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Unsere Themen heute:
Ein Übergangsgeld soll den beruflichen Wiedereinstieg von Ex-Abgeordneten absichern. Die Ausgaben dafür steigen nun auf Rekordhöhe. Wir erklären, warum.
Die Junge Union debattiert über das Verhältnis zwischen der CDU und der rechtskonservativen Werteunion. Es geht um einen Beschluss für eine scharfe Abgrenzung.
Ende des Monats soll Hendrik Wüst Nachfolger von Armin Laschet als NRW-Regierungschef werden. Wir wissen, auf wen er als Staatskanzleichef setzt.
Der teure Abschied vom Bundestag
Die Zeit zahlreicher Abgeordneter der letzten Legislaturperiode endet mit der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments.
Einige verlassen das Hohe Haus aus freien Stücken, weil sie bei der Wahl am 26. September nicht mehr angetreten waren. Andere hatten auf den Einzug in den Bundestag gehofft - vergeblich.
Diesmal scheiden 255 Politiker aus dem Parlament aus.
Dazu zählen Prominente wie die Bundeskanzlerin, langjährige Bundesminister wie Thomas de Maizière von der CDU oder Ulla Schmidt von der SPD. Es gehen einflussreiche Politiker wie der Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg von der CDU, ehemalige Hoffnungsträger wie der zeitweilige SPD-Chef Martin Schulz und leidenschaftliche Parlamentarier wie der Linken-Politiker Fabio De Masi oder Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen.
Aber auch jede Menge weitgehend unbekannte Hinterbänkler verlassen das Parlament.
Plenarsaal des Deutschen Bundestages © dpaEhemalige MdBs erhalten Übergangsgeld. Geld, das helfen soll, den beruflichen Wiedereinstieg abzusichern. Die Auszahlung wird diesmal so teuer sein wie nie zuvor.
Die Bundestagsverwaltung erwartet nach Angaben vom Bund der Steuerzahler Rekordausgaben für das Übergangsgeld, wie der Verband unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner mitteilte.
Gerechnet wird mit 15,6 Millionen Euro. Nach der Wahl 2017 waren es demnach 12,3 Millionen Euro.
Nach Auskunft der Bundestagsverwaltung hätten 245 der 255 ausscheidenden Abgeordneten grundsätzlich Anspruch auf Übergangsgeld. Voraussetzung ist mindestens ein Jahr Mitgliedschaft im Bundestag.
© The PioneerDas Übergangsgeld ist genauso hoch wie eine volle Abgeordneten-Diät - rund 10.013 Euro monatlich.
Pro Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag wird es für einen Monat gezahlt, maximal für 18 Monate. Ex-Parlamentarier erhalten die Leistung unabhängig davon, ob sie bei der Bundestagswahl noch einmal angetreten sind oder nicht.
Ab dem zweiten Monat wird das Übergangsgeld in bestimmten Fällen nicht mehr voll ausgezahlt. Dann nämlich, wenn der Abgeordnete wieder ein anderes Einkommen hat. Für Versorgungsbezüge ehemaliger Regierungsmitglieder, die zusätzlich Abgeordnete waren, gibt es ebenfalls Anrechnungsregeln.
Der Bundestag rechnet laut Steuerzahlerbund im laufenden Jahr mit Ausgaben von 4,8 Millionen Euro für das Übergangsgeld. 2022 dürften es 9,6 Millionen Euro und 2023 dann 1,2 Millionen sein. Durchschnittlich wird mit Ausgaben von knapp 64.000 Euro pro Ex-Parlamentarier gerechnet.
Dass die Kosten für das Übergangsgeld steigen, hängt mutmaßlich auch damit zusammen, dass der Bundestag immer größer geworden ist. In der vergangenen Legislaturperiode zählte er 709 Mandate. Nun sind es 735. Wenn an diesem Freitag der Bundeswahlleiter das endgültige Ergebnis mitteilt, könnten es noch ein oder zwei Sitze mehr werden. Wir berichteten.
