Die Ampel-Koalition für die Wahlrechtsreform

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Ampel-Koalition light: Weil der Bundestag auf Rekordgröße wächst, wollen SPD, Grüne und FDP eine Reform - ohne die Union.

  • Strategiewechsel: Angela Merkel hilft Armin Laschet nun doch eifrig, sie macht sich Sorgen um ein historisch schlechtes Ergebnis der Union am Ende ihrer Amtszeit.

  • SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz soll wegen der Ermittlungen gegen eine Anti-Geldwäsche-Einheit im Bundestag aussagen, doch er geht lieber in den Wahlkampf.

Die Ampel-Koalition für die Wahlrechtsreform

Spitzenpolitiker von SPD, FDP und Grünen fordern für die neue Legislaturperiode einen Neuanlauf für die Wahlrechtsreform - auch und vor allem - gegen den Widerstand der Union.

Bei manchen Themen hakt es bei den Ampelüberlegungen im Bund noch. Aber wenn es um die Wahlrechtsreform geht, hat sich die Koalition bereits gefunden.

„Die derzeitige Rechtslage beim Wahlrecht ist nur eine Zwischenlösung. Nur eine Koalition ohne CDU und CSU wird die Kraft haben, eine Reform des Wahlrechts hinzubekommen", sagte uns SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider.

Carsten Schneider, SPD-Geschäftsführer im Bundestag. © dpa

"Insbesondere die CSU ist nach dem gegenwärtigen Wahlrecht für den größten Teil der Überhangmandate verantwortlich, die nicht durch Zeitstimmen gedeckt sind."

Für die SPD werde immer entscheidend bleiben, dass die Sitzverteilung im Bundestag dem Zweitstimmenergebnis und damit dem Willen der Wählerinnen und Wähler entspreche, so Schneider.

Nach aktuellen Prognosen könnte der neue Bundestag auf mehr als 900 Abgeordnete anwachsen. Das liegt vor allem an den vielen zu erwartenden Überhangmandaten für die CSU in Bayern, die dann wieder ausgeglichen werden müssen.

"Die Bürgerinnen und Bürger haben zu Recht kein Verständnis mehr für die zu erwartende ‚Selbstvergrößerung‘ des Deutschen Bundestages", sagte uns Schneiders Fraktionskollege Mahmut Özdemir.

Dieses Unverständnis müsse in der neuen Wahlperiode eine Verpflichtung für eine gründliche und schnelle Wahlreform sein.

Özdemir:

Ohne die CDU/CSU als Bremsklotz zwecks Besitzstandswahrung können wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier mit neuen Mehrheiten wirksamere Ergebnisse erzielen.

"Dass es zu einem XXL-Bundestag kommen kann, zeigt, wie arbeitsunfähig die Große Koalition als Ganze war", sagte uns FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann.

Marco Buschmann © dpa

Auch er sieht die Verantwortung in Bayern:

"Innerhalb der Großen Koalition trägt die CSU die Hauptschuld. Denn sie hat zu lange blockiert, die CDU hat das zu lange akzeptiert und die SPD meinte, dass sie von einem Schwarze-Peter-Spiel innerhalb der Großen Koalition profitiert".

So sei eine wirksame Dämpfung des Mandatswachstums ausgeblieben.

Buschmann weiter:

Das ist völlig verantwortungslos.

"Das Ansehen und die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages werden durch die völlig gescheiterte Wahlrechtsreform von CDU, CSU und SPD gefährdet", sagte uns auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann.

"Für dieses Debakel trägt allen voran die CSU, und mit ihr CDU und SPD, die Verantwortung."

Eine mögliche Ampel-Koalition scheint ihr erstes Projekt bereits vor dem Wahltag gefunden zu haben.

1. Merkel stärkt Laschet im Wahlkampf

Die Bundeskanzlerin schaltet sich doch stärker in den Wahlkampf ein als ursprünglich geplant.

Diese Woche wird die Regierungschefin im Wahlkreis von Armin Laschet in Aachen auftreten und für den angeschlagenen CDU-Chef Werbung machen.

Eigentlich hatte die Kanzlerin sich vorgenommen, sich herauszuhalten. So war es nach der Wahl des neuen CDU-Chefs mit Laschet abgesprochen.

Als Laschet Kanzlerkandidat wurde, machte er ihr unseren Informationen zufolge auch deutlich, dass er einen eigenständigen Wahlkampf führen wolle, sich dafür auch inhaltlich von ihrer Regierungszeit abgrenzen werde.

Doch mit den schlechten Umfragewerten stieg der Druck aus der Partei, die Kanzlerin einzubeziehen. Und: Merkel habe die Vereinnahmung ihrer Kanzlerschaft durch den SPD-Kandidaten Olaf Scholz geärgert.

Olaf Scholz auf dem SZ-Magazin-Cover © Twitter/@pavel

Merkel entschloss sich mehr zu tun, wetterte im Bundestag gegen die Linkspartei und terminierte auch den Besuch Laschets in ihrem Wahlkreis in Stralsund an diesem Dienstag.

Dort werde sie erneut für den NRW-Ministerpräsidenten als neuen Bundeskanzler werben, heißt es. Es sei euch ein Zeichen der "persönlichen Verbundenheit".

© dpa

In Parteikreisen heißt es, es gehe auch um Merkels Erbe. Niemand soll ihr vorwerfen, dass sie nicht alles getan habe, um die Union vor einer historischen Niederlage zu bewahren, sagt jemand, der ihr nahe steht.

Einer, der lange eng mit Merkel zusammengearbeitet hat und ihr Vizekanzler war, ist der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Er sagte uns:

Wenn die Pandemie nicht gekommen wäre, wäre sie jetzt durch die Welt gereist, zwei Jahre lang. Sie wäre die Königin aller Länder gewesen und gefeiert worden. Aber es kam alles anders.

Angela Merkel und Franz Müntefering 2013 im Bundestag.  © dpa

Merkel habe in der Corona-Krise kaum Zeit gehabt, „sich noch in der Welt groß darzustellen und feiern zu lassen“. Deshalb gehe ihre Zeit „ein bisschen trist“ zu Ende, sagt Müntefering.

Das ganze Gespräch mit der SPD-Ikone können Sie hier hören.

In ihrer politischen Heimat Mecklenburg hat unser Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner die Kanzlerin besucht. Seinen Bericht über Merkels Abschiedstour lesen Sie hier.

Plötzlich wird Merkel sentimental

Die Kanzlerin und der Abschied von ihrem Wahlkreis an der Ostsee-Küste.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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2. CDU zitiert Scholz in Bundestags-Finanzausschuss

Bundesfinanzminister Olaf Scholz soll sich in der Sondersitzung des Finanzausschusses im Bundestag heute zu den Ermittlungen gegen die Anti-Geldwäsche Einheit FIU, die unter Korruptionsverdacht steht.

Doch der SPD-Kanzlerkandidat will lieber in Baden-Württemberg Wahlkampftermine absolvieren als persönlich vor den Abgeordneten zu erscheinen. Er hat einer Videobefragung zugestimmt.

Olaf Scholz nach einer Rede im Deutschen Bundestag. © imago

Die Union ist empört: "Eine Kurz-Visite von Scholz per Videoschalte wäre völlig unangebracht", sagte der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer. "Am Montag muss er endlich reinen Tisch machen. Opposition sowie Union haben jede Menge Fragen." Die Bürger hätten Anspruch darauf, dass Scholz persönlich erscheint.

Fraktionsvize Andreas Jung ergänzt: "Ich bin sicher, dass die SPD in Baden-Württemberg Verständnis dafür hat, wenn Scholz im Bundestag aufklärt statt im Land Wahlkampf zu machen." Angeblich seien die SPD-Termine im Wahlkampf erst entstanden, als die Einladung für den Ausschuss vorlag, sagt Jung.

3. Fregatte Bayern darf nicht nach Shanghai

Die im Rahmen der deutschen Indo-Pazifik-Strategie eingesetzte Fregatte Bayern darf nicht zu einem geplanten Hafenbesuch im chinesischen Shanghai einlaufen. Dies teilte CSU-Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn dem Verteidigungsausschuss in einem Schreiben vom 17. September mit. Es liegt uns vor.

Eine Infografik mit dem Titel: Konfliktzone Südchinesisches Meer

Die Fregatte Bayern soll in der von China beanspruchten Region Präsenz zeigen

Der Besuch sei im Sinn eines "inklusiven Indo-Pazifik-Ansatzes" der chinesischen Seite angeboten worden. Am 9. September teilte die chinesische Seite dem Auswärtigen Amt mit, dass "sich die chinesische Regierung leider nicht in der Lage sehe, der Anfrage der Bundesregierung nach einem Besuch in Shanghai 2021 stattzugeben".

Stattdessen soll die Bayern nun ohne den Halt die Passage durch das Südchinesische Meer antreten. "Die entsprechende Versorgung der Besatzung sowie die Betriebsstoffversorgung sind sichergestellt", schreibt Silberhorn.

"Damit hat die Absage seitens China keine kritischen Auswirkungen auf die Durchführung des Indo-Pacific-Deployments 2021".

4. Union will Clubs und Gaming als Kulturgüter anerkennen

Die Union will im Fall eines Wahlsiegs die Clubs als Kulturgüter anerkennen lassen und so stärker fördern.

Das geht aus einem Positionspapier der Kulturstaatsministerin im Kanzleramt, Monika Grütters, und dem Mitglied des CDU-Zukunftsteams, dem Berliner Bundestagskandidaten Musikmanager Joe Chialo hervor.

Das Papier soll heute in Berlin vorgestellt werden. Es liegt uns vor.

"Musikclubs sind Partner und Wegbereiter junger musikalischer Talente. Sie erfüllen einen wichtigen kulturellen Auftrag", heißt es darin.

Clubs trügen zur Attraktivität unserer Zentren bei, seien Magnete für ein regionales und überregionales Publikum und bei Ansiedlungsprojekten ein wertvoller Standortfaktor.

Ausriss aus dem CDU-Papier zur Kreativwirtschaft.  © ThePioneer

"Wir nehmen die Clubkultur ernst und wollen die Rahmenbedingungen verbessern. Deshalb werden wir mit Blick auf das Baurecht prüfen, Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellem Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke zu definieren."

Außerdem will die Union Gaming- und Streaming-Inhalte stärker in die staatliche Filmförderung einbeziehen. Zu dem boomenden digitale Spielesektor heißt es:

Gaming ist Teil der Jugendkultur.

5. Grünen-Wahlkampfchef in der Kritik

Angesichts sinkender Umfragewerte kurz vor der Wahl wächst bei den Grünen der Unmut über die Wahlkampfleitung in der Parteizentrale.

Im Zentrum der Kritik: Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter der Grünen.

Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen © dpa

Kellner habe die organisatorische und strategische Aufstellung der Partei für den Wahlkampf vernachlässigt, sagten uns mehrere Bundestagskandidaten.

Trotz der Personalaufstockung in der Parteizentrale und des beispiellos hohen Wahlkampfetats in Höhe von 16 Millionen Euro hapere es am Grundsätzlichen.

So werde Wahlkampfmaterial nicht rechtzeitig ausgeliefert, die parteiinterne „Netzfeuerwehr“ zur Eindämmung von fake news reagiere nicht schnell genug, Wahlprüfsteine wichtiger Interessenverbände würden nicht fristgerecht beantwortet. Zudem fehle es an einer klaren Linie für den Umgang mit der erstarkten SPD.

Sollte Kellner den Wahlausgang am Sonntag als Erfolg im Vergleich zu 2017 verkaufen wollen, werde man ihm dies nicht durchgehen lassen, erzählt ein einflussreicher Grüner.

"Es scheint so, als hätten die Grünen den Sündenbock für die verpatzte Bundestagswahl 2021 bereits gefunden", schreibt Marina Kormbaki, politische Reporterin bei ThePioneer. Ihren Wahlkampf-Report lesen Sie hier.

Das Ende der Mission Kanzleramt

Die Grünen stehen vor einem Rekordergebnis - und vor einer Riesenenttäuschung.

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Veröffentlicht von Marina Kormbaki .

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Halbzeit auf unserer Deutschlandreise. Vier Städte liegen hinter uns, gestern Abend trafen wir in der ostwestfälischen Stadt Minden ein. Unser Thema: die Zukunft der Familienunternehmen.

