herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von Hauptstadt - Das Briefing im Jahr 2022.
Wir wünschen Ihnen ein gesundes, erfolgreiches und - wann immer es geht - entspanntes neues Jahr.
Ab heute versorgen wir Sie wieder werktäglich ab 6 Uhr mit Einblicken aus der Berliner Republik und berichten über das, was eigentlich noch geheim bleiben soll.
Los geht's.
Unsere Themen heute:
SPD-Bauministerin Klara Geywitz kann ihren ersten Erfolg verbuchen. Sie bekommt eine Milliarde Euro mehr für den sozialen Wohnungsbau.
In der Rangliste der deutschen Politik veröffentlichen wir heute die Ergebnisse bei den besten Direktkandidaten.
Die CSU geht in ihre traditionelle Jahresauftaktklausur - und ein Punkt steht ganz oben auf der Tagesordnung: Versöhnung mit der CDU.
Die Landesverbände haben entschieden. Wir sagen, wer im Spitzenteam der CDU hinter Friedrich Merz die Partei wieder aufrichten soll.
1 Milliarde Euro mehr für sozialen Wohnungsbau
Für viele Parteileute war die Nominierung der SPD-Politikerin Klara Geywitz zur neuen Bundesbauministerin eine Überraschung.
Als Parteivizin war die Potsdamerin eher wenig aufgefallen, manch einer rümpfte die Nase, als sie von Olaf Scholz zur neuen Bauministerin auserkoren wurde.
Doch die Politikwissenschaftlerin und einstige Prüferin im Landesrechnungshof legt im Amt ein hohes Tempo vor und hat erste Erfolge vorzuweisen. Zwei Tage vor Weihnachten konnte die Ministerin mit den Ländern eine Vereinbarung für eine zusätzliche Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau schließen.
FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner und das Kanzleramt haben dem Vorhaben zugestimmt, um den Bau von bezahlbarem Wohnraum in den Ländern voranzutreiben.
Hilfreich dürfte sein, dass Geywitz sich mit dem früheren Finanz-Staatssekretär und Scholz-Vertrauten Rolf Bösinger einen Experten aus dem Finanzministerium als neuen Staatssekretär ins Haus geholt hat.
Eine weitere Milliarde Euro soll für energetisches Bauen im sozialen Wohnungsbau (bezahlbare Wohnungen mit Klimaschutz) investiert werden. Details werden zurzeit mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verhandelt.
Ab 2023 soll dauerhaft eine Milliarde Euro mehr für sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden.
Klara Geywitz © The PioneerZusammen mit der Bauwirtschaft und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), einem der größten Immobilieneigentümer des Landes, entwickelt die SPD-Politikerin derzeit ein Modell, wie Standardbauten in Serie so klimafreundlich gebaut werden können, dass sie den KfW-Standard 40 erfüllen (und damit besonders förderungswürdig sind).
Geywitz erhofft sich durch den Ausbau des klimaeffizienten Bauens auch im niedrigen Preissegment ein Konjunkturprogramm für die Bauwirtschaft und das Handwerk.
Ein erstes Gespräch mit den Verbänden über das geplante Bündnis für bezahlbares Wohnen soll noch im Januar erfolgen, wie wir hören. Dann soll auch das neue Gesetz für den Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ins Kabinett kommen, rechtzeitig, bevor die Nebenkosten-Abrechnungen bei den Mietern mit den höheren Energiekosten eintreffen.
Als Parteivize mag Geywitz unauffällig gewesen sein, im Ministeramt startet die SPD-Frau energisch. Nebenbei muss sie das neue Ministerium mit rund 200 Mitarbeitern ja erst aufbauen.
Der Durchstarter
© ThePioneerDreimal hat Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir den Wahlkreis Stuttgart I nicht gewinnen können, beim vierten Mal im September hat es geklappt. Er holte 40 Prozent der abgegebenen Stimmen, sein CDU-Konkurrent Stefan Kaufmann kam auf 23,4 Prozent.
Für die Grünen war es einer der größten Erfolge einer bundesweit eher durchwachsenen Kampagne. Und für Özdemir war der Durchmarsch in der Heimat womöglich das entscheidende Argument für die anstehende Verteilung der Kabinettsposten.
Mittlerweile ist Özdemir am Ziel: Als Bundeslandwirtschaftsminister ist er an zentraler Stelle in der neuen Regierung angekommen.
Die Pioneers wählten ihn jetzt zum überzeugendsten Direktkandidaten des vergangenen Wahljahres.
Wir gratulieren!
Eine Infografik mit dem Titel: Die überzeugendsten Direktkandidaten
Die Rangliste der deutschen Politik, Ergebnis der Abstimmung in Prozent
Mit knapp 30 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann hauchdünn hinter Özdemir ins Ziel. Der 44-jährige Volkswirt ist seit 2009 direkt gewählter Abgeordneter aus Paderborn und erreicht mit Werten von 45 bis 55 Prozent bei der Erststimme stets Rekordergebnisse.
Der CDU-Mann gilt als rhetorisch versiert und wurde eine Zeit lang auch als möglicher Kandidat für den Parteivorsitz gehandelt. Doch Linnemann sortierte sich lieber im Team von Friedrich Merz ein und soll nun Parteivize und Leiter der Grundsatz und Programmkommission werden.
Ein Portrait über den Paderborner lesen Sie hier.
Auf Platz drei schafft es einer, der von den Pioneers in der Umfrage zum besten Politiker des Jahres auf den Spitzenplatz gewählt wurde.
SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach gewann seinen Wahlkreis in Leverkusen-Köln IV mit 45,6 Prozent der Erststimmen klar vor der CDU-Kandidatin, der nordrhein-westfälischen Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (20,4 Prozent).
Olaf Scholz und Karl Lauterbach © dpaWenn Sie an 2021 denken, welcher Moment fällt Ihnen ein?
Cem Özdemir: Mir fallen viele schöne Augenblicke ein – aber leider auch solche, die zeigen, dass Sicherheit und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Die Flutkatastrophe hat uns vor Augen geführt, wie schnell sich alles ändern kann. Die große Solidarität danach hat mir aber auch Hoffnung gemacht. 2021 steht aber auch für den Rückzug des Westens aus Afghanistan, der sich für all die Menschen, die dort auf ein Leben in Würde und Menschlichkeit gehofft hatten, wie ein Verrat anfühlen muss. Und ich muss an meine Freunde in den Gefängnissen des türkischen Präsidenten Erdogan denken, die wir nicht vergessen dürfen, und natürlich an den bewundernswerten Freiheitswillen der Menschen in Belarus. Mit meinem schwäbischen Landsmann Friedrich Schiller will ich all den Diktatoren und korrupten Herrschern zurufen: „Hohl ist der Boden unter den Tyrannen, die Tage ihrer Herrschaft sind gezählt, und bald ist ihre Spur nicht mehr zu finden“.
Was war Ihr persönlich größter Erfolg?
Özdemir: Ganz klar das gewonnene Direktmandat in Stuttgart: Beim vierten Mal hat es geklappt, der CDU den Wahlkreis abzujagen. Fleiß, eine zugewandte Politik und ein langer Atem zahlen sich aus! Über das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler freue ich mich sehr – genauso über das Vertrauen, das mir meine Partei mit der Berufung als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft entgegengebracht hat. Ich will dieser Verantwortung gerecht werden.
Was hätten Sie gern anders gemacht?
Özdemir: Man kann nie genug Zeit für die Familie und gute Freunde haben. Beide kommen durch meinen Beruf leider oft zu kurz. Umso dankbarer bin ich, dass meine Familie und meine Freunde mich auch bei meiner neuen Aufgabe so unterstützen.
Wo steht Cem Özdemir am Ende des Jahres?
Özdemir: Sie werden mich viel unterwegs auf dem Land erleben: Ich will die Menschen kennenlernen, die unsere Ernährung sichern und unsere natürlichen Partner für eine nachhaltige Zukunft sind. 2022 soll auch das Jahr sein, in dem wir die großen Projekte der Ernährungs- und Agrarpolitik in die Spur gebracht haben: von der Tierhaltungskennzeichnung über die Ernährungsstrategie bis hin zu besseren Ökoregelungen. Wichtig ist mir, das wir das gemeinsam und auf Augenhöhe mit den Akteuren machen.
Friedrich Merz kommt zur CSU-Klausur
In der Union richten sich die Augen auf die Winterklausurtagung der CSU-Landesgruppe am 6. und 7. Januar im Berliner Amplifier. Wegen der Corona-Pandemie findet das Treffen in verringertem Umfang in der Hauptstadt statt.
Ein Gast wird angeblich persönlich dabei sein: der designierte CDU-Chef Friedrich Merz. Er soll auf Einladung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zu den Abgeordneten sprechen. Ein Neustart im angespannten Verhältnis zwischen CDU und CSU soll inszeniert werden.
Auch wollen die CSU-Abgeordneten in Beschlüssen die Außen- und Finanzpolitik der Ampel-Regierung kritisieren. Dobrindt warf der Ampel unlängst "Finanzbetrügerei" vor, weil diese Corona-Rücklagen in einen Schattenhaushalt für Investitionen umwidmet.
35 FDP-Abgeordnete gegen Impfpflicht
Rund 35 Abgeordnete der FDP wollen den Gruppenantrag gegen eine allgemeine Impfpflicht Ende des Monats im Bundestag als Mitantragsteller unterstützen. Das erfuhren wir aus Fraktionskreisen. Initiator des Antrags ist Parteivize Wolfgang Kubicki. Weitere Abgeordnete unterstützen das Ansinnen, sind aber nicht Mitantragsteller.
Ein kleinerer Teil der Fraktion will angeblich einen gesonderten Gruppenantrag initiieren, mit dem eine altersbezogene Impfpflicht gefordert wird. Eine auf eine bestimmte Gruppe bezogene Impfpflicht gibt es in Deutschland bereits für die Masern-Impfung - und zwar für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten.