Reiner Holznagel © dpaJe größer das Parlament, desto schwieriger wird es mit der Arbeitsfähigkeit - und desto höher die Kosten. Die Fraktionen dürften schon bald darüber entscheiden, wie ein neuer Anlauf für eine Wahlrechtsreform aussehen könnte.
Das wäre ganz im Interesse des Steuerzahlerbundes. Dessen Präsident Reiner Holznagel sieht nicht nur Handlungsbedarf beim Wahlrecht. Er sieht ihn auch beim Übergangsgeld.
Bei dieser Leistung seien Einschnitte notwendig: „Der üppigen Versorgung stehen keine eigenen Beitragszahlungen der Abgeordneten gegenüber. Nach maximal einem Jahr Übergangsgeld sollte Schluss sein.“
1. Umweltministerin Schulze will Frankreichs Atom-Pläne vereiteln
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) möchte verhindern, dass sich die französische Regierung auf EU-Ebene mit ihrem Ansinnen durchsetzt, Atomenergie als grünes Investment einzustufen.
Sie wisse um Frankreichs Festhalten an Atomkraft, sagte uns die SPD-Politikerin. "Aber ich habe auch engagierte Verbündete wie Österreich, Dänemark, Luxemburg oder Spanien, die das nicht wollen", so Schulze.
Und weiter:
Wir sind gemeinsam überzeugt, dass Atomkraft kein Öko-Label bekommen darf und wollen dafür kämpfen.
Das von der EU-Kommission geplante Nachhaltigkeits-Label für Investitionen wäre nicht glaubwürdig, wenn sich dahinter Atomkraft verbergen würde. „In Deutschland haben drei Generationen die Atomkraft genutzt, 30.000 Generationen werden sich mit dem Müll beschäftigen. Das ist alles andere als nachhaltig", unterstrich die Ministerin.
Svenja Schulze © Anne HufnaglFür November plant Schulze gemeinsam mit der österreichischen Regierung eine Veranstaltung in Brüssel, um noch einmal für die Anti-Atom-Position Deutschlands zu werben.
Zehn EU-Staaten, darunter Frankreich und Polen, fordern die Klassifizierung von Kernkraft als ökologisch nachhaltige Wirtschaftsform bis Ende dieses Jahres. Mit einem grünen Label würden Investitionen in Kernkraft von Förderungen im Rahmen des europäischen Green Deal profitieren.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will bis 2030 eine Milliarde Euro in den Bau neuer sogenannter Mini-Atomreaktoren investieren.
2. Schwesig sieht rot-rot als stabilere Lösung
Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will auch deshalb Koalitionsverhandlungen für eine rot-rote Regierung im Land beginnen, weil die Linkspartei im Land als verlässlicherer Partner als die CDU gilt. Dies vernehmen wir aus Landeskreisen.
Manuela Schwesig an Bord der Pioneer One © Anne HufnaglZwar habe die Ministerpräsidentin mit dem ehemaligen CDU-Chefhaushälter im Bundestag, Eckhardt Rehberg, vertrauensvoll verhandeln können, jedoch stand Rehberg über die Verhandlungen hinaus nicht als Stütze einer Zusammenarbeit zur Verfügung. Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern gilt nach mehreren Rücktritten an der Landesspitze über die Landesgrenzen hinaus als führungslos.
Zudem vernehmen wir aus Mecklenburg-Vorpommern, dass Ministerpräsidentin Schwesig sich mit der Linkspartei auf wesentliche Punkte des eigenen Wahlprogramms verständigen konnte - etwa in den Bereichen Tarifpolitik, Stärkung der kommunalen Ebene, Finanzpolitik und Mobilitätswende.
3. Junge Union erwägt Beschluss gegen Werte-Union
Tilman Kuban, CDU © Anne HufnaglDie Junge Union wird sich bei ihrem Deutschlandtag am Wochenende in Münster mit der Haltung zur rechtskonservativen Werteunion befassen. Das geht aus dem Antragsbuch für das Treffen hervor, das uns vorliegt.
Zwei Verbände aus Nordrhein-Westfalen fordern einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit einer Mitgliedschaft in der Jungen Union oder der Mutterpartei CDU. In der Werteunion würden seit der Wahl von Max Otte zum Bundesvorsitzenden Kräfte dominieren, „die die Zukunft der CDU/CSU in einer Zusammenarbeit mit der AfD sehen“.
Der JU-Landesverband Hessen hingegen schreibt in einem Antrag, die CDU solle öffentlich deutlich machen, „welche Gruppierungen offizieller Teil der CDU-Parteienfamilie sind und welche nicht“. Weiter heißt es, Neugründungen „von scheinbar CDU-nahen vereinigungsähnlichen Gruppierungen wie der ‚Klima Union‘ und der ‚Werteunion‘“ seien kritisch zu sehen.
In einem anderen Antrag fordert der JU-Landesverband Hessen eine klare Distanzierung von der Werteunion: Wer nach einer Frist von zwölf Monaten noch Mitglied sei, „verhält sich parteischädigend und kann aus der Jungen Union ausgeschlossen werden“.
4. Deutsche wünschen sich aktive Außenpolitik
Die Deutschen fühlen sich ziemlich sicher - das ist das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zu den sicherheitspolitischen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Demnach fühlen sich 72 Prozent der Befragten sehr oder eher sicher, und nur acht Prozent fühlen sich sehr oder eher unsicher.
Eine aktive deutsche Außenpolitik findet breiten Rückhalt. Gut zwei Drittel meinen, Deutschland sollte sich eher international einbringen und bei der Bewältigung von Problemen, Krisen und Konflikten helfen.
Außenminister Heiko Maas (SPD) in der Fregatte Bayern, die derzeit im Indopazifik unterwegs ist - einem neuen Fokus deutscher Außenpolitik. © ImagoDie KAS hat überdies die sicherheitspolitischen Grundorientierungen nach Parteianhängerschaft aufgeschlüsselt:
Anhänger der Grünen und der FDP sind tendenziell eher internationalistisch und multilateralistisch eingestellt.
Wähler der AfD sind am seltensten militaristisch, stärker isolationistisch und unilateralistisch eingestellt.
Wähler der Linken sind stark multilateralistisch geprägt.
Die Anhängerschaften von Union und SPD liegen fast immer im Durchschnitt. Lediglich der Multilateralismus ist unter Unionswählern leicht überdurchschnittlich häufig vertreten.
Voraussichtlich am 27. Oktober 2021 soll der bisherige Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) zum Nachfolger von Armin Laschet als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gewählt werden. Wie wir in Düsseldorf erfahren haben, setzt Wüst auf Kontinuität im Kabinett. Er plane, heißt es, keine größeren Umbildungen in der Ministerriege.
Der Laschet-Vertraute Nathanael Liminski soll Chef der Staatskanzlei bleiben. Eine Nachbesetzung muss Wüst jedoch im Verkehrsressort vornehmen. Darüber dürfte er aber erst nach seiner Wahl zum Regierungschef entscheiden.
Ende August hat der Deutsche Bundestag die sogenannte Epidemische Notlage nationaler Tragweite um drei weitere Monate verlängert - bis zum 25. November 2021. Das Ganze ist die Grundlage für zahlreiche Verordnungen des Gesundheitsministers zum Corona-Krisenmanagement - etwa mit Blick auf Tests, Impfungen oder Quarantäne.
Über den weiteren Umgang mit der epidemischen Notlage hat der neue Deutsche Bundestag zu entscheiden. Der tritt am 26. Oktober 2021 zum ersten Mal zusammen. Für die parlamentarischen Beratungen über eine mögliche Verlängerung könnten die ersten beiden Novemberwochen genutzt werden.
Die SPD hält sich alle Möglichkeiten offen. „In den verbleibenden Wochen werden wir die Entwicklung bei den Meldezahlen, den Hospitalisierungen und bei Virusvarianten im jetzt beginnenden Herbst besser abschätzen können, als das heute der Fall ist“, sagte uns Fraktionsvize Dirk Wiese. „Aus meiner Sicht wäre es verfrüht, heute bereits eine verbindliche Aussage zu treffen.“
100 junge Menschen zwischen 18 und 28 aus ganz Deutschland kommen ab heute bis zum Wochenende in der Bundeshauptstadt zusammen, um beim erste Jugendforum für Sicherheitspolitik der Gesellschaft für Sicherheitspolitik geopolitische Themen zu diskutieren.
Das Format soll junge Erwachsene, die bisher noch wenig bis gar keine Erfahrung auf diesem Gebiet haben, mit Experten zusammenbringen. In Workshops, Townhall-Meetings und Interviews setzen sie sich mit Fragen der nationalen und internationalen Sicherheit auseinander. Die Abschlussveranstaltung findet auf der Pioneer One statt.
© ThePioneerAuf - Manfred Weber. Der CSU-Europapolitiker ist gestern erneut zum Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament gewählt worden. Der CSU-Vize wurde mit 93,7 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. “Wir werden jene bekämpfen, die unsere Europäische Union beschädigen und zerstören möchten”, sagte Weber nach seiner Wiederwahl. Erst kürzlich hatte er überraschend auf eine Kandidatur für das Amt des EU-Parlamentspräsidenten verzichtet. Stattdessen will er Vorsitzender der EVP werden. Die Fraktion im Europaparlament führt Weber jetzt bereits seit 2014. Unser Aufsteiger.
Ab - Wolfgang Schäuble. Bayerns JU-Chef Christian Doleschal drängt den bisherigen Bundestagspräsidenten zum Mandatsverzicht. Doleschal würdigte den Schritt von Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier, auf ihre Bundestagsmandate zu verzichten, mit großem Respekt. “Diesen mutigen Schritt im Dienst für eine Erneuerung der Union dürfen ruhig auch andere gehen. Darüber sollten vor allem diejenigen nachdenken, die seit mehreren Jahrzehnten im Bundestag sind - beispielsweise Wolfgang Schäuble”, sagte Doleschal dem Spiegel. Die Streitigkeiten innerhalb der Union scheinen kein Ende zu nehmen. Jetzt steht selbst das CDU-Urgestein Schäuble unter Beschuss. Unser Absteiger.
In der Zeit analysiert Mariam Lau kenntnisreich die Lage der CDU. „Ist die ‚konservative Revolution‘ also abgesagt?“, fragt die Kollegin. „Mehrere Dinge nahmen dem Aufstand, der ein paar Tage in der Luft gelegen hatte, den Schwung. „Zum Zeitlupen-Rücktritt von Armin Laschet kam die Implosion des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz." Der Mann sei als der Anti-Merkel aus der Flüchtlingskrise „jahrelang unter dem Applaus der Bild-Zeitung eine Art Posterboy der Parteirechten“ gewesen. Kluge Analyse, nachzulesen hier.
"So stark vertreten waren die Parteilinken in der Fraktion noch nicht: Knapp ein Viertel der SPD-Abgeordneten im Bundestag sind im Juso-Alter“, schreiben die Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Mike Szymanski und Paul-Anton Krüger, in ihrer Analyse über die Lage der SPD-Fraktion. „Ihre Stimmen könnten diesmal in Regierungsfragen entscheidend sein.“ Dieser Flügel der Fraktion formiere sich gerade selbstbewusst. „Die Parteilinke - bislang in unterschiedlichen Gruppen und Strömungen vertreten und längst nicht immer einer Meinung - ist gerade dabei, sich mit Blick auf einen mächtigen Kanzler Scholz neu zu sortieren“, schreiben die Kollegen. Hier geht es zum Text.
Heute gratulieren wir herzlich:
Olav Gutting, CDU-Bundestagsabgeordneter, 51
Volker Ullrich, CSU-Bundestagsabgeordneter, 46
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