Bürokratieabbau, Vermögensteuer, Corona-Hilfen und Fachkräftemangel. Unsere Diskussionsrunde mit 50 Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Region brachte viele Sorgen zu Tage, der Frust von Unternehmern über die Politik war zu spüren.

Ein Fazit: Das viel zitierte Rückgrat der Wirtschaft braucht eine lautere Stimme in Berlin.

Zu Gast waren die Unternehmerinnen Stella Ahlers, Vorstandsvorsitzende des gleichnamigen Herrenausstatters aus Herford, und Marie-Christine Ostermann, geschäftsführende Gesellschafterin des Lebensmittelgroßhändlers Rullko, durch den Abend führten Franziska von Haaren und Gabor Steingart.

Dr. Stella Ahlers, Franziska von Haaren, Gabor Steingart und Marie-Christine Ostermann (v.l.). © Jette Froberg. Talk mit Familienunternehmen in Minden auf der Pioneer One.  © Jette Froberg

Dass die inhabergeführten Unternehmen in diesem Land nicht ausreichend in der Politik gehört und verstanden werden, das räumten selbst die anwesenden Bundestagsabgeordneten Achim Post (SPD) und Frank Schäffler (FDP) ein.

Achim Post und Steffen Kampeter (v.l.). © ThePioneer

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Kampeter, mahnte in einer Wortmeldung einen einfacheren Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik an und beklagte die Klischees, die es immer noch gibt, wenn Politiker ihre Expertise anschließend in der Wirtschaft einbringen. Ein besseres Verständnis in der Politik für den Mittelstand sei möglich, wenn der Mittelstand seine Erfahrungen in die Politik einbringen, so Kampeter, der fast 15 Jahre für die CDU den Wahlkreis Minden-Lübbecke vertrat.

Heute geht es weiter mit der Pioneer One nach Hannover. Dort können Sie mit uns bei einer Community Cruise um 10 Uhr im Hafen über die Bundestagswahl diskutieren.

Und am Abend fordern wir junge und ambitionierte, aber auch erfahrene Politiker dazu auf, das System Politik zu reformieren und eine Antwort zu geben auf die Frage:

Was wäre, wenn wir die Politik komplett neu denken?

Mit dabei sind unter anderem die FDP-Kandidatin Ria Schröder, die Polit-Influencerin Vivien Wysocki, JU-Chef Tilman Kuban, Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Die Grünen) und Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius.

Auch beim dritten und letzten Triell der Kanzlerkandidaten hat Olaf Scholz die meisten Zuschauer von sich überzeugen können.

Der SPD-Politiker lag in der Forsa-Blitzumfrage nach dem TV-Dreikampf klar vor CDU-Chef Armin Laschet und die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock.

Bei der Diskussion in Berlin-Adlershof hatten alle drei Unterstützer mitgebracht. Marina Kormbaki, politische Reporterin bei ThePioneer, hat Eindrücke hinter den Kulissen mitgebracht.

Annalena Baerbock nach dem Triell.  © Marina Kormbaki

Der Moment der Enttäuschung

Als die Ergebnisse der ersten Blitzumfrage angekündigt werden, ahnt Laschet schon das Ergebnis. „Na, wer hat gewonnen? Wieder der Scholz?“, fragt er in der Sofa-Ecke der Union - und er liegt richtig. „Es gewinnt bei so etwas immer der, der vorne ist“, kommentiert er.

Der Überraschungsmoment

Olaf Scholz kommt aus dem Studio in die Halle mit den Unterstützer-Teams - und steuert geradewegs in die Ecke der Grünen. Zu deren Überraschung. Scholz grüßt nett, die Grünen grüßen nett zurück - und von hinten pirschen sich Arbeitsminister Hubertus Heil und Generalsekretär Lars Klingbeil heran.

Olaf Scholz in der "Grünen-Ecke" nach dem Triell.  © Marina Kormbaki

Heil hält Scholz ein Glas Bier hin - da erst wendet der sich seinen Genossen zu. Grünen-Ikone Claudia Roth findet Scholz‘ Geste „höflich und anständig“. Das Bier tauscht Scholz gegen ein alkoholfreies aus; seit seiner Kür zum Kanzlerkandidaten trinkt er keinen Alkohol.

Der lauteste Lacher des Abends

Kommt zweifelsohne von Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer. Laschet fragt Baerbock im Triell, was sie sich von der Befragung Scholz‘ im Finanzausschuss im Zuge der jüngsten Vorwürfe gegen sein Haus erhoffe. Baerbocks Antwort geht im dröhnenden Gelächter Bütikofers unter. „Mehr fällt Laschet nicht ein?“, ätzt Bütikofer.

Die Erkenntnis des Abends

„Heute Abend sind die Unterschiede zwischen Rot-Grün einerseits und der Union andererseits klar und deutlich geworden“, sagt Karin Prien, Kieler Bildungsministerin und Mitglied in Laschets Zukunftsteam - „besonders in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, wenn es darum geht, Eltern und ihre Kinder aus Hartz IV zu holen.“

Pointe des Abends

SPD-Vize Klara Geywitz begrüßt Scholz nach dessen Auftritt mit der launigen Feststellung: „Bisschen unfair war das schon: Zwei gegen Eins.“

Olaf Scholz lächelt.

Die FDP hat ihren Wahlaufruf verabschiedet - ohne eine Festlegung in der Koalitionsfrage. Eine Jamaika-Koalition mit CDU, CSU und Grünen gilt intern als favorisierte Konstellation. Eine Ampel-Regierung mit SPD und Grüne wird aber auch nicht ausgeschlossen.

Für Aufsehen sorgten bei den Liberalen Äußerungen von CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt, der aktuell Chef der Landesgruppe der CSU im Bundestag ist.

Alexander Dobrindt (CSU) © dpa

Dobrindt hatte dem Spiegel gesagt, der Regierungsauftrag gehe an die stärkste Fraktion im Bundestag: „Für eine Regierung unter Führung einer zweitplatzierten Union fehlt mir gerade die Fantasie.“

Das jedoch steht in der Konsequenz konträr zu Äußerungen von FDP-Chef Christian Lindner, der daran erinnert hat, dass die stärkste Partei nach der Bundestagswahl nicht unbedingt die Regierung anführen werde - so wie etwa 1980.

„Im Zweifel machen die Sonthofen“, heißt es im FDP-Vorstand über die CSU. Der Name des Städtchens im Oberallgäu steht für eine Strategie, die einst Franz Josef Strauß ersonnen hatte. Damals ging es um Obstruktion der Opposition gegenüber der Regierung. Nach der Bundestagswahl, mutmaßen sie bei den Liberalen, könnte die CSU je nach Ausgang auf Obstruktion gegenüber Armin Laschet und der CDU setzen.

Wahlkreis 61 - Potsdam -Mittelmark II – Teltow-Fläming II: Olaf Scholz vs. Annalena Baerbock vs. Saskia Ludwig

In 299 Wahlkreisen bewerben sich Kandidatinnen und Kandidaten für ein Direktmandat im Deutschen Bundestag. Von Flensburg-Schleswig, dem Wahlkreis 1, bis Homburg, der Nummer 299, geht es mal knapper und mal deutlicher, mal prominenter und mal unbekannter zu. Bis zur Bundestagswahl stellen wir rund 40 Wahlkreise vor, auf die es zu achten lohnt. Weil es knapp ist, weil Prominente antreten oder ein Swing bevorsteht. Heute werfen wir einen Blick auf das prominenteste Aufeinandertreffen bei dieser Wahl - in den Wahlkreis Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II.

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Der Wahlkreis 61 umfasst neben der Stadt Potsdam auch den nördlichen Teil der Landkreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming.

Rund 250.000 Wahlberechtigte leben hier. 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 79,1 Prozent.

Bei der letzten Bundestagswahl gewann SPD-Kandidatin Manja Schüle das Direktmandat mit 26,1 Prozent der Erststimmen knapp vor Saskia Ludwig von der CDU (24,9 Prozent). Bereits damals kandidierte dort Annalena Baerbock für die Grünen. Sie landete mit 8 Prozent allerdings nur auf Platz fünf.

Schüle ist inzwischen Wissenschaftsministerin in Brandenburg und schied 2019 aus dem Bundestag aus.

Für die SPD tritt in diesem Jahr Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkreis 61 an. Er bekommt es mit Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen und Ludwig zu tun, die sich erneut für die CDU bewirbt.

Kämpfen um das Direktmandat im Wahlkreis 61: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, Saskia Ludwig von der CDU und die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock (von links). © ThePioneer

Nach aktuellen Prognosen von election.de ist es sehr wahrscheinlich, dass Scholz mit den meisten Erststimmen direkt in den Bundestag einziehen wird. Die Webseite schreibt Baerbock und Ludwig kaum noch Chancen zu, den Wahlkreis für sich zu entscheiden.

Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Saskia Ludwig haben von uns jeweils identische Fragebögen erhalten. Hier sind die Antworten in unserem ThePioneer-Battleground.

Der SPD-Kandidat

Möchte das Direktmandat im Wahlkreis 61 gewinnen: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.  © Thomas Trutschel/Photothek

Wer bin ich? Olaf Scholz, 63 Jahre, Finanzminister und Kanzlerkandidat, von Beruf Anwalt, ich habe viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten. Hobbies: joggen und rudern, lesen und kochen.

Wo wohne ich? In Potsdam, zur Miete.

Was zeichnet mich aus? Verlässlichkeit, Erfahrung und einen klaren Plan für die Zukunft.

Lieblingsort im Wahlkreis: Meine Joggingstrecke.

Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Öffentliche Bürgergespräche. Alle können kommen, alle Fragen sind erlaubt. Als Kanzlerkandidat und als Kandidat im Wahlkreis 61 bin ich seit Februar zunächst virtuell unterwegs gewesen, seit Frühsommer auch ganz klassisch auf den Marktplätzen und an Info-Ständen.

Meine digitale Wahlkampf-Strategie: In der Pandemie haben wir gelernt, welche Vorteile die Virtualität auch haben kann. An einem Abend kann man Veranstaltungen in Teltow, Ludwigsfelde und Potsdam – aber auch im Allgäu oder auf Amrum machen – ohne die Wohnung zu verlassen.

Bestes Give-Away: Ein Bierdeckel – da steht keine Steuererklärung drauf, sondern Tipps und Hinweise zum Wahltag. Und ein Glas Bier passt da auch ganz hervorragend drauf.

Mein politisches Thema: Ich setze mich für mehr Respekt in der Gesellschaft ein, niemand sollte sich für etwas Besseres halten und auf andere Herabgucken. Der Umbau unserer Industrie zum klimaneutralen Wirtschaften muss vorangetrieben werden. Und ich stehe für ein starkes und souveränes Europa.

Als erstes ändere ich: In meinem ersten Amtsjahr will ich den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro anheben. Und ich will das Planungsrecht modernisieren und ehrgeizige Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien festlegen, damit wir es wirklich schaffen in 25 Jahren klimaneutral zu wirtschaften.

Wunsch-Koalition: Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt das Wort. Sie geben Ihre Stimmen ab. Eine Gewissheit gibt es: Wer will, dass ich der nächste Kanzler werde, sollte seine Stimmen der SPD geben.

Mein Slogan: Im Wahlkreis: Mit Erfahrung. Vor Ort.

Größte Stärke meiner Konkurrenz: Es bewerben sich ja mehrere Personen um das Direktmandat. Alle von ihnen haben individuelle Beweggründe und unterschiedliche Hintergründe. Die Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger.

Größte Schwäche meiner Konkurrenz: Ich spreche nicht negativ über meine Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Die Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger.

Auf diesen Termin freue ich mich: Auf jedes Bürgergespräch vor Ort. Das erdet. Mitnehmen, was die Leute bewegt und die Punkte in die politischen Entscheidungen aufnehmen, das ist meine Politik.

Die Grünen-Kandidatin

Möchte den Wahlkreis 61 für sich entscheiden: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. © gruene.de

Wer bin ich? Annalena Baerbock, 40 Jahre, Co-Vorsitzende der Grünen und Kanzlerkandidatin.

Wo wohne ich? Potsdam.

Was zeichnet mich aus? Leidenschaft, voller Einsatz und Durchsetzungsfähigkeit.

Lieblingsort im Wahlkreis: Der Volkspark, das frühere Bundesgartenschaugelände. Hier treffen sich Potsdams Familien, denn da ist Platz für alles und jeden: lange Spaziergänge, Wasserspielplatz, Discgolf, Streuobstwiese.

Meine analoge Wahlkampf-Strategie: Auf dem Marktplatz ins Gespräch mit den Leuten kommen.

Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Mehr Zuhören als Reden.

Bestes Give-Away: Die vielen schönen Dinge in meinem Ladenlokal "lokal.grün" in Potsdam. Da gibt's alles, was das Herz begehrt.

Mein politisches Thema: Die riesengroße Chance, klimagerechten Wohlstand zu bauen. Nutzen wir sie für unsere Kinder.

Als erstes ändere ich: Ich lege ein Klimaschutzsofortprogramm auf.

Wunsch-Koalition: Eine mit viel Grün.

Mein Slogan: Die Zukunft entsteht nicht einfach - sie wird gemacht.

Größte Stärke meines Konkurrenten (Olaf Scholz): Seine langjährige Erfahrung.

Größte Schwäche meines Konkurrenten (Olaf Scholz): Seine langjährige Erfahrung.

Auf diesen Termin freue ich mich: Das direkte Gespräch an den Haustüren, zu klingeln und vorbeizukommen. Da nehme ich immer die besten Ideen mit.

Die CDU-Kandidatin

Saskia Ludwig von der CDU fordert die beiden Kanzlerkandidaten im Kampf um das Direktmandat im Wahlkreis 61 heraus. © Saskia Ludwig

Wer bin ich? Saskia Ludwig, 53 Jahre, Diplomkauffrau und Hundenarr.

Wo wohne ich? Ich bin in Potsdam geboren und wohne in Golm.

Was zeichnet mich aus? Ich kenne meine Heimat genau, und es spornt mich jeden Tag aufs Neue an, für meine Heimat zu arbeiten.

Lieblingsort im Wahlkreis: Der Herzberg bei mir in Sichtweite. Meine Familie und ich genießen ihn bei Spaziergängen.

Meine analoge Wahlkampf-Strategie: "Saskia Ludwig hört zu“, nicht nur in Wahlkampfzeiten. Ich führe seit Jahren intensive Gespräche mit Bürgern und ortsansässigen Unternehmern und löse Probleme vor Ort.

Meine digitale Wahlkampf-Strategie: Natürlich gehören Facebook & co. zum Wahlkampf dazu. Auf Instagram können Sie unseren familiären Neuzugang, Puma, einen 11 Wochen alten Ridgeback Welpen und mir bei unseren Wahlkampfabenteuern begleiten.

Bestes Give-Away: Mein selbst geimkerter Honig "Golmer Gold".

Mein politisches Thema: Freiheit; Privat vor Staat; freies, verantwortungsbewusstes Unternehmertum, das von Bürokratie und Steuern entlastet werden muss, zukunftsorientierte Bildung und wertegebundene Digitalisierung.

Als erstes ändere ich: Die Amtszeit vom Bundeskanzler

Wunsch-Koalition: CDU/FDP.

Mein Slogan: Eine von hier!

Größte Stärke meiner Konkurrenz: Ihre Bekanntheit.

Größte Schwäche meiner Konkurrenz: Keine Zeit für den Wahlkreis und die Anliegen der Bürger.

Auf diesen Termin freue ich mich: Friedrich Merz im Wahlkreis.

Möchte für die sachsen-anhaltinischen Grünen in den Deutschen Bundestag: Urs Liebau.  © ThePioneer

Urs Liebau kandidiert in Sachsen-Anhalt auf Listenplatz 2 für den Bundestag. Er ist seit 2017 Mitglied der Grünen und bei Fridays for Future aktiv. Ihm ist klar, dass die Aktivisten zum Teil einen radikaleren Klimaschutz fordern als seine Partei, doch es komme auf den Kompromiss an, sagt Liebau am Telefon.

Im Stadtrat von Magdeburg, wo der 26-Jährige aktiv ist, konnte Liebau mit den Grünen einen Beschluss durchsetzen, der Magdeburg bis 2035 klimaneutral machen soll. “Ich bin sicher, dass das ohne die jungen Menschen von Fridays for Future nicht möglich gewesen wäre”, sagt er.

Nach aktuellen Umfragen würde Liebau knapp in den nächsten Bundestag einziehen. Den Schritt von der Lokalpolitik auf die Bundesebene wagt der Grünen-Politiker auch, weil er in Magdeburg erlebt habe, was junge Menschen in der Politik bewegen können. Liebau sagt:

Wir brauchen mehr junge Politiker im Bund.

Sollte er nach dem 26. September tatsächlich in den Bundestag einziehen, wolle er zwar weiter an Demonstrationen teilnehmen, aber keine leitende Position bei Fridays for Future übernehmen. Liebau sagt: "Für guten Klimaschutz brauchen wir sowohl den Druck außerhalb und innerhalb des Parlaments."

Im Bundestag möchte sich der Wirtschaftsingenieur mit nachhaltiger Logistik beschäftigen. Passend dazu hat er auch seinen Studienschwerpunkt gelegt.

“Ich glaube nicht, dass es zwangsweise einen Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie gibt”, erklärt Liebau.

CSU-Chef Markus Söder ist heute ab 14 Uhr Gast im Format "Eine Stunde ZEIT mit..." der gleichnamigen Wochenzeitung. Er stellt sich den Fragen von Redakteurin Mariam Lau und Roman Pletter, Leiter des Wirtschaftsressorts. Die Veranstaltung wird auf der Webseite von Zeit Online live gestreamt.

Heute wirbt Annalena Baerbock in Mainz für die Grünen, abends geht es weiter nach Mannheim. Ihr Co-Parteivorsitzender Robert Habeck ist im Norden unterwegs. Nachmittags ist er bei einer Veranstaltung in Flensburg, abends auf dem Fischmarkt in Hamburg.

Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, ist heute auf Wahlkampftour in Baden-Württemberg. Er spricht ab mittags bei Kundgebungen in Tübingen, Nürtingen und Esslingen.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing ist heute Vormittag bei einer Veranstaltung in Magdeburg, nachmittags geht es für ihn weiter nach Oldenburg.

Christian Linder, Parteichef der Liberalen, ist am Abend um 21.30 Uhr zu Gast in der ARD-Talkshow Hart aber fair mit Moderator Frank Plasberg.

In der Sendung unter dem Titel "Endspurt im Wahlkampf: Wer macht die letzten Punkte?" treffen die Fraktionsvorsitzenden aller Bundestagsparteien aufeinander. Neben Lindner sind zu Gast: Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Rolf Mützenich (SPD), Kathrin Göring-Eckhart (Die Grünen), Alice Weidel (AfD) und Amira Mohamed Ali (Die Linke).

Sie ist eine der klugen und leidenschaftlichen Frauen in der FDP, und als Vizechefin und Hamburger FDP-Vorsitzende setzte Katja Suding vor allem in der Bildungspolitik Akzente. Nun scheidet sie nicht nur aus dem Bundestag aus, sondern verlässt die Politik ganz. "Ich frage mich, wie ich das so lange durchgehalten habe", sagt sie nun in einem bemerkenswerten Interview mit dem Spiegel und sie erzählt worauf sie sich freut im neuen Leben. Hier lesen!

Olaf Scholz hat seine Steuererhöhungspläne konkretisiert und gesagt, dass Topverdiener sich auf einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent einstellen müssen. Im Gegensatz sollen Singles, die weniger als 100.000 Euro brutto im Jahr verdienen, und Verheiratete mit weniger als 200.000 Euro brutto würden weniger zahlen. Das sei nur zu finanzieren, indem die Steuern für die, die erheblich mehr verdienten, moderat angehoben würden. Das Handelsblatt hat die Pläne analysiert. Hier geht es zu Pflichtlektüre nicht nur für Spitzenverdiener!

Die Pioneer Polls ergeben sich durch den Mittelwert der aktuellen Umfragen der Institute Allensbach, Kantar, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, GMS, Infratest Dimap, Insa und YouGov.

Heute gratulieren wir herzlich:

Sabine Christiansen, Journalistin und ehem. ARD-Talkshow-Moderatorin, 64

Sophia Loren, italienische Filmschauspielerin, 87

George R. R. Martin, US-amerikanischer Bestseller-Autor, 73

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Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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