herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Kehrtwende der Kanzlerin, Krise in der Union. Nun will Armin Laschet mit einer Art Deutschlandrede in die Offensive kommen. Wir kennen die Details.
Die Reisen nach Mallorca sind der Bundeskanzlerin ein Dorn im Auge, doch eine rechtliche Handhabe hat sie nicht. Und die SPD will die Pläne ohnehin stoppen.
So geschlossen die Grünen derzeit auch agieren, beim Afghanistan-Einsatz sind die Reihen gespalten. Heute kommt es zum Schwur.
Armin Laschet will kein "Merkel 2.0" sein
Angela Merkels Nimbus als effiziente Krisenmanagerin ist mit der Kehrtwende beim Oster-Lockdown endgültig zerbröselt, der Rivale in Bayern liebäugelt weiter mit der Kanzlerkandidatur und die Umfragen für die Union bewegen sich selbst beim altehrwürdigen Allensbach-Institut Richtung 25 Prozent.
CDU-Chef Armin Laschet steht vor einem Scherbenhaufen, noch bevor seine Kanzlerkandidaten-Kampagne überhaupt begonnen hat.
Parteifreunde raten ihm nun, sich von Angela Merkel stärker abzusetzen und eigene Akzente zu setzen. Andere sagen das Gegenteil.
Der NRW-Ministerpräsident hat sich für ein kräftiges Sowohl-als-auch entschieden. So viel Distanz zur Kanzlerin wie nötig, so viel eigene Akzente wie möglich.
In einer Sonder-Präsidiumssitzung am Montag will Laschet erste Ideen für das Wahlprogramm besprechen, erfuhren wir aus Parteikreisen. Bei einer Konferenz mit den Spitzenfunktionären der ostdeutschen Landesverbände will Laschet dann eine Art Deutschlandrede halten und seine Idee für das Land nach der Pandemie skizzieren.
Ein Land, das aus der Pandemie gelernt hat und dynamischer, digitaler, nachhaltiger und innovativer werden soll, wie er in Gesprächen mit Parteifreunden verriet.
Die Rede soll der Startschuss für den Programmprozess sein, der im Adenauer-Haus mithilfe der inhaltlichen Entwürfe der Bundesfachausschüsse bereits begonnen hat.
In einer internen Sitzung der Mittelstandsunion (MIT) kündigte Laschet gestern Abend an, dass er dabei keine Rücksicht auf Angela Merkel und ihre bisherigen Entscheidungen nehmen werde. Auf die Frage des bayerischen MIT-Landesvorsitzenden Franz Josef Pschierer, ob mit Laschet nun Merkel 2.0 an die Spitze gekommen sei, entgegnete Laschet:
Nein. Ich bin ein anderer Typ. Ich werde meine eigenen Akzente setzen.
Laschet versprach den Wirtschaftsvertretern, dass er sich im Bundestagswahlkampf für eine Unternehmenssteuerreform, einen marktwirtschaftlichen Ansatz beim Klimaschutz und ein Moratorium bei den Belastungen für die Wirtschaft einsetzen werde.
Laschet, der als Mitbegründer der schwarz-grünen Pizza-Connection in den 1990er Jahren die ersten Kontakte zu den Grünen aufnahm, warnte laut Teilnehmern:
“Wir dürfen nicht halbgrün werden, die Leute wählen das Original.”
Armin Laschet © imagoIn der Corona-Pandemie verlangte Laschet ein beschleunigtes Impfen, "Tag und Nacht", sobald im April ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe. Auch könnten Regionen und Gemeinden den Handel und die Außengastronomie öffnen, wenn sie dafür gute Konzepte vorlegen wie in Tübingen oder in Rostock.
Auch die Forderung des Wirtschaftsflügels nach einer Ausweitung des europaweiten Emissionshandels und die Einführung eines Digitalministeriums machte sich Laschet zu eigen. Einige Vorstandsmitglieder bewerteten die Äußerungen Laschets mit einem digitalen Applaus-Zeichen.
Friedrich Merz, kooptiertes Mitglied des MIT-Präsidiums, war bei der virtuellen Sitzung nicht anwesend. Angesprochen, wie er den Wirtschaftsexperten aus dem Sauerland einbinden wolle, gab sich Laschet schmallippig. Er habe sich ja sehr gewünscht, dass Merz im CDU-Präsidium mitgemacht hätte, so Laschet.
Aber man habe natürlich auch sehr viele katholische Männer aus NRW, die in Berlin eine Rolle spielen und noch spielen könnten. Das müsse man ja wegen der anderen Landesverbände der CDU auch immer bedenken. Und die MIT habe ja auch mit Carsten Linnemann einen guten Vorsitzenden. Die Botschaft kam an.
Die in der Berliner Republik kursierenden Gerüchte um eine Kabinettsumbildung nach Ostern waren in der Runde kein Thema.
Ein Präsidiumsmitglied hält dies für unwahrscheinlich. “Richtig wäre es vielleicht, aber Merkel wird das nicht zulassen”, sagte uns der CDU-Funktionär. “Und gegen die Kanzlerin kann auch ein Armin Laschet nicht einfach Minister austauschen.”
1. Mallorca-Reisen kaum zu stoppen
© ThePioneerDer Kanzlerin droht in Sachen Corona-Politik bereits die nächste Pleite. Reisen nach Mallorca, die nach aktueller Lage wegen der dort niedrigen Inzidenzen wieder uneingeschränkt möglich sind, werden wahrscheinlich nicht so kurzfristig verboten werden können.
Angela Merkel hatte dies am Mittwoch intern vorgebracht.
Die SPD sperrt sich gegen eine solche Entscheidung. Aus der Fraktionsspitze vernehmen wir, dass Offenheit für Testpflicht und gegebenenfalls auch Quarantäne besteht, jedoch nicht für ein Verbot.
Eine solche Regelung ließe sich nicht mit einer Verordnung regeln, heißt es uns gegenüber. Für ein Gesetz fehlt jedoch die Zeit. Auch aus dem Auswärtigen Amt vernehmen wir Unverständnis für die neuerliche Initiative der Kanzlerin, die sie am Mittwochvormittag in der Runde mit den Ministerpräsidenten vorgebracht hat.
Aktuell sollen das Innen- und das Justizministerium prüfen. Aus dem Haus von Christine Lambrecht (SPD) hören wir, dass dem Vorstoß kaum Chancen zugerechnet werden.
2. Afghanistan-Einsatz spaltet die Grünen
Die für heute geplante Abstimmung zur Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr spaltet die Grünen-Bundestagsfraktion. Obwohl sie nach der Bundestagswahl im Herbst von einer Oppositions- zur Regierungsfraktion werden und der Afghanistan-Einsatz dann abermals zur Abstimmung stehen könnte, finden die Grünen zu keiner geschlossenen Haltung.
Eine Mehrheit wird mit Nein stimmen, aber fast ebenso viele Abgeordnete wollen für die Verlängerung votieren, sich enthalten oder gar nicht an der Abstimmung teilnehmen.
„Die Afghanen brauchen uns weiterhin“, sagt Omid Nouripour. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Er wird mit Ja stimmen.
„Die Debatte um dieses Mandat ist von großer Sorge über die weitere Entwicklung der Lage in Afghanistan gekennzeichnet. Das war immer der Fall. Jetzt aber ist die Ungewissheit besonders groß“, sagt Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionschefin und Leiterin des für Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Arbeitskreises ihrer Fraktion. Sie wird mit Nein stimmen.
Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger © ImagoUnionsfraktionsvize Johann Wadephul wirft den Grünen den Bruch mit ihren Werten vor: „Es ging und geht in Afghanistan auch immer um die Frauen. Gerade eine Partei, die hier um Gendergerechtigkeit kämpft, darf dort Frauen und Mädchen nicht im Stich lassen.“
Der Afghanistan-Einsatz wühlt die Grünen seit jeher auf wie kein zweites Bundeswehrmandat. Lesen Sie dazu den Hintergrundbericht von Marina Kormbaki, politische Reporterin bei The Pioneer.
3. SPD-AG will Drohnen-Entscheidung im Herbst vorlegen
Die Arbeitsgruppe des SPD-Vorstands zum Thema Bewaffnung von Drohnen soll das Ergebnis der Beratungen im Herbst der Parteispitze vorlegen. Damit soll vermieden werden, dass die Diskussion den Bundestagswahlkampf beeinträchtigt.
Die eigentlich ja erwünschte öffentliche Debatte soll somit auch nicht in die neue Legislaturperiode getragen werden. Dies erfuhren wir aus Führungskreisen der Partei.
Drohne Heron TP © dpaDie ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin soll die Projektgruppe leiten. Neben Däubler-Gmelin sind unter anderem auch Verteidigungspolitikerinnen wie Gabriela Heinrich und Siemtje Möller Teil der Gruppe sowie Außenexperte Nils Schmid oder die Vorsitzende der Grundwertekommission der SPD, Gesine Schwan.
4. Union will Mitarbeiterbeteiligung nachbessern
Die Union will die steuerlichen Erleichterungen für Mitarbeiterbeteiligungen erweitern. Bereits vereinbart wurde zwischen den Fachpolitikern von Union und SPD, dass der steuerfreie Höchstbetrag für Beteiligungen an dem Unternehmen auf 1.440 Euro angehoben werden soll. Im Gesetz sieht SPD-Finanzminister Olaf Scholz bisher einen Freibetrag von 720 Euro vor.
In den Verhandlungen mit der SPD will die Union aber darüber hinausgehen und eine Steuerzahlung vermeiden, wenn aus der Beteiligung noch gar kein Geldfluss entstanden ist (das so genannte dry income). Das Finanzamt soll die Steuerzahlung stunden.
"Die Digitalwirtschaft braucht Wachstumschancen, dazu gehört eine kraftvolle Reform der Mitarbeiterbeteiligung", sagte uns der Verhandler der Union, Fritz Güntzler.
Fritz Güntzler, CDU-Bundestagsabgeordneter und Finanzpolitiker. © TGAuch will die Union in den Gesprächen noch durchsetzen, dass Mitarbeiter bei einem Arbeitgeberwechsel und nach zehn Jahren nicht automatisch Steuern zahlen müssen.
Bei Start-ups seien häufige Jobwechsel - ohne dass die Beteiligung beim alten Unternehmen aufgelöst wird - und lange Entwicklungsperspektiven bei Unternehmen üblich, argumentiert der Start-Up-Verband und dringt deshalb auf Nachbesserungen.
Die Branche drängt seit Jahren auf steuerliche Erleichterungen bei Mitarbeiterbeteiligungen. Der Vorteil: hohe Motivation bei geringen Personalkosten. Die schnell wachsenden, aber meistens noch kein Geld verdienenden Start-ups können Fachkräfte mit Aktienoptionen an sich binden, müssen aber keine hohen Gehälter zahlen.
In der Unionsfraktion formiert sich Widerstand gegen die Regierungspläne für ein Sorgfaltspflichtengesetz, das Unternehmen zur Einhaltung von Mindeststandards in ihren Lieferketten verpflichten soll. Trotz einiger Verbesserungen sei der aktuelle Entwurf „in seiner derzeitigen Form für uns nicht zustimmungsfähig“, heißt es in einem Beschluss der Fraktionsarbeitsgruppe Wirtschaft und der Spitze des Parlamentskreises Mittelstand (PKM).
Unter anderem werden in dem Papier längere Übergangsfirsten sowie ein effektiver Schutz mittelständischer Schutz vor Überlastungen gefordert.
Die Bundesregierung erhöht den Druck auf die Arbeitgeber, ihren Beschäftigten mindestens einmal in der Woche einen Corona-Schnelltest anzubieten, wenn diese nicht im Homeoffice, sondern weiter im Unternehmen arbeiten. Bis Anfang April sollen die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft der Regierung Bericht erstatten, wie diese Empfehlung umgesetzt wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt eine Testpflicht nicht aus, sagte sie am Mittwoch im Bundestag.
© ThePioneerAuf - Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hat die Pleite der letzten Verhandlungsrunde der Länderchefs mit der Kanzlerin zum Anlass genommen, einmal grundsätzlich über die Strukturen in der Corona-Bekämpfung in Deutschland nachzudenken. Und Maier, der auch Landeschef der SPD ist, hat einen so naheliegenden wie überzeugenden Vorschlag gemacht: Ein gemeinsamer Krisenstab aus Bund und Ländern sollte künftig die Runden vorbereiten, damit verlorene Nächte wie die am Montag nicht zur Regel werden. Es gab viel Applaus für Maier, unter anderem von Sicherheitskonferenz-Chef und Krisenstab-Profi Wolfgang Ischinger. Wir schließen uns an.
Ab - Nun gut, die Kanzlerin hat sich in beispielloser Weise für die gefloppte und nicht umsetzbare Idee der Oster-Ruhetage entschuldigt. Das ist ein gutes und notwendiges Zeichen gewesen. Zur Gewinnerin aber macht das Angela Merkel nicht. Im Gegenteil: Nach einer Ministerpräsidentenkonferenz, die arm an Beschlüssen war, ist nun eine der wenigen verbleibenden Maßnahmen auch noch weggefallen. In der Corona-Politik erscheint Deutschland aktuell kopf- und führungslos und das ist noch viel mehr die politische Verantwortung der Kanzlerin, als die Umsetzungsproblematik von Ruhetagen, für die sie sich am Mittwoch entschuldigt hat. Es geht bergab.
Im Auswärtigen Amt sind weitere Wechsel auf Spitzenposten beschlossen worden: Die Diplomaten Christina Beinhoff und Joachim Bertele werden auf einem geteilten Posten gemeinsam Botschafter an der deutschen Vertretung in Stockholm. Beinhoff war zuletzt Beauftragte für Infrastruktur und Sicherheit, Bertele Beauftragter für Fragen des allgemeinen und besonderen Völkerrechts in Berlin. Die beiden folgen auf die bisherige Botschafterin Anna Prinz.
In Bukarest wird Diplomat Peer Gebauer neuer deutscher Botschafter. Er wechselt aus dem Auswärtigen Amt in Berlin nach Rumänien und folgt dort auf Cord Meier-Klodt, der nach Dublin wechselt, wie Sie Ihrem Lieblingsbriefing Anfang des Montats entnehmen konnten. Alle Personalien hat das Bundeskabinett am Mittwoch abgesegnet.
Die Kollegen setzen sich in ihren Kommentaren insbesondere mit der Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel auseinander, den ursprünglich geplanten Oster-Lockdown zu kippen.
„Wenn Merkel jetzt erklärt, es sei ihr Fehler gewesen, sie übernehme die volle Verantwortung, hätte sie auch sagen sollen, was das bedeutet“, meint Thomas Sigmund, der Berliner Handelsblatt-Büroleiter. „Entlässt sie ihren Kanzleramtsminister? Bildet sie ihr Kabinett um? Oder stellt sie gar die Vertrauensfrage?“ Nachzulesen ist der Kommentar hier.
Die jetzige Notbremsung bei der Notbremsung, urteilt FAZ-Herausgeber Berthold Kohler, trage die Züge einer Bankrotterklärung. Nach einem Jahr Pandemie könne und müsse man von den Regierungschefs verlangen, „dass sie sich nicht (nur) nächtelang darüber streiten, wer von ihnen wann seine Campingplätze wieder aufmachen darf. Und dass sie zur Geisterstunde nicht Entscheidungen treffen, die ihren Juristen am Morgen die Haare zu Berge stehen lassen“. Hier geht es zu diesem Kommentar.
„Die Entschuldigung der Kanzlerin wird in die Geschichtsbücher eingehen. Sie zeigt ein Maß an Selbstreflexion, das man sich von ihr früher gewünscht hätte“, schreibt Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung. Die Frage, ob nun an Ostern zwei Tage geruht werde oder nicht, sei jedoch „eine vergleichsweise läppische Frage angesichts des nunmehr 13 Monate alten Problems, wie sich die Pandemie stoppen lässt“. Wer mehr lesen will, findet diesen Kommentar hier.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Tijen Onaran, Unternehmerin, Publizistin, CEO Global Digital Woman, 36
Nancy Böhning, ehem. Bundesgeschäftsführerin der SPD, 42
Ulf Poschardt, Chefredakteur WeltN24, 54
© ThePioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
Starten Sie gut in den Tag!
Herzlichst, Ihre