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Unsere Themen heute:
Der Streit zwischen Parlament und Regierung um die Corona-Politik geht in die nächste Runde - Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dürfte bei der Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes Kompromisse eingehen müssen.
Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wird durch den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan behindert.
Die CDU in Niedersachsen bestreitet neue Wege bei ihrem Landesparteitag - und hält ihn in vier Städten dezentral und mit Briefwahl ab.
Das Ende des Durchregierens
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist eine Frau der Exekutive, sie liebt effiziente Lösungsfindung, das Geschmeidige der Zeiten, in denen es auf die Regierung ankommt. Wie in der Corona-Pandemie. Die wichtigsten demokratischen Organe scheinen nicht mehr Bundestag und Länderparlamente zu sein, sie heißen mittlerweile Ministerpräsidentenkonferenz und Corona-Kabinett. Doch der Bundestag begehrt nun auf.
"Der Deutsche Bundestag kann jederzeit diese Debatte wieder an sich ziehen. Wir brauchen eine Generaldebatte, mit der das Parlament seinen Standpunkt deutlich macht und die Regierung kontrolliert", sagte uns Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD).
Protagonisten der Exekutive: Jens Spahn und Markus Söder © dpaDie FDP, die schon lange mehr Beteiligung der Parlamente in der Krise fordert, will die Mitsprache des Parlaments in der nächsten Sitzungswoche thematisieren. Im Fokus der Kritik: Gesundheitsminister Jens Spahns (CDU) geplante Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, die er über den 31. März 2021 hinaus verlängern will - und die damit einhergehenden Sonderrechte der Exekutive.
Die Kanzlerin hat die Kritik an der Regelung zur Kenntnis genommen und will den Streit zwischen ihrem momentan wichtigstem Minister und dem Parlament möglichst schnell schlichten. Viel Zeit bleibt nicht: Am kommenden Mittwoch soll das Gesetz vom Kabinett verabschiedet werden. Ein Grundsatzstreit zwischen Parlament und Regierung würde die Bekämpfung der Pandemie unnötig erschweren, heißt es im Kanzleramt. Deswegen müsse ein Mittelweg zwischen Spahns ursprünglichen Plänen und der Parlamentskritik gefunden werden. Auch der umstrittene Beschluss für das Beherbungsverbot habe Vertrauen gekostet.
Die SPD erhöht den Druck - Expertengremium berät
Auch Koalitionspartner SPD erhöht den Druck. Die Fraktion arbeitet an Ideen, wie die Parlamentsbeteiligung auch in der Corona-Pandemie gesichert werden kann. Noch in dieser Woche will eine Expertengruppe Vorschläge vorlegen, beteiligt ist unter anderem Rechtswissenschaftler Christoph Möllers von der Humboldt-Universität in Berlin.
Teil eines Expertengremiums der SPD-Fraktion: Rechtswissenschaftler Christoph Möllers. © dpaIm Klartext: Jens Spahn wird Abstriche bei dem Gesetz in Kauf nehmen müssen, damit der gesellschaftliche und politische Frieden wieder hergestellt ist und die Politik - ganz im Sinne der Kanzlerin - geschmeidig weiterlaufen kann.
Unterdessen laufen im Kanzleramt schon die Planungen für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz. Ursprünglich Anfang November wollte die Runde unter der Leitung der Kanzlerin erneut zusammenkommen. Nun steht ein Termin bereits in der kommenden Woche im Raum. Ganz so leicht lässt sich die Exekutive ihre Vormachtstellung nicht streitig machen.
1. Afghanistan-Einsatz mit Einschränkungen
Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan behindert den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Der notwendige Personenlufttransport mit militärischen Luftfahrzeugen sei deshalb auf einigen Flugrouten "von Erteilungen diplomatischer Überfluggenehmigungen im Einzelfall abhängig und unterliegt dem Risiko abschlägig beschiedener Überfluganträge", heißt es in einer internen Unterrichtung des Bundestags durch die Bundeswehr, die uns vorliegt.
"Ein geplanter Flug für den 14.10.20 musste vor diesem Hintergrund bereits verlegt werden." Nun werden Alternativen in enger Abstimmung mit dem European Air Transport Command (EATC) "dringlich" geprüft.
Immer wieder erschüttern Anschläge Afghanistans Hauptstadt Kabul - hier im Mai 2020 © dpa2. CDU Niedersachsen: Landesparteitag in vier Städten
Die CDU in Niedersachsen wird ihren für den 7. November geplanten Landesparteitag in vier verschiedenen Städten stattfinden lassen und die anstehenden Personalwahlen per Brief durchführen lassen. Dies entschied das Präsidium der Partei am Dienstagabend, wie wir erfuhren. Damit beschreitet Landeschef und -wirtschaftsminister Bernd Althusmann neue Wege in Zeiten erhöhter Infektionen in der Corona-Krise.
Der Hauptteil des Parteitags, der ursprünglich mit über 400 Delegierten in Hannover stattfinden sollte, wird noch immer in der Landeshauptstadt tagen - allerdings nun mit weniger als zweihundert Teilnehmern. Dazu kommen drei weitere Standorte in den anderen Regionen Niedersachsens.
Niedersachsens CDU steht vor ähnlichen Herausforderungen wie die Bundes-CDU, da auch sie den gesamten Vorstand neu wählen lässt. Gastredner wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) oder Gesundheitsminister Jens Spahn werden per Video zugeschaltet.
Passt seinen CDU-Landesparteitag den Corona-Begebenheiten an: Landeschef Bernd Althusmann. © dpaIn der Bundes-CDU wachsen derweil die Zweifel an dem Tagungsort Stuttgart für die Neuwahl der Parteispitze. Aus konservativen Kreisen hören wir, dass die einzig verbliebenen Argumente für Stuttgart die hohen Storno-Kosten für die gebuchten Messehallen sowie die fortgeschrittene Planung sind. Sollte der Parteitag tatsächlich mit den geplanten 1001 Delegierten abgehalten werden, gilt mittlerweile Leipzig mit dem Messegelände als Favorit. Leipzig verzeichnet einen Bruchteil der Infektionszahlen von Stuttgart. Der CDU-Vorstand entscheidet am Montag.
3. Digitalpakt Schule verärgert Eltern
In mehreren Städten werden offenbar Eltern von Grundschulkindern um Spenden für die Anschaffung von Digital-Geräten für die Schüler gebeten, obwohl im Digitalpakt Schule für die nächsten Jahre 5,5 Milliarden Euro vorgesehen sind. An einer Grundschule im rheinland-pfälzischen Bingen hat der Förderverein in einem Brief an die Eltern um Spenden gebeten, da nur 16 iPads für rund 90 Schüler angeschafft werden konnten. Der Förderverein einer Grundschule im Berliner Südwesten hat ebenfalls einen Spendenaufruf für 60 iPads gestartet, weil die örtliche Schulverwaltung "trotz hartnäckiger Nachfrage der Schulleitung" das Geld aus dem Digitalpakt nicht freigebe.
Carina Konrad, FDP-Bundestagsabgeordnete, Diplom-Ingenieurin und Digitalexpertin ihrer Fraktion, kritisiert das:
"Wenn Papa Staat sich verrechnet, organisieren Lehrer und Eltern ein „Rettungspaket“ für die Digitalisierung ihrer Schulen", sagte sie uns. "Bildungsgerechtigkeit hört so leider da auf, wo die Klasse größer ist als der Rechenschieber der Ministerialbürokratie."
Mit dem Digitalpakt stellt die Bundesregierung den Kommunen und Ländern 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung, um die Schulen zu digitalisieren. Doch bisher beantragen nur wenige Schulträger die Fördermittel.
Interner Vermerk Wissenschaftlicher Dienst. © ThePioneerIn einem internen Aktenvermerk versucht der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages für die Abgeordneten das Chaos rund um das Beherbergungsverbot zu entwirren.
In Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt müssen Reisende aus Hotspots trotz der Gerichtsurteile in mehreren Bundesländern weiterhin einen Negativ-Test vorweisen, in allen anderen Bundesländern steht das Aus für das Beherbergungsverbot unmittelbar bevor oder wurde gar nicht erst angewandt. In Mecklenburg-Vorpommern gelten ab morgen leichte entschärfte Einreisebeschränkungen, ein negativer Corona-Test bleibt Voraussetzung für die Übernachtung.
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will das neue Lebensmittel-Etikett Nutri-Score mit einer Informationskampagne in der Bevölkerung bekannt machen und Unternehmen zum Mitmachen animieren. Bei dem Etikett handelt es sich um eine 5-stufige Farb-Buchstaben-Kombination, die bei Lebensmittelprodukten den Nährwert bewerten und Orientierung beim Kauf bieten solle (www.nutri-score.de).
In einem Brief an die Abgeordneten der Koalition warb Klöckner für das neue Label. "Der Nutri-Score ist auch ein Gewinn für die Unternehmen. Weil er auch die Anstrengungen der Unternehmen honoriert, Zucker, Fette und Salz in ihren Produkten zu reduzieren", so Klöckner.
© ThePioneer/Bundeswehr/AnnekenAuf - Henriette Reker wurde gerade als Kölner Oberbürgermeisterin wiedergewählt - und hat sich nun überraschend deutlich für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge durch die Kommunen ausgesprochen. Den Kollegen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte Reker, die Aufnahme wäre ein wichtiges Signal an die übrigen EU-Partner. Die am Bündnis „Sichere Häfen“ beteiligten Kommunen, zu denen Rekers Heimatstadt Köln gehört, hätten bereits konkrete Vorschläge gemacht. Für das besondere Engagement geht es bei uns heute bergauf.
Ab - Die Juristin Gabriele Korb war im Jahr 2018 angetreten, eine der kompliziertesten Bürokratien des Landes zu reformieren: Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, in Koblenz. Das Amt organisiert die Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr. Bei der Neubeschaffung des Sturmgewehrs für die Truppe ist nun in alter Manier so ziemlich alles schief gegangen, was schiefgehen konnte. Kennt man so. Nichts neues heißt bei Rüstungsvorhaben: Es geht abwärts. Heute für Gabriele Korb.
Die verschärften Corona-Maßnahmen setzen den Einzelhandel weiter unter Druck und führen zum Aussterben der belebten Stadtzentren. Dieser Umstand schadet aber nicht nur den Unternehmen, sondern der ganzen Gesellschaft, befindet Tagesspiegel-Redakteur Thorsten Mumme. Statt eine Maskenpflicht in Fußgängerzonen einzuführen und die Bevölkerung bitten zu Hause zu bleiben, sollte die Politik besser positive Signale für den Einzelhandel setzen, kritisiert er. Denn was einmal verschwindet, lässt sich nicht so leicht zurückholen. Hier geht es zu dem Kommentar.
Horst Seehofer lies per Pressemitteilung klarstellen, dass es mit ihm keine Studie zu Rassismus in der Polizei geben wird, das Innenministerium plant stattdessen eine Studie zum Alltagsrassismus. Damit relativiert er nicht nur ein bereits erkanntes Problem, vielmehr holt Seehofer bereits vor dem Angriff durch etwaige Ergebnisse zum Gegenschlag aus, findet ZEIT-Redakteur Christian Vooren. Hier lesen.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Tilo Jung, Macher von "Jung und Naiv", 35
Kerstin Andreae, Vorsitzende Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, 52
Klaus Holetschek, Staatssekretär für das Gesundheitsministerium, 56
Sigmund Gottlieb, Ex-Chefredakteur Bayrisches Fernsehen, 69
Rückenwind für die FDP im Südwesten - und für einen, der sich mit Kritik an Parteichef Christian Lindner in Berlin nicht nur Freunde gemacht hat. Der FDP-Fraktionsvize und Wirtschaftspolitiker Michael Theurer ist am vergangenen Samstag mit fast 92 Prozent der Delegiertenstimmen zum Spitzenkandidat der FDP in Baden-Württemberg gewählt worden. Ein Erfolg Theurers und der FDP im Stammland bei den Landtagswahlen im März 2021 würde der kriselnden FDP im Bundestagswahljahr neuen Schwung geben.
© ThePioneerDer Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner ist einer der profilierten Verteidigungsexperten des Bundestags - er kritisierte die Vorgänge um die Neubeschaffung des Sturmgewehrs für die Bundeswehr.
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