herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Nach monatelanger Beratung hat eine SPD-Projektgruppe ihr Votum zur Drohnen-Bewaffnung abgegeben. Wir kennen das Ergebnis.
In der Bundesverwaltung gab es zuletzt 45 Fälle von Verdacht auf Korruption. Wir kennen Details.
Im Hauptstadt Podcast ist in dieser Woche Manuela Schwesig unser Gesprächsgast - sie erklärt, warum sie rot-rot in Mecklenburg-Vorpommern will.
Die Gewissensfrage
Die Sitzung dauerte den gesamten Dienstagnachmittag. Für 15 Uhr hatte die ehemalige SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin die Mitglieder der vertraulich tagenden Projektgruppe in den großen Konferenzraum im 5. Stock des Willy-Brandt-Hauses geladen.
Rund fünf Stunden dauerte die Zusammenkunft. Nach monatelanger interner Beratung ließ die Vorsitzende Däubler-Gmelin die anwesenden 13 Mitglieder darüber abstimmen, ob die SPD sich für eine Bewaffnung von Drohnen aussprechen sollte.
Herta Däubler-Gmelin © ThePioneerSeit Jahren debattiert die Partei die Frage. Im März wurde die Projektgruppe eingesetzt, um endlich eine finale Entscheidung, eine Empfehlung an den Parteivorstand abgeben zu können. Mit dabei: die Außen- und Verteidigungsexperten Nils Schmid, Siemtje Möller und Gabriela Heinrich, Drohnen-Skeptikerinnen wie Nina Scheer und Daniela Kolbe, Fachleute aus der Bundeswehr und dem Bundeswehrverband, SPD-Urgestein Gesine Schwan.
Das Dokument wurde in der Arbeitsgruppe nicht verteilt, lediglich zur Entscheidung ausgeteilt und dann wieder eingesammelt. Wir haben uns deshalb detailliert berichten lassen, wie die Debatten in der Arbeitsgruppe verlaufen sind und was in dem Abschlusspapier steht.
Die Entscheidung bei der Abstimmung über die Grundsatzfrage fiel am Ende eindeutig aus:
Die SPD erklärt sich laut Vorlage bereit, unter bestimmten Voraussetzungen "eine Bewaffnung von Drohnen in Erwägung zu ziehen". Mit 11 zu 2 Stimmen votierte die Arbeitsgruppe für die Formulierung des vorbereiteten Papiers.
Es ist eine denkbar vorsichtige Wortwahl. Aber am Ende ist es eine Zustimmung in einer für die Partei außerordentlich heiklen Frage.
Drohne Heron TP © dpaDie Entscheidung wird nun dem Parteivorstand als Beschlussempfehlung vorgelegt. Die nächste reguläre Sitzung findet am Montag, 25. Oktober statt - eine Zustimmung dürfte auch unmittelbaren Einfluss auf die sicherheitspolitische Position der SPD in den anstehenden Koalitionsverhandlungen haben.
Obwohl die Abstimmung eindeutig ausgefallen ist, verliefen die Debatten in der Projektgruppe über die Monate außerordentlich kontrovers.
Ebenso haben es zahlreiche Vorwände der Skeptiker in die Formulierungen des Abschlussdokuments geschafft:
So sollen etwa targeted killings, gezielte Tötungen spezifischer Personen also, ausgeschlossen sein. Dies ist allerdings nicht nur Position der SPD-Parteilinken - das will selbst der Bundeswehrverband.
Der Einsatz soll auf mandatierte Auslandseinsätze begrenzt sein und der mögliche Einsatz der Drohnen vorher im Mandat möglichst klar definiert werden.
Der jeweilige Drohnenpilot soll sich ebenfalls in der Einsatzregion befinden und nicht aus der entfernten Heimat die Operationen lenken.
Sollten irgendwann bewaffnungsfähige Drohnen in Deutschland hergestellt werden, sollen diese strengeren Rüstungsexportbeschränkungen unterliegen.
Auch wurde betont, dass man grunsätzlich skeptisch gegenüber dem Einsatz der Drohnen sei.
Von mehreren Seiten wurde uns gegenüber die Arbeit der Vorsitzenden Däubler-Gmelin als sehr entschlossen aber auch vermittelnd gelobt. So gelang es etwa, auch Gesine Schwan zu einem "Ja" zu der Formulierung zu bewegen. Schwan jedoch sah ihre Zustimmung als möglich an, weil das Konzept in die Idee sozialdemokratischer Friedenspolitik integriert worden sei, so hörten wir.
1. 45 Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung
In der Bundesverwaltung gab es zuletzt 45 Fälle von Verdacht auf Korruption. Das geht aus einem Bericht des Bundesinnenministeriums an den Bundestag hervor. Das Dokument liegt uns vor.
Demnach wurden im vergangenen Jahr 20 neue Verdachtsfälle registriert. Außerdem wurden 25 weiterverfolgt. 14 konnten im Jahresverlauf abgeschlossen werden.
Die neuen Fälle des Jahres 2020 bezogen sich auf 21 Beschäftigte unter anderem im Zuständigkeitsbereich des Arbeits-, Innen-, Verteidigungs- und Verkehrsministeriums.
2. Hauptstadt-Podcast mit Manuela Schwesig
Sie ist eine der mächtigsten SPD-Politikerinnen und hat gerade als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern einen souveränen Wahlsieg eingefahren - Manuela Schwesig.
In der aktuellen Folge des Hauptstadt-Podcasts verteidigt Schwesig im Gespräch mit uns ihre Entscheidung, Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei aufzunehmen.
Sie sagt:
Manuela Schwesig © picture allianceWir haben ja schon einmal, und zwar unter Harald Ringstorff, erfolgreich mit der Linkspartei regiert. In diesen Zeiten wurde sogar der Haushalt saniert.
Für die anstehenden Verhandlungen im Bund ist die Regierungschefin optimistisch, dass es bald zu einer Ampelkoalition kommen wird: "Ich bin ganz sicher, dass das Olaf Scholz gemeinsam mit den Verhandlungspartnern von SPD, Grünen und FDP gelingt", sagte sie uns.
Und weiter:
Wichtig ist, dass wir einen Aufbruch schaffen in Deutschland.
Für den Osten sieht Schwesig wachsende Bedeutung - und eine wachsende Leistungsfähigkeit:
Wir reden nicht mehr über Aufbruch Ost, sondern wir reden über Vorsprung Ost.
Unsere weiteren Themen in der aktuellen Ausgabe:
Mit unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner besprechen wir die Krise der CDU und die Eigenschaften des womöglich nächsten Bundeskanzlers Olaf Scholz.
In unserer Rubrik "What's left" geht es im Gespräch mit Marina Kormbaki um die Verkehrung der Machtverhältnisse im Land Berlin.
In "What's right" debattieren wir eine erste, interessante Personalie des designierten, nächsten Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
In "What's Next" geht es um die nächsten Schritte in der Corona-Politik - im Gespräch mit dem bayerischen CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek.
Im kürzesten Interview der Berliner Republik: Unser Focus-Kollege Markus Hurek, der mit seiner schwarz-weiß Fotografie zugleich ein wunderbarer Chronist der Berliner Republik ist.
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe:
Der Klick aufs Bild führt Sie zu Hauptstadt - Das Briefing.3. Brugger fordert mehr Austausch mit der Bundeswehr
Angesichts der Irritation und Empörung, die die Bilder vom Großen Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude am Mittwochabend ausgelöst haben, sieht die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger die Politik in der Pflicht, stärker als bisher militärische Fragen offen zu thematisieren.
Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. © dpa"Die aktuelle Debatte zeigt, wie wichtig es ist, einen ehrlichen Dialog zwischen Gesellschaft und Bundeswehr zu verstärken und dass wir Abgeordnete hier eine wichtige Verantwortung haben", sagte Brugger unserer Kollegin Marina Kormbaki.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag wies die Kritik am Aufmarsch von Fackelträgern vor dem Reichstagsgebäude zurück. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und war im Auftrag der Mehrheit des Bundestags in Afghanistan im Einsatz", sagte Brugger.
Und weiter:
Es war richtig, dem Ende dieses gefährlichen Einsatzes mit all den Opfern in einem feierlichen Akt vor der Herzkammer unser Demokratie zu gedenken und den Einsatz der Soldatinnen und Soldaten zu würdigen.
Volker Kauder, früherer Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, verlässt zwar das Parlament. Aber er behält in Berlin eine wichtige Aufgabe. Der 72-jährige CDU-Politiker leitet das Kuratorium der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung, die gerade im Aufbau ist.
Die Witwe des Altkanzlers, Maike Kohl-Richter, hatte kürzlich eine eigene Stiftung zum Andenken an ihren 2017 verstorbenen Mann gegründet. Sie lässt zudem eine Klage gegen die Bundesstiftung vorbereiten.
