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Punkte vor:

  • Die Arbeitsgruppen sollen in gleicher Weise ihre Texte anfertigen, die jeweils maximal drei (kleinere Verhandlungsgruppen) bis fünf Seiten (größere Gruppen) umfassen sollen. So soll am Ende ein Koalitionsvertrag von rund 100 Seiten entstehen.

  • Die Arbeitsgruppen sollen alle Streitpunkte - sofern möglich - selbst ausräumen. Nur in Ausnahmefällen sollen ungeklärte Punkte an die Steuerungsgruppe abgegeben werden.

  • Sollten Punkte in den Fachgruppen nicht gelöst werden, sollen sie in farblichen Formulierungsvorschlägen der Parteien gekennzeichnet werden - die SPD-Formulierung würde also z.B. rot markiert werden.

  • Geschrieben wird in Calibri, Schriftgröße 11, Zeilenabstand 1,5.

Leitfaden für die Gruppenarbeit © ThePioneer

Zum Anfang der Papiere sollen Ziele und Maßnahmen für die kommende Legislaturperiode beschrieben werden. Am Ende werden Schnittstellen und Widersprüche mit anderen Gruppen festgehalten. Auch Finanzbedarfe und mögliche Mitbestimmung durch den Bundesrat sollen erläutert werden.

Die Verhandlungen finden ab Mittwoch im Zeitrahmen von 11 Uhr - 17 Uhr täglich statt. Die Zeit vorher soll für interne Vorbesprechungen freigehalten werden, die Zeit danach zum Protokollieren und Aufschreiben der Ergebnisse durch die Notetaker der Parteien.

Es soll überwiegend in den Parteizentralen verhandelt werden, die Räume werden von den Gruppen selbständig in Rücksprache mit den Organisationsbüros der Parteien gebucht.

Und weil alles vertraulich bleiben soll, gibt es eine klare Anweisung an die Verhandler:

Bitte keine gemeinsamen Wortprotokolle erstellen.

Die Notetaker werden von den Parteien festgelegt - es sind zwei pro Gruppe. In der Regel handelt es sich um Referenten aus den Parteizentralen. Mindestens die SPD hat zusätzlich eine koordinierende Funktion an einen Referenten oder eine Referentin vergeben, der oder die sich um die Oberthemen aus den Gruppen kümmert.

Hier ein Ausriss der Struktur:

Notetaker bei der SPD © ThePioneer

In den Verhandlungsgruppen kommt es zum Teil zum Aufeinandertreffen von Politikkonzepten, die Spannung und einiges an Diskurs versprechen. Kontrovers dürfte es etwa in der Gruppe Landwirtschaft werden, in der für die SPD unter anderem der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies die Interessen des Großproduktionsstandortes Niedersachsen vertritt und auf die Konzepte der Grünen (Renate Künast) und der FDP (Carina Konrad) trifft.

Übersicht Verhandlungsgruppen (1) © ThePioneer

Ebenfalls interessant dürfte die Gruppe 11 werden - dort verhandelt für die SPD Parteivize Kevin Kühnert das emotional aufgeladene Thema Bauen und Wohnen. Für die FDP tritt dort der Bundestagsabgeordnete Daniel Föst an.

Übersicht Verhandlungsgruppen (2) © ThePioneer

Brisant wird auch die Zusammenarbeit in der Gruppe 22 - Finanzen. Für die FDP verhandelt dort Christian Dürr, der die Fraktion in der kommenden Legislaturperiode führen könnte. Für die SPD verhandelt Doris Ahnen aus dem Ampel-Land Rheinland-Pfalz: Das darf als Zeichen der Kompromisswilligkeit an die Verhandlungspartner gesehen werden.

Übersicht Verhandlungsgruppen (3) © ThePioneer

1. Belarus: FDP-Verhandler für Migration regt Flüchtlingspakt an

Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp und FDP-Chefverhandler in der Koalitions-Arbeitsgruppe Migration sieht die Flüchtlingsbewegungen an der weißrussisch-polnischen Grenze mit Sorge und schlägt einen Flüchtlingspakt mit Moldawien, Georgien und Ukraine vor.

„Deutschland darf sich nicht erpressen lassen. Es muss eine Initiative geben, um auf Länder wie Moldawien, Georgien und die Ukraine zuzugehen", sagte uns Stamp.

"Wenn es in diesen Ländern die Bereitschaft gibt, die von Belarus missbrauchten Migranten vorübergehend aufzunehmen und im Gegenzug eine stärkere Anbindung an den EU-Binnenmarkt zu erhalten, könnten die Migranten von dort aus in ihre Heimatländer zurückkehren."

Wenn in den Herkunftsländern deutlich werde, dass Belarus die Migranten nur missbrauche und sie nicht in der EU landen, "wird das widerliche Geschäftsmodell von Lukaschenko bald ein Ende haben".

Joachim Stamp, Vize-Ministerpräsident in NRW. © dpa

Grenzkontrollen allein würden hingegen das Problem nicht lösen, so Stamp.

In den letzten 3 Monaten zählte die Bundespolizei 6500 Flüchtlinge, die unerlaubt über Weißrussland und Polen nach Deutschland einreisten. In den sieben Monaten davor waren es nur 26. Die EU beschuldigt Belarus, gezielt Migranten an ihre Außengrenzen zu bringen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellt weitere Polizisten für das Grenzgebiet zu Polen in Aussicht und droht mit Grenzkontrollen.

2. Bundestags-Chauffeure drohen mit neuem Streik

Fahrdienst-Fahrzeuge am Bundestag © Imago

Die Fahrerinnen und Fahren, die Bundestagsabgeordnete in Berlin von A nach B bringen, pochen weiter auf einen Tarifvertrag - und wollen dafür notfalls erneut streiken. Rund um die konstituierende Sitzung an diesem Dienstag wollen die Beschäftigten, die bei der Bundeswehr-Tochter BwFuhrpark angestellt sind, noch einmal für ihre Sicht der Dinge werben.

„Wir erwarten, dass sich der neue Bundestag und die Bundesregierung bewegen und es einen Tarifvertrag geben wird“, sagte uns Nils Kammradt, der Bundesbeamtensekretär der Gewerkschaft. „Das Verteidigungsministerium muss einem Tarifvertrag für die BwFuhrpark dann noch zustimmen. Sollte sich hier nichts bewegen, sind weitere Streiks nicht auszuschließen.“ Bereits vor der Sommerpause hatte es Warnstreik-Aktionen gegeben.

Alle Hintergründe zu dieser Tarifauseinandersetzung lesen Sie hier im Text von ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner.

Der Aufstand der Bundestags-Fahrer

Sie chauffieren Abgeordnete durch Berlin - kämpfen für höhere Löhne und hoffen auf die Ampel.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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3. SPD-Vorstand stimmt über Bewaffnung von Drohnen ab

Der SPD-Parteivorstand stimmt an diesem Montag über die Position zur Bewaffnung von Drohnen ab. Die Vorlage hierzu werde dem Vorstand zu der Sitzung an diesem Montag zugeleitet, hören wir aus Kreisen der SPD. Mit einer Zustimmung wäre auch für die kommende Regierung - mutmaßlich unter Führung von Olaf Scholz - der Weg frei für die tatsächliche Anschaffung.

Fotomontage © ThePioneer

Bis vor rund zehn Tagen und seit März hatte eine Projektgruppe der Partei unter Leitung von Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin eine Positionierungsempfehlung erarbeitet. Däubler-Gmelin solle laut Planungen die Ergebnisse der Projektgruppe in der Sitzung am Montag selbst präsentieren, hören wir.

Mit 11:2 Stimmen entschied die Gruppe, "eine Bewaffnung von Drohnen in Erwägung zu ziehen".

Lediglich die SPD-Parteilinke Nina Scheer und die jetzige Vize-Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, Daniela Kolbe, votierten gegen die Formulierung. Hörbare Gegenstimmen sind aktuell nicht einmal von der Parteilinken zu vernehmen - die Vorlage dürfte angenommen werden.

Die SPD-Fraktionsführung hat die Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas nominiert, heute soll die Besetzung des Bundestagspräsidiums auch bei Union, FDP und Union entschieden werden.

Eine Partei aber fand in der Debatte kaum statt: die Linke. Die amtierende Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau hat sich bisher nicht zu ihren Ambitionen geäußert.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). © Imago

Von der Fortsetzung ihrer Amtszeit ist aber auszugehen. Nach unseren Informationen hat der Fraktionsvorstand der Linken entschieden, Pau heute erneut als Bundestagsvizepräsidentin vorzuschlagen. Es wäre die fünfte Amtszeit der Berlinerin.

In der CDU gibt es unterdessen eine neue Interessentin für die Position: Die Krefelderin Kerstin Radomski will sich ebenfalls bewerben - bisher tun dies unter anderem Monika Grütters und Michael Grosse-Brömer.

Der ehemalige Vorstand der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO, Daniel Flohr, wechselt zum 1. November zur Berliner Politikberatung 365 Sherpas. Er wird dort Associate Director. Flohr war zunächst selbst Flugbegleiter bei der Lufthansa, wurde dann Gewerkschaftsreferent und stieg 2019 in den Vorstand der UFO auf.

Die Agentur 365 Sherpas von Gründer Cornelius Winter hat mittlerweile mehr als 40 Mitarbeiter an drei Standorten in Deutschland, Belgien und Österreich und berät Unternehmen, Verbände und die Bundesregierung.

Daniel Flohr © Privat

Die Frauen Union will in der Debatte über die Zukunft der CDU ein Wort mitreden. Dazu hat die FU-Vorsitzende Annette Widmann-Mauz alle Verbands- und Mandatsträgerinnen der Vereinigung sowie die Kreisvorsitzenden der FU für kommenden Donnerstag, 18.30 Uhr, zu einer Digitalkonferenz eingeladen, erfuhren wir. Auf dem Programm des Digitaltreffens mit mehreren hundert Teilnehmerinnen steht die Beratung über die inhaltliche, personelle und strukturelle Neuaufstellung der CDU.

