Renten

Die CDU plant die Rentenreform

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© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Die CDU will im kommenden Jahr ihre Rentenpläne vorlegen. CDU-Chef Friedrich Merz wagt einen großen Wurf. Wir haben erste Details.

  • Beim Bürgergeld will die Union auch im Vermittlungsausschuss hart bleiben. Experten kritisieren die Reform als Einstieg in eine „universelle Sozialleistung“.

  • Die deutsche Industrie warnt davor, die Klimaziele aufzugeben. Auf der COP27 ist sie stark vertreten.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck holt sich eine ehemalige Blackrock-Managerin und Ex-Kollegin von Friedrich Merz in sein Ministerium.

Geheimsache Rente

Der Termin galt als vertraulich, darauf hatte CDU-Chef Friedrich Merz die Teilnehmer eingeschworen. Inhaltliche Vorstöße in der Rentenpolitik sind für alle Parteien toxisch. Ein falscher Satz und die Empörung ist groß.

Doch die Not in der Rentenkasse ist ebenfalls groß.

Deshalb lud Merz mit Generalsekretär Mario Czaja und dem Leiter der Programm- und Grundsatzkommission, Carsten Linnemann, die Chefs der Vereinigungen zu einem ersten „Abstimmungstreffen“ ein, wie einer der Teilnehmer berichtet.

In einem Fraktionssitzungssaal (wegen der namentlichen Abstimmungen wurde der Termin kurzerhand von der Parteizentrale verlegt) ging es vergangenen Donnerstag um grundsätzliche Positionen, die später in der Fachkommission „Soziale Sicherung“ unter Leitung von CDA-Chef Karl-Josef Laumann detailliert erarbeitet werden sollen.

Doch die Runde wurde konkreter als gedacht, alles kam auf den Tisch.

Konsens war: Die CDU will das Renteneintrittsalter flexibilisieren und die steigende Lebenserwartung an die Rente knüpfen, eine Kapitaldeckung und eine Stärkung der Betriebsrente ist ebenfalls vorgesehen.

Die demographische Situation „lässt uns keinen anderen Weg als Reform, wenn wir glaubwürdig sein wollen“, fasst ein Teilnehmer die Runde zusammen.

Es dürfe „keine Denkverbote“ geben, soll Merz in der Runde gesagt haben.

Eine Infografik mit dem Titel: Rentensystem unter Druck

Verhältnis eines Rentners zur Anzahl der Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung

Dies sind die Punkte, die diskutiert wurden:

  • Grundsätzlich soll das Renteneintrittsalter an die (steigende) Lebenserwartung angepasst werden. Ein favorisiertes Modell ist die 2/3-Lösung. Zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit sollen bei der Rente angerechnet werden. Beispiel: Wenn die durchschnittliche Lebenswartung der Jahrgänge 1985 bis 1990 um drei Monate steigt, muss das Renteneintrittsalter für sie um zwei Monate steigen.

  • Die Einführung einer verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge wurde diskutiert, ist aber strittig. Gerade die Geringverdiener und Arbeitnehmer in kleinen Betrieben haben oft keine betriebliche Altersvorsorge.

  • Eine Idee sind zusätzliche Basisrentenpunkte für Arbeitnehmer, die besonders schwere Arbeiten erledigt haben und 45 Jahre nur wenig in die Rente eingezahlt haben. Grund: die statistische Lebenserwartung ist bei vielen körperlich stark belasteten Geringverdienern niedriger. Dafür müsste aber der ohnehin schon bei über 100 Milliarden Euro liegende Steuerzuschuss erhöht werden. Der Freiburger Ökonom und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen sieht das skeptisch: „Die fehlerhafte Grundrente würde so noch verschärft.“

  • Eine Pensionsreform soll den öffentlichen Dienst auf die Kernbereiche reduzieren, also Justiz, Bundeswehr, Polizei. Es dürfte das heikelste Unterfangen der CDU sein, denn gerade in ihren Wählerschichten gibt es viele Beamte. Der Nachhaltigkeitsfaktor könnte wieder eingeführt und auf die Beamten übertragen werden. In der Runde war Konsens, dass man keine Rentenreform angehen könne, ohne die Pensionen in den Blick zu nehmen. Beispiel: Wer als Arbeitnehmer 3500 Brutto pro Monat verdient und 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, erhält rund 1500 Euro Rente pro Monat. Eine erhebliche Reduzierung des Lebensstandards. Lässt man die Qualifikation und den Schutzstatus für Beamte beiseite, erhält ein Beamter mit einem Monatsverdienst von 3500 Euro pro Monat nach 45 Jahren im Alter eine Pension von 2500 Euro.

Rentenpapst: Ökonom Prof. Bernd Raffelhüschen © imago

Rentenexperte Raffelhüschen sieht viele Maßnahmen positiv, aber den Kern der Finanzierungsprobleme könne man ohne Leistungskürzungen in der Rente kaum lösen, sagt er.

Das wahre Problem sind die Baby-Boomer, die Geburtsjahrgänge der 1950er-, 1960er- Jahre. Dazu braucht es Reformen, die schon 2030 wirken und nicht erst 2040.

  • CDU-Chef Merz brachte außerdem eine Idee für einen kapitalgedeckten Vorsorgefonds ein, bei dem der Staat einmalig für Neugeborene in einen Fonds einzahlt, den dann die Eltern und Großeltern aufstocken können.

Details sollen in der Fachkommission unter Leitung des NRW-Sozialministers Karl-Josef Laumann erarbeitet werden. Im Herbst 2023 soll das Konzept stehen.

Die CDU wollte auf Anfrage keine Details nennen.

Ziel sei es, die sozialen Sicherungssysteme demografie- und krisenfest auszugestalten, sagte eine Sprecherin.

Bürgergeld I: Ökonom kritisiert „Vertrauenszeit“

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Der Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Holger Schäfer, kritisiert das Bürgergeld-Gesetz der Ampel:

„Der zentrale Webfehler der Reform liegt in der sogenannten Vertrauenszeit von 6 Monaten, innerhalb derer schwere Pflichtverletzungen nicht mehr sanktioniert werden sollen“, sagte uns Schäfer. „Zusammen mit der zweijährigen Karenzzeit für die Kosten der Unterkunft und der großzügigeren Freistellung selbst hoher Vermögen wird der Eindruck vermittelt, dass sich neue Leistungsbezieher bei ihren Bemühungen um Wiedereingliederung Zeit lassen können.“

Dabei komme es bei Arbeitslosen auf Schnelligkeit an, „weil jeder Tag außerhalb von Arbeit die Chancen auf einen neuen Job vermindert“.

Das Bürgergeld war auch Thema in der Sendung von Markus Lanz gestern Abend im ZDF. Mit dabei Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und einer der Autoren dieses Briefings. Hier können Sie die Sendung in der Mediathek anschauen.

Pioneer-Chefredakteur Michael Bröcker bei Markus Lanz.  © imago

Bürgergeld II: Heute Start der Verhandlungen

© Imago

An diesem Mittwoch starten im Bundesarbeitsministerium die Gespräche zwischen Ampel-Koalition und Union über einen möglichen Bürgergeld-Kompromiss.

Das wurde unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner bestätigt. Es geht um eine informelle Arbeitsgruppe. Sie soll einen Vorschlag erarbeiten, der nächste Woche Mittwoch im Vermittlungsausschuss eine Mehrheit erhalten könnte.

Wir nennen die Namen einiger Unterhändlerinnen und Unterhändler:

  • Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)

  • Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion

  • Dagmar Schmidt, SPD-Fraktionsvize

  • Melanie Leonhard (SPD), Sozialsenatorin aus Hamburg

  • Alexander Schweitzer (SPD), Sozialminister aus Rheinland-Pfalz

  • Sylvia Grimm, Staatssekretärin im Sozialministerium von Mecklenburg-Vorpommern

  • Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion

  • Jens Teutrine, FDP-Bundestagsabgeordneter

  • Britta Haßelmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende

  • Andreas Audretsch, Grünen-Fraktionsvize

  • Rudi Hoogvliet, Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund

  • Hermann Gröhe, CDU/CSU-Fraktionsvize

  • Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktionsvize

  • Stephan Stracke (CSU), arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Union im Bundestag

  • Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Arbeits- und Wirtschaftsministerin aus Baden-Württemberg

  • Sven Schulze (CDU), Wirtschaftsminister aus Sachsen-Anhalt

  • Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeits- und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen

  • Ulrike Scharf (CSU), Arbeits- und Sozialministerin in Bayern

COP27: Wirtschaft will an Klimazielen festhalten

Es war ein Empfang unter Palmen. Der Bund der Deutschen Industrie (BDI) hatte an den Strand des Hotel Maritim zum deutschen Abend geladen, dem Domizil der deutschen Delegation auf dieser 27. Klimakonferenz in Sharm El-Scheich. Und alle sind gekommen: Volkswagen, Siemens, Rolls-Royce, ThyssenKrupp, um nur einige zu nennen. Die Klimakonferenz ist wichtig, auch für die deutsche Wirtschaft.

BDI-Empfang zur COP27 in Sharm El-Scheich, Ägypten. © Thorsten Denkler

Holger Lösch ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. Er hat alle Klimakonferenzen seit 2008 besucht. Unser Kollege Thorsten Denkler hat ihn auch auf dieser COP in Ägypten getroffen.

Für Lösch ist klar:

Ohne Wirtschaft und Industrie muss man sich über Klimafragen gar nicht unterhalten.

Es stehe außer Frage, dass der Klimawandel bekämpft werden müsse. „Aber ich rate, allem zu widerstehen, was dazu führt, die globale Durchschnittsgeschwindigkeit zu verändern“, sagte er uns.

Und meint damit die Reduktionsziele für Klimagase.

Es geht, so Lösch, um das level playing field. Wenn die Regeln nicht für alle gleich seien, habe irgendwer einen Wettbewerbsvorteil.

Holger Lösch, BDI. © BDI

Auf dem BDI-Empfang war auch Erika Mink-Zaghloul. Sie ist Head of Government Affairs für den deutschen Stahl-Konzern ThyssenKrupp. Das Unternehmen beginnt langsam damit, die Stahlproduktion von fossiler Befeuerung auf in Zukunft grünen Wasserstoff umzustellen. Das kostet viele Milliarden Euro.

„Wir müssen unsere Investitionsentscheidungen für grünen Stahl jetzt fällen“, sagte Mink Zaghloul. „Auf dem Weg dürfen sich die Kernbedingungen dafür nicht ändern.“

Darum will auch sie an den Klimazielen festhalten:

Wir raten dringend davon ab, am 1,5-Grad-Ziel zu rütteln.

Habeck holt Blackrock-Managerin ins Ministerium

Das dürfte Friedrich Merz gefallen. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck holt die Ökonomin, Morgan-Stanley-Managerin und frühere Leiterin der Wirtschafts- und Marktforschung bei der Vermögensverwaltung Blackrock, Elga Bartsch, ins Ministerium.

Die Ökonomin gehört zu den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftlerinnen im deutschsprachigen Raum und genießt einen exzellenten Ruf. Die 55-Jährige war seit 2018 als Kapitalmarktstrategin bei Blackrock tätig, dem Vermögensverwalter, für den auch CDU-Chef Merz arbeitete und der bei SPD und Grünen eigentlich kritisch gesehen wird.

Bartsch soll ihre makroökonomische Expertise einbringen und die ökonomischen Antworten auf die Folgen des Klimawandels finden.

Elga Bartsch, neue Abteilungsleiterin bei Robert Habeck.  © The Pioneer

Zuvor hatte Habeck auch bei einer Managerin des Münchner Versicherungskonzerns Allianz SE angeklopft, hören wir aus dem Ministerium. Sie sagte aber aus privaten Gründen ab.

Bereits Anfang Oktober hatte Habeck die neue Abteilung für Energiesicherheit und Wirtschaftsstabilisierung ins Leben gerufen und den bisherigen Wirtschaftspolitik-Leiter Philipp Steinberg dort eingesetzt. Zuvor hatte der Minister die Zentralabteilungen Z und RS zu einer Abteilung zusammengelegt, sodass ein Abteilungsleiterposten frei wurde.

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, um Sanktionen wie aktuell gegen russische Politiker, Oligarchen und Unternehmen leichter umsetzen zu können.

Der Bundestag hat in der vergangenen Woche bereits erstmals über das so genannte Sanktionsdurchsetzungsgesetz II beraten. Damit soll der Bund neue Kompetenzen in diesem Bereich erhalten.

Am kommenden Montag, 21. November 2022, wird sich der Finanzausschuss des Bundestages mit den Plänen beschäftigen. Beschließen soll das Parlament das Gesetz dann am 2. Dezember 2022.

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Auf - Klaus Müller. Diese Nachricht dürfte für etwas Verwunderung gesorgt haben: Gestern hat der Füllstand der Erdgasspeicher in Deutschland die Marke von 100 Prozent geknackt. Möglich ist das dadurch, dass die physikalischen Möglichkeiten der Gasspeicher teilweise über dem Arbeitsgasvolumen liegen, also auch über 100 Prozent weiter einspeichern können. Gute Nachrichten für den Chef der Bundesnetzagentur.

Ab - Lisa Paus stellte vor zwei Tagen ihren Nationalen Aktionsplan Jugendbeteiligung vor. Damit will die Bundesfamilienministerin ihre Jugendstrategie weiter entwickeln – schade nur, dass niemand so richtig davon mitbekommt. Die Ministerin bleibt im Verborgenen – es geht bergab.

Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, Polizeigewalt bei Protesten im Iran: Tag um Tag konsumieren wir beinahe exzessiv schlechte Nachrichten – auch Doomscrolling genannt. Was löst diese News-Überflutung in unseren Gehirnen aus, wieso lassen wir uns so stark in den Sog schlechter Nachrichten ziehen und warum wenden wir uns am Ende mit einem Gefühl der Hilflosigkeit ab? Das beantwortet der Neurowissenschaftler Lars Wojtecki in seinem Gastbeitrag für The Pioneer. Interessant!

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Die taz-Redakteurin Manuela Heim kommentiert die Entscheidung in vier Bundesländern, die Isolationspflicht für Corona-Infizierte aufzuheben. „Mit der Aufhebung der Isolationspflicht zur Unzeit wird suggeriert, die Infektionskrankheit Covid-19 sei noch harmloser, als es der Großteil der Bevölkerung ohnehin schon glaubt.“ Jetzt zu Beginn der Wintersaison eine Maßnahme aufzuheben, die offenbar kaum jemand als Zumutung empfunden habe, sei eine seltsame politische Herangehensweise. Bevor das geltende Infektionsschutzgesetz im April auslaufe sei davor der richtige Zeitpunkt für eine breite politische und medizinisch fundierte Diskussion, ob die Einschränkungen dann unberechtigt seien. „Dies jetzt zu tun, ist nicht nur fragwürdiger Aktionismus. Es verschiebt auch den Fokus in die falsche Richtung.“ Lesenswert!

Heute gratulieren wir herzlich:

Gökay Akbulut, Linken-Bundestagsabgeordnete, 40

Christina Stumpp, CDU-Bundestagsabgeordnete, 35

Hakan Demir, SPD-Bundestagsabgeordneter, 38

Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident, 74

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Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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