Die Geheimnisse der Ampel-Koalition

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Die Ampel stellt Ende 2021 ihren Koalitionsvertrag im WECC Kongresszentrum im Westhafen vor - im Hintergrund die Pioneer One.  © dpa

Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • "Die Ampel steht", sagte der designierte Kanzler Olaf Scholz gestern. Die Partner stellten gestern ihren 177-seitigen Vertrag vor und lobten die Atmosphäre der Verhandlungen. Wir sagen, was in der offiziellen Vorstellung verschwiegen wurde.

  • Der neue Bundesbank-Chef wird von der SPD nominiert, der Platz im Sachverständigenrat soll frei bleiben. Wir kennen die Nebenabsprachen der Koalition.

  • Wer wird neuer Sprecher der künftigen Bundesregierung. Hier erfahren Sie es.

  • Neuer Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag soll ein alter Vertrauter von Ex-Parteichef Philipp Rösler aus Niedersachsen werden. Wir wissen, wer.

  • Bei den Grünen ist die Enttäuschung groß, dass die FDP den Verkehrsminister stellt. Dafür soll Robert Habecks neues Wirtschaftsministerium aufgewertet werden.

  • Das Urteil der wichtigsten Hauptstadt-Korrespondenten und der einflussreichsten Verbandsvertreter über die Ampel lesen Sie hier in der Kurzübersicht.

Wie die Ampel zur Koalition wurde

Am Mittwoch früh um kurz nach 6 Uhr war es dann soweit. Die Endfassung des 177 Seiten starken Koalitionsvertrags ging vorab an die Chef-Verhandler.

Die Grünen wollten es so, um ihre engsten Führungsgremien zu informieren.

Zunächst blieb da noch die Verteilung der Ressorts auf die Parteien außen vor.

Doch die Überschrift war rasch gefunden. Diese Koalition will:

Mehr Fortschritt wagen!

Dafür nahm der künftige SPD-Kanzler Olaf Scholz auch in Kauf, dass aus einem kurzen und prägnanten Koalitionsvertrag, wie er es sich gewünscht hatte, doch ein Konvolut von Maßnahmen und Absichten zum Umbau des Landes wurde.

Scholz zeigte sich bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am Nachmittag im Berliner Westhafen, nur wenige Meter von unserer Pioneer One entfernt, erleichtert:

Die Ampel steht!

Er versprach eine Koalition auf Augenhöhe, von der alle drei Parteien profitieren sollen.

"Es geht nicht um eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern der größtmöglichen Wirkung."

In den vergangenen Tagen hatten die Chefverhandler der Ampel bis teilweise tief in die Nacht an Formulierungen gefeilscht und inhaltliche Konflikte gelöst.

So gab es unseren Informationen zufolge harte Diskussionen über die umweltschädlichen Subventionen, die gestrichen werden sollten, etwa das Dieselprivileg oder die Umweltprämie für hybride Fahrzeuge.

Ampel-Partner stellen am 24. November im Westhafen den Koalitionsvertrag vor.  © imago

Scholz musste immer wieder zwischen FDP und Grünen moderieren, betonte aber auch selbst die Bedeutung der Automobilindustrie in diesem Land und rückte von zu weitgehenden Maßnahmen ab.

Auch die Finanzpolitik war bis zuletzt strittig. Die Frage etwa, ob konkrete Summen für die geplanten Investitionen genannt werden sollen.

Der Wunsch der Grünen, in zehn Jahren 50 Milliarden Euro in Digitalisierung, Klimaschutz und Bildung zu investieren, wurde schließlich konkret im Text nicht aufgenommen.

Dafür wurden die Maßnahmen konkret benannt, mit denen die künftige Koalition sich frisches Geld verschaffen will.

Die Corona-Schulden sollen später getilgt werden und die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit frischem Eigenkapital zur staatlichen Superinvestitionsbank aufgepumpt werden.

Die Kreditermächtigungen des Energie- und Klimafonds, einer Art Sondervermögen, das nicht zum Bundeshaushalt zählt und nicht bei der Schuldenregel angerechnet wird, sollen um einmalig 40 bis 60 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Dazu will die Ampel bald nach Amtsübernahme einen Nachtragshaushalt geben.

Kontrovers diskutiert wurden bis zuletzt die Organisationsfragen der neuen Regierung.

FDP und Grüne drängten darauf, dass der Koalitionsausschuss einmal pro Monat tagt und so vom "Krisenreaktionsinstrument" früherer Koalitionen zu einem "Routinegremium" wird. In dem Gremium besprechen dann auch die Partei- und Fraktionschefs die Leitlinien der Ampel.

Die Zusammenarbeit der Fraktionen im Bundestag soll ebenfalls festgeschrieben werden, doch mussten sich die künftigen Regierungsvertreter von den selbstbewussten Fraktionsvorsitzenden der Parteien belehren lassen, dass dieser Wunsch von der neuen Regierung nur "begrüßt" werden könne, aber nicht einfach festgeschrieben.

So steht es nun auch im Text.

Die Personalien wurden bis zuletzt gehütet wie ein Staatsschatz.

In einer ersten Fassung des Koalitionsvertrags fehlte der Abschnitt mit der Verteilung der Ressorts auf die Parteien. Erst kurz vor dem Zusammentreffen der 21-er Runde der Chefverhandler von SPD, FDP und Grünen um 11 Uhr wurden die Ressorts ergänzt.

Überraschung: Die SPD schneidert sich mit einem eigenen Bau- und Wohnministerium ein neues Ressort für ihr Kernthema: die Wohnungspolitik.

Die entsprechenden Abteilungen aus dem Verkehrs- und Innenministerium sollen herausgelöst werden. Als mögliche Ressortchefin gilt die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze.

Svenja Schulze © Anne Hufnagl

Allerdings ist Wohnungsbaupolitik Ländersache, die Kompetenzen im Bund sind eher auf die Rahmenbedingungen beschränkt. 2006 übernahmen die Länder die Zuständigkeiten. Damals hieß es: "Deutschland ist zu Ende gebaut."

Außerdem kann die SPD die Themen innere und äußere Sicherheit wieder zu einem Schwerpunkt ihrer Politik machen.

Das Innen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium fällt neben dem Arbeits- und Gesundheitsministerium in die Hand der SPD.

Die Minister sollen erst in zwei Wochen bekanntgegeben werden. Scholz will sich Zeit lassen, die "besten Kandidatinnen und Kandidaten finden", heißt es.

Doch klar ist: Wegen des Anspruchs, ein paritätisches Kabinett aufzustellen, dürften lediglich zwei von sechs Kabinettsposten der SPD durch männliche Bewerber besetzt werden. Als gesetzt gilt der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil.

Die Grünen müssen das Verkehrsministerium der FDP überlassen. Dafür hat sich der neue Vizekanzler Robert Habeck mit seinem Wunsch durchgesetzt, im Wirtschaftsministerium auch das neue Klimaschutzministerium zu etablieren.

Die entsprechenden Abteilungen aus dem Umweltministerium sollen ins neue Ressort übersiedeln. Dafür bekommt das Umweltministerium den Verbraucherschutz zurück aus dem Justizressort. Die Grünen stellen den oder die neue Umweltminister(in).

Ko-Chefin Annalena Baerbock ist als Außenministerin gesetzt, für das Landwirtschaftsministerium gilt die Diplom-Agraringenieurin Steffi Lemke aus Sachsen-Anhalt als Anwärterin.

Für das Umwelt- oder Landwirtschaftsministerium wird der bisherige Fraktionschef Anton Hofreiter genannt. Der neue Staatssekretär für Verbraucherschutz könnte der grüne Europapolitiker Sven Giegold werden.

Der künftige Bundesfinanzminister, FDP-Chef Christian Lindner, wird im Koalitionsvertrag besonders herausgestellt, er soll offenbar zu einem späteren Zeitpunkt per Kanzlererlass zu einer Art zweitem Stellvertreter des Regierungschefs in der Geschäftsordnung aufgewertet werden.

Eine interessante Nebenabsprache lautet: Sowohl die Grünen als auch die FDP dürfen einen Staatssekretär nominieren, der bei den Kabinettssitzungen teilnehmen darf. Dies sollen der Lindner-Vertraute Steffen Saebisch, Hauptgeschäftsführer der Friedrich-Naumann-Stiftung, und der Büroleiter von Robert Habeck und Annalena Baerbock, Robert Heinrich, sein.

Auch das verschmähte Gesundheitsministerium fiel in letzter Sekunde an die SPD. Dass Karl Lauterbach, der profilierte Gesundheitspolitiker das Amt übernimmt, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Als mögliche Ministerin und künftige Pandemie-Bekämpferin wird Melanie Leonhard, die Hamburger Gesundheitssenatorin, genannt.

Die inhaltlichen Beschlüsse der Ampel-Koalition haben wir hier in einem umfassenden Analyse unterzogen.

Der Masterplan der Ampel

Was die neue Regierung plant - und was davon zu halten ist.

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SPD besetzt Bundesbank-Chef, neuer Wirtschaftsweise bleibt offen

In den so genannten Nebenabsprachen der Koalitionsverhandlungen haben SPD, FDP und Grüne die kniffligen, strittigen Personalien behandelt.

Informell - aufgeschrieben werden sie nicht.

Nach unseren Informationen soll die SPD demnach über die Besetzung des künftigen Bundesbank-Präsidenten (oder der Präsidentin) als Nachfolge von Jens Weidmann entscheiden. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz habe diesen Posten für die SPD reklamiert, erfuhren wir. Widerstand der FDP habe es nicht gegeben.

Als möglicher Kandidat gilt der frühere Goldman-Sachs-Deutschland-Chef und amtierende Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies. Der enge Vertraute von Scholz soll aber auch Interesse an dem Job als wirtschaftspolitischer Berater des Kanzlers im Kanzleramt haben. Als mögliche Bundesbank-Präsidentin wird auch die Ökonomin Isabel Schnabel gehandelt.

Strittig blieb der bisher unbesetzte Platz im Sachverständigenrat der Bundesregierung, den so genannten Wirtschaftsweisen.

Bei der Nachfolge des als liberal geltenden Freiburger Ökonomen Lars Feld konnten sich die Ampel-Partner nach intensiven Diskussionen nicht einigen.

Ergebnis: Der Posten bleibt unbesetzt.

"Ob es vier oder fünf Wirtschaftsweise gibt, ist für den Erfolg dieser neuen Bundesregierung nicht entscheidend", kommentierte einer gelassen, der an den Verhandlungen beteiligt war.

Grüne enttäuscht über Ampel-Verkehrspläne

Die Grünen-Basis ist enttäuscht über die Verkehrspolitik der Ampel.

"Die Vorhaben im Verkehrsbereich sind aus unserer Sicht für eine sozialgerechte und klimaschonende Verkehrswende noch nicht ambitioniert genug“, sagte uns Grüne-Jugend-Chef Timon Dzienus. Er kritisiert:

Der Umstieg auf Elektromobilität ist notwendig, aber noch lange keine Verkehrswende.

Alle Parteien und alle Ressorts müssten im Klimaschutz liefern - "daran werden wir auch die FDP und das Verkehrsministerium messen“, so Dzienus. "Wir erwarten von der ganzen Bundesregierung, eine Klimaregierung zu sein.“

Die Grüne-Jugend-Chefs Timon Dzienus Sarah-Lee Heinrich © dpa

Die Grüne Jugend pocht auf Konkretisierungen im Detail. "Einige Vorhaben sind noch sehr offen oder unklar formuliert. Wir werden weiter dafür streiten, dass keine neuen Autobahnen gebaut werden und der Ausstieg aus dem Verbrenner möglichst schnell umgesetzt wird“, betonte Dzienus.

Auf kommunaler Ebene gab es vielerorts die Erwartung, mit einem grünen Verkehrsminister die Verkehrswende vor Ort umsetzen und beispielsweise Autobahnausbauprojekte stoppen zu können.

Das Thema dürfte die Debatte während der heute startenden Urabstimmung der Grünen-Basis zum Koalitionsvertrag dominieren.

So reagieren die Interessenvertreter auf die Ampel-Projekte

Eine Fortschrittskoalition will die Ampel sein - doch der Koalitionsvertrag stößt auf gemischte Reaktionen. Wir dokumentieren hier einige.

  • Zu wenig konkret seien die Vereinbarungen, meint BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „Der Koalitionsvertrag bietet viele vage Absichtserklärungen. Hier bleibt der Löwenanteil der Arbeit noch zu tun.“

  • Verdi-Chef Frank Werneke stellt Fortschritte in der Arbeitsmarktpolitik heraus, an einigen Stellen seien die Ampel-Pläne aber auch enttäuschend: „So wird es künftig nicht mehr Steuergerechtigkeit geben, weder bei der Vermögenssteuer noch bei der Erbschaftssteuer."

  • Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger vermisst Impulse für den Strukturwandel und echte Aufbruchstimmung: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – auch wenn vieles in die richtige Richtung weist, hätten sich die Arbeitgeber die Zauberkraft der Ampel an einigen Punkten etwas größer gewünscht.“

  • Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, lobt Verbesserungen bei der Pflege und das Bekenntnis zur umlagefinanzierten Rente: „Aber wo bleibt der soziale Fortschritt? Insgesamt liest sich die Sozialpolitik konservativ und mutlos.“

  • Gerald Gaß, Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, freut sich über die Pläne, einen Bund-Länder-Pakt für eine Reform der Kliniklandschaft zu entwickeln: „Das sind hoffnungsvolle Signale, den bisher schmerzhaften kalten Strukturwandel jetzt endlich beenden zu wollen.“

  • Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des Maschinenbau-Verbands VDMA, lobt: "Der Koalitionsvertrag ist eine gute Basis für die anstehenden Transformationsprozesse. Er geht die richtigen Hebel an, um die ehrgeizigen Ziele für den Klimaschutz zu erreichen. Folgerichtig wird die Notwendigkeit eines schnelleren Ausbaus der Erneuerbaren Energien und des Umbaus industrieller Prozesse angegangen."

  • Beifall erhält die Ampel für ihre Pläne in der Verkehrspolitik. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, sagt: „Erstmals bekennt sich eine Koalition bei den Verkehrsinvestitionen zum Grundsatz: Schiene vor Straße.“

  • Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, lobt: „Die Ampel-Parteien haben sich darauf verständigt, dass es künftig ein Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz geben soll. Umwelt- und Verbraucherschutz in einem Ministerium zu vereinen stärkt beide Politikfelder."

Ukrainischer Botschafter: „Mächtige Signale an Putin“

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, lobt die Ampel für die in Aussicht gestellte Unterstützung für sein Land. Der Vertrag stelle einen „echten Schritt nach vorne dar“, sagte Melnyk unserer Reporterin Marina Kormbaki. „Vor allem das bekräftigte Commitment, Kiew bei der Wiederherstellung voller territorialer Integrität und Souveränität weiter zu unterstützen sowie die Forderung an Russland, der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion und der Besetzung der Ostukraine unverzüglich ein Ende zu setzen, sind mächtige Signale an Putin“, so der Diplomat.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland. © dpa

Die Ukraine erwarte nun, dass die künftige Bundesregierung ihr „starkes Statement mit Entschlossenheit in die Tat umsetzen und den Preis für die russische Aggression massiv in die Höhe treiben“ werde.

Zudem müsse es rasche Fortschritte bei der deutsch-ukrainischen Energieallianz geben. Zugleich zeigte sich Melnyk jedoch enttäuscht darüber, dass SPD, Grüne und FDP der Ukraine keine stärkere Anbindung an den Westen versprechen: „Leider haben sich unsere legitimen Hoffnungen, dass die Ampel-Koalition einen Quantensprung wagt und die EU- und Nato-Mitgliedschaft der Ukraine in Aussicht stellt, immer noch nicht bewahrheitet.“ Dies aber wäre „im ureigenen Interesse Deutschlands".

Neuer Regierungssprecher wird Steffen Hebestreit

Der neue Regierungssprecher der künftigen Ampel-Koalition soll nach unseren Informationen der frühere Korrespondent der Frankfurter Rundschau und spätere Leiter der Hamburger Landesvertretung in Berlin, Steffen Hebestreit, werden.

Olaf Scholz, im Hintergrund sein Sprecher Steffen Hebestreit. © imago

Der 49-jährige Hebestreit gehört mit Wolfgang Schmidt, dem wahrscheinlichen künftigen Kanzleramtsminister, zu den engsten Vertrauten des künftigen SPD-Kanzlers Olaf Scholz. 2014 und 2015 war Hebestreit Sprecher der damaligen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi.

DGB-Chef Hoffmann durfte Vertrag vorab sehen

DGB-Chef Reiner Hoffmann hat Spuren im Ampel-Koalitionsvertrag hinterlassen - jedenfalls in der digitalen Version. Darin ist mit dem Hinweis „Zuletzt geändert von…“ die Kennung des Spitzenfunktionärs zu erkennen. Uhrzeit: 14.33 Uhr.

Der Koalitionsvertrag wurde allerdings erst um 15 Uhr vorgestellt.

Ein Gewerkschaftsfunktionär, der seine Vorstellungen direkt in die Ampel-Pläne hinschreibt, noch bevor der Vertrag fertig ist? Der Eindruck sorgte sofort für Wirbel.

Aus der DGB-Zentrale hieß es gestern, Hoffmann habe keine Änderungen im Dokument vorgenommen, sondern nur gelesen. „Über ein bloßes Abspeichern ging es nicht hinaus“, hörten wir. „Bearbeitungszeit 0 Minuten.“

In der Tat hatte Hoffmann aus dem Willy-Brandt-Haus die bereits fertige Version des Koalitionsvertrags als Word-Datei erhalten und sich diese auf dem Computer angeschaut.

Der Cursor im Text war dann sofort als digitale Spur zu sehen. Die Wünsche des Gewerkschafts-Funktionärs dürften den Sozialdemokraten aber wohl auch schon früher bekannt gewesen sein.

Ampel-Partner dämpft nächste Rentenerhöhung

Johannes Vogel an Bord der Pioneer One im Jahr 2021.  © Anne Hufnagl

Die Ampel-Koalition will dafür sorgen, dass die Rentenerhöhung im kommenden Jahr geringer ausfällt als bisher angenommen. SPD, Grüne und FDP vereinbarten, den so genannten Nachholfaktor in der Rentenanpassungsformel wieder einzusetzen.

Der sorgt - kurz gesagt - dafür, dass Rentenkürzungen, die als Folge sinkender Löhne eigentlich notwendig wären, zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen werden. Und zwar, indem spätere Rentenerhöhungen entsprechend gemindert werden.

Den Nachholfaktor hatte die große Koalition jedoch 2018 ausgesetzt. Ohne diese Entscheidung hätte er gegriffen, schließlich war die Lohnentwicklung im ersten Corona-Jahr 2020 negativ gewesen.

Nach dem am Mittwoch vom geschäftsführenden Kabinett beschlossenen Rentenversicherungsbericht könnten die Renten im Juli 2022 um bis zu 5,9 Prozent steigen. Die Erhöhung dürfte bei Umsetzung der Ampel-Pläne deutlich geringer ausfallen.

„Ohne Nachholfaktor müssten die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler finanzieren, dass die Renten in der Krise insgesamt stärker steigen als die Löhne“, sagte uns FDP-Vize Johannes Vogel. Das sei nicht „generationengerecht“.

Gute Bilanz für den Osten

Die SPD-Verhandler aus den ostdeutschen Bundesländern haben eine positive Bilanz über den Koalitionsvertrag gezogen. In einem gesonderten Papier haben sie 22 Punkte aus dem Vertrag herausgehoben, die besonders den Belangen des Osten nützen werden.

Darunter finden sich unter anderem sozialpolitische Themen wie der Mindestlohn von 12 Euro, die Verbesserungen in der gesetzlichen Rente und die Kindergrundsicherung.

Aber auch strukturelle Verbesserungen werden hervorgehoben. So sollen neue Forschungseinrichtungen im Osten angesiedelt werden, überschuldete Kommunen sollen zusätzliche Hilfen erhalten und ländliche und strukturschwache Regionen sollen gefördert werden.

Christian Dürr soll neuer FDP-Fraktionschef werden

Der niedersächsische Finanzpolitiker Christian Dürr könnte nach unseren Informationen in die erste Reihe der FDP-Bundestagsfraktion aufrücken.

Christian Dürr © dpa

Nach unseren Informationen soll der bisherige Vize den Posten von Parteichef Christian Lindner übernehmen und zum neuen Chef der Bundestagsfraktion gewählt werden. Vor seinem Einzug in den Bundestag vor vier Jahren war der Diplom-Ökonom seit 2003 Abgeordneter im Landtag von Hannover, ab 2009 als Fraktionschef.

100.000 Corona-Tote - was wissen wir über sie?

Die Ampel-Koalition hat mit der vierten Welle der Corona-Pandemie gleich zu ihrem Start eine besonders schwere Herausforderung zu bewältigen. Rund 100.00 Menschen sind inzwischen an oder mit Corona-gestorben. Das geht aus Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom frühen Donnerstagmorgen hervor.

Im aktuellen Wochenbericht der Behörde heißt es:

Die aktuelle Entwicklung ist sehr besorgniserregend und es ist zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden.

Hinter jedem Todesfall wegen Corona steht eine Geschichte - dazu Trauer und Leid. Unser Kollege Rasmus Buchsteiner hat sich einmal angeschaut, welche Erkenntnisse sich aus offiziellen Statistiken über die Toten ableiten lassen.

Sie sind mehrheitlich männlich und zu über 85 Prozent älter als 70, heißt es in seiner Analyse. Impfungen hätten sich lange Zeit als effektiver Schutz erwiesen - auch bei Älteren. In den vergangenen Wochen habe sich das Bild allerdings verändert: Zuletzt waren die Corona-Toten über 60 zu knapp 42 Prozent doppelt geimpft. Insgesamt 1.393 doppelt Geimpfte sind bislang an der Krankheit gestorben, nur 25 Erwachsene davon waren jünger als 60.

Unsere Corona-Toten

100.000 Fälle, 100.000 Schicksale - was wir über die Verstorbenen dieser Pandemie wissen

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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Auf - Volker Wissing. Wenn die FDP nicht neuerdings so demütig und bescheiden auftreten würde, könnte sich Volker Wissing mit Fug und Recht auch Zukunftsminister nennen. Denn der FDP-Generalsekretär aus Rheinland-Pfalz wird nicht nur Verkehrsminister, sondern auch Digitalminister der neuen Regierung. Mobilfunknetze, Digitaler Ausbau, aber auch die Themen aus dem bisherigen Arbeitsfeld der CSU-Digital-Staatsministerin Dorothee Bär sollen in sein Ressort fallen. Ein mächtiger Minister. Ein mächtiger Aufstieg. Deshalb auch hier bei uns.

Ab - Anton Hofreiter. Des einen Freud ist des anderen Leid. Kaum ein Bundestagsabgeordneter hat sich in die verkehrspolitischen Themen so akribisch eingearbeitet wie Grünen-Fraktionschef Hofreiter. Er wäre gerne Verkehrsminister geworden, die grüne Klientel hält die Mobilitätswende hin zu einem CO2-freien Verkehr für eines der wichtigsten Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit. Dass nun ausgerechnet ein FDP-Politiker Verkehrsminister wird, ärgert die Grünen. Und Hofreiter muss sich wohl ein anderes Betätigungsfeld suchen.

Wie sehen die wichtigen Hauptstadt-Korrespondenten das, was die Ampel-Partner am Mittwoch präsentiert haben? Eine Übersicht.

Cerstin Gammelin, Vizechefin der Parlamentsredaktion der Süddeutschen Zeitung, richtet den Blick auf die erste große Herausforderung für die Ampel. „Die Vorhaben der Koalitionäre sind groß. Doch wen interessierte das noch, fände Weihnachten im Lockdown und mit Tausenden Toten statt?“, so Gammelin. „Die Ampel wäre gut beraten, wenn sie sich der Pandemiebekämpfung so widmete, wie Scholz einst die Wirtschaftshilfen ankündigte: mit Wumms.“ Hier geht es zum Text.

Eva Quadbeck, Berliner Bürochefin des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), beschäftigt sich unter anderem mit der Ressortverteilung. „Die Liberalen tragen ihren wichtigsten Skalp aus diesen Koalitionsverhandlungen mit dem Finanzministerium nach Hause“, so Quadbeck. „Mit dem Verkehrsressort, in dem es immer viel zu verteilen gibt, dem Generalisten-Ministerium Justiz und Bildung sind sie zudem gut bedient.“ Auch den Grünen sei es gelungen mit Klima, Umwelt und Landwirtschaft die für ihre Klientel wichtigsten Ressorts für sich zu sichern.“ Die Analyse der Kollegin lässt sich hier nachlesen.

Thomas Sigmund, Chef des Berliner Büros beim Handelsblatt, sieht Christian Lindner als Bundesfinanzminister vor der Krönung seiner politischen Laufbahn - und vor schwersten Herausforderungen. „Die Kosten für den Klimaschutz wird man nicht vollständig den Bürgern und Unternehmern aufdrücken können“, so Sigmund. Es müsse Entlastungen an anderer Stelle geben. Dass sich im Koalitionsvertrag noch keine finanzpolitischen Zumutungen finden, heiße nichts, schreibt der Kollege: „Doch das heißt nichts. Diese werden kommen.“ Der Volltext findet sich hier.

Veit Medick, Berlin-Korrespondent beim Spiegel, hält den Olaf Scholz, wie wir ihn bisher kannten, für ein Auslaufmodell. Der SPD-Mann müsse sich im Amt des Bundeskanzlers neu erfinden. „Will er gestalten und die großen Aufgaben dieser Zeit angehen – den Kampf gegen den Klimawandel, gegen die soziale Schere und für die Digitalisierung – wird er nicht darum herumkommen, das Gegenteil dessen zu tun, wofür er bislang bekannt ist: Leidenschaftlich zu kämpfen“, schreibt Medick, nachzulesen ist das hier.

Auch einer der Autoren dieses Briefings hat sich in einem knappen Video-Kommentar der neuen Ampel-Koalition gewidmet.

Diese Koalition hat eine Chance verdient!

"Die Ampel-Koalition wird nicht alles anders machen, aber vielleicht manches doch besser". Ein Kommentar von Chefredakteur Michael Bröcker.

Video ansehen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker .

Video mit der Laufzeit von

Heute gratulieren wir herzlich:

Josephine Ortleb, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, 35

Johannes Fechner, SPD-Bundestagsabgeordneter, 49

Verena Hubertz, SPD-Bundestagsabgeordnete, Unternehmerin, 34

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Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
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