herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.
Unsere Themen heute:
Die Entscheidung zum Bundeswehr-Abzug aus Mali ist gefallen. Doch die Risiken sind immens.
Der Bundesrat berät morgen über die geplante Wohngeldreform. Der Zeitplan von Bauministerin Klara Geywitz könnte scheitern.
Grünen-Chef Omid Nouripour war gestern zu Gast auf der Pioneer One und hat mit uns unter anderem über die Außendarstellung der Ampel-Regierung gesprochen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus will Mental Health Coaches in Schulen einsetzen. Geld dafür steht bereit, doch viele Fragen sind noch ungeklärt.
"Private Viewing" statt Haushaltsdebatte: Trotz Plenarsitzung wollten viele Abgeordnete das WM-Auftaktspiel der deutschen Mannschaft nicht verpassen.
Die Angst vorm neuen Afghanistan
Am Ende soll alles wirken, als sei es genauso die beste aller Lösungen: Noch bis Mai 2024 will die Bundeswehr in Mali bleiben, danach soll Schluss sein. Es ist der politische Kompromiss in einem Streit zweier Ministerinnen: Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock wäre gerne im Land geblieben, SPD-Frau Christine Lambrecht wollte unbedingt abziehen.
Doch die gestrige Entscheidung zum Abzug aus der strategisch wichtigen Sahel-Zone birgt zahlreiche Risiken.
Sicherheitslage vor Ort: In internen Einschätzungen, die wir einsehen konnten, gilt die Lage nicht nur als prekär - sie dürfte sich demnach eher noch verschlechtern. So könne die aktuelle Uno-Mission Minusma kaum Druck bei der Verfolgung von Aufständischen ausüben - und dies werde sich nach dem Abzug der Franzosen und Briten in den nächsten Monaten mutmaßlich noch verschlechtern.
Die Bundeswehr versucht, mit der Minusma-Mission in Mali Frieden zu sichern. © ImagoLaut einer Einschätzung, die wir aus Ministeriumskreisen vernehmen, breiten sich die aktiven Terrorgruppen nicht nur in Mali, sondern auch in den umliegenden Ländern wie Niger aus.
Lagebilder: Die Bundeswehr kann zudem wegen fehlender Überflugrechte bereits seit Mitte Oktober die Aufklärungsdrohne Heron nicht mehr aufsteigen lassen - Lagebilder können nicht erstellt werden, Besserung ist nicht in Sicht.
Russlands Rolle: Eine Angst, die besteht, ist, dass Russland seinen Einfluss in der Region ausweitet, sollte ein Vakuum entstehen. Pikant: Die Frage könnte nach internen Einschätzungen schon vor dem Abzugsdatum Mai 2024 relevant werden. Aktuelle Planungen gehen davon aus, dass die Uno den Einsatz noch einmal verlängert. Doch hierfür ist im Sicherheitsrat auch Russlands Stimme nötig. Der Ausgang ist fraglich.
Ortskräfte: Das Wort wird in der Bundesregierung nicht verwendet - zu sehr erinnert es an das Chaos des Abzugs aus Afghanistan. Die Zahl der "lokalen Beschäftigten" befindet sich laut interner Schätzungen, die wir einsehen konnten, in einem dreistelligen Bereich. Die meisten Personen sollen bekannt sein. Doch die Sorge ist groß, dass auch dieser Prozess nicht rund läuft.
Annalena Baerbock © dpaDer 12-monatige Abzugsplan braucht nun eine echte Evakuierungsplanung, die sofort beginnen müsse, hören wir aus Parlamentskreisen.
Und gerade die gewählte Form des Abzugs berge Risiken. CDU-Mann Henning Otte: "Ein so langer Abzug fordert die Logistik überproportional und erhöht die Sicherheitsrisiken vor Ort."
Unions-Länder wollen Wohngeldreform verschieben
Die unionsregierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern haben im Wohnausschuss des Bundesrates eine Verschiebung der von der Ampel-Koalition geplanten Wohngeldreform beantragt.
In dem Entschließungsantrag, der uns vorliegt, wurde auf Vorschlag der Landesregierung Nordrhein-Westfalen eine Verschiebung des Inkrafttretens des Gesetzes auf den 1. April 2023 aufgenommen.
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sagte uns dazu:
„Wir wollen eine Wohngeld-Reform. Aber wir wollen keine Wohngeld-Reform mit der Brechstange."
Es wäre sinnvoll, die Reform zu verschieben. Leistungsgewährungen können auch mit Rückwirkung zum 1. Januar 2023 gelten, so Schnarrenbach.
Die Kommunen, die die Reform umsetzen müssen, seien noch nicht so weit.
Schnarrenbach: „Die Kommunen sind mit den Wohngeldstellen auf das WohngeldPlus nicht vorbereitet. Derzeit laufen nahezu in allen Kommunen Personalausschreibungen – die Rückmeldungen sind ernüchternd. Stellen können nicht besetzt werden und selbst wenn sie neue Leute finden, werden sie sie frühestens ab Mitte Dezember 2022 schulen können."
An diesem Freitag berät der Bundesrat über das Gesetz und den Antrag der drei Länder.
Nouripour: Außenwirkung der Ampel sei "befremdlich zuweilen"
Omid Nouripour, Grüne © dpaGrünen-Chef Omid Nouripour hätte sich eine bessere Außendarstellung der Ampel-Koalition in der Debatte um das Bürgergeld gewünscht.
Für Menschen, die von außen auf die Politik der Ampel schauten, sei es "befremdlich zuweilen, wenn wir auf der Bühne miteinander rumpeln und hinten gut arbeiten", sagte er unserem Kollegen Thorsten Denkler. Das ändere aber nichts daran, "dass wir gut miteinander arbeiten".
Probleme gebe es "nicht hinter der Bühne", "das Problem ist, dass wir auf der Bühne einfach authentischer und gescheiter miteinander sein müssen, wie es auch wirklich in der echten Arbeit ist."
Wenn nach erfolgreichen gemeinsamen Projekten "einzelne Leute jetzt versuchen, sich abzusetzen oder sich ganz heftig mit Ruhm zu überschütten und zu beklagen, ist das ihre Sache", sagt er auf die Frage, warum die FDP den Anschein erweckte, gemeinsam mit der Union die Vertrauenszeit im Bürgergeld abgeschafft zu haben.
In dieser Debatte hatte sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Frage der Vertrauenszeit überraschend gegen das gemeinsam von den Ampel-Koalitionären verabschiedete Bürgergeld-Gesetz gestellt.
Auf Twitter hatte Djir-Sarai vor Abschluss der informellen Verhandlungen der Regierungsfraktionen mit der Union geschrieben: "Die Vertrauenszeit beim Bürgergeld sollte fallen". Und: "@spdde und @Die_Gruenen sind aufgefordert sich zu bewegen."
Am Ende haben sich die Unterhändler unter anderem auf die Abschaffung der Vertrauenszeit geeinigt.
Thüringen stemmt sich im Vermittlungsausschuss gegen Bürgergeld-Änderungen
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Mittwoch einen letzten Versuch unternommen, einen Teil der zwischen Ampel-Koalition und Union informell ausgehandelten Änderungen am Bürgergeld nochmal zu ändern. Das geht aus einem Sprechzettel für Ramelow hervor, der unserem Kollegen Thorsten Denkler vorliegt.
© dpaUnter anderem plädierte Ramelow für die Beibehaltung der ursprünglich von der Ampel vereinbarten sechsmonatigen Vertrauenszeit, in der es keine Sanktionen geben soll. Und einer zweijährigen Karenzzeit, in der die Kosten der Wohnung ohne weitere Überprüfung übernommen werden. Die Vertrauenszeit soll jetzt abgeschafft und die Karenzzeit auf ein Jahr verkürzt werden.
Ramelow geht in seinem Vorschlag auf Einwände der Union ein. In dem Sprechzettel schlägt er wortgleich mit dem Kompromiss von Ampel und Union vor, das Schonvermögen zu reduzieren und eine Härtefallregelung für zu große, selbstgenutzte Eigentumswohnungen zu schaffen.
Ramelow sieht anders als die Ampel in dem Bürgergeld keine Abkehr vom Hartz IV-System. CDU und CSU wirft er vor, ihnen gingen "selbst kleine Verbesserungen zu weit". Empfängern von Sozialleistungen werde "unterstellt, nicht arbeiten zu wollen und einfach nur faul zu sein", heißt es in dem Sprechzettel.
Der Vermittlungsausschuss hat am Mittwoch die Beschlussvorlage von Ampel und Union mehrheitlich angenommen. Am Freitag wird der Bundesrat darüber entscheiden.
Paus will Mental Health Coaches in Schulen einsetzen
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) © imagoBundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will ab dem Schuljahr 2023/24 sogenannte Mental Health Coaches in Schulen einsetzen. Dies erfuhr unser Kollege Maximilian Stascheit. Das Programm ist Teil des Zukunftspakets Kultur, Bewegung und Gesundheit und im Bundeshaushalt für das kommende Jahr mit 10 Millionen Euro ausgestattet.
Die Mental Health Coaches sollen ein niedrigschwelliges Angebot für psychisch und sozial belastete junge Menschen sein. „Alle Studien zeigen, dass die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen deutlich geschwächt ist. Sie leiden an den Folgen der Lockdowns in der Pandemie, sie sind verunsichert hinsichtlich der multiplen Krisenlagen“, erklärte eine Sprecherin des Familienministeriums.
Die Details, unter anderem zur genauen Qualifikation der Coaches und zur Finanzierung durch weitere Akteure, sollen nach der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes für 2023 ausgearbeitet werden.
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender Verband Bildung & Erziehung (VBE) © dpaUdo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), erklärte, dass er die Initiative grundsätzlich begrüße. "Allerdings kann ein solches Programm nur der erste von vielen Schritten sein. Denn es war in der Vergangenheit oft der Fall, dass derartige ad-hoc finanzierte Programme Schulen und Schulträger nach anfänglicher Entlastung vor große Herausforderungen stellten, wenn die Finanzierung auslief", sagte er uns. Was es brauche, sei eine "nachhaltig finanzierte Unterstützung durch multiprofessionelle Teams."
Fußball gucken mit dem FC Bundestag
Zunächst gute Laune im Hotel Amano in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Eine Reihe von Bundestagsabgeordneten, Wirtschaftsvertretern und Protagonisten der Berliner Republik hatten sich auf Einladung des FC Bundestag, der Welt und der Beratungsagentur ONC zum "Private Viewing" eingefunden. Bei Currywurst, Couscous und einem halben Dutzend Großbildschirmen trafen sich auch die Parlamentarier, die gerade noch im Bundestag waren.
Christoph Ploß, CDU-Chef in Hamburg, schwänzte die außenpolitische Debatte im Plenum und traf unter anderem auf CDU-Wirtschaftssprecherin Julia Klöckner und die FDP-Abgeordneten Gero Hocker und Bernd Reuther.
v.l.: Christoph Ploß, Bernd Reuther, Gero Hocker. © The PioneerDie Mannschaft des FC Bundestag war auch mit Kapitän Mahmut Özdemir, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, vertreten.
Der SPD-Abgeordnete ahnte bereits, was bei der WM auf die Deutschen zukommen könnte. "Irgendwie keine guten Vorzeichen für eine super WM", so Özdemir. Doch zunächst war die Laune noch gut. Das 1:0 von Ilkay Gündoğan wurde im Saal groß bejubelt.
v.l.: Benedict Pöttering (Doc Morris) und Mahmut Özdemir. © The PioneerDie CDU-Bundestagsabgeordneten Markus Uhl und Jan Metzler. © The PioneerMit dabei auch die CDU-Abgeordneten Markus Uhl und Jan Metzler sowie der frühere SPD-Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, Torsten Albig, und der frühere Regierende Bürgermeister in Berlin, Michael Müller.
Das 1:2 gegen Japan in den Schlussminuten schlug auf die Stimmung. "Wir stehen deutlich stabiler hinten", kommentierte FDP-Mann Bernd Reuther. Er ist Abwehrspieler des FC Bundestag.
Im Bundestag haben nun alle 736 Abgeordneten die Formulare an die Verwaltung abgeschickt, mit denen sie ihre Nebentätigkeiten und Einkünfte ausweisen. Das erfuhr unser Investigativreporter Christian Schweppe. Weil es um Tausende Einzeldaten geht, kommen Personal und Software aber nicht hinterher. Die Veröffentlichung der Nebentätigkeiten erfolgt weiter scheibchenweise – einige wenige Abgeordnete pro Woche.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reist am Donnerstag nach Kroatien und trifft dort Premierminister Andrej Plenković sowie Österreichs Kanzler Karl Nehammer. Ziel des Treffens auf der Insel Krk sei es, über neue Wege bei der Energieversorgung zu sprechen. "Vorhandene Pipelines für Wasserstoff und Erdgas sollen ausgebaut werden und neue dazukommen", sagte Söder. Vor der Insel Krk werde ein neues Terminal für Flüssiggas (LNG) mit weiteren Leitungen auf den Weg gebracht.
Auf - Nancy Faeser. Die Sportministerin machte bei ihrem Besuch des deutschen Auftaktspiels bei der Fußball-WM in Katar das, was sich das DFB-Team um Kapitän Manuel Neuer nicht traute. Mit unbekleideten Armen und klar erkennbarer "One-Love"-Binde saß sie zwischen vielen Scheichs auf der Ehrentribüne. Aus Sicht deutscher Fußballfans war sie damit gestern die einzige Gewinnerin.
Ab - Sebastian Czaja. Der Fraktionschef der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus wollte Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) vorführen. Und öffnete in der Nacht zum Mittwoch scheinbar eigenhändig die Friedrichstraße wieder für den Autoverkehr. Nun, so tat er jedenfalls. Die Fotos, wie Czaja Absperrgitter wegträgt, sind allerdings inszeniert. Durchsichtig genug, um unser Absteiger zu sein.
Was steckt wirklich im Trikot der deutschen Nationalmannschaft? Dieser Frage ging ein Rechercheteam der Zeit um Christian Salewski nach. Plastikmüll ist zum begehrten Rohstoff geworden, schreibt man dort, und nun fertige Adidas daraus bekanntlich ja sogar das aktuelle WM-Trikot der Nationalelf. Alles umweltfreundlich, alles sauber – könnte man denken. Oder? Hier gibt es mehr dazu.
Das Problem dieser WM ist nicht das Gastgeberland Katar, sondern vielmehr FIFA-Präsident Gianni Infantino, meint unser Pioneer-Fußball-Experte Gregor Reiter. Mit dem Skandal um die One-Love-Binde habe er eindrucksvoll bewiesen, dass er glaubt, über dem Recht zu stehen, schreibt der Fachanwalt für Sportrecht. Hier geht's zu seinem Kommentar.
Der Bundeskanzler habe in seiner Rede bei der Generaldebatte im Bundestag wenig Angriffsfläche für die Opposition geboten, kommentiert FAZ-Wirtschaftsredakteurin Heike Göbel. „Olaf Scholz punktete mit zwei schlichten Aussagen: Für diesen Winter sei Deutschlands Energiesicherheit ,wohl gewährleistet' und der Zusicherung, der Anstieg der Energiepreise werde ,auf ein erträgliches Maß' reduziert.“ Nach der Krise würden die Bürger aber schnell fragen, wie solide der Standort Deutschland mit der Ampelpolitik wirklich aufgestellt sei. Fazit: „An überzeugenden Antworten muss die Koalition noch arbeiten.“ Spannend!
Heute gratulieren wir herzlich:
Wiebke Papenbrock, SPD-Bundestagsabgeordnete, 43
Hermann Otto Solms, FDP-Ehrenvorsitzender und ehem. Bundestagsvizepräsident, 82
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre