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Unsere Themen heute:
Deutschland diskutiert über die neuen Milliarden-Ausgaben für die Bundeswehr. Ein Mangel steht fest: Die deutsche Raketenabwehr ist kaum vorhanden. Wir kennen die tristen Details.
Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke hat den letzten Sozialdemokraten in der Führungsebene durch einen Parteifreund ersetzt. Wir sagen, wer gekommen ist.
Die Koalitionsfraktionen wollen diese Woche eine neue Kommission zur Reform des Wahlrechts einsetzen. Dabei geht es auch um Parität im Bundestag und junge Wähler.
Rund 20.500 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind derzeit weltweit im Einsatz. Wir fassen einen internen Bericht zusammen.
Deutschland ohne Raketenabwehr
Russlands Krieg in der Ukraine führt zum Ende vieler Gewissheiten des Westens. Sogar der unwahrscheinliche Fall russischer Raketenangriffe wird wieder diskutiert.
Wer sich dieser Tage unter deutschen Generälen umhört, hört Beunruhigendes: Denn in den deutschen Luftraum könnten feindliche Raketen derzeit beinahe problemlos eintreten – über Jahrzehnte wurde am Schutz gespart.
Das hat jetzt, inmitten Europas neuer Sicherheitskrise, konkrete Folgen.
Die Bundesregierung muss nämlich entscheiden, ob auch bei der Raketenabwehr die Trendwende kommen soll und wieder aufgerüstet wird.
Abschuss einer Patriot-Rakete (1999) © Raytheon CompanyKlar ist: Die kurzfristige Modernisierung der Raketenabwehr würde in die Milliarden gehen.
Das belegt eine vertrauliche Analyse des Verteidigungsministeriums, die unserem Investigativreporter Christian Schweppe vorliegt. Sie war noch unter Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erstellt worden mit dem Augenmerk, die Bedrohungslage aus der Luft zu analysieren und bestehende Fähigkeiten gegenüberzustellen.
Das Papier sah schon im März 2021 erheblichen Bedarf und ging insgesamt von nötigen Kosten zwischen 1,9 Milliarden und rund sechs Milliarden Euro aus.
Je nachdem, welche Fähigkeiten beschafft würden, könnte alles mittelfristig sogar mehr als 18 Milliarden Euro kosten. Auch diese Analyse zeigt also, wie marode die deutsche Luftverteidigung wirklich ist.
Schon im vergangenen März gab es die Absicht im Ministerium, ab 2023 die Modernisierung des Patriot-Flugabwehrsystems vorzunehmen, das bis mindestens 2030 genutzt werden soll. In einem zweiten Schritt bis spätestens 2026 waren zudem neue Fähigkeiten in der mobilen Flug- und Drohnenabwehr geplant worden (Erstbefähigung Nah- und Nächstbereichsschutz).
Patriot-Startgelände und Abschussrampen © BundeswehrVerteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) könnte die Pläne ihrer Vorgängerin nun aus der Schublade ziehen. Bei Erstellung waren sie noch nicht finanziert. Werden sie es jetzt? Noch hat sich Lambrecht zur Raketenabwehr nicht im Detail geäußert. Ein Sprecher verwies auf geltende Geheimhaltung.
Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) findet:
Ich glaube, wir müssen über kurz oder lang wieder eine Debatte führen, ob Deutschland einen besseren Schutz für die gesamte Bevölkerung braucht.
Am Montag will das Ministerium dem Bundestag Details zum geplanten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nennen. Was AKKs Raketenpläne im Detail vorsahen und wie die Luftverteidigung überhaupt funktioniert, lesen Sie hier.
So sieht das Bundeswehr-Sondervermögen aus
Olaf Scholz nach einer Rede im Deutschen Bundestag. © imagoDas geplante Bundeswehr-Sondervermögen soll auch für nicht unmittelbar militärische Cybersecurity-Vorhaben genutzt werden können. Das wurde unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner in Koalitionskreisen bestätigt.
Am Sonntagabend liefen noch Gespräche darüber, wie genau der Kreis der anspruchsberechtigten Stellen gezogen werden soll. Als Möglichkeit wurde genannt, auch Cybersecurity-Ausgaben der Nachrichtendienste einzubeziehen.
Ansonsten sollen die Mittel aus dem Sondervermögen allerdings ausschließlich in die Truppe investiert werden, hieß es in Koalitionskreisen.
Den Angaben zufolge ist geplant, Artikel 87a des Grundgesetzes zu ergänzen. Der Gesetzgeber soll damit ermächtigt werden, zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit ein Sondervermögen von maximal 100 Milliarden Euro zu schaffen.
Der Entwurf für die Grundgesetzänderung sowie das Errichtungsgesetz für das Sondervermögen sollen am kommenden Mittwoch zusammen mit dem Bundeshaushalt 2022 vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden. In Koalitionskreisen hieß es, der Verteidigungshaushalt werde bis 2026 bei jährlich rund 50 Milliarden Euro stabilisiert.
Ein Eurofighter der Bundeswehr. © imago imagesZusammen mit den Ausgaben aus dem Sondervermögen will die Regierung in den nächsten Jahren das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreichen. Das Verteidigungsministerium hatte zuvor intern gefordert, den Verteidigungshaushalt so zu erhöhen, dass allein mit diesen Mitteln das NATO-Ziel erreicht werden kann. Mit dieser Forderung konnte sich das Ressort jedoch nicht durchsetzen.
Für welche Vorhaben die Mittel aus dem Sondervermögen genutzt werden, soll im parlamentarischen Verfahren zum Bundeshaushalt 2022 bis Anfang Juni geklärt werden. Dann soll der Wirtschaftsplan des Sondervermögens beschlossen werden.
Das Sondervermögen soll zunächst durch Kredite finanziert werden und kein Verfallsdatum haben. Das heißt, es bleibt so lange bestehen, bis alle Mittel ausgegeben sind. Anschließend sollen sie getilgt werden, in welchen Schritten und bis wann soll dann geklärt werden.
Wahlrecht-Kommission startet
Die Ampel-Koalition will diese Woche die Reform des Wahlrechts auf den Weg bringen und eine parteiübergreifende Kommission einrichten. Das geht aus einem Antragsentwurf sowie aus einer Tagesordnung der SPD-Fraktion hervor, die beide fristgerecht auf unserem Schreibtisch eingegangen sind.
Bundestag © imagoDer Kommission sollen insgesamt 13 Abgeordnete des Bundestags angehören und weitere 13 Sachverständige. Die SPD schickt vier Abgeordnete, die Union drei, FDP und Grüne zwei, Linke und AfD eine(n).
In identischem Verhältnis sollen die Sachverständigen nominiert werden.
Ausriss Wahlrecht-Kommission © The PioneerTeil der Kommissionsarbeit soll neben der Frage der Reduzierung der Parlamentsgröße auch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre sein.
Auch das Thema paritätischer Bundestag soll Teil des Arbeitsauftrages sein, das ist insbesondere innerhalb von FDP und Union umstritten. Nur rund ein Drittel (34 Prozent) der Abgeordneten sind weiblich.
Wer Teil der Kommission sein soll, wird in den nächsten Wochen entschieden. Sicher dabei sein dürften aber führende Innenpolitiker wie Sebastian Hartmann (SPD) oder Konstantin Kuhle (FDP).
20.500 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz
Rund 20.500 Soldatinnen und Soldaten sind aktuell in Einsätzen und einsatzähnlichen Verpflichtungen eingebunden.
Das geht aus einer internen Übersicht der Bundeswehr hervor, die unserer Kollegin Marina Kormbaki vorliegt.
Demnach sind derzeit 2.043 Bundeswehrkräfte an mandatierten Auslandseinsätzen beteiligt.
Hinzu kommen rund 1.000 Soldatinnen und Soldaten, die an der Nato-Ostflanke stationiert sind - für "Rückversicherungsmaßnahmen". So befinden sich derzeit 917 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Enhanced Forward Presence in Litauen. Weitere 70 sind in Rumänien stationiert.
© The PioneerFür die maritime Sparte der Nato sind derzeit 270 Kräfte abgestellt.
Zudem hält Deutschland in diesem Jahr rund 13.700 Soldatinnen und Soldaten für die NATO Response Force in allen Bereitschaftsgraden vor. Weitere 2.900 Kräfte werden für das Nationale Risiko- und Krisenmanagement zum Schutz deutscher Staatsangehöriger im Ausland in höchster Verfügungsbereitschaft bereitgehalten. Hinzu kommen weitere einsatzgleiche Verpflichtungen, wie etwa die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Unterstützung in der Ägäis.
Aktuell leisten 300 Soldatinnen und Soldaten Amtshilfe bei der Corona-Bekämpfung.
Die Zahl aktiver Soldatinnen und Soldaten liegt bei 183.750.
Grünen-Ministerin Lemke holt nächsten Parteifreund
Nun musste auch der letzte sozialdemokratische Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium gehen: Die neue grüne Ressortchefin Steffi Lemke hat bis in die untere Leitungsebene Vertraute und Parteifreunde installiert.
Vor wenigen Tagen begann der neue Abteilungsleiter G, Grundsätzliche und übergreifende Angelegenheiten der Umweltpolitik, Ronny Meyer, seinen Dienst im Ministerium. Der Physiker war zuletzt Staatsrat für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität beim Senator für Umwelt in Bremen.
Merkel als Zeugin
Dass der damalige CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer 2018 seinen Ministerialdirektor und Abteilungsleiter Norbert Seitz in den Ruhestand versetzte, hat ein hochrangiges juristisches Nachspiel. Seitz leitete die Abteilung für Migration, wurde dann Opfer einer Umstrukturierung.
Ex-Kanzlerin Angela Merkel und der frühere Innenminister Horst Seehofer 2021 im Bundestag. © dpaSeitz fühlte sich durch die folgende Berichterstattung der Bild unfair behandelt, so hören wir. Demnach habe er nicht die gewünschte Leistung erbracht. Seitz begann sich juristisch zu wehren.
Mögliche Zeugen in einem solchen Prozess wären Seehofer selbst – und Altkanzlerin Angela Merkel. Dieser Vorgang betrifft nun auch das Kabinett, das die juristische Vernehmung wegen der besonderen politischen Rollen aber üblicherweise ablehnt. In zehn Tagen soll entschieden werden.
Auf - Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat auf eine Folge des Ukraine-Krieges hingewiesen, die womöglich erst später, dann aber umso härter spürbar wird: die Folgen für die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Die Ukraine gelte als „Kornkammer der Menschheit“, ernähre normalerweise weite Teile der Welt, sagt Özdemir im Deutschlandfunk. Es ist ein dramatischer Appell des Grünen auf ein (Noch-)Randthema. Unser Aufsteiger.
Ab - SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat es aktuell nicht leicht. Die Corona-Infektionszahlen gehen wieder hoch, doch das Land wartet ungebrochen sehnsüchtig auf den letzten Lockerungsschritt am 19. März. Und auch in der Politik scheint kaum jemand Lust zu haben, über eine Verlängerung oder gar Verschärfung der Maßnahmen nachzudenken. Lauterbachs Warnungen verhallen – gerade in der alles andere relativierenden Kriegsrealität dieser Wochen. Unser Absteiger.
Wussten die Minister, politischen Berater und Geheimdienstchefs nichts von Putins Plänen für den großen Angriffskrieg gegen die Ukraine? In der Welt fasst Ressortleiter Klaus Geiger diese Meldungen zusammen und verweist auf eine BBC-Investigativ-Journalistin, die von ahnungslosen russischen Regierungsmitgliedern berichtet. Demnach wusste nicht einmal Putins Kabinettschef von den Kriegsplänen. Alle Quellen aus dem Regierungsumfeld hätten ihr versichert, schreibt Rustamowa, dass sie vor dem 24. Februar dachten, dass Putin die Lage nur eskalierte, um einen größeren Hebel gegenüber dem Westen zu haben", heißt es in dem Artikel. Spannende Analyse!
Die Impfpflicht wird diese Woche im Bundestag beraten, und rund 81 Wissenschaftlern warnen in einem Aufruf an alle Bundestagsabgeordneten vor diesem Schritt. Sie argumentieren, dass nicht alle Impf-Nebenwirkungen bisher ausreichend erforscht sind und eine Pflicht aus ihrer Sicht verfassungswidrig sein dürfte. Ihre Argumente haben sie hier zusammengefasst.
Heute gratulieren wir herzlich:
Till Backhaus (SPD), Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern und aktuell dienstältester Landesminister in Deutschland, 63
Axel Wallrabenstein, Chairman MSL Group Germany, 58
Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, 49
Karl Bär, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 37
Nadja Sthamer, SPD-Bundestagsabgeordnete, 32
Die SPD-Bundesverteidigungsministerin dämpft die Erwartungen der Rüstungsindustrie.
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre