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Unsere Themen heute:
Kanzler Olaf Scholz fliegt nach Paris und das große gemeinsame Rüstungsprojekt FCAS steht vor dem Abschluss.
Am Donnerstag könnte das EU-Aus für den Verbrenner-Motor endgültig besiegelt werden. Wir wissen, warum die FDP dennoch Hoffnung hat, dass es für E-Fuels Ausnahmen geben wird.
Die EU will statt mit einem Gaspreisdeckel lieber mit Langfristverträgen die Strompreise dämpfen. Wir wissen, was es damit auf sich hat.
Zwischen Bund und Ländern gibt es noch immer keine Lösung bezüglich der Übernahme der Flüchtlingskosten, die unionsgeführten Länder stören sich an Abrechnungsfragen.
Nach dem von Umweltaktivisten ausgelösten Feueralarm im Bundestag kommen die Ermittlungen voran - strafrechtlich könnten gleich mehrere Dinge ein Nachspiel haben.
Das deutsch-französische Rüstungsprojekt kommt
An diesem Mittwoch fährt Bundeskanzler Olaf Scholz nach Paris zu bilateralen Gesprächen mit Präsident Emmanuel Macron – und er hat offenbar eine bemerkenswerte Vereinbarung im Gepäck.
Das gemeinsame deutsch-französische Rüstungsprojekt Future Combat Air System (FCAS) – der Nachfolger für die in die Jahre gekommenen Eurofighter und Rafale (Frankreich) – soll Wirklichkeit werden.
© The PioneerDies hören wir aus Kreisen, die sich auskennen. Scholz soll demnach mit einem ausverhandelten Vorschlag nach Paris fahren, der auch für die französischen Partner eine Lösung ist. Zwischen den beiden beteiligten Firmen Airbus (Deutschland) und Dassault (Frankreich) war es zuletzt immer wieder zu Unstimmigkeiten gekommen.
Beide rangen lange um ihren Anteil in dem Projekt. In mehreren Gesprächen haben wir auf der deutschen Seite Unzufriedenheit über das Auftreten von Dassault vernommen. Der Konzern, so hieß es uns gegenüber, könne aktuell vor Kraft nicht laufen und lasse sich von der Politik nichts diktieren. Dies habe eine politische Einigung bei dem größten gemeinsamen Rüstungsprojekt seit vielen Jahren immer schwieriger gemacht.
Das neue Kampfflugzeug der „sechsten Generation“ ist mit zahlreichen anderen Waffensystemen vernetzt. Das Gesamtsystem verfügt über einen hohen Autonomiegrad. © AirbusEin entscheidender Streitpunkt war zuletzt die Frage, in welchem Land das bedeutende Flight Radar System hergestellt werden könnte. Beide Firmen beharrten auf ihren Fähigkeiten in dem Bereich. Die Einigung ist nun eine klassisch politische, vernehmen wir: Für die bemannte Version sollen die Franzosen im Lead sein, für die unbemannte die Deutschen.
Das System FCAS soll ein bemanntes Kampfflugzeug enthalten, aber auch einen Schwarm unbemannter Luftfahrzeuge. Dies alles soll mit den modernsten Waffen ausgestattet werden und im Fall der Franzosen auch das Trägersystem für atomare Waffen sein.
Ein Eurofighter der Bundeswehr © dpaFür Scholz und das deutsch-französische Verhältnis wäre ein Abschluss ein enormer Lichtblick. Zuletzt hatte es wegen der Energiepolitik zahlreiche Auseinandersetzungen in Brüssel, teils auch auf offener Bühne, gegeben. Die für heute ursprünglich in Fontainebleau in der Nähe von Paris geplanten deutsch-französischen Konsultationen zwischen den Ministerriegen aus beiden Ländern wurden verschoben.
Nach kurzem Aufenthalt in Paris wird Scholz am Nachmittag weiter nach Athen fliegen.
EU-Kommission will mit Langfristverträgen Strompreise dämpfen
Die Europäische Kommission hat den EU-Energieministern am Dienstag einen neuen Vorschlag unterbreitet, wie die Strompreise von den Gaspreisen entkoppelt werden können. Laut einem non-paper der Kommission, das uns vorliegt, sollen sich Stromhändler über Ausschreibungen mit langfristigen Verträgen an Produzenten günstiger Elektrizität, etwa aus erneuerbaren Energien oder Atomkraft, binden. Die Verträge sollen den Verbrauchern über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren günstigen Strom garantieren.
Eine Infografik mit dem Titel: Gasspeicher füllen sich
Füllstand der deutschen Gasspeicher 2022 und Durchschnitt der Jahre 2016-2021, in Prozent
Das Papier ist ein Gegenvorschlag zum Prinzip des Gaspreisdeckels, den manche EU-Staaten - dem Beispiel Spanien und Portugal folgend - einführen wollen. Die Kommission verweist darauf, dass im iberischen Modell die Subventionen für Strom aus Gaskraftwerken bei Weitem nicht so hoch angesetzt seien, wie manch einem Mitgliedsstaat jetzt vorschwebt.
Auf die gesamte EU übertragen, sei zudem nicht auszuschließen, dass mit dem iberischen Modell subventionierter Strom aus Gaskraftwerken nach Großbritannien oder in die Schweiz exportiert werde. Mit dem unerwünschten Nebeneffekt, dass die Nachfrage nach Gas in der EU steige.
Showdown für Verbrenner-Aus
Das Aus für die Neuzulassung von Autos mit Verbrennermotor ab 2035 könnte an diesem Donnerstag in Brüssel endgültig besiegelt werden. Wie unser Kollege Thorsten Denkler erfuhr, werden dann Vertreter der EU-Kommission, des Rates und des Parlaments zur letzten Trilog-Runde in dieser Frage zusammenkommen.
Die drei Institutionen sind sich nach unseren Informationen über die neuen EU-Flottengrenzwerte einig. Demnach werden ab 2035 nur noch Fahrzeuge neu zugelassen, die keine Klimagase ausstoßen. Das können bisher nur batterieelektrisch oder mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge leisten.
Unklar bleibt, was aus der FDP-Forderung wird, Verbrenner weiter zuzulassen, wenn sie mit klimaneutralen E-Fuels betankt werden.
Nach unseren Informationen will die Bundesregierung, dass der Auftrag an die Kommission bestehen bleibt, den FDP-Chef Christian Lindner Ende Juni gegen den Willen von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) durchgesetzt hat. Danach soll die Kommission einen Vorschlag erarbeiten, wie E-Fuels für PKW "außerhalb der EU-Flottengrenzwerte" berücksichtigt werden können.
Im aus FDP-Sicht besten Fall wird dieser Auftrag jetzt mit einem verbindlichen Datum versehen. Am Donnerstag könnte es in der Frage noch zu einem Showdown kommen, hören wir.
Judith Skudelny, FDP © dpaDie FDP wünscht sich da etwas mehr Rückhalt, vor allem aus der SPD. Judith Skudelny, Umwelt-Sprecherin der FDP-Fraktion, sagte uns: „Die SPD muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Hier stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Da kann die SPD nicht nur am Spielfeldrand stehen und zugucken.“
Unklare Verteilung von Flüchtlingskosten
Zwischen Bund und Ländern gibt es noch immer keine Lösung bezüglich der Übernahme der Flüchtlingskosten. Aktuell bietet FDP-Finanzminister Christian Lindner den Ländern zwei Milliarden Euro an, doch eine Lösung steht aus, hören wir aus Länderkreisen.
© The PioneerDie unionsgeführten B-Länder stören sich aktuell unter anderem noch an Abrechnungsfragen. Nach jetzigem Stand sollen die Kosten über eine Pauschale ausgeglichen werden, dies wird aber noch strittig diskutiert. Die Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Kanzler treffen sich am 2. November das nächste Mal in Präsenz in Berlin.
Bundestag: Ermittlungen nach Feueralarm
Nach den von Klimaaktivisten mutwillig im Bundestag ausgelösten Feueralarmen kommen die Ermittlungen der zuständigen Bundestagspolizei voran. Drei Personalien sind nach den Vorfällen im Parlament zuletzt festgestellt worden.
Strafrechtlich stehen gleich mehrere Dinge im Raum, hat unser Investigativreporter Christian Schweppe recherchiert: Insbesondere wegen der Sachbeschädigung an den Brandmeldern und der ausgelösten Kosten für den Feuerwehreinsatz. Beides zusammen liegt in einem vierstelligen Bereich. Auch gegen die Hausordnung des Bundestags haben die Aktivistinnen und Aktivisten klar verstoßen.
Ein Alarm wurde auf der Kuppel des Reichstags ausgelöst, ein zweiter zwei Tage später im Paul-Löbe-Haus. In solchen Fällen rückt die Berliner Feuerwehr dort an, im Löbe-Haus müssen wegen verstärkter Sicherheitsauflagen bei einem Alarm auch sofort die Evakuierungsdurchsagen ertönen. Die Protestaktion hatte den Parlamentsbetrieb daher erheblich gestört und war auf Videos und Bildern festgehalten und im Netz geteilt worden.
Ernst Ulrich von Weizsäcker, SPD-Urgestein und promovierter Physiker, wird beim kommenden SPD-Debattenkonvent auftreten. Der Umweltwissenschaftler war Mitglied des Deutschen Bundestags von 1998 bis 2005 und Ehrenpräsident des Club of Rome. Er gilt als früher Vorkämpfer für mehr Bewusstsein für den Klimawandel.
Ernst-Ulrich von Weizsäcker, promovierter Physiker und Ehrenpräsident des Club of Rome © dpaAm 22. Dezember werden sich Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa am Rande des EU-Umweltministerrates in Brüssel treffen. Es wird das erste persönliche Vier-Augen-Gespräch der beiden seit dem großen Fischsterben in der Oder im Sommer sein.
Steffi Lemke © imagoPolen und Deutschland haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie diese Umweltkatastrophe am besten aufgeklärt wird. Die deutsche Seite hat inzwischen einen Bericht veröffentlicht, wonach der Eintrag großer Mengen Salz ursächlich sei für das Wachstum einer giftigen Alge, die einen Großteil der Fischpopulation in der Oder tötete. Mehrere Hundert Tonnen toter Fische wurden aus der Oder geborgen. Polen will erst staatsanwaltliche Ermittlungen abwarten.
Auf - Frank-Walter Steinmeier. Es hat etwas gedauert, aber jetzt ist auch der Bundespräsident in die Ukraine gereist. Er will sich die Kriegsschäden ansehen und mit Wolodymyr Selenskyj reden. Aus einem Gespräch auf offener Straße musste er wegen Fliegeralarms herausgerissen werden. Unser Aufsteiger!
Ab - Saskia Esken. Andrij Melnyk erhielt gestern sein offizielles Abberufungsschreiben als ukrainischer Botschafter - und die SPD-Chefin tritt zum Abschied noch einmal nach. Im ZDF heute journal sagte sie, Melnyk habe "vielleicht seinen Beruf verfehlt". Gewiss war er ein streitbarer und unkonventioneller Diplomat. Dieser Vorwurf allerdings ist angesichts der Ausnahmesituation, in der sich sein Land befindet, nicht gerechtfertigt. Unsere Absteigerin!
"Abwarten ist angesichts des Elends keine Option", schreibt F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler als Antwort auf die Frage, ob man schon vor Ende des Krieges über einen Wiederaufbau der Ukraine reden könne. Von der gestrigen Berliner Expertenkonferenz gehe das wichtige Signal aus: "Wir geben die Ukraine nicht auf." Insofern habe es sich gut getroffen, dass "Steinmeiers späte Visite in Kiew" mit der Konferenz zusammenfiel. Nach den Dissonanzen vom April sei es gut, dass er und Selenskyj "sich endlich zum Duett treffen, vielleicht sogar zu einem mit Vergangenheitsbewältigung". Hier lesen Sie den Kommentar.
Mit der Diskussion um die Beteiligung von Cosco Shipping Ports am Hamburger Hafen habe die Bundesregierung "den falschen Streit zur falschen Zeit gewählt", schreibt SZ-Politikchef Stefan Kornelius in seinem Kommentar. Die beiden eigentlichen Probleme seien umschifft worden: Erstens, dass ein chinesisches Unternehmen Zugang zur kritischen Infrastruktur erhalte, während China dies umgekehrt nicht einmal erwäge. Und zweitens, dass die China-Strategie der Bundesregierung "fertig ausformuliert in der Schublade liegt". Lesenswert!
Am 8. November wählt Amerika das Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu. In Wirklichkeit aber gehe es um viel mehr, meint Pioneer Expert Josef Braml: Nämlich um die Zukunft der USA, Demokratie und ein mögliches Comeback von Donald Trump. In seinem Artikel schildert er drei Szenarien, was je nach Wahlausgang passieren könnte.
Heute gratulieren wir herzlich:
Hillary Clinton, ehem. US-Außenministerin, 75
Ulrike Gote (Grüne), Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Berlin, 57
Nelson Janßen, Linken-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft, 32
Christian Ude (SPD), ehem. Bürgermeister Münchens, 75
Stefan Winterbauer, Chefredakteur Meedia.de, 52
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre