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Unsere Themen heute:
Eine Nationale Impfallianz soll heute beschlossen werden, Produktion subventioniert werden. Wir sagen, worauf es Bund und Ländern dabei ankommt.
Deutschland gehört laut Weltwirtschaftsforum nicht mehr zu den Top-10-Ländern, die auf die Zukunft vorbereitet sind. Die FDP fordert eine Innovationsagenda.
Die Ost-SPD will das Klima schützen - und rechtfertigt so auch die Fertigstellung der Ostseepipeline Nord Stream 2.
Die Angst vor der Impfpleite
Geht es nach Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bringt der Impfgipfel, zu dem sich heute Mittag Vertreter der Bundesregierung, Ministerpräsidenten, Verbandsvertreter, Repräsentanten der Herstellerfirmen und Spitzenvertreter der EU-Kommission zusammenschalten, ein Ende der Schuldzuweisungen wegen der schleppenden Impfungen.
Gelingt das Aufbruchssignal? Oder droht das nächste Impf-Desaster?
Vor dem Treffen gab es schlechte Nachrichten. Die Bundesregierung ließ wissen, dass nun auch der Impfstoff-Hersteller Moderna Schwierigkeiten hat, seine Zusagen einzuhalten und die Vakzin-Lieferungen kürzt. Daran ändern auch die am Sonntagabend wieder nach oben korrigierten Lieferzahlen von AstraZeneca nichts.
Das Gesundheitsministerium betonte, die fehlenden Lieferungen werde man durch zusätzliche Lieferungen von Biontech/Pfizer ausgleichen.
Die Zahlen: Bis Ende Februar erwarten die Länder weitere 3,3 Millionen Impf-Dosen von Biontech/Pfizer. Insgesamt 1,5 Millionen Impfdosen will der britisch-schwedische Hersteller AstraZeneca am 7. und am 17. Februar liefern, von Moderna sollten gestern laut Plan 90.000 Impfdosen an die Länder verteilt werden, Mitte Februar sollen weitere 182.000 Impfdosen geliefert werden.
Eine Infografik mit dem Titel: So viel liefern die Impfstoff-Hersteller
Anzahl Impfdosen pro Bundesland, kumuliert bis Ende Februar.
Den Ländern stehen dann mehr als 8 Millionen Impfdosen zur Verfügung, 2,3 Millionen Deutsche sind bisher erst geimpft.
Der Rückstand gegenüber Ländern wie Großbritannien, wo jeder fünfte Bewohner geimpft ist, und Israel, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine Impfung bekommen haben, ist allerdings enorm. Und der Unmut darüber ist groß.
Bis April werde der Impfstoff noch knapp bleiben, räumt Minister Spahn ein.
Sein Versprechen will er aber halten: Bis Ende des Sommers würden alle ein Impfangebot bekommen.
Die Länder sind genervt. „Wir brauchen endlich verbindliche und zuverlässige Zusagen im Hinblick auf Liefertermine und Liefermengen der Impfstoffe“, sagte uns FDP-Politiker Heiner Garg, Gesundheitsminister aus Schleswig-Holstein.
Heiner Garg, FDP-Gesundheitsminister in Schleswig-Holstein. © dpa„Solange immer nur für wenige Wochen Liefertermine angekündigt werden, Liefermengen gekürzt werden – solange ist keine verlässliche Planung möglich.“
Muss im Herbst neu geimpft werden?
Doch selbst wenn die Lieferungen jetzt pünktlich kommen, droht im Herbst das nächste Impf-Desaster, sollte die Mutation weiter um sich greifen.
Fast beiläufig erwähnte Jens Spahn am Freitag vor der Bundespressekonferenz:
Es kann sein, dass wir aufgrund von Mutationen neu impfen müssen.
Es gehe jetzt um zusätzliche Bestellungen über das erste Impfangebot hinaus. Er kümmere sich gerade um Lieferungen für das vierte Quartal 2021.
Auch deswegen will die Bundesregierung möglichst schnell eigene Produktionskapazitäten in Deutschland aufbauen und mittelfristig wieder zur „Apotheke der Welt“ werden.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat unseren Informationen zufolge intern mitgeteilt, notfalls auch per Zwang Firmen zur Impfstoffproduktion anzuhalten.
Auch darum soll es beim heutigen Treffen gehen, an dem angeblich neben den Hersteller-Firmen auch der Verband der Chemischen Industrie, der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller sowie Rohstofflieferanten wie Wacker Chemie teilnehmen sollen.
Die Wirtschaft drängt: "Wir müssen die Produktion von Impfstoffen beschleunigen, whatever it takes”, sagte der Ifo-Präsident Clemens Fuest. Selbst liberale Ökonomen wie Fuest fordern eine staatliche Subvention der Produktion.
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte am Samstag in einer Diskussionsrunde des Social Media Netzwerks Clubhouse ebenfalls erklärt, dass Deutschland mehrere Produktionsstätten für die Herstellung des sicheren mRNA-Impfstoffs (Biontech, Curevac) aufbauen wolle. Deutschland müsse ein "Hub" für die Herstellung dieser Impfstoffe sein, ergänzte Jens Spahn bei seinem Auftritt beim World Economic Forum.
Bis dahin droht die Gefahr der Mutation sämtliche Impf-Strategien über den Haufen zu werfen. In NRW traten jüngst Fälle auf, bei denen ältere Menschen trotz Erstimpfung an der neuen Corona-Mutation starben.
„Die Pandemie wird nicht besiegt sein, wenn alle geimpft sind“, mahnt denn auch Grünen-Politiker Manfred Lucha, Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, im Gespräch mit ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner. „Der Erreger wird dann immer noch da sein - und sich womöglich weiter verändern.“
© ThePioneer„Wir wissen heute noch nicht, wie lange die Impfung schützt“, so Lucha. Viel deute darauf hin, dass eine regelmäßige Auffrischung der Impfung erforderlich sei und das Vakzin regelmäßig an einen veränderten Erreger angepasst werden muss.
Heute Abend nach dem Impfgipfel will sich Spahn noch einmal mit seinen Länderkollegen zusammenschalten. Es geht darum, was nun mit den angekündigten AstraZeneca-Lieferungen geschieht. Über 65-Jährige sollen den Impfstoff nach offizieller Empfehlung nicht erhalten. Bekommen werden ihn voraussichtlich vor allem das Pflegepersonal in Kliniken und Heimen.
1. Grütters will von Scholz mehr Krisenhilfen für die Kultur
Monika Grütters, Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt. © dpaKulturstaatsministerin Monika Grütters fordert angesichts der andauernden Corona-Krise zusätzliche Hilfen für die Kultur in Deutschland.
„ Angesichts der jetzigen viel längeren Einschränkungen für die Kulturbranche ist die Gefahr eines immensen Schadens für unseren kulturellen Reichtum und für unser Gemeinwesen nicht gebannt“, sagte uns die CDU-Politikerin.
Und weiter:
Wir brauchen erhebliche zusätzliche Mittel, wenn wir unsere einzigartige kulturelle Vielfalt in Deutschland stützen und schützen wollen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Regierung das Programm Neustart Kultur aufgelegt - in Höhe von einer Milliarde Euro. Inzwischen liegen 34.000 Anträge vor.
„Auf Grundlage unserer Erfahrungen der zurückliegenden Monate schätze ich den Mehrbedarf auf rund 1,5 Milliarden Euro“, sagte Grütters. Sie werde sich bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und im Haushaltsausschuss des Bundestages dafür einsetzen, dass die Kultur diese zusätzlichen Mittel erhalte.
2. FDP warnt vor Abstieg Deutschlands
Die FDP hat bei ihrer Klausurtagung der Bundestagsfraktion am vergangenen Samstag einen Forderungskatalog beschlossen, mit dem Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder Anschluss an die dynamischen Regionen finden soll.
In dem Papier “Aufstieg statt Abstiegskampf” der AG Wirtschaft und Energie diagnostiziert die Bundestagsfraktion erhebliche Mängel bei Digitalisierung, Bildung, Sozialsysteme und Infrastruktur.
Ein Blick auf längerfristige Indikatoren zeigt, dass sich unsere Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich immer weiter verschlechtert.
Die Autoren verweisen auf den Länderindex Familienunternehmen, in dem Deutschland um drei Plätze auf Rang 17 abgerutscht ist. Auch im Wettbewerbsbericht des World Economic Forum (WEF) hat Deutschland seine Spitzenposition eingebüßt.
Bei der Adaption von Informations- und Kommunikationstechnologien, der Flexibilität bei der Arbeit und den digitalen Fähigkeiten schafft es Deutschland laut Global Competitiveness Report nicht mehr unter die zehn besten Länder (siehe Ausriss).
Global Competitiveness Report des World Economic Forum. © WEFBesorgniserregend ist aber vor allem das schlechte Abschneiden bei der Transformation Readiness, eine Art Zukunftsindex für die Industrienationen.
Die Autoren des WEF-Berichts haben dazu die Anpassungsfähigkeit der Länder für künftige Entwicklungen entlang von elf Kriterien gemessen, dazu gehören etwa die Fähigkeit der Wirtschaft für nachhaltige Innovationen, die Effizienz der Verwaltung, die digitale Infrastruktur, die Zukunftstauglichkeit der Bildungs-, Energie-, Finanz- und Sozialsysteme sowie gesellschaftliche Faktoren wie Gleichberechtigung und Diversität.
Ergebnis: Deutschland liegt abgeschlagen auf Platz 9, hinter den nordischen Ländern, aber auch China, Neuseeland, Belgien oder den Niederlanden.
Eine Infografik mit dem Titel: So zukunftstauglich sind die Länder
Economic Transition Readiness, Index des Weltwirtschaftsforums, Skala von 1 bis 100
Die FDP verweist in ihrem Abschlusspapier auf diese Rangliste und schlägt ein Reformpaket vor, das die Wirtschaft entlastet.
Unter anderem sollten die Corona-Wirtschaftshilfen für Unternehmen rasch auf das unbürokratische Kieler Modell umgestellt werden, das eine Kompensation der Verluste nach einheitlichen Kriterien branchenübergreifend durch die Finanzämter vorsieht.
Außerdem fordert die FDP eine digitale Verwaltung, die Firmengründungen in 24 Stunden ermöglicht, eine Strukturreform der Sozialsysteme, um die Sozialbeiträge unter 40 Prozent zu halten und ein Moratorium für Belastungen für Unternehmen bis 2022.
Außerdem sollen Kitas und Schulen unter Beachtung von Hygienekonzepten möglichst offen gehalten werden und landesweit Öffnungsstrategien erarbeitet werden, um dem Mittelstand und den Familien wieder eine Perspektive zu geben.
3. Ost-SPD will mit Nord Stream 2 Klima schützen
Die ostdeutschen Landesverbände der SPD haben am Wochenende bei einer Klausur ein Klimapapier verabschiedet, mit dem sich die Partei auch für die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 einsetzt. Auf dem Wege zur Versorgung durch regenerative Energien setze man auch auf "Brückentechnologien wie Gas, um eine sichere Energie-Versorgung zu garantieren", heißt es:
"Daher unterstützen wir den Weiterbau der Gaspipeline Nordstream 2."
Das Projekt solle auch die seit 2000 von über 50 Prozent auf unter 15 Prozent deutlich reduzierte Eigenversorgung Westeuropas "durch selbst gefördertes Gas" stärken, gleichzeitig sollten "weitere Klima- und Umweltschutzprojekte" initiiert werden.
In einem Stufenplan will Niedersachsen das Land nach der Corona-Pandemie wieder öffnen. © ThePioneerDie niedersächsische Landesregierung hat in der vergangenen Woche erarbeiten lassen, wie der Weg aus der Corona-Pandemie aussehen könnte - mit einem Stufenplan.
Je nach Branche und Aktivität soll bei sinkenden Infektionen etappenweise geöffnet werden. Sechs Stufen sieht der Plan vor.
Der Ausriss zeigt beispielhaft einen kleinen Ausschnitt - unter anderem für persönliche Kontakte bei Inzidenzen unter 50.
FDP bereitet eigene Öffnungsstrategie vor
In der FDP-Fraktionsführung wird erwogen, einen eigenen Öffnungsplan für das Land im Bundestag als Antrag einzubringen und damit die Koalition aus Union und SPD zum Schwur zu bringen. Denn auch in Schleswig-Holstein, in dem CDU, Grüne und FDP regieren, sowie in Niedersachsen, wo SPD und CDU regieren, wurden konkrete Öffnungspläne für de Branchen vorgestellt.
Fraktionschef Christian Lindner machte nach der Klausur deutlich: „Wir können das Land nicht dauerhaft im jetzigen Lockdown halten. Es muss den Menschen vermittelt werden, was die nächsten Schritte sind, was jede Einzelne, jeder Einzelne unternehmen kann, damit wir aus dieser beklemmenden Situation herausfinden." Den Stufenplan aus Schleswig-Holstein nannte er "vorbildlich.“
© ThePioneerAuf - Joachim Stamp ist nicht nur der Vize-Ministerpräsident in NRW, sondern auch der Kita-Minister im bevölkerungsreichsten Bundesland. Der FDP-Politiker gab im Herbst 2020 ein Versprechen ab, was er auch in der Hochphase der Pandemie einhält: keine flächendeckenden Kita-Schließungen. Es gibt kleinere und feste Gruppen, reduzierte Betreuung und strikte Hygienerichtlinien, aber rund 95 Prozent der 10.000 Kitas im Land sind weiter offen, was für die berufstätigen Eltern ein Segen ist. Das Infektionsgeschehen in den Einrichtungen ist sehr niedrig, heißt es in der Landesregierung. Die Zahlen geben Stamp bisher recht. Auch verhindert der Liberale so, dass nur bestimmte Kinder von bestimmten (systemrelevanten) Eltern in die Kita gehen dürfen wie in vielen anderen Bundesländern. Unser Aufsteiger!
Ab - Das Impfdesaster und die verzögerten Lieferungen von AstraZeneca und Biontech/Pfizer werfen ein schlechtes Licht auf die Arbeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Erst hatte sie die Impfkampagne als große "Erfolgsgeschichte" angepriesen, jetzt verheddert sie sich in Widersprüche, weil die Verträge mit den Impfstoffherstellern wohl doch nicht so klar waren und fixe Liefertermine nicht enthalten sind. Dass die EU-Kommission mit Exportkontrollen gegen das bei der Impfung erfolgreiche Großbritannien reagiert, ist peinlich für die Europäische Union und ein Geschenk an die Brexit-Befürworter. Die europäische Lösung bei der Impfstoffbeschaffung mag richtig gedacht gewesen sein, umgesetzt wurde sie miserabel. Das wird man auch Ursula von der Leyen anlasten.
Zahlreiche Medien befassen sich vor dem Impfgipfel mit der Situation der Beschaffung in Europa. In der Süddeutschen Zeitung setzt sich Björn Finke kritisch mit der Regelung in der EU auseinander, Exporte zu verbieten. Im Falle der zunächst geplanten Kontrollen zwischen Nordirland und Irland spricht er gar von einem "unfassbar dummen und kurzsichtigen Angriff". Den Kommentar gibt es hier zu lesen.
Im Handelsblatt üben die Ökonomen Vitali Gretschko und Achim Wambach grundsätzliche Kritik daran, wie mit der Thematik der Impfstoffe umgegangen wurde. Mehr finanzielle Anreize für Unternehmen, die schnell Impfstoffe entwickeln und bereitstellen, hätte Wettbewerb bedeuten und so bessere Ergebnisse zur Folge haben können. Den Beitrag finden Sie hier.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Martin Machowecz, Büroleiter der Zeit in Leipzig, 33
Norbert Barthle, CDU-Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, 69
Tobias Hans, CDU-Politiker und Ministerpräsident des Saarlandes, 43
Tobias Pflüger, Linken-Bundestagsabgeordneter, 56
Marc Pitzke, US-Korrespondent des Spiegel, 58
Victor Perli, Linken-Bundestagsabgeordneter, 39
Wechsel im Bundesfinanzministerium. Der bisherige Unterabteilungsleiter in der Behörde von SPD-Minister Olaf Scholz, Wolfgang Suhr, wird befördert zum Leiter der Abteilung Föderale Finanzbeziehungen.
Einer Personalie in eigener Sache: Ab heute verstärkt Marina Kormbaki unser Hauptstadt-Team. Marina war bisher Reporterin im Berliner Büro des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Bei ThePioneer wird sie als politische Reporterin über die Vorgänge der Berliner Republik berichten, ihre Schwerpunkte sind die Grünen und die Außenpolitik. Willkommen an Bord liebe Marina - wir freuen uns sehr!
Marina Kormbaki © Anne Hufnagl © ThePioneerDie politische Auseinandersetzung um die Gaspipeline Nord Stream 2 ist mehr als ein Streit um ein Wirtschaftsprojekt, schreibt ThePioneer-Expert Hans-Peter Bartels in seiner neuesten Kolumne. Es geht um die geopolitische Rolle Deutschlands - und um die Zukunft und Rolle des Westens. Die Kolumne Situation Room lesen Sie hier.
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