Von wegen Lockdown

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Neuer Plan in Berlin. Schneller Lockdown im April, dann soll alles besser werden. Doch die Länder umgehen dies schon jetzt mit Tests und Öffnungen.

  • Die FDP will grüne Gentechnik stärker fördern und auch Pflanzenschutzmittel beschleunigt zulassen. Wir haben mit Carina Konrad gesprochen.

  • Das Auswärtige Amt holte im März 2020 Hunderttausende Urlauber zurück nach Deutschland. Doch den Eigenanteil wollen einige nicht zahlen.

Testen und Öffnen trotz steigender Inzidenz

Die Bundesregierung diskutiert angesichts der neuen, gefährlichen Mutationen des Corona-Virus und den rasant steigenden Infektionszahlen über einen April-Lockdown.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will Ausgangssperren und weitere Kontaktbeschränkungen, erwägt eine verpflichtende Home-Office-Regel und einen harten, neuen Lockdown, doch in den Ländern macht sich eine andere Strategie breit:

Die Inzidenz-unabhängige, mit Tests abgesicherte Öffnungsstrategie.

Also auch in Städten und Gemeinden, die eine Inzidenz von mehr als 100 vorweisen und eigentlich die Notbremse ziehen müssten.

Zum Beispiel in NRW. "Unsere Landkreise können die Option ziehen, wenn sie ausreichend Tests vorhalten, und Öffnungen möglich machen", sagte uns NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Es spreche nichts gegen geöffnete Geschäfte, wenn die Menschen kurz vorher getestet würden und nur Negativ-Getestete in die Läden dürfen.

In den NRW-Landkreisen mit einer Inzidenz von über 100 erwartet der CDU-Minister reihenweise Test-basierte Öffnungsschritte. Von der Notbremse, die Bund und Länder für Regionen vereinbart hatten, ist kaum noch die Rede.

Kanzlerin Merkel ist skeptisch und sagte in der ARD gestern: "Testen alleine mit Öffnen wird uns das Problem nicht lösen". NRW lege das Beschlossene weit aus.

In NRW gibt es inzwischen 8000 offizielle Testzentren, vor allem aber floriert der private Markt mit Selbsttests, die dann vor Geschäften, aber auch in der Außengastronomie oder vor Kinos und Theatern genutzt werden könnten, berichtet dagegen Laumann.

Karl-Josef Laumann, NRW-Gesundheitsminister.  © dpa

In anderen Länder werden ähnliche Schritte gegangen. In Bayern haben sich 73 Kommunen auf den Status "Modellprojekt" beworben, in Köln, Frankfurt, Offenbach soll nach Ostern geöffnet werden mit Hilfe von Negativ-Tests.

Auch im sächsischen Fichtelberg oder in Kiel, Rostock und Berlin geht es um Öffnungskonzepte. Das Saarland hatte sich unlängst als ganzes Bundesland zum Modellprojekt erklärt, um Kultur, Außengastronomie und Sport wieder zu ermöglichen.

Impfen, Impfen, Impfen

Zugleich soll das Impftempo ab April deutlich anziehen. Man werde dann die Trendwende einleiten, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn im Hauptstadt-Podcast.

"Das wird jetzt richtig an Geschwindigkeit gewinnen."

Im April sollen 15 Millionen Impfdosen ausgeliefert werden, fast so viele wie in den ersten drei Monaten des Jahres zusammen. Erstmals sollen 50.000 Hausärzte einbezogen werden, allerdings zunächst mit maximal 20 Impfdosen pro Hausarzt pro Woche.

Spahn plädiert für Pragmatismus in den Impfzentren. "Da, wo Dosen verfügbar sind, dürfen sie auch pragmatisch über die Priorisierungsgruppe hinaus genutzt werden. Den Impfzentren muss man die Leine lassen."

Natürlich seien auch 24-Stunden-Impfungen und Drive-In-Impfungen möglich, wenn genug Impfstoff da ist. "Es gibt keine Impfbürokratie", sagte Spahn.

Juni, Juli, August sind die Monate, wo wir mit den Impfungen den entscheidenden Unterschied machen werden, weil wir Gruppenimmunität schaffen können.

Hauptstadt - Der Podcast Spezial mit Jens Spahn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht über Masken, Spenden und eigene Fehler

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Podcast mit der Laufzeit von

Während in NRW bereits die AstraZeneca-Impfdosen diese Woche auslaufen, hat der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, in einer Online-Konferenz darauf verwiesen, dass drei weitere Covid-19-Impfstoffe bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA zur Prüfung vorliegen.

Dies seien ein mRNA-Impfstoff des Tübinger Unternehmens Curevac, das russische Präparat Sputnik V sowie ein Vakzin des Unternehmens Novovax.

Ab Mitte April soll der bereits zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson zum Einsatz kommen, allerdings noch in geringen Mengen.

Im Juni könnte Curevac zugelassen und ausgeliefert werden.

1. CDU-Vize für rasche Nominierung Laschets als Kanzlerkandidat

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher hat sich für eine schnelle Nominierung von Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union ausgesprochen.

"In der Woche nach Ostern sollte eine Entscheidung getroffen werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es Armin Laschet macht", sagte uns Breher.

Wir müssen jetzt mal zu Potte kommen.

© dpa

Zuvor hatte sich auch CDU-Vize Thomas Strobl für Laschet ausgesprochen, obwohl die bundesweiten Umfragen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) deutlich vorne sehen.

Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß ist noch nicht entschieden. „Die Person, mit der wir die besten Chancen auf den Wahlsieg haben, sollte antreten“, sagte er uns. Ähnlich argumentiert der Bremer Landeschef Carsten Meyer-Heder.

In den großen CDU-Landesverbänden wie Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen und Baden-Württemberg wird Laschet unterstützt (wir berichteten).

Laschet und Söder hatten sich bisher darauf verständigt, zwischen Ostern und Pfingsten ein Gespräch über die Kanzlerkandidatur zu führen.

2. FDP setzt auf grüne Gentechnik in Landwirtschaft

Die FDP will sich im Bundestagswahlkampf für die verstärkte Nutzung von durch Gentechnik veränderte Nutzpflanzen einsetzen.

"Während die neuen Züchtungsmethoden in vielen Ländern der Welt eingesetzt werden steht Europa auf der Bremse. Das wollen wir Freie Demokraten ändern", sagte uns Carina Konrad, Agraringenieurin und Obfrau der FDP im Ernährungs- und Landwirtschaftsausschuss des Bundestages.

Grüne Gentechnik eröffnet neue Möglichkeiten, um Böden zu schonen, Biodiversität zu fördern und die Effizienz des Betriebsmitteleinsatzes in der Landwirtschaft zu erhöhen.

Carina Konrad, Bundestagsabgeordnete der FDP und Landwirtin © Imago

Wer mehr Nachhaltigkeit wolle, müsse auch neue Technologien nutzen, so die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete.

"Gesunde Pflanzen sind die Grundlage für eine gesunde Ernährung."

Sie nennt als Beispiel das biotechnologische Trennverfahren bei Erbgut, die so genannte Genschere (CRISPR/Cas). Das Verfahren hatte 2020 den Chemienobelpreis bekommen.

"Doch politische Entscheidungsträger bei uns tun sich schwer damit, diese neue Chancen zu nutzen und voranzutreiben", so Konrad.

Auch im Entwurf der FDP-Programmkommission für das Wahlprogramm wird im Bereich Landwirtschaft, Ernährung der Ausbau der grünen Gentechnik gefordert.

"Für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen müssen daher aktuelle und wissenschaftlich basierte Zulassungskriterien gelten", heißt es. Bedenken in der Bevölkerung müsse man mit Aufklärung begegnen.

3. Corona: Viele zurückgeholte Urlauber zahlen nicht

Ein Jahr nach dem Start der großen Rückholaktion von deutschen Ferien- und Geschäftsreisenden hat das Auswärtige Amt 35.037 Zahlungsbescheide versandt. Bis zum 15. März gingen Zahlungen von 18,2 Millionen Euro ein.

Das geht aus der Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Schriftliche Frage des FDP-Abgeordneten Roman Müller-Böhm hervor, die uns vorliegt.

Die Gesamtkosten für den Heimflug von 240.000 Reisenden aus Deutschland und anderen EU-Staaten wurden von der Regierung auf 93,8 Millionen Euro geschätzt, rund 40 Prozent sollten die Flugpassagiere allerdings selbst übernehmen.

Doch offenbar kommt es immer wieder zu Konflikten. So wurde gegen 161 Bescheide Klage erhoben. In 825 Fällen konnte nach Ablauf der Zahlungsfrist keine Zahlung festgestellt werden.

Die FDP will offenbar im Falle eines Wahlsiegs und einer Regierungsbeteiligung das Robert-Koch-Institut von der Politik unabhängiger machen. Das schlägt zumindest die Programmkommission in einem Entwurf für das Wahlprogramm vor, der uns vorliegt.

Das in der Corona-Pandemie zentrale Institut ist eine Behörde des Bundesgesundheitsministers. Wenn es nach der FDP geht, soll es eine unabhängige Instanz werden wie die Bundesbank, um sich in fachlichen Fragen weisungsunabhängig verhalten und kommunizieren zu können. Ein neu zu schaffender Vorstand soll den Präsidenten verstärken.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will eigentlich am Sonntag, 18. April, eine zentrale Gedenkfeier für die Opfer der Corona-Toten im Berliner Konzertsaal am Gendarmenmarkt organisieren. Offen ist, ob und wie die Länder eingebunden sein werden. Bayern hatte vergangene Woche bereits im Landtag ein Gedenken organisiert.

Auch könnte der Zeitpunkt schwierig sein, möglicherweise auf dem Höhepunkt der dritten Welle. Im Kanzleramt sieht man den Termin kritisch, hören wir.

Mehr als 75.000 Menschen sind bisher an oder mit dem Virus gestorben.

"Das ist und das bleibt eine erschütternde, verstörende Dimension", hatte das Staatsoberhaupt bei einem Gespräch mit Hinterbliebenen im Schloss Bellevue Anfang März gesagt.

Auf - Für Albrecht Broemme ist die Krise der Beruf. Er war Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk und Chef der Feuerwehr in Berlin. Dann half er beim Aufbau der Corona-Teststellen und des viel gelobten provisorischen Corona-Krankenhauses in der Messehalle. Heute ist er einer der Projektleiter bei den sechs Impfzentren. Und bekommt gutes Feedback. Terminmanagement, Organisation, Umsetzung - vieles läuft glatt. Für den fehlenden Impfstoff kann Broemme nichts. Der frühere Studioleiter der ARD, Ulrich Deppendorf, lobte die Arbeit der Berliner Impfzentren als "erstklassig". Berichte, dass der AstraZeneca-Impfstoff liegen bleibe, dementierte er. "Wenn Sie sich für AstraZeneca entscheiden, können Sie kurzfristig einen Termin bekommen, oft schon am nächsten Tag", sagte er. An einem wie Broemme liegt es nicht, dass Deutschland über das Impfchaos klagt. Unser Aufsteiger!

Ab - Svenja Schulze. Es gibt noch politische Themen, die in Berlin jenseits von Corona entschieden werden. Zum Beispiel eine neue Agrarförderpolitik, auf die sich die Agrarminister von Bund und Ländern geeinigt haben. Es geht um sechs Milliarden Euro pro Jahr. Geld, das sich bisher vor allem an der Größe des Betriebs orientierte und nicht nach Umweltschutzkriterien, wie es sich die SPD-Umweltministerin gewünscht hatte. 25 Prozent der Hilfen sollen nun an Umweltleistungen geknüpft werden, für das üppige EU-Agrarbudget hat Deutschland einen 20-Prozent-Anteil vorgeschlagen. Beides war Schulze allerdings im Vorfeld deutlich zu wenig. Nach dem Bund-Länder-Kompromiss rollt sie nun aber offenbar die Fahne ein. Sie lobt den "wichtigen Beitrag der Agrarseite". Punktsieg für die Traditionalisten. Abzug für Schulze.

Erfolg für drei hoffnungsvolle CDU-Politiker für die Zeit nach Merkel. In Hannover-Umland hat die Partei mit einem Traumergebnis von 100 Prozent der Delegiertenstimmen den Staatsminister im Kanzleramt, Hendrik Hoppenstedt, als Kandidat für den Bundestag nominiert. Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, erhielt mit 84 Prozent ebenfalls ein gutes Ergebnis und könnte erstmals in den Deutschen Bundestag einziehen.

NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler setzte sich in ihrem Wahlkreis Köln-Leverkusen gegen drei Bewerber durch und bekam 108 von 187 abgegebenen Stimmen. Die 40 Jahre alte CDU-Politikerin kandidiert erstmals für den Bundestag. Sie tritt nun gegen den prominenten SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach an.

Ein tiefen Einblick in die Ministerialbürokratie vermittelt SZ-Hauptstadtkorrespondent Boris Herrmann mit seinem Report über die große Reise einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag. Herrmann illustriert, wie dieses wichtige Instrument zur Kontrolle der Regierung diese zunehmend von ihrer eigentlichen Arbeit abhält. Sie kommt mit den Antworten auf die detaillierten Anfragen zu Themen von veganem Kantinenessen bis zur Anzahl der versendeten Grußkarten zu Weihnachten nur schwer hinterher. Die Abgeordneten richteten in der laufenden Legislaturperiode bereits mehr als 10000 Kleine Anfragen an die Bundesregierung - weit mehr als in den beiden vorangegangenen Wahlperioden zusammen. Lehrreicher Report!

Der langjährige CDU-Europaabgeordnete und frühere Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, hat die Politik aufgefordert, den Blick bei den Impfungen auch auf die Schwellenländer zu lenken und ein Exportverbot von Impfstoffen unbedingt zu vermeiden. Die globale Pandemie könne nur global beantwortet werden. Wenn das Virus nicht erfolgreich weltweit bekämpft werde, werde der Kampf nicht gelingen, da die steigende Zahl von Mutationen in allen anderen Teilen der Welt das Virus wieder verschärft auch nach Europa bringen werde, schreibt Brok in einem Gastbeitrag für ThePioneer. Hier geht es zu dem Text.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Maritta Böttcher, ehem. Linken-Bundestagsabgeordnete, 67

Dirk Niebel, ehemaliger Entwicklungshilfeminister der FDP, 58

Ulrich Kelber, Staatssekretär a.D., Bundesdatenschutzbeauftragter, 53

Als Verteidigungsminister wird man nicht geboren, Erfahrung im Bundesland kann man nicht sammeln - und die profilierten Fachpolitiker werden oft übergangen.

Wer eignet sich also zum Verteidigungsminister der nächsten Regierungsperiode - sollte Annegret Kramp-Karrenbauer nicht bleiben? In seiner neuen Kolumne Situation Room befasst sich ThePioneer Expert Hans-Peter Bartels mit dieser spannenden Frage.

Den ganzen Text lesen Sie hier.

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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