© ThePioneer

Auf - Armin Laschet. Wäre er so öfter aufgetreten im Bundestagswahlkampf, wer weiß? NRW-Ministerpräsident und Noch-CDU-Vorsitzender Laschet gab sich auf seinem letzten Landesparteitag vergangenen Samstag in Bielefeld als Vorsitzender humorvoll, selbstkritisch und trotzdem angemessen selbstbewusst, was die Erfolge der schwarz-gelben Landesregierung betrifft. Er mahnte die Parteiführung zu Geschlossenheit und einem Miteinander, das sei der wichtigste Fundament für Wahlsiege. Minutenlang applaudierten die Delegierten, die ihm die Rückkehr an die politische Macht an Rhein und Ruhr im Jahr 2017 zu verdanken haben. Unser Aufsteiger.

Ab - Michael Kaufmann. Der Vizepräsident des thüringischen Landtags bezeichnet sich in seiner Bewerbungs-E-Mail für das Amt als Bundestagsvizepräsident als "gewissenhaft und frei von Skandalen". Dabei unterschlägt der Professor für Messtechnik an der Universität Jena, dass er als Mitgründer des Landesverbands Thüringen zu den leidenschaftlichen Unterstützern des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke gehört und sich von dessen ressentimentgeladenen Äußerungen gegenüber Migranten nie distanziert hat. Kaufmann stößt auf massiven Widerstand bei allen anderen Fraktionen im Bundestag, Linke, Grüne, SPD, FDP und Union. Eine Wahl als Vizepräsident dürfte ihm nicht gelingen. Absteiger.

Er ist ein ungewöhnlicher Verleger, der Hamburger Publizist Oliver Wurm hat schon die Bibel und das Grundgesetz als Magazin an die Kioske gebracht (und dafür das Bundesverdienstkreuz erhalten), außerdem produzierte er Panini-Hefte für Städte und Sportveranstaltungen. Mit dem Magazin "Kanzlerin" präsentiert er nun einen humorvollen und kreativen Rückblick auf die Ära Angela Merkel. Darin Gedichte, Grafiken und Cartoons zur Amtszeit der Kanzlerin, aber auch "Wir schaffen das"-Aufkleber und ein separates Heft mit 250 Eilmeldungen der Nachrichtenagentur dpa zum Thema Merkel.

Dazu gibt es Beiträge von politischen Beobachtern wie Reuters-Korrespondent Andreas Rinke, dpa-Chef Sven Gösmann, ZDF-Redakteurin Nicole Diekmann, Stern-Reporterin Ulrike Posche, Funke-Journalist Hajo Schumacher und Moderator und Podcaster Micky Beisenherz. In einem Text widmet sich auch einer der Autoren dieses Briefings der Bilanz Merkels und ihrer inhaltlichen Nähe zu ihrem einstigen Vorgänger Helmut Kohl. Wem der Weg zum Kiosk zu weit ist, hier kann man das Magazin bestellen.

Die Affäre um Machtmissbrauch und sexuelle Affären in der Bild-Zeitung und der Rücktritt des früheren Chefredakteurs Julian Reichelt beschäftigen die Berliner Medienrepublik. Im Spiegel warnt die Kolumnistin Bettina Gaus vor einer generellen Zuschreibung der Opferrolle für Frauen. "Inzwischen entsteht der Eindruck, Frauen seien stets und grundsätzlich die Opfer in Beziehungen mit männlichen Vorgesetzten", schreibt sie. "Das ist eine besonders perfide Art der Diskriminierung, weil sie sich als Fürsorge tarnt." Die Bild habe ein Kulturproblem und Reichelt seine Entlassung verdient, aber: "Wenn jetzt jedoch einvernehmliche sexuelle Beziehungen pauschal als ,Machtmissbrauch' eingestuft werden, dann entmündigt das diejenigen, die in der beruflichen Rangordnung unten stehen." Hier lesen!

Die New York Times macht sich Sorgen um den Umgang der EU mit Polen. "Was soll man tun, wenn ein Mitglied wiederholt gegen die von den 27 Ländern der Union vereinbarten Regeln verstößt, aber nicht die Absicht zeigt, die Union zu verlassen?", schreiben Elian Peltier und Monika Pronczuk aus dem Brüsseler Büro der Times. Dialog, Gerichtsverfahren und nun die Androhung von Sanktionen hätten nichts gebracht. "Polen hat jedoch nicht die Absicht gezeigt, einen Rückzieher zu machen, und hat diesen Monat einen provokativen Schritt unternommen, als sein oberstes Gericht entschied, dass die Verfassung des Landes in bestimmten Aspekten über dem EU-Recht steht." Hier lesen.

Heute gratulieren wir herzlich:

Wolfgang Kopp, Brigadegeneral a.D., früher Chef der KFOR-Truppen, 76

Carsten Träger, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Fürth, 48

Martin Bialecki, Chefredakteur Internationale Politik, 54

© ThePioneer

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich in ihrem Abschiedsinterview in der Süddeutschen Zeitung zu Wolfgang Schäuble, der nach fast 50 Jahren erneut für den Bundestag angetreten ist und nun als einfacher Abgeordneter im Plenum sitzen wird.

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Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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