Der Wackelkandidat

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One. Schön, dass Sie wieder dabei sind!

Unsere Themen heute:

  • Der mögliche nächste CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet gerät wegen seines Krisenmanagements unter Druck in den eigenen Reihen.

  • Die Bahn hat nicht nur ein Kostenproblem, sondern auch ein Problem mit dem Wettbewerb. Das sagt jedenfalls der Rechnungshof.

  • Der Sohn von Horst Seehofer hat einen neuen Job - bei einer ehemaligen Seehofer-Vertrauten.

Testfall für den Kanzlerkandidaten-Kandidaten

Über 1500 Mitarbeiter des Fleischkonzerns Tönnies in Rheda-Wiedenbrück haben sich mit dem Corona-Virus infiziert. Doch nicht nur diese Zahl macht Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zu schaffen. Der Botschafter der Lockerungspolitik muss nun erstmals seit den deutschlandweiten Beschränkungen im März einen regionalen Lockdown umsetzen und Kontaktbeschränkungen wieder verschärfen. Vergangene Woche ließ Laschet Schulen, Kitas und den Fleischhof schließen, gestern legte er mit Kontaktbeschränkungen nach.

In den eigenen Reihen beginnen die Sticheleien gegen den Ministerpräsidenten, der im Dezember CDU-Parteichef und im kommenden Jahr nächster Bundeskanzler werden will. Besonders die CSU hat es auf Laschet abgesehen.

Alles geschieht subtil, aber die Einschläge nähern sich Laschet. "Wir in Bayern bleiben vorsichtig", twitterte etwa CSU-Chef Markus Söder, als er verkündete, Touristen aus dem Kreis Gütersloh nicht mehr in Bayern übernachten lassen zu wollen. Demonstrativ bot der bayerische Ministerpräsident seinem Düsseldorfer Kollegen Hilfe an. Intern wurde das in der Union als Spitze gewertet.

Söder und Laschet waren in der Auseinandersetzung um die Öffnungen die personifizierten Gegensätze. Söder genießt den scheinbaren Sieg seines Ansatzes - und seine Rolle als Schattenkanzlerkandidat in Laschets Schatten. Den Satz "Mein Platz ist in Bayern", hat Söder früher in fast jedem Interview auf die Frage nach einer Kanzlerkandidatur gesagt - man hat ihn zuletzt auffällig selten gehört.

Kritik aus der CSU-Fraktion: Umfang der Infektionen war erkennbar

Auch in der CSU-Fraktion spart mancher nicht an Kritik an Laschet: Sein Eingreifen im Fall Tönnies sei zu spät erfolgt, schon am Freitag habe man das Ausmaß des Vorfalls erkennen können, sagt ein Spitzenmann. Das Durchgreifen am Dienstag sei zwar richtig, aber eben zu spät gewesen.

In der CDU stehen die Reihen um den Kanzlerkandidaten auf Probe - noch - verhältnismäßig geschlossen. Sein Konkurrent um den Parteivorsitz Friedrich Merz wittert allerdings seine Chance, wie ein Vertrauter berichtet. "Friedrich Merz rechnet fest mit einem Sieg." Laschet habe selbst im eigenen Landesverband nur eine denkbar knappe Mehrheit, lautet die Analyse im Merz-Lager: "60:40 für Laschet".

Da Merz aber fest mit großer Zustimmung in den ostdeutschen Verbänden und den mitgliederstarken Verbänden in Baden-Württemberg und Hessen rechne, sei alles drin. Außerdem habe man genau beobachtet, dass Armin Laschet in einer Umfrage vor einer Woche schlechtere Persönlichkeitswerte zugeschrieben bekam als vor der Corona-Krise. "So viel zum Thema Krisenmanagement."

Jens Spahn und Armin Laschet © dpa

Gesundheitsminister Jens Spahn dagegen - zunächst auch ein Konkurrent um den Parteivorsitz - steht fast demonstrativ an der Seite Laschets, dessen Stellvertreter er im Winter werden soll. Es sind Nuancen, an denen man erahnen kann, dass auch Spahn womöglich in manchem Fall anders reagiert hätte. Immer wieder betont er, dass "schnelles und energisches Eingreifen" notwendig sei, wenn es zu regionalen Ausbrüchen kommt. Es ist just das der Punkt, den Laschet in Gütersloh womöglich versäumt hat.

1. Altmaier verspricht schnelle Reform bei Mitarbeiterbeteiligungen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich in einer Telefonkonferenz am Montagabend mit Vertretern der Digitalwirtschaft für eine rasche Reform der Mitarbeiterbeteiligungen ausgesprochen. "Möglichst bald. Ich würde mir wünschen, wir schaffen es noch dieses Jahr", sagte der Minister Teilnehmern zufolge.

Hintergrund ist, dass vor allem die Start-up-Szene vehement steuerliche und rechtliche Erleichterungen bei der Beteiligung der Mitarbeiter am am eigenen Unternehmen wünscht, da dies im weltweiten Kampf um Talente eine wichtige Motivation ist.

Bei US-Tech-Konzernen sind Aktienoptionen und Anteilsscheine für Mitarbeiter Standard, um junge Talente an die Firma zu binden. In Deutschland gibt es viele rechtliche Hürden und es müssen bereits Einkommensteuern beim Erhalt der Anteile gezahlt werden und nicht, wenn sie verkauft werden. Dies sei ein "prohibitiver Faktor. Deswegen kann es nicht so bleiben wie es ist", räumte nun Altmaier in der Schaltkonferenz ein. Er sei darüber bereits im Gespräch mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Man wolle einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten, es soll keine Alleingänge geben. Mehrere Reformansätze seien denkbar, auch eine Besteuerung der Anteile mit dem niedrigeren Kapitalsteuersätzen. Ein Anreiz zur Steuergestaltung müsse aber vermieden werden, so Altmaier.

In einem ersten Schritt wird zum 1. Januar 2021 der steuerliche Freibetrag für Beteiligungen verdoppelt. Die Hintergründe der Debatte um die Mitarbeiterbeteiligungen und die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter 1900 Mitarbeitern von Digitalunternehmen lesen Sie hier.

2. Rechnungshof: Bund und Bahn behindern Wettbewerb auf der Schiene

Der Bundesrechnungshof wirft Bahn und Bund vor, den Wettbewerb auf der Schiene gezielt zu behindern. „Der Eisenbahnmarkt in Deutschland wird dem Anspruch, einen einfachen, transparenten Infrastrukturzugang und einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, noch nicht ausreichend gerecht“, heißt es in einem Bericht der Bonner Behörde an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der uns vorliegt.

„In der derzeitigen Konstellation ist es für die DB AG betriebswirtschaftlich vorteilhaft, dass ihre Wettbewerber Schienenverkehre nur mit großer Unsicherheit planen und lediglich eingeschränkt durchführen können“, heißt es im Bericht weiter. Der Rechnungshof beanstandet „erhebliche Fehlanreize“. Diese Probleme seien auf „Versäumnisse der Bundesregierung“ zurückzuführen.

Ziele und Rolle des Bundes auf dem Eisenbahnmarkt müssen einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen werden

Der Bundesrechnungshof

Gefordert wird in dem Bericht eine grundlegende Bahnreform: „Auf Grundlage der vorliegenden Prüfungserkenntnisse hält der Bundesrechnungshof auch eine Trennung von Netz und Betrieb der DB AG für erforderlich.“ Der Rechnungshof rät, die Umwandlung der DB Netz AG in eine GmbH zu prüfen. Ziele und Rolle des Bundes auf dem Eisenbahnmarkt müssten „ohne Verzögerungen einer kritischen Bestandsaufnahme“ unterzogen werden.

Laut Bericht sind Bahn-Wettbewerber bei Planung und Durchführung ihrer Angebote „vielfältigen Schwierigkeiten“ ausgesetzt. Demnach erhalten sie häufig nicht die gewünschten Trassen und Nutzungsrechte für Abstellgleise. Zudem kaufe die Bahn in großem Stil gebrauchte Züge auf, so dass Mitbewerber bei diesen Geschäften das Nachsehen haben. Wettbewerber der Bahn haben laut Rechnungshof im Güterverkehr einen Marktanteil von 51 Prozent, im Nahverkehr 26 Prozent und im Fernverkehr ein Prozent.

3. Koalition plant Milliarden-Investition in neues Bahn-Werk in Cottbus

Union und SPD haben sich auf den milliardenschweren Bau eines neuen Bahn-Werks für die Instandhaltung von Zügen verständigt. Das wurde uns am Dienstag in Koalitionskreisen bestätigt. Die Investitionssumme beläuft sich auf 1,3 Milliarden Euro.

Die Umsetzung des Projekts ist im so genannten „Strukturstärkungsgesetzes“ verankert, das in der kommenden Woche vom Bundestag beschlossen werden soll. Das Kabinett soll an diesem Mittwoch grünes Licht für letzte Änderungen an dem Entwurf geben. Die Pläne dienen zum Abfedern des Kohleausstiegs, der schrittweise bis spätestens 2038 erfolgen soll.

Der neue Bahn-Bau könnte ab Mitte der Zwanzigerjahre in Betrieb genommen werden. Dort sollen insbesondere ICE-Züge gewartet werden. Am Standort werden nach Angaben aus Koalitionskreisen rund 1.200 neue Jobs entstehen.

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant zwei Grundgesetzänderungen zur finanziellen Entlastung der Kommunen. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Finanzministeriums hervor, der uns vorliegt. Geändert werden sollen die Artikel 104 und 143. Die erste Änderung bezieht sich auf die Kosten der Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern. Sie soll ausschließen, dass die Zuständigkeit für die Zahlungen künftig in die so genannte „Bundesauftragsverwaltung” fällt, wenn der Bund künftig - wie geplant - bis zu 75 Prozent - der Ausgaben übernimmt. Die zweite Änderung ermöglicht einen einmaligen pauschalen Ausgleich für Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer.

Im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ist am 1. Juli um 14 Uhr Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu Gast. Es geht laut der internen Terminplanung um die Verjährung der Cum-Ex-Ansprüche. Finanzbehörden etwa in Hamburg fordern von einer Privatbank Steuern zurück, die diese im Zusammenhang mit den umstrittenen Cum-Ex-Steuergeschäften gespart hatte. Die Bank wehrt sich aber gegen diese Rückforderungen. Minister Scholz soll erklären, wie der Steuerzahler doch noch zu seinem Recht kommen könnte.

Am 1. Juli diskutiert BaFin-Präsident Felix Hufeld mit den Abgeordneten des Ausschusses, am 16. September soll (bisher als Videokonferenz geplant) Bundesbankpräsident Jens Weidmann zur "Verhältnismäßigkeit" der Ankaufprogramme der EZB Stellung nehmen.

Auf und Ab © The Pioneer

Auf - Eigentlich sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Staatsminister im Auswärtigen Amt begrenzt, doch die besonderen Aufgaben dieses Jahres haben einiges geändert. Europastaatsminister Michael Roth (SPD) etwa hat für Deutschland die Öffnung des Kontinents für Sommerreisen verhandelt und bereitet seit Monaten die Agenda für die EU-Ratspräsidentschaft vor. Dabei hat er zahlreiche eigene Akzente gesetzt, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie prominent platziert und dafür gesorgt, dass auch Geschlechtergerechtigkeit, LGBTQ*-Themen und soziale Sicherheit in Corona-Krisenzeiten nicht vollkommen untergehen. Bei uns bedeutet das: Daumen hoch!

Ab - Es ist ein Dokument des Grauens für die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses von FDP, Grünen und Linken im Bundestag zur Berateraffäre in ihrem Ministerium liegt vor, und die Kritik ist scharf. Unter von der Leyen habe es Rechts- und Regelverstöße im Ministerium gegeben, ein Kontrollinstrument für die zahlreichen externen Berateraufträge allerdings nicht. Im Bericht ist von einem "faktischen Komplettversagen" der Führung des Ministeriums die Rede und einem "bedenklichen Führungsstil". Selbst wenn man die Oppositionsrhetorik abzieht, sind das schwere Vorwürfe.

Unsere Leseempfehlungen für heute:

Das Billigfleisch beim Discounter und der Wunsch nach mehr Tierwohl - wie passt das zusammen? Gar nicht, das erahnen wir spätestens nach den Enthüllungen über die Zustände in den Schlachthöfen durch die Corona-Ausbrüche. Stern-Autor Dominik Stawski blickt in seiner Reportage hinter die Kulissen eines Systems, "in dem der Wert eines Lebens in Zahlen gemessen wird". Aufschlussreich!

In der Corona-Pandemie werden die Karten beim Kampf um den CDU-Vorsitz (und damit die wahrscheinliche Kanzlerkandidatur) neu gemischt. Der frühere Cicero-Gründer und Focus-Chefredakteur Wolfram Weimer spekuliert in seiner Kolumne für n-tv über die Ambitionen von Gesundheitsminister Jens Spahn, weil dieser angeblich Auftritte mit Laschet meide. Jens Spahn ist angetreten als Nummer zwei hinter Laschet, er spricht sich fast täglich mit ihm ab. Will er doch mehr? Interessante Analyse!

Auch die FAZ beschäftigt sich mit Armin Laschet und dessen Corona-Krisenmanagement. Der NRW-Korrespondent Reiner Burger bemerkt, dass viele Länderchefs am Ende den Initiativen aus NRW gefolgt seien. Nun müsste der Lockerer Laschet aber zum Lockdowner werden. Keine einfache Aufgabe. Hier lesen!

Wir gratulieren zum Geburtstag:

Dennis Rohde, SPD-Bundestagsabgeordneter, 34

Ralph Bollmann, Journalist, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 51

Michael Kessler, Kabarettist und Schauspieler, 53

Andreas Seehofer © Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften

Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften entwickelt sich zum Hort der Freunde und Familienmitglieder von Innenminister Horst Seehofer (CSU). Die frühere Pressesprecherin und enge Vertraute Seehofers, Ulrike Hinrichs, ist dort geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Nun arbeitet auch Seehofers 32-jähriger Sohn Andreas Seehofer für den Verband, der die Beteiligungsunternehmen in Deutschland vertritt. Seehofer junior verantwortet den Bereich Medien und Finanzen.

Ursula Heinen-Esser © ThePioneerIhre Informationen für uns © Media Pioneer

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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