Quarantäne-Erleichterungen für Geboosterte möglich
Die Bundesregierung erwägt erleichterte Quarantäne-Regelungen für Bürgerinnen und Bürger, die bereits geboostert sind und somit besonders gut gegen das Corona-Virus geschützt sind.
Dies hat eine Runde der Staatskanzleichefs mit dem Bundeskanzleramt in der vergangenen Woche diskutiert, so wurde uns berichtet.
© ThePioneerGeboosterte könnten etwa wegen der milderen Verläufe der Omikron-Variante von der Quarantäne ausgenommen werden. Auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kritischer Infrastrukturen sei dies denkbar, heißt es.
Einen genauen .Vorschlag erarbeitet das Bundesgesundheitsministerium aktuell. Die nächste Konferenz der Länder-Regierungschefs soll am 7. Januar im Bundeskanzleramt stattfinden.
Die Stellvertreter für Friedrich Merz stehen fest
In der CDU schält sich das neue Spitzenteam für die Oppositionszeit heraus. In den Absprachen der Landesverbände mit dem designierten CDU-Chef Friedrich Merz wurden die Vize-Posten vergeben.
Vier von fünf Vizechefs der CDU hatten nach der Wahlniederlage angekündigt, beim Bundesparteitag ihre Posten aufzugeben, dazu gehören die Ex-Minister Julia Klöckner und Jens Spahn, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl.
Im Amt soll nur die niedersächsische Abgeordnete Silvia Breher bleiben, die am 11. Januar vom niedersächsischen Landesverband erneut als Vize nominiert werden soll. Landeschef Bernd Althusmann tritt wieder für das Präsidium an.
Die weiteren vier Stellvertreter von Friedrich Merz sollen der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der baden-württembergische Klimapolitiker Andreas Jung, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien und der Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann werden. Julia Klöckner soll Schatzmeisterin werden und wäre damit weiterhin Mitglied des Präsidiums.
Auf - Karl Lauterbach. Bei den ersten Impfdosen waren wir spät dran, auch die Schnelltests verzögerten sich in Deutschland. Bei dem ersten aussichtsreichen Covid-19-Medikament soll dies nun nicht passieren. Die Bundesregierung will das neue Medikament Paxlovid zur Behandlung schwerer Covid-19-Verläufe noch im Januar einsetzen und es notfalls vorab zulassen. Das sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach der Welt am Sonntag und zeigt damit erneut, dass die Pandemiebekämpfung bei ihm vor allem Tempo und Entscheidungsfreude bedeutet. Unser Aufsteiger!
Ab - Robert Habeck. Der Klimaschutzminister und Ko-Parteichef der Grünen hat in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt, dass die Grünen die Themen Klimaschutz und Europa als ihr Markenzeichen in Ämtern und Positionen nutzen. Doch nun ist es ausgerechnet die EU-Kommission, die mit der Etikettierung von Atomkraft und Gas als nachhaltige Energie den Grünen in der Bundesregierung die erste Niederlage beibringt. Der Grünen-Minister wehrt sich prompt, droht mit Veto und kritisiert auch die Einordnung von Gas als grüne Energie als "fraglich". Komisch nur, dass zeitgleich ein Regierungssprecher betont, dass Erdgas für die Regierung "vor dem Hintergrund der Ausstiege aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität" ist. Was denn nun? Unser Absteiger.
Die Leserinnen und Leser dieses Newsletters hatten es als Erste erfahren, die Zahl der parlamentarischen Staatssekretäre ist unter der neuen Ampel-Regierung auf die Rekordzahl von 37 gestiegen, die Kosten für den Steuerzahler schätzt der Steuerzahlerbund auf 500.000 Euro pro Parlamentarischen Staatssekretär pro Jahr. Verbands-Präsident Reiner Holznagel fordert nun die drastische Reduzierung der Posten im Welt-am-Sonntag-Videointerview. Hier geht es zu dem Beitrag.
Einen guten Start ins neue Jahr wünscht den Pioneers unsere Börsenreporterin Annette Weisbach mit einem besonderen Podcast-Ausblick auf die Kapitalmärkte. Sie spricht in der neuesten Folge des Investment Briefing mit Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutsche Bank für Privat- und Firmenkunden, über die Aussichten für 2022. Hörempfehlung! Hier geht es zu dem Podcast!
Heute gratulieren wir herzlich:
Thorsten Lieb, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt, 49
Irene Hahn-Fuhr, Mitglied Geschäftsführung, Zentrum Liberale Moderne, 42
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion wandte sich in einem Tweet an den CDU-Politiker Marco Wanderwitz, dessen Wahlkreisbüro in Zwönitz in Sachsen von unbekannten Tätern mit Pyrotechnik beschädigt wurde. Der Ort gilt als Hochburg rechter Corona-Leugner.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre