herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Die Omikron-Variante besorgt die Politik. In einer vertraulichen Runde ging es um die Maßnahmen gegen eine fünfte Welle. Wir haben die Details.
Der Altkanzler und Russland-Freund Gerhard Schröder kritisiert die Politik der neuen grünen Außenministerin Annalena Baerbock als wenig zielführend.
Die neue Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung wird eine Islamwissenschaftlerin und Flüchtlingsexpertin der Grünen. Wir sagen, wer.
Essstörungen, Depressionen - die Kinder leiden in der Pandemie. SOS-Kinderdorf fordert einen eigenen Beauftragten und eine Mitentscheidung bei der Impfung.
Eine allgemeine Impfpflicht wäre verfassungskonform - meinen Juristen, die Baden-Württembergs Regierung beauftragt hat.
Berlin will ein Auseinanderbrechen Bosnien-Herzegowinas verhindern - und droht den Separatisten.
Die Angst vor Omikron
Es ist womöglich eine trügerische Vorweihnachtsruhe: Die Corona-Infektionszahlen sind rückläufig - aber in einigen Nachbarländern breitet sich die Omikron-Variante des Corona-Virus aus.
Es bringt die Politik in Zugzwang. Am Mittwoch tagte im Kanzleramt eine Runde der Chefs der Staatskanzleien der Länder. Die darin vorgegebene Richtung: Nur eine massive Booster-Impfkampagne kann helfen.
Das Gesundheitsministerium will insgesamt 60 Millionen Booster-Impfungen durchführen. Mit täglich mehr als einer Million verabreichten Dosen läuft die Kampagne gerade so schnell wie nirgendwo sonst in Europa. Bereits in der kommenden Woche lassen die Lieferungen allerdings deutlich nach.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte am Donnerstag: Impfungen, die erst Ende Februar oder im März erfolgen, seien für den Kampf gegen die direkt zu Beginn des neuen Jahres drohende Omikron-Welle irrelevant.
Weil der eigene Impfstoff nicht reicht, wurde in Polen bereits nachgekauft, mit Rumänien wird verhandelt.
Karl Lauterbach © dpaBreitet sich die neue Corona-Mutation in Deutschland aus und wird vorherrschend, ist aus Lauterbachs Sicht zu erwarten, dass sich die Neuinfektionen alle zwei bis drei Tage verdoppeln - so wie aktuell in Großbritannien.
Schon jetzt beginnt das Wettrennen um die nächste Generation des für Omikron angepassten Impfstoffs.
Rund 80 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs hat die Bundesregierung bei der EU gesichert. Dazu wird mit Moderna über weitere rund 30 Millionen Dosen verhandelt. Ausgeliefert werden könnte alles wohl ab März.
Doch es ist nicht klar, ob Deutschland die bestellten Mengen auch erhalten wird, hören wir aus Regierungskreisen.
Politisch kommt alles auf die Sitzung des Expertengremiums an, das am Freitag erste Ergebnisse zu Omikron vorstellen wird. Es ist das zweite Treffen der Gruppe unter der Leitung von Charité-Vorstand Prof. Heyo Kroemer, das erste fand am Montag statt.
Mit den Empfehlungen des Expertenrats bereiten am kommenden Wochenende die Chefs der Staatskanzleien eine weitere Runde mit dem Chef des Kanzleramts, Wolfgang Schmidt, für Montag vor.
Dann könnte auch über Verschärfungen bei den bundesweiten Corona-Regeln für die Feiertage beraten werden.
Aus dem Kanzleramt vernehmen wir, dass über folgende Themen nachgedacht wird:
Eine Art Silvester-Lockdown mit dem Signal, dass keine Partys zum Jahreswechsel stattfinden sollen.
Kontaktbegrenzungen auf 50 Personen in Innenräumen könnte allgemein vorgegeben werden.
SPD-Altkanzler Schröder kritisiert grüne Außenpolitik
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisiert die ersten Schritte der neuen grünen Außenministerin Annalena Baerbock.
"Ich sehe die Erklärungen bezüglich Russland. Ich sehe die Erklärungen bezüglich des deutsch-chinesischen Verhältnisses. Das klingt mir alles nicht nach rationaler Politik", sagte uns Schröder bei einem Gespräch in Hannover.
"Will man wirklich eine Politik betreiben, Russland zu isolieren? Das wird nicht gelingen. Zu glauben, man könne Russland mit Sanktionsdrohungen in Probleme bringen. Das Land hat in seiner Geschichte bewiesen, dass es davon wenig beeindruckt ist."
Die Gefahr eines Krieges in der Ost-Ukraine sieht der frühere Regierungschef derzeit nicht, beide Seiten würden allerdings den Konflikt vorantreiben.
"Niemand in Russlands Führung denkt darüber nach, irgendwelche Aggressionen gegenüber der Ukraine als Ganzes zu machen", sagte Schröder.
Frieden werde es aber nur geben, wenn beide Seiten endlich den Minsk-Prozess ernst nehmen würden.
Michael Bröcker beim Interview mit Gerhard Schröder im Dezember 2021 im Wintergarten seiner Kanzlei in Hannover. © Soyeon Schröder-KimDass Schröder, der im Aufsichtsrat des russischen Gaskonzerns Rosneft sitzt und mit Staatspräsident Wladimir Putin persönlich befreundet ist, in der Sache befangen sei, lässt der Altkanzler nicht gelten.
"Das heißt doch nicht, dass man nicht rational urteilen würde."
Das gesamte Gespräch mit dem Altkanzler über die neue Außenpolitik der Ampel-Koalition und das Comeback der SPD hören Sie kommende Woche als Sonderpodcast auf ThePioneer.de.
Pandemie: Immer mehr Kinder psychisch krank
Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie besonders belastet und müssen immer öfter in psychiatrische Behandlungen. Das berichtet unsere Kollegin Lilli Förter nach Gesprächen mit Experten und Ärzten.
„Viele Kinder und Jugendliche zeigen aufgrund des Lockdowns schwere psychiatrische Symptome und manifeste Erkrankungen in einer Menge, die wir so noch nie gesehen haben“, sagte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. Dazu gehörten Sucht, Selbstverletzung, Depression und Zwangsstörungen.
„Vor allem junge Kinder verbringen teilweise 10, 12, 14 Stunden vor dem Bildschirm. Der Verlust von sozialen Kontakten, Angst vor Erkrankung und Existenzängste treffen aufeinander. Die Leistung in der Schule nimmt ab, Kinder verlieren den Anschluss.“
Sabina Schutter, Vorstandschefin von SOS-Kinderdorf, spricht von einer chronischen Frustration. Die Nachfrage nach Therapien übersteige das Angebot an Plätzen.
2019 waren rund 823.000 Kinder und Jugendliche auf psychotherapeutische Hilfe angewiesen – 104 Prozent mehr als 2009, wie aus dem Arztbericht der Barmer 2021 hervorgeht. Im Pandemie-Jahr 2020 sei die Zahl weiter gestiegen, heißt es. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor.
SOS-Kinderdorf schlägt vor, die Kinder stärker in den Blick zu nehmen und einen Kinderbeauftragten im Kanzleramt zu installieren. Außerdem müssten die Jugendlichen bei der Impfentscheidung einbezogen werden.
Den Bericht der Kollegin lesen Sie hier.
Krise in Bosnien-Herzegowina: Berlin droht mit Sanktionen
Die Bundesregierung will den Abspaltungsbestrebungen der teilautonomen Republika Srpska vom Westbalkan-Staat Bosnien-Herzegowina Einhalt gebieten - notfalls mit Sanktionen.
Derzeit würden alle zur Verfügung stehenden Instrumente in Betracht gezogen, um Verstöße gegen das 1995 geschlossene Friedensabkommen von Dayton zu ahnden, hieß es aus Regierungskreisen gegenüber unserer Kollegin Marina Kormbaki.
Eine Infografik mit dem Titel: Bosnien-Herzegowina: Ein schwacher Staat steht vor dem Kollaps
Serbische Separatisten treiben die Abspaltung der Republika Srpska vom restlichen Bundesstaat voran
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht Milorad Dodik, Präsident der bosnischen Serben und nationalistischer Scharfmacher. Auf sein Geheiß stimmte das Parlament der Republika Srpska jüngst für die Abkopplung vom Gesamtstaat und den Aufbau eigener Institutionen im Bereich Steuern, Justiz, Verteidigung.
Dodik und auch weitere Personen, die eine nationalistische Sezessionspolitik vorantrieben, kämen für Sanktionen infrage, hören wir. In der Bundesregierung sei man aktuell darum bemüht, der Führung der Republika Srpska die möglichen Konsequenzen ihres Handelns klar vor Augen zu führen. Dazu sei man auch „im intensiven Austausch“ auf EU-Ebene.
Bundestag nimmt Wahlchaos in Berlin 2022 unter die Lupe
Daniela Ludwig © ImagoDas Chaos bei der Bundestagswahl in Berlin wird gleich im neuen Jahr Thema im Parlament sein.
„Klar ist bereits, dass diese Wahl den Schwerpunkt dieser Wahlprüfung bilden wird, nicht zuletzt wegen des Einspruchs, den der Bundeswahlleiter gegen die Wahl in sechs Berliner Wahlkreisen eingelegt hat.“ , sagte uns Daniela Ludwig (CSU), neue Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, im Bundestag.
Es sei aber noch nicht sicher, in welchem Zeitraum die Prüfung erfolge. Über die möglichen Erfolgsaussichten der Einsprüche gegen die Wahl in Berlin könne man noch nicht sagen.
Gegen die Wahl zum neuen Bundestag sind insgesamt knapp 2.100 Einsprüche eingegangen. Nach der Wahl 2017 waren es 275 Einsprüche, vier Jahre zuvor 220.
Der Wahlprüfungsausschuss muss jeden einzelnen Hinweis auf Wahlfehler prüfen. Für ungültig erklärt werden kann das Wahlergebnis jedoch nur, wenn ein festgestellter Wahlfehler nachweislich Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Parlament hatte.
Gutachten: Allgemeine Impfpflicht wäre verfassungskonform
Ein von der baden-württembergischen Landesregierung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht verfassungsrechtlich zulässig wäre.
Mit der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht würde der Gesetzgeber das "legitime Ziel" verfolgen, "die Gesundheit und das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger durch das Hinwirken auf eine hinreichende Grundimmunisierung der Bevölkerung zu schützen", heißt es in dem 96-seitigen Gutachten der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer, das uns vorliegt.
© ThePioneerDurch die Impfpflicht würden die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung sichergestellt und "mittelfristig" Freiheitsrechte gesichert, weil der Grund für Kontaktbeschränkungen entfiele. Mit Aufklärung, Anreizen und Beschränkungen ließe sich das Ziel einer Grundimmunisierung offenbar nicht erreichen, so die Juristen.
Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann dürfte sich durch das Gutachten, das sein Staatsministerium in Auftrag gab, in seiner Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht bestätigt sehen.
Neue Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung soll die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg werden.
Grünen-Politikerin Luise Amtsberg. © ImagoAmtsberg, seit 2013 im Bundestag und zuletzt flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, soll im Auswärtigen Amt die Nachfolge der SPD-Politikerin Bärbel Kofler antreten, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki aus Partei- und Regierungskreisen. Die Kieler Islamwissenschaftlerin Amtsberg setzte sich in der Vergangenheit gegen Abschiebungen in Krisenregionen, für legale Zugangswege nach Europa und für bessere Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen ein. Angesichts der „wertegeleiteten Außenpolitik“, die Außenministerin Annalena Baerbock in Aussicht gestellt hat, dürfte dem Amt der Menschenrechtsbeauftragten größere Bedeutung zukommen.
Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser strukturiert ihr Ministerium und macht den bisherigen Arbeitsgruppenleiter für Aufenthaltsrecht, Martin von Simson, zum Abteilungsleiter und neuen Leiter des Leitungsstabs. Das erfuhren wir aus dem Ministerium.
Von Simson ist Jurist und seit 2004 im Bundesinnenministerium tätig, er war im SPD-Ortsvorstand Schwielowsee tätig. Der Ort hat eine besondere sozialdemokratische Tradition. An dem gleichnamigen Resort war 2008 der frühere SPD-Chef Kurt Beck nach einer Intrige bei der Klausurtagung vom Parteivorsitz zurückgetreten.
Mit dem überarbeiteten Abgeordnetengesetz, das am 20. Oktober in Kraft getreten ist, gelten verschärfte Transparenzpflichten für Parlamentarier.
So müssen zum Beispiel Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften bereits ab einem Anteil von mehr als fünf Prozent gegenüber der Bundestagsverwaltung angezeigt werden. Vorher lag die Schwelle bei 25 Prozent.
„Darüber hinaus sind auch die Einkünfte aus anzeigepflichtigen Beteiligungen anzuzeigen“, heißt es in einem Schreiben der Parlamentsverwaltung an die Abgeordneten.
Für Beteiligungen, die Abgeordnete schon vor der Reform hatten und bisher nicht gemeldet werden mussten, gibt es eine Übergangsfrist. Die Anzeigepflicht beginnt erst am 20. Oktober 2022.
Auf - Nicole Bauer ist diese Woche im Amt der frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion bestätigt worden - kein einfacher Job. Das öffentliche Bild der Liberalen wird immer noch geprägt von Männern. Doch die gelernte Wirtschaftsingenieurin Bauer kämpft in der FDP und darüber hinaus weiter für die Sache der Frauen. Die Fraktionsführung, hat sie ausgerechnet, ist jetzt zu 40 Prozent weiblich. Unsere Aufsteigerin.
Ab - Miguel Berger. Der Staatssekretär im Außenministerium muss seinen Platz räumen und wird durch den deutschen Botschafter in London, Andreas Michaelis, ersetzt. Berger gilt als SPD-nah, war unter Heiko Maas ins Amt gekommen. Weil er jetzt schon gehen muss, steht ihm nicht seine volle Staatssekretärs-Pension zu, die er erst nach Mai und nach Ablauf von zwei Jahren im Amt erhalten hätte. Maas hatte sich bei Nachfolgerin Annalena Baerbock eingesetzt - ohne Erfolg. Unser Absteiger.
Die FDP sitzt künftig in der Mitte des Bundestages und die Union rückt an den rechten Rand zur AfD. Ein erbitterter Streit war dem vorausgegangen. Erstmals ändert der Bundestag nach einer Mehrheitsentscheidung nun die Sitzordnung. In der FAZ analysiert der Professor für öffentliches Recht, Christoph Schönberger, den Beschluss. "Rechtlich ist das unproblematisch", schreibt er. Aber der jahrelange Konsens der Parteien im Parlament sei aufgebrochen. Dies "führt wieder einmal vor Augen, wie sehr die AfD die Konsensmaschinerie des Bundestages zum Stottern bringt", schreibt er. "Rechts lag einmal der Ehrenplatz." Spannender Blick auf die historischen Bedingungen der europäischen Parlamentsordnungen. Hier lesen!
Die Süddeutsche Zeitung zweifelt an der Theorie, dass Ex-Minister Jens Spahn das Impfstoffdesaster zu verantworten habe und der neue Minister Karl Lauterbach unschuldig sei. "Es gibt eben auch die Theorie, dass Lauterbach die Lage dramatisiere - um sich selbst als Retter in der vermeintlich größten Not zu inszenieren", schreibt Gesundheitsexpertin Angelika Slavik. Die Wahrheit ist etwas komplexer. Lesenswert!
Heute gratulieren wir:
Papst Franziskus, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, 85
Hans-Joachim Janßen, Grünen-Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag, 61
Christoph Zippel, CDU-Abgeordneter im Thüringer Landtag, 39
Marcus Schwarze, Journalist, Berater, früher Chefredaktion Rhein-Zeitung, 52
Am Samstag gratulieren wir:
Lars Hinrichs, Xing-Gründer, Investor, 48
Matthias Hauer, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Essen, 44
Roland Claus, ehem. Bundestagsabgeordneter der Linken, 67
Volker Bouffier, CDU, Hessens Ministerpräsident, 70
Stefan Seidler, Abgeordneter des SSW im Bundestag, 43
Am Sonntag beglückwünschen wir:
Oswald Metzger, ehemaliger Grünen-Abgeordneter, 67
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre