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Unsere Themen heute:
SPD-Kandidat Olaf Scholz will im Wahlkampf Zukunftsoptimismus zeigen und für Innovation und Gerechtigkeit werben. Sein Hauptgegner sind die Grünen.
CDU-Chef Armin Laschet will auf einer Konferenz eine eigene Ostpolitik für die CDU vorstellen. In den ostdeutschen Verbänden galt Friedrich Merz als Favorit.
Die Kosten für das Sozialschutz-Paket in der Pandemie belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro. Vor allem Grundsicherungs-Empfänger profitieren.
Olaf Scholz übernimmt
Wer in der Politik Bilder erzeugt, ist in der Regel auch erfolgreich - und seit diesem Wochenende ist damit auch die Hackordnung in der SPD neu sortiert. Der Kanzlerkandidat Olaf Scholz war und ist überall. Zu beobachten war eine freundliche Übernahme des Willy-Brandt-Hauses.
Bei der Vorstandsklausur war dies gleich an mehreren Punkten sichtbar:
Der öffentliche Teil der Klausur war vollkommen auf Scholz zugeschnitten - den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans blieb wahrnehmbar gerade mal eine zehnminütige Begrüßung (siehe Ausriss aus der Tagesordnung unten) und später ein Schlusswort.
Der entscheidende inhaltliche Aufschlag war Scholz' Papier, in dem er die "Zukunftsmissionen" und damit die thematischen Schwerpunkte für das Wahljahr vorstellte.
Die Parteivorsitzenden bereiteten ebenfalls ein inhaltliches Papier vor, doch ihre Leitlinien zum Regierungsprogramm sind erst am weniger beachteten zweiten Tag der Klausur Thema - und waren weit weniger konkret als das Papier von Scholz.
Mit seinen Zukunftsmissionen greift Scholz die Mitte des politischen Spektrums an.
Es ist der erste Wahlkampf seit vielen Jahren, in dem sich die SPD so positioniert. Die Genossen wollen damit klar machen, dass nach den Merkel-Jahren Scholz derjenige ist, der am glaubwürdigsten das Erbe der Bundeskanzlerin antreten kann.
Mit den Themen Klima, Digitalisierung, Mobilität und Gesundheit setzt er vor allem auf wirtschaftsnahe Themen.
In einer ersten Vorlage war Bildung noch eine fünfte Zukunftsmission - der Bereich wurde dann aber verkleinert und in das Thema Digitalisierung integriert.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. © Anne HufnaglDie Attacke auf die Mitte der Wählerschaft fasste Generalsekretär Lars Klingbeil am Sonntag in Worte.
Die Grünen "wollen alles besser machen, bleiben aber im Unkonkreten", so der Niedersachse. Die Union verharre im Status Quo.
Mit dem Fokus auf Zukunftsthemen will die SPD auch eine Lücke schließen. In mehreren demoskopischen Auswertungen hat die Partei immer wieder erfahren müssen, dass gerade bei diesem Thema der Partei nicht viel zugetraut wird. Das soll sich nun ändern.
Die Details zu den Inhalten der Klausur haben wir hier zusammengefasst.
Am Montag beginnt der zweite Tag der Klausur. Themen diesmal: Berichte aus den Länderwahlkämpfen und ein Einblick in die anstehende Wahlkampagne mit Agenturchef Raphael Brinkert.
1. Grüne und FDP fordern Regierungserklärung vor MPK
Die Bundestagsfraktionen von Grünen und FDP fordern Kanzlerin Angela Merkel auf, sich noch vor der für Mittwoch vorgesehenen Ministerpräsidentenkonferenz im Bundestag zu erklären.
„Es ist sinnvoll und richtig, die Sitzungswoche mit der Regierungserklärung der Kanzlerin am Mittwoch - vor der geplanten MPK - zu beginnen, um im Parlament über die aktuelle Corona-Lage und Perspektiven zu diskutieren“, sagte uns Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion.
Die Kanzlerin hat eine Regierungserklärung für Donnerstag angekündigt - einen Tag nach dem Bund-Länder-Gipfel, auf dem wesentliche Entscheidungen in der Pandemie erwartet werden.
2. Grütters will "Orte der Demokratie" ausloben
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will bundesweit besondere "Orte der Demokratiegeschichte" fördern und als Lernorte im öffentlichen Bild sichtbarer machen.
Dazu will sie in Frankfurt am Main eine Bundesstiftung gründen, die die Fördermaßnahmen des Bundes für diese Orte bündelt. Ein entsprechendes Konzept will sie am Mittwoch dem Kabinett vorlegen, wie aus einer internen Vorhabenplanung der CDU vom 1. Februar 2021 hervorgeht.
Zu den besonders geförderten Orten sollen beispielsweise die Rastatter Erinnerungsstätte, die Stiftung Hambacher Schloss und vor allem die Frankfurter Paulskirche gehören, die modernisiert werden soll. Bis 2023, wenn sich die Revolution von 1848 zum 175. Mal jährt, soll neben der Kirche ein Haus der Geschichte als Kommunikations- und Reflektionsort entstehen.
Die Paulskirche in Frankfurt am Main vor der Banken-Skyline. © dpa3. Selbstständige: Verzögerungen bei neuer Corona-Hilfe
Solo-Selbstständige müssen auf die bereits im November angekündigte „Neustarthilfe“, die ab Januar gezahlt werden sollte, weiter warten.
„Die Beantragung der Neustarthilfe für Solo-Selbstständige ist noch nicht möglich, die Auszahlung hat entsprechend noch nicht begonnen“, heißt es in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Sozialexperten Johannes Vogel, die uns vorliegt.
Johannes Vogel, FDP-Sozialpolitiker. © Anne HufnaglSolo-Selbstständige können nach Ministeriumsangaben eine einmalige Betriebskostenpauschale („Neustarthilfe“) ansetzen - bis zu 7.500 Euro. Derweil sind angesichts der Corona-Krise immer mehr Selbstständige auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen.
„Von April bis Dezember 2020 haben sich insgesamt rund 95.000 Selbstständige neu in den Jobcentern gemeldet“, heißt es in dem Schreiben des Arbeitsministeriums. „In den entsprechenden Monaten des Vorjahres waren es rund 12.000.“
Vogel sagte uns, die Regierung zwinge Selbstständige in Hartz IV. Sie würden als „Erwerbstätige zweiter Klasse“ behandelt: „Das ist ein Skandal - denn die Selbstständigen sind ja allein aufgrund politischer Maßnahmen in wirtschaftlichen Problemen.“
4. CDU-Chef Laschet will Ost-Strategie entwerfen
Die CDU will in den nächsten Wochen eine Strategie für die neuen Bundesländer entwerfen. Das wurde uns in Gesprächen mit führenden Politikern der Partei in den neuen Ländern bestätigt.
Vor der Sachsen-Anhalt-Wahl am 6. Juni - dem letzten großen politischen Stimmungstest vor der Bundestagswahl - soll es eine Ost-Konferenz geben, in der sich die ostdeutschen CDU-Landesverbände einerseits Rückenwind für die laufenden Wahlkämpfe und andererseits strategische Klärungen auf inhaltliche Fragen erhoffen. Die scharfe Abgrenzung zur AfD soll erneut bekräftigt werden, heißt es etwa.
Laschet hat sich in den vergangenen Monaten bereits um einen guten Draht zu den neu ins Präsidium der CDU berufenen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) bemüht.
Reiner Haseloff, Armin Laschet und Michael Kretschmer bei einer Bundesratssitzung 2018. © dpa„Wir müssen als Ost-CDU erkennbar sein und werden in diesem Jahr noch den einen oder anderen Pflock einschlagen", sagte uns Marco Wanderwitz, Mitglied im Bundesvorstand aus Sachsen und Ostbeauftragter der Bundesregierung. Mario Voigt, CDU-Fraktionschef aus Thüringen mahnt: „In den nächsten Jahren entscheidet sich, wie der Osten gesehen wird: Problembär oder Powerhouse der Republik.“
Lesen Sie hier die Analyse von ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner.
5. Das Schweigen der Grünen
Erstmals stehen die Grünen vor der Aufgabe, einen Kanzlerkandidaten zu ernennen - oder eine Kanzlerkandidatin. Doch die einst streit- und meinungsfreudige Partei mag nicht darüber reden.
© Anne HufnaglMarina Kormbaki, seit Anfang des Monats politische Reporterin bei ThePioneer, hat sich in einer ausführlichen Analyse dem Aufschwung der Grünen gewidmet und der Frage, welche Argumente in der K-Frage für Annalena Baerbock und welche für Robert Habeck sprechen. Lesen Sie den Artikel hier.
Aus dem Entwurf für ein Sozialschutz-Paket III © ThePioneerDie Kosten für das geplante „Sozialschutz-Paket III“ - unter anderem mit einer Corona-Sonderzahlung von 150 Euro für Grundsicherungs-Empfänger - werden rund 1,3 Milliarden Euro betragen.
Das geht aus einem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hervor, der uns vorliegt.
1,2 Milliarden Euro der zusätzlichen Ausgaben soll der Bund tragen, den Rest die Kommunen.
Heil setzt mit der Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen die jüngsten Vereinbarungen der Spitzen von Union und SPD um.
Demnach soll der erleichterte Zugang zur Grundsicherung - mit dem Verzicht auf Vermögensprüfungen sowie der vollen Anerkennung tatsächlicher Wohnkosten - bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden. Für die ersten sechs Monate des laufenden Jahres erhält jeder Erwachsene in der Grundsicherung eine Sonderzahlung von 150 Euro.
In dem Entwurf gibt es auch Regelungen für Künstler und Freiberufler in der Medienbranche. Demnach soll es für sie keine negativen Auswirkungen auf den Versicherungsschutz in der Künstlersozialkasse haben, wenn sie auch in diesem Jahr das eigentlich erforderliche Mindesteinkommen von 3.900 Euro unterschreiten. Außerdem plant Heil einen Zuschuss für die Künstlersozialkasse. Die erforderliche Höhe sei jetzt aber noch nicht zu beziffern, heißt es in dem Entwurf.
Das Gesetz soll am 1. April in Kraft treten. Heils Pläne werden aktuell innerhalb der Regierung abgestimmt. Noch in dieser Woche soll es die erste Lesung im Bundestag geben.
Die parlamentarischen Beratungen zur Verschärfung der Frauenquote sollen Ende Februar beginnen: Am 6. Januar hatte das Kabinett den Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf den Weg gebracht.
Demnach soll in Vorständen von börsennotierten Unternehmen sowie Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung mindestens eine Frau sein, wenn das Gremium mehr als drei Mitglieder hat. In Unternehmen mit mehrheitlicher Bundesbeteiligung verlangt das Gesetz, dass bei mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau ist.
Für den 26. Februar ist die erste Lesung im Bundestag geplant, der Bundesrat beschäftigt sich am 5. März erstmals mit den Plänen. Der Bundestag soll das Gesetz am 26. März beschließen. Der zweite Durchgang im Bundesrat ist für den 7. Mai geplant.
© ThePioneerAuf - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Wochenende einen überraschend selbstkritischen Ton angeschlagen. „Der Lockdown light im November war falsch, die Einschränkungen gingen nicht weit genug“, sagte der Grünen-Politiker über das Corona-Krisenmanagement von Bund und Ländern. Man habe in der Situation unter Druck handeln müssen. „Dabei passieren Fehler, das ist leider so.“ Kretschmann versucht mit seinem Eingeständnis verlorenes Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen. Für einen Politiker im Wahlkampf ist so viel Selbstkritik keineswegs selbstverständlich. Unser Aufsteiger!
Ab - Eigentlich scheut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf Twitter nicht die Konfrontation, ob mit Klimaschützern oder kritischen Landwirten. Auf einen verbalen Kampf mit SPD-Influencerin Lilly Blaudszun wollte sich die CDU-Politikerin aber nicht einlassen. Blaudszun hatte Klöckner als „wirklichen Totalausfall“ in der Landwirtschaftspolitik bezeichnet. Klöckner twitterte daraufhin, offenbar aus Versehen: „Wir haben es gesehen, aber ob wir dieser jungen SPDlerin zur Aufmerksamkeit verhelfen sollen - Ball ausrollen lassen …“ Zwar löschte Klöckner den peinlichen Tweet, als Screenshot aber ist er in der Welt. Die Chance, mit einem selbstironischen Tweet aus der Nummer herauszukommen, ließ Klöckner verstreichen. Unsere Absteigerin!
Er ist in der Fußballszene nicht wohl gelitten und auch die Bundesliga-Funktionäre lehnten auf Anfrage der FAZ ein gemeinsames Interview mit SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ab. Der SPD-Mann hatte im März 2020 sogar Geisterspiele abgelehnt, weil die Bundesliga-Vereine dann angeblich Tests von Pflegeheimen "verbrauchen" würden. Im aktuellen Interview kritisiert er nun die fortgeschrittenen Planungen für eine Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele. Lesenswertes, weil kontroverses Interview mit dem Sport-Chef der Sonntagszeitung, Michael Wittershagen. Hier geht's zu dem Gespräch.
Ein Unternehmer, der auf eigene Faust einen Impfstoff entwickelt, von Virologen sogar eine Wirkung nachgewiesen bekommt, aber dann ein Strafverfahren an den Hals bekommt: Gibt's nicht? Gibt es doch. Christoph Schult vom Spiegel hat die Geschichte hier aufgeschrieben.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Christoph Bernstiel, CDU-Bundestagsabgeordneter, 37
Agnieszka Brugger, Grünen-Bundestagsabgeordnete, 36
Mario Voigt, CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Thüringen, 44
Stefanie Schlereth, Head of Product, ThePioneer, 35
Die frühere saarländische Regierungssprecherin Anne Funk wechselt am 1. März in die Generaldirektion Kommunikation der EU-Kommission nach Brüssel.
Funk war von Januar 2018 noch unter Annegret Kramp-Karrenbauer und später unter Regierungschef Tobias Hans in der Staatskanzlei in Saarbrücken für die Pressearbeit verantwortlich, bevor sie ins saarländische Europaministerium wechselte.
© ThePioneerFDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai anlässlich der Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, das Verhältnis zur Nato und zu den Europäern zu verbessern.
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