Flüchtlinge

Die Ampel und das Migrationsproblem

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Olaf Scholz und Friedrich Merz © The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Die Migrationskrise wird für Olaf Scholz zum doppelten Problem. Wir erklären, weshalb.

  • Am Wochenende startet der erste Bürgerrat des Bundestages mit seiner Arbeit. Das Gremium widmet sich dem Thema „Ernährung im Wandel“. Wir haben mit einem Mitglied gesprochen.

  • Zwischen Grünen und FDP gibt es Streit über ein Gesetz zur Genehmigungsbeschleunigung – und damit verbunden um die geplante Erhöhung der Lkw-Maut.

  • Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja sollte eigentlich einen neuen Posten im Sozialbereich in der Fraktion bekommen, doch daraus wird wohl nichts.

  • In der SPD-Fraktion gab es gestern zwei Kampfabstimmungen im Sprecherposten. Wir kennen die Ergebnisse.

Die Migrationskrise ist das neue Ampel-Problem

Olaf Scholz hat neben dem faktischen Problem der neuerlichen Migrationskrise seit dem Wochenende auch noch ein politisches: Wie umgehen mit dem Angebot von CDU-Chef Friedrich Merz, eine gemeinsame Lösung (freilich auch zu Unionsbedingungen) zu finden?

Zu einem Gesprächsangebot in Richtung Merz ist es jedenfalls bisher nicht gekommen – und das wird es auch bis zur Bayern-Wahl am 8. Oktober nicht, so hören wir. Danach aber sei auch eine gemeinsame Lösung denkbar. Klar ist jetzt schon – das Kanzleramt will Bewegung.

In der SPD-Fraktion machte Scholz jedoch deutlich, dass er nichts von der Unions-Idee einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr halte. Das sei nicht umsetzbar. Man wisse schließlich nicht, was getan werden müsse, wenn der erste Flüchtling die Obergrenze überschreite. Es sei nicht möglich, über das individuelle Asylrecht hinwegzugehen, so der Kanzler laut Teilnehmern.

Friedrich Merz und Olaf Scholz © imago

Scholz will die Blockade der Grünen beim europäischen Asyl-Kompromiss rasch lösen. Es gebe Gespräche zwischen dem Kanzleramt und den Grünen, um die Bedenken zu zerstreuen.

Diese Woche könnte es zu einer Lösung kommen, hieß es in Regierungskreisen. Die EU-Asylreform dürfe nicht an Deutschlands Veto scheitern, das am meisten unter den hohen Zahlen der Asylbewerber leide. Ohne die Krisenverordnung, gegen die sich die Grünen auflehnen, weil sie niedrigere Standards bei den Ankunftszentren vorsieht, würde auch die gesamte Reform scheitern.

Vor allem die FDP macht intern Druck. Dort hieß es, wenn die Österreicher, Polen und Ungarn die Reform als nicht weitgehend genug kritisieren, müsse das doch auch die Grünen überzeugen.

In Teilen der Liberalen wird gefordert, neben Moldau und Georgien (Konsens in der Koalition, soll noch vor Jahresende kommen) auch Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten auszuweisen.

Allerdings kooperieren zumindest Marokko und Algerien aktuell nicht mit Deutschland in der Migrationsfrage. Einzig Abschiebungen nach Tunesien könnten mit dem Instrument womöglich schneller erfolgen, hört unser Kollege Thorsten Denkler aus dem Innenministerium.

Noch schwerer scheint es zu sein, Migrationsabkommen mit einzelnen Staaten zu vereinbaren. Von jenen Staaten, die ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger aufnehmen müssten, stellten nicht erfüllbare Bedingungen.

Es werde mit vielen Ländern gesprochen, hören wir. Konkret auf der Zielgeraden sei bisher nur ein Abkommen mit Kenia.

Herr Scholz, welchen Ernährungsrat geben Sie der Politik?

An diesem Freitag startet der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat „Ernährung im Wandel“. Bis zum Februar soll er dem Bundestag einen Bericht mit Empfehlungen vorlegen. Die 160 Ratsmitglieder sind per Zufallsprinzip ausgewählt worden. Unser Kollege Rasmus Buchsteiner hat mit einem gesprochen: Manfred Scholz aus Kiel.

Manfred Scholz, Mitglied im Bürgerrat  © privat

Herr Scholz, was kommt eigentlich bei Ihnen auf den Teller?

Scholz: Ich bin Fleischesser. Und ich esse auch gerne Fleisch. Als wir vom Bundestag angeschrieben wurden für den Bürgerrat, mussten wir ja angeben, was für ein Ernährungstyp wir sind: Veganer, Vegetarier oder Fleischesser. Meine Frau und ich versuchen, so häufig wie möglich auch ohne Fleisch für uns zu kochen. Einmal die Woche mindestens: Wenn zum Wochenende unsere Töchter, Schwiegersöhne und Enkel nebst Freundinnen kommen, haben wir drei Vegetarier mit am Tisch. Und das berücksichtigen wir natürlich. Probieren wollen es dann auch die Anderen. Das ist schon ein Wandel.

Manche halten nichts von einem Bürgerrat, sehen das Ganze als „Ersatzparlament“. Ist es das?

Scholz: Würde ich nicht sagen. Ich gehe erst einmal ohne größere Erwartungen an die Sache heran. Das Konzept macht jedenfalls einen sehr interessanten Eindruck – mit Online- und Präsenztreffen. Am Ende wird der Rat Empfehlungen präsentieren. Mal sehen, wie es wird.

Sollte sich die Politik beim Thema Ernährung nicht zurückhalten?

Scholz: Jeder entscheidet selbst, was er isst und was nicht. Verbote mag ich nicht. Die führen nur zu Frust, da baut sich doch natürlich Ablehnung auf. Andererseits: Bei der Ernährung ist auch für die Politik viel zu tun – zum Beispiel, wenn es um die Zusatzstoffe in Lebensmitteln geht. Wenn ich sehe, was so alles in vegetarischen Fleischersatz hineingepackt wird, in Veggie-Schnitzel und solche Sachen, kommt mir das Grausen. Da muss die Politik ran. Ich bin hier für Aufklärung.

Der Bürgerrat tagt weitgehend hinter verschlossenen Türen – warum eigentlich?

Scholz: Wir sind ja alle keine Politiker – und in dem Bereich unerfahren. Ich glaube, wir müssen uns Regeln geben und daran halten, damit alles sachlich bleibt. Es bringt doch nichts, jemanden in der Debatte vorzuführen. Eins ist aber auch klar: Irgendwann müssen wir das, was wir erarbeiten, bei den Leuten bekannt machen. Der Bürgerrat wird nur Wirkung haben, wenn die Ergebnisse auch öffentlich diskutiert werden.

Kindergrundsicherung heute im Kabinett

Der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung soll heute vom Bundeskabinett verabschiedet werden. In der gestrigen Koordinierungsrunde habe es keine größeren Unstimmigkeiten mehr gegeben, wie unser Kollege Maximilian Stascheit aus Koalitionskreisen erfuhr.

Dennoch sind im parlamentarischen Verfahren noch technische Details zu klären. Dabei geht es unter anderem um die Frage, nach welcher Methode die Einkünfte aus der Kindergrundsicherung für Familien mit Bürgergeld-Beziehern angerechnet werden.

Zuvor hatte sich das Kabinett im Zuge der Ressortabstimmung unter anderem bereits darauf geeinigt, die Pauschale für Asylbewerber-Kinder abzuschaffen und Einkommen der Kinder nicht mehr auf die Leistungen für die Eltern anzurechnen (wir berichteten).

Zitrus-Streit um Planungsbeschleunigung und Lkw-Maut

© The Pioneer

In der Ampel-Koalition gibt es heftigen Streit über das Gesetz zur schnelleren Planung von Infrastruktur und zur Erhöhung der Lkw-Maut.

„Das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz wurde durch die Grünen auf den letzten Metern verhindert und somit auch der Fortschritt und das Tempo in unserem Land ausgebremst“, sagte uns Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Das Gesetz, so Reuther, betreffe sowohl Straßen und Schienen als auch die Wasserstraße: „Ideologische Scheuklappen haben unser Land noch nie weitergebracht, höchstens blockiert.“

Bei der Lkw-Maut, die ab Dezember erhöht werden soll, geht es nach Angaben aus Koalitionskreisen um monatliche Zusatzeinnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro.

Von Grünen-Seite hieß es, es gebe zwar eine Einigung zur Lkw-Maut. Allerdings habe es das Verkehrsressort versäumt, rechtzeitig Formulierungshilfen für die Gesetzgebung vorzulegen, damit das Geld wie geplant in Schieneninfrastruktur geleitet werden kann, hört unser Kollege Thorsten Denkler. Da Planungsbeschleunigung und Lkw-Maut zusammenhingen, könne beides deshalb diese Woche noch nicht verabschiedet werden.

Die FDP hätte das Gesetz gerne noch in dieser Woche, also vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern, durch den Bundestag gebracht. Jetzt wird das wohl erst nach der Wahl passieren, was dem ursprünglich vereinbarten Zeitplan entspreche, sagen die Grünen.

Ex-CDU-General Czaja geht bei Ausschuss leer aus

Mario Czaja © dpa

Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja, ein Sozial- und Gesundheitsexperte, wird offenbar nicht wie erwartet in den Gesundheitsausschuss einziehen.

Das haben die Chefs der Landesgruppen in der Unionsfraktion unlängst bei einer vertraulichen Sitzung mit Fraktionschef Friedrich Merz besprochen.

Bei der Ablösung als Generalsekretär hatte Merz dem früheren Berliner Sozialsenator einen neuen Posten in der Fraktion angeboten, doch Czaja will den frei gewordenen Posten im Wirtschaftsausschuss nicht annehmen. Nun könnte der Abgeordnete aus Berlin ganz ohne Ausschuss-Mitgliedschaft bleiben.

Teutrine neuer Pflege-Sprecher der FDP im Bundestag

Jens Teutrine 

Der Bundestagsabgeordnete Jens Teutrine ist neuer pflegepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Das wurde uns am Dienstag in Fraktionskreisen bestätigt.

Er ist damit Nachfolger von Nicole Westig, die künftig auf dem Feld der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik tätig sein wird. Teutrine wird künftig als ordentliches Mitglied auch dem Gesundheitsausschuss angehören.

SPD: Daldrup und Scheer setzen sich durch

Bernhard Daldrup, SPD © picture alliance

Bei den Kampfkandidaturen in der SPD-Fraktion haben sich am Dienstag die beiden amtierenden Sprecher/innen Bernhard Daldrup und Nina Scheer klar gegen ihre Herausforderer durchgesetzt. Daldrup besiegte Timo Schisanowski mit 142 zu 60 Stimmen, Scheer setzte sich gegen Markus Hümpfer mit 125 zu 63 Stimmen durch.

Damit wechselt nur in der AG Verkehr die Sprecherposition von Dorothee Martin zu Isabel Cademartori. Auffällig an den Wahlergebnissen ist, dass der Seeheimer Schisanowski und der zum Teil von Seeheimern unterstützte Hümpfer die Wahlen so klar verloren haben – die Seeheimer haben in der Fraktion über 90 Mitglieder.

„Lage der Nation“-Macher schreiben Politik-Buch

Rechtzeitig zur Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition legen die beiden Journalisten Ulf Buermeyer und Philip Banse, Macher des erfolgreichen Politik-Podcasts „Lage der Nation“, ihr erstes Buch vor.

Am 28. September erscheint das Werk mit dem Titel „Baustellen der Nation. Was wir jetzt in Deutschland ändern müssen“ im Ullstein Verlag (Hier kann man es schon vorbestellen).

Die Autoren analysieren die großen politischen Herausforderungen unserer Gesellschaft und liefern konkrete Lösungsvorschläge – vom Rentensystem über die Deutsche Bahn bis hin zur Digitalisierung der Verwaltung.

© The Pioneer

Auf - Boris Rhein. Der hessische Ministerpräsident liegt in einer aktuellen Umfrage erneut deutlich vor seiner Herausforderin, SPD-Innenministerin Nancy Faeser. Der ehemalige Innenminister, der konsequent bundespolitische Talkshow-Auftritte ablehnt, könnte in zwei Wochen endgültig zur Riege der einflussreichen CDU-Landesfürsten aufsteigen. Alles sieht nach einem Sieg der CDU aus, die bereits seit 1999 das Land regiert.

Ab - Friedrich Merz. Der Oppositionsführer hat der Ampel einen Deutschlandpakt in der Migration angeboten, doch Kanzler Scholz geht auf das Gesprächsangebot nicht ein. Im Gegenteil: Man will Merz links liegen lassen und lieber mit den (CDU-geführten) Ländern über einen Pakt verhandeln. Im Bundestag habe man eine eigene Mehrheit, heißt es in der Ampel. Pech für Merz.

„Jetzt muss die CDU das Klima retten“ titelt der Spiegel-Wissenschaftsjournalist Kurt Stukenberg in seinem Leitartikel. Er betont, dass die Regierung nicht mehr wie in den Vorjahren erstarrt auf ihr eigenes klimapolitisches Unvermögen blicke. Stattdessen sei eine neue, resignierte Offenheit der Ampelregierung zu erkennen, die jedoch gleichzeitig kaum verhohlene Abwehr zeige, wenn es darum gehe, das Handeln an die Realität anzupassen. Für Stukenberg seien jetzt die CDU und die CSU die letzte Chance für mehr Klimaschutz in Deutschland. Die Union unter Friedrich Merz zeige Interesse an dem Jahrhundertthema – da man ebenfalls Klimaschutz ziemlich gut auch als Heimatschutz verkaufen könne, was bei den Konservativen gut ankomme. Hier können Sie seinen Leitartikel lesen.

Laut FAZ-Redakteur Lukas Fuhr sei derjenige, der Klimaschutz betreibe, letztendlich auch derjenige, der die Freiheit schütze. Bundeskanzler Olaf Scholz habe noch vor kurzem betont, dass in Deutschland Taten auf Worte folgen würden. Für Fuhr sieht die Lage hierzulande anders aus: Es würden eher kleine Taten in Bezug auf den Klimaschutz unternommen. Selbst Robert Habeck müsse zugeben, dass das eigene Klimaschutzprogramm nicht ausreichend sei. Fuhr ist der Auffassung, dass die Liberalen nicht versuchen sollten, sich zu begrünen, sondern stattdessen darauf konzentrieren sollten, den Markt einzusetzen. Nur so könne man das erreichen, was durch Vorschriften nur auf Kosten der Freiheit oder durch langwieriges Nachjustieren zu erreichen wäre. Seinen gesamten Kommentar können Sie hier lesen.

Welche Rolle spielen Klänge bei der Form- oder Geschmackswahrnehmung? In einem Gastbeitrag für The Pioneer erklärt Sprech- und Medientrainerin Inés Hoelter, wie Worte wirken und wie sie unser Gehirn prägen.

Die Macht der Sprache

Per Wort ins Gehirn – wie mit Sprache Bilder generiert werden. Von Inés Hoelter.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Inés Hoelter.

Artikel

The Pioneer Expert

Heute gratulieren wir herzlich:

Nikos Anastasiadis, Präsident der Republik Zypern a.D., 77

Jens Koeppen, CDU-Bundestagsabgeordneter, 61

Isabelle Körner, ntv-Nachrichtenmoderatorin, 48

Walter Riester (SPD), Bundesarbeitsminister a.D., 80

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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