Volker KauderCDU-Mann Kauder verteidigt nun das Vorgehen des Bundestages. „Ziel ist, das Andenken an Helmut Kohl und die Politik in dieser Zeit wachzuhalten und der jungen Generation nahezubringen“, sagte Kauder im Gespräch mit unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.
Es gehe bei der Bundesstiftung ausschließlich um Helmut Kohl als Bundeskanzler.
Kauder betonte:
Frau Kohl-Richter kann die Stiftung machen, die sie machen möchte. Aber sie kann nicht für sich in Anspruch nehmen, über die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung bestimmen zu wollen.
Und weiter: „Bundeskanzler ist ein Staatsamt. Das gehört niemandem privat. Es gehört allen Deutschen.“
Der SPD-Parteivorstand wird voraussichtlich am Wochenende zusammenkommen, um über die dann vorliegenden Ergebnisse der Sondierungen mit FDP und Grünen zu beraten.
Eine Einladung ist noch nicht ausgesprochen, da zunächst der Freitag abgewartet werden soll.
Auf - Ihr Ziel, erste Grüne Regierende Bürgermeisterin Berlins zu werden, hat Bettina Jarasch verfehlt. Doch ihrem anderen großen Anliegen - die Fortsetzung des Linksbündnisses aus SPD, Grünen und Linkspartei - kommt die Grünen-Spitzenkandidatin bei der Abgeordnetenhauswahl heute ein ganzes Stück näher. SPD, Grüne und Linkspartei steigen in vertiefte Sondierungen ein - mit dem Ziel, bald Koalitionsgespräche aufzunehmen. SPD-Wahlsiegerin Franziska Giffey hätte nach ihrem betont konservativen Wahlkampf wohl eine Ampel-Koalition mit der FDP bevorzugt, doch der linke Berliner SPD-Landesverband ist nicht willens, in die Mitte zu schwenken. Glück für Jarasch. Unsere Aufsteigerin.
Ab - Markus Söder hat sich unbeliebt gemacht - einmal mehr. Diesmal bei der Jungen Union. Erst hat der CSU-Chef seine Teilnahme am Deutschlandtag der JU in Münster zugesagt, nun wieder abgesagt. Damit stößt er genau jene vor den Kopf, die im Frühjahr, als es um die Kanzlerkandidatur ging, zu seinen eifrigsten Unterstützern zählten. Söder hat ein feines Gespür für Stimmungen. Er mag gewittert haben, dass er in Münster nicht unbedingt mit Jubel empfangen worden wäre. Deutliche Kritik hatte Söder schon vergangenen Samstag bei der bayerischen JU zu hören bekommen. Unser Absteiger.
In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin entscheiden sich die Sozialdemokraten für Linksbündnisse. "Erstaunlich, dass die SPD hier wie dort der Linken den Rettungsring zuwirft", kommentiert Parlamentskorrespondent Markus Decker für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Und noch erstaunlicher sei es, dass Manuela Schwesig und Franziska Giffey ihre Präferenz direkt vor der Ampel-Entscheidung auf Bundesebene publik machten. "Das könnte die FDP, die mit einer positiven Entscheidung einen ,Lager'-Wechsel vollzöge, in der Furcht bestärken, einem Linksrutsch der Republik die höheren Weihen zu geben. Auch gegenüber dem Fast-SPD-Kanzler Olaf Scholz sind die Voten der Parteifreundinnen ein ziemlich unfreundlicher Akt", schreibt Decker. Lesenswert!
Kritik an Schwesigs Entscheidung gegen die CDU und für die Linke übt auch FAZ-Redakteur Daniel Deckers. "Dies sagt mindestens so viel über den Charakters Schwesigs aus wie über den der SPD. Die hätte nämlich auch im Bund alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mit Grünen und Linkspartei eine Koalition zu bilden, wenn die Wähler ihr diese Option ermöglicht hätten", kommentiert Deckers. Giffey habe in Berlin wiederum nicht die Macht, "ein Regierungsbündnis anzustreben, in dem Platz auch nur für eine einzige Partei der bürgerlichen Mitte wäre, sei es die CDU, sei es die FDP". Pointiert!
Heute gratulieren wir herzlich:
Jan Kretschmer, Berater und Inhaber Jan Kretschmer Consulting, 44
Markus Grübel, CDU-Bundestagsabgeordneter, 62
Julian Pahlke, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 30
Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg, 38
Der neu in den Bundestag gewählte SPD-Politiker Sebastian Fiedler hat im Deutschlandfunk die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene gefordert. Der frühere Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter plädiert in der Debatte um eine Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum für eine liberalere Haltung in der Strafverfolgung.
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