Reem Alabali-Radovan im Kabinett Scholz

Die Boxerin im Kanzleramt

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Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Reem Alabali-Radovan wird Integrationsbeauftragte im Kanzleramt - und ist eine Überraschung im Kabinett Scholz. Wir sagen, wer die Frau ist.

  • Die SPD hat ihre verbleibenden Personalien für die Regierung bekanntgegeben. Wir sagen, wer auf welchen Posten rückt.

  • Die Union wirft den Ampel-Parteien vor, die Menschenrechtspolitik zu vernachlässigen. Wir sagen, worum es konkret geht.

Die Boxerin im Kanzleramt

Die neue Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan ist eine der großen Überraschungen in der Kabinettsriege von Olaf Scholz.

Dies ist die neue wichtigste Integrationspolitikerin Deutschlands:

  • Alabali-Radovan ist 1990 in Moskau als Tochter irakischer Eltern geboren.

  • Mit sechs Jahren folgte der Umzug nach Ostdeutschland.

  • Die Eltern sind gelernte Ingenieure, begannen in Schwerin im Einzelhandel (Mutter) und in der Gastronomie (Vater) zu arbeiten.

  • Alabali-Radovan studierte in Berlin und kehrte 2015 nach Schwerin zurück. Dort arbeitete sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete.

  • 2018 begann sie im Landessozialministerium als Büroleiterin der Integrationsbeauftragten.

  • Im Januar 2020 wurde sie selbst zur Integrationsbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern berufen.

Reem Alabali-Radovan © dpa

Alabali-Radovan wird von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig seit Langem gefördert.

Schwesig war es, die Alabali-Radovan die Bundestagskandidatur für den Wahlkreis Schwerin nahelegte. Sie wünschte sich, dass die Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern diverser werden würde.

Alabali-Radovan hätte, so hören wir, auch in der Landesregierung Karriere machen können. Doch sie entschied sich für die Kandidatur - auch auf dem unsicheren Listenplatz sechs.

Sie gewann den Wahlkreis gegen CDU-Konkurrent Dietrich Monstadt klar (29,4% - 20,7%).

Schwesig hatte den Namen des politischen Talents früh bei Olaf Scholz platziert. Bereits im Sommer lernte Scholz seine Integrationsbeauftragte im Rahmen eines Wahlkampftermins bei einem Boxverein in Schwerin kennen, in dem Alabali-Radovan selbst aktiv ist.

Boxen sei "ihr Hobby", sagt sie, "Sport ist zudem ein Integrationsmotor".

Erst am Montag erhielt sie den entscheidenden Anruf. Nicht von Olaf Scholz, sondern vom werdenden Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, der ihr mit Grüßen von Scholz das Amt anbot.

Alabali-Radovan überlegte nicht lange und nahm an.

Inhaltlich ist sie davon überzeugt, dass Integration "keine Einbahnstraße" sei. Beide Seiten - Gesellschaft und Menschen mit Migrationshintergrund - müssten etwas für ein besseres Miteinander tun.

Eines der ersten Themen, das sie im Amt anpacken will, ist die Frage der Teilhabe in der Verwaltung: Dort müssten mehr Menschen mit Migrationshintergrund tätig sein, damit der Anteil in der Bevölkerung repräsentiert sei.

Eine wichtige Personalie ist bereits entschieden: Als Sprecherin soll Lena Daldrup ins Kanzleramt wechseln, die frühere Kommunikationschefin von Andrea Nahles.

Lena Daldrup  © imago images

SPD: Ryglewski ins Kanzleramt, Hitschler und Möller ins BMVG

Die SPD hat am Dienstag ihre verbliebenen vakanten Positionen in der neuen Regierung bekannt gegeben.

Als Staatsministerin für Bund/Länder und stellvertretende Kanzleramtsministerin wird Sarah Ryglewski aus Bremen ernannt, die unter Olaf Scholz bereits Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium war.

Verteidigungsstaatssekretäre werden Thomas Hitschler aus Rheinland-Pfalz und Siemtje Möller aus Niedersachsen. Möller war bisher verteidigungspolitische Sprecherin, Hitschler hatte zuletzt seinen Arbeitsfokus auf die Innenpolitik verlagert und gilt als Kenner bei den Diensten.

Dies ist die intern verwendete Liste der SPD:

Regierungsliste SPD © ThePioneer

FDP stellt Fraktionsführung neu auf

Nach der Wahl von FDP-Fraktionchef Christian Dürr sind auch seine Vizes gekürt. Dazu wurden am Dienstag Bundesvorstandsmitglied Gyde Jensen, Klimaexperte Lukas Köhler, Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff, Innenpolitiker Konstantin Kuhle, der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer und die Landwirtschaftspolitikerin Carina Konrad gewählt.

Als neue Chefin des Menschenrechtsausschusses nominierten die Liberalen die FDP-Abgeordnete aus Baden-Württemberg, Renata Alt. Die Siegener Betriebswirtin Sandra Weeser wird Vorsitzende des Bau-Ausschusses.

Parlamentarische Geschäftsführer wurden Parteivize Johannes Vogel, der Verkehrspolitiker Torsten Herbst, die Gesundheitspolitikerin Christine Ascheberg-Dugnus und der Rechtsexperte Stephan Thomae.

Neue Zahlen zu Straftaten im Bundestag

Uns liegen neue Zahlen zu Straftaten im Parlament vor. Wie unser Reporter Christian Schweppe bestätigt bekam, sind im Erhebungszeitraum der jetzt ablaufenden Legislaturperiode mindestens 1.684 im Bundestag begangen worden. Davon rund 60 Sachbeschädigungen.

Diese Angaben basieren auf der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Polizei beim Deutschen Bundestag. Für das Jahr 2021 sind bis zum Stichtag 1. November sechs Sachbeschädigungsdelikte erfasst worden, über einige hatten wir zuletzt berichtet.

Schaden am Gebäude "Unter den Linden 50"  © Christian Schweppe/ The Pioneer

Und so lange redeten die Abgeordneten seit 2017...

Mit dem Ende der 19. Legislaturperiode stehen außerdem noch weitere Abschlusszahlen fest. Die Bundestagsverwaltung bestätigte uns folgende Angaben:

Gesamtzahl der Plenarreden: 19.963

Anzahl der Plenarsitzungen: 239

Gesamtdauer: 127.556 Minuten

Durchschnittliche Dauer einer Plenarsitzung somit: 8,53 Stunden.

Security Briefing: Wohin steuert Deutschland unter Lambrecht?

Im neuen Security Briefing kümmern wir uns diese Woche um die große Unbekannte dieser Regierungszeit: Was ist die verteidigungspolitische Agenda der neuen Ministerin Christine Lambrecht?

Außerdem:

  • Cyberhilfe: Die Ampel will das Technische Hilfswerk zum digitalen Einsatz befähigen.

  • Afghanistan: Die NATO hält wichtige Missionsberichte unter Verschluss.

  • Libanon: Das Bundesverteidigungsministerium malt ein düsteres Bild der Lage im Land.

  • Außen-Ausschüsse im Bundestag: FDP, SPD und Grüne sichern sich Vorsitz-Posten - die Union geht leer aus.

  • In unserer Rubrik Auf Posten stellen wir Ihnen Andreas Peschke vor, Botschafter Deutschlands in Südafrika.

Rangliste der Politik - Nominierungsphase abgeschlossen.

Die Nominierungsphase ist beendet, die Kandidatinnen und Kandidaten für die Rangliste der deutschen Politik stehen fest.

Sie, die Pioneers, können ab diesem Samstag die besten und überzeugendsten Politikerinnen und Politiker des Jahres wählen.

In acht Kategorien haben wir jetzt mit Ihnen bis zu zwölf Namen ausgesucht, die fachlich überzeugt haben, besondere Wahlerfolge erzielen konnten oder im entscheidenden Moment die richtigen Worte gefunden haben. Hier sehen Sie alle Kandidaten und Kandidatinnen nochmal in der Übersicht. Farblich hervorgehoben haben wir Ihre Nominierungen.

Ab Samstag, 11. Dezember, geht es dann los.

Hier erfahren Sie alle weiteren Details.

Eine Infografik mit dem Titel: Politiker/in des Jahres

Die nominierten Kandidaten für 2021

Eine Infografik mit dem Titel: Ministerpräsident/in des Jahres

Die nominierten Kandidaten für 2021

Eine Infografik mit dem Titel: Die überzeugendsten Direktkandidaten

Die nominierten Kandidaten für 2021

Eine Infografik mit dem Titel: Das Comeback des Jahres

Die nominierten Kandidaten für 2021

Eine Infografik mit dem Titel: Die Rising Stars

Die nominierten Kandidaten für 2021

Eine Infografik mit dem Titel: Die herausragendsten Landespolitiker

Die nominierten Kandidaten für 2021

Union: Ampel ohne Konzept gegen Zwangsprostitution

Die Unionsfraktion wirft den Ampel-Parteien vor, in ihrem Koalitionsvertrag den Kampf gegen den Menschenhandel zu vernachlässigen. „Zentrale Ursachen, zu denen Zwang und menschenunwürdige Verhältnisse in der Prostitution zählen, werden nicht erwähnt“, heißt es in einem Papier von Fraktionsvize Katja Leikert und Menschenrechtspolitiker Michael Brand (beide CDU), das uns vorliegt.

Mehr als 80 Prozent der meist sehr jungen Frauen in der Prostitution seien davon betroffen. „Der gesetzgeberische Handlungsbedarf in Deutschland ist gerade hier hoch, denn Menschenrechte und Menschenwürde jeder Person werden durch Zwangsprostitution massiv verletzt“, so Leikert und Brand.

Wolfgang Büchner, früherer Chefredakteur von Spiegel, dpa und RND, wird Vize-Regierungssprecher.

„Ich freue mich, dass die Liberalen mit Büchner einen der versiertesten deutschen Journalisten für das Amt des stellvertretenden Regierungssprechers nominieren können“, sagte uns FDP-Chef Christian Lindner.

Wolfgang Büchner © Imago

Nach Angaben Lindners hat Büchner die FDP in den vergangenen Monaten „in der Kommunikation intensiv beraten“. Über den möglichen Wechsel ins Bundespresseamt hatten wir bereits am vergangenen Donnerstag berichtet.

Der 55-Jährige Büchner war zuletzt auch als „Senior Advisor“ für die Kommunikationsberatung MSL Germany tätig gewesen. „Das Projekt der Ampel, diesen politischen Aufbruch in unserem Land kommunikativ zu begleiten, ist eine unwiderstehliche Herausforderung,“ sagte uns Büchner.

Luise Hölscher wird neue Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium.

Die aus Münster stammende Ökonomin war im CDU-geführten Finanzministerium in Hessen Staatssekretärin und zuletzt bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau tätig. Sie war von 2004 bis 2010 Professorin für Steuerlehre an der renommierten Frankfurt School of Finance.

Die designierte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will in ihrem neuen Ressort auf vertrautes Spitzenpersonal setzen. Ihr bisheriger Staatssekretär aus dem Umweltministerium, Jochen Flasbarth, wird gemeinsam mit Schulze ins Entwicklungsministerium wechseln. Auch Kommunikationschefin Regine Zylka und der bisherige Sprecher des Ministeriums, Nikolai Fichtner, sollen mit ins Entwicklungshilfeministerium ziehen.

Christian Lindner 2021 im Stuttgarter Staatstheater © Imago

Das traditionelle Dreikönigstreffen der FDP wird am 6. Januar 2022 zum zweiten Mal in direkter Folge nur digital stattfinden. Das wurde uns in FDP-Kreisen bestätigt.

Die Redner - darunter Parteichef Christian Lindner - werden an diesem Tag im Stuttgarter Staatstheater vor leeren Rängen sprechen. Die Veranstaltung kann per Stream verfolgt werden.

Am Tag zuvor, dem 5. Januar 2022, kommen die Südwest-Liberalen zu einem hybriden Landesparteitag in Fellbach bei Stuttgart zusammen.

Auf - Torsten Herbst. Er lief bei den Montagsdemonstrationen in Dresden mit, gründete die Sachsen-FDP mit und wird nun Fraktions-Geschäftsführer der FDP im Bundestag. Ein stolzer Aufstieg. Der Hobby-Mountainbike-Fahrer gilt als bodenständig, führte die sächsische FDP im Bundestagswahlkampf 2017 und 2021 an und profilierte sich im Parlament als Verkehrsexperte. Unser Aufsteiger.

Ab - Im Wahlkampf wurde in der CSU auch der Name von Andrea Lindholz genannt, wenn es um mögliche Posten in einer künftigen Regierung ging. Als Chefin des Innenausschusses erarbeitete sich die 51-jährige den Ruf einer besonnenen Fachpolitikerin. Nun geht der Innenausschuss an die AfD. Bei den Verhandlungen darüber hätte sich sicher auch Lindholz mehr Sensibilität gewünscht. Unsere Absteigerin.

Bei Focus-Online beschäftigt sich Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer mit Angela Merkel und ihrem Abschied als Kanzlerin, der sich an diesem Mittwoch vollzieht. Schwarzer, das kann man sagen, war über die Jahre hinweg stets im Austausch mit Merkel und zieht nun Bilanz. Sie erlebte sie im persönlichen Gespräch mal selbstironisch, mal selbstbewusst, manchmal aber auch besorgt - wie etwa 2005, als Gerhard Schröder das Kanzleramt zunächst partout nicht räumen wollte. „In diesen Wochen habe ich zwei, dreimal mit Angela Merkel telefoniert“, erinnert sich Schwarzer. „Sie war verzweifelt. Und ratlos.“ Lesenswert!

Die Kollegen der FAZ kommentierten die Ampel am Dienstagabend mit der Schlagzeile: "Aufbruch ins Bekannte" und verfolgten den Auftritt der Neukoalitionäre zur Unterzeichnung ihres Regierungsvertrages genau. Innenpolitisch setze Olaf Scholz (SPD) gar nicht erst darauf, sich von der Regierung Merkel abzusetzen, "bis hin zu Stilfragen". Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) sahen die Kollegen bisweilen eher "im luftleeren Raum", einzig beim derzeit wohl wichtigsten Thema, der Pandemie, hätten sich die Koalitionäre entschiedener gezeigt und Ungeimpften im Land klare Ansagen gemacht.

In der WELT schreibt Thomas Vitzthum über den neuen Bundeskanzler: Er beweise schon vor seiner Vereidigung, dass er in der Ansprache neue Wege gehe und sich stilistisch von seiner Vorgängerin, Angela Merkel, überraschend unterscheide. Damit spielt der Kollege auf die Bilder an, die Olaf Scholz zuletzt von sich teilen ließ, den Auftritt bei ProSieben zum Beispiel oder gestern bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages und vielen auf Twitter geteilten Bildern davon. WELT-Herausgeber Stefan Aust kommentierte am Abend die Inhalte der neuen Regierung kritisch: "Was im Koalitionsvertrag steht, ist im Alltag eher das Kleingedruckte." Zum Text.

Auch die internationale Sicht auf die Ampel finden wir spannend. So fragt die New York Times mit Blick auf die SPD-geführte Regierung: "Kann der neue Kanzler die Linke in Europe neu beleben?" Ein interessanter Gedanke, beginnend mit einer heute längst vergessenen Feststellung: Dass zu Beginn des abgelaufenen Wahlkampfs die Bemühungen des Olaf Scholz noch völlig aussichtslos gewirkt hatten. Hier die Details.

Heute gratulieren wir herzlich:

Richard David Precht, Philosoph, 57

Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin, ab 2022 Studioleiterin in Kairo, 47

Martin Biesel, Staatssekretär a.D., FDP, Generalsekretär Westerwelle Foundation, 60

Manfred Todtenhausen, FDP-Bundestagsabgeordneter, 71

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich gestern in der Bundespressekonferenz auf die Nachfrage einer niederländischen Journalistin, woran man in Europa erkennen werde, dass nun er und nicht mehr Angela Merkel Deutschland führe